Der Kreis an Operninteressierten hier scheint ja auf einen minimalen Teil geschrumpft zu sein. Vielleicht findet sich dennoch der ein oder andere der sich für einen Bericht aus Wien interessiert.
Die April-Serie von Puccini's Madama Butterfly an der Wiener Staatsoper trumpfte jedenfalls mit einer großartigen Titelheldin auf. Die Chinesin Hui He gilt ja ohnehin als DIE Butterfly unserer Tage. Diesem Ruf wurde sie abermals gerecht. Hui He besitzt alles was man für die Cio-Cio-San braucht. Sie hat das Volumen, und dies ist wirklich beachtlich, um auch über die größten Orchesterwogen stimmlich hinwegzukommen. Die dramatischen Ausbrüche gelangen ihr ganz fabelhaft und die Höhen erklangen wirklich prächtig. Genauso überzeugend waren aber auch ihre lyrischen Fähigkeiten und ihre Piani. Es ist schon erstaunlich mit welcher Leichtigkeit und Sicherheit diese hervorragende Sopranistin vom zärtlichsten Piano in ein dramatisches Forte wechseln kann. Gesangstechnisch ist das wirklich vom Feinsten. Hui He hatte zu keinem Zeitpunkt ein Problem mit dieser so anspruchsvollen Partie. Auch in ihrem Spiel war sie sehr berührend. Die Rolle der Cio-Cio-San hat sie regelrecht verinnerlicht.
Leider war ihr Pinkerton so gar nicht auf ihrem Niveau. Der US-Amerikaner Bryan Hymel verfügt über einen sehr hart klingenden und unflexiblen Tenor, der es ihm gar nicht erst ermöglicht so etwas wie Puccini-Schmelz zu erzeugen. Seine Stimme harmonierte nur wenig mit Hui He's schönstimmigen Sopran. Hymel erkämpfte sich zwar eindrucksvoll so manchen Spitzenton, doch diese Töne klangen leider oft auch sehr gepresst. Eine Stimme für Puccini ist das nicht.
Der beste männliche Sänger des Abends war Markus Eiche als Sharpless. Dieser wunderbare deutsche Bariton, der einige Jahre zum Ensemble in Wien gehörte, stattete seine Partie mit derart schönen Baritonklängen aus, dass man sich schon fast eine eigene Arie für den Konsul gewünscht hätte. Eiche fehlte es vielleicht an manchen Stellen (noch) an der nötigen Durchschlagskraft, doch die positive Entwicklung die dieser Sänger durchgemacht hat, war akustisch deutlich zu vernehmen. An welchem deutschen Haus hat Eiche eigentlich seine Anfänge gehabt? Hier im Forum ist er ja trotz seines inzwischen internationalen Erfolges immer noch relativ wenig bekannt oder zumindest wenig diskutiert.
Zoryana Kushpler war als Suzuki ideal besetzt. Ihr Mezzo kam in der Partie sehr gut zur Geltung.
Die Nebenrollen wurden gut gesungen und auch das Dirigat von Jonathan Darlington war zufriedenstellend. Er ließ genug Emotionen aus dem Orchestergraben zu, ohne die herrliche Musik Puccini's zu sehr zu verkitschen. Gleichzeitig war er den Sängern ein guter Begleiter.
Ach ja, bei der Inszenierung handelte es sich übrigens immer noch um die älteste Produktion der Wiener Staatsoper. Sie stammt aus dem Jahre 1957 und erzählt die Geschichte natürlich so wie sie im Libretto steht und in adäquaten Kostümen und Kulissen. Ist ja heute keine Selbstverständlichkeit mehr.
Und wer die Möglichkeit hat einmal Hui He als Butterfly zu sehen - unbedingt Hingehen, HINGEHEN, HINGEHEN!!!!
Gregor