Ist das schönste an Arabella deren Name? Die Strauss-Oper am 04.06.14 in der Hamburgischen Staatsoper

  • Nein, Arabellas Noten klingen auch sehr schön, wenn die entsprechende Sängerin zur Verfügung steht. Heute sang Camilla
    Nylund
    die Strausspartie, mit warmer, in der Höhe aufblühender Stimme und stellte sich mit ihrer Leistung in die Reihe großer
    Vorgängerinnen in diesem Hause wie Gundula Janowitz, Lucia Popp oder Anja Harteros. Ihre Schwester Zdenka sang Katerina
    Tretyakova
    , tadellos, aber stimmlich nicht so berührend, wie man es sich wünschen könnte. Worum geht es in diesem Stück
    eigentlich, ein spielsüchtiger bankrotter Graf verschachert seine Tochter (Arabella) an einen reichen Bärentöter (Mandryka) und
    zieht die zweite Tochter (Zdenka) als Jungen auf, woraus sich mancherlei Verwicklungen ergeben; sonst wäre die Oper ja auch
    zu schnell zu Ende. Der „Bärentöter“ wurde überzeugend von James Rutherford gesungen, den ich ein Jahr zuvor als Hans
    Sachs noch als der Rolle kaum gewachsen erlebt hatte. Das ganze spielt in einem Hotel, zunächst im Zimmer der Familie Waldner,
    dann im Ballsaal und schließlich auf und vor der Hoteltreppe (Zeit: 1930er Jahre, mit heute etwas überholt wirkenden
    „Anzüglichkeiten“ in der Darstellung der Ballgäste, Inszenierung nach Sven-Eric Bechtolf. Die Oper begann hochkarätig mit der
    großvolumigen, immer noch prächtigen Stimme von Cheryl Studer (sie sang die Waldnerin bzw. Adelaide) und der ebenso
    mächtigen, silbrig klingenden Stimme von Katja Pieweck in der kleinen Rolle der Kartenaufschlägerin. Die Besetzung dieser
    kleinen Rolle mit einer Sängerin, die am selben Haus vor wenigen Wochen eine stupende Ariadne sang, spricht für die hohe
    Besetzungskultur in dieser Arabellaserie. Wenn man von den schönen, eher lyrischen als jugendlich-dramatisch klingenden
    Partien der Arabella absieht, war der Waldner des Schweizer Bass-Baritons Alfred Muff am eindrücklichsten, von der
    Stimmpräsenz und auch seinen darstellerischen Fähigkeiten her. Der arme Matteo, der Arabella liebt und sich zum Schluss
    nolens volens mit deren Schwester, den er für seinen Freund hielt, zufrieden geben muss, wurde von Stephan Rügamer
    gesungen, soweit man bei den Vorgaben des Komponisten (der ihn quasi als Dauerschreier abstempelt) überhaupt von
    singen sprechen kann (eigentlich sollte jeder einigermaßen helle Tenor - damit ist nicht die Stimmfärbung gemeint - diese
    stimmlich schwere, aber äußerst undankbare Rolle ablehnen). Für die Koloraturen der Fiakermilli war Sumi Jo engagiert.
    Ob sie gut gesungen hat, will ich gar nicht beurteilen. Die Rolle ist sehr schwer, sie bedarf offensichtlich einer ausgefeilten
    Koloraturtechnik, ist aber klanglich nicht wirklich schön und zudem so kurz, dass man sich fragt, warum Richard Strauss
    nicht an die zu zahlenden Gagen gedacht hat. Die Sängerin der Fiakermilli wäre sicher nicht teurer, wenn sie mehr und
    schöneres zu singen hätte. Als weitere Verehrer Arabellas standen Chris Lysack (Elemer), Vincenzo Neri (Dominik) und
    Alin Anca
    (Lamoral) zur Verfügung. Insgesamt war es eine schöne, vom Publikum viel beklatschte Aufführung. Stefan
    Soltesz dirigierte das Philharmonische Staatsorchester mit viel Rücksicht auf die Sänger.

    Oper lebt von den Stimmen, Stimmenbeurteilung bleibt subjektiv

  • Arabella ist wirklich ein schöner Name und die Oper hält für mich nicht ganz, was der Name verspricht... ;)


    Ara-bella...


    Schöner Papagei, armer Papagei... :D

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Zeit: 1930er Jahre


    Habe ich das richtig verstanden? Der Regisseur Sven-Eric Bechtolf verlegt die Handlung in diese Zeit? Das ging aus Deinem schönen Beitrag nicht eindeutig hervor.


    Gruß Rheingold


    P.S. Ein Bild aus dieser Inszenierung habe ich gefunden, das nach 1930er Jahre aussieht. Das geht natürlich bei diesem Stück überhaupt nicht.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Die Erstaufführung der jetzigen Produktion war 2008 (Koproduktion mit der Wiener Staatsoper), das Bühnenbild lässt sich stilistisch ziemlich eindeutig auf die Zeit zwischen Fertigstellung des Librettos und der Uraufführung datieren, dafür sprechen auch die angedeuteten sexuellen Freizügigkeiten, die den Ballakt im Hintergrund charakterisieren. Da dem Ballakt die der Musik entsprechende Opulenz fehlte, wirkte er im Gegensatz zum ersten und dritten Akt allerdings etwas langatmig. Warum die Geschichte aber in die 1860er Jahre transponiert werden soll, erschließt sich mir nicht zwangsläufig. Arabellas Empfindungen sind durchaus modern bzw. zeitlos, sie hat es nur nicht nötig, sich gegen den Kuhhandel zu wehren, sie steht darüber, wenn man der Musik folgt. Eigentlich geht es in dieser Oper nur um Mädchenempfindungen und um Abschied von der Jugend. Dafür hat Strauss seiner Arabella prächtige und treffende Melodien komponiert, alles andere kann man im Grunde vergessen.
    Deshalb könnte Arabella auch in der Jetztzeit spielen, denn ihre Empfindungen sind auf alle Zeiten übertragbar. Im Übrigen dürfte das Verschachern der einen und das Verkleiden der anderen Tochter auch in den 1860er Jahren zumindest ungewöhnlich gewesen sein, vor allem aber das „Sichhingeben“ der Zdenka. Insgesamt meine ich, dass sich die Oper Arabella nur um der Arabella wegen lohnt, und das auch nur, wenn eine entsprechend fähige und überzeugende Sängerin für die Partie zur Verfügung steht. Camilla Nylund hat diesen Anspruch in meinen Augen voll erfüllt.

    Oper lebt von den Stimmen, Stimmenbeurteilung bleibt subjektiv

  • Lieber Frank, danke für Deine ausführliche Antwort. Gelegentlich der Salzburger ARABELLA gab ja es bereits eine Debatte um diese Oper, deshalb möchte ich nicht wiederholen oder weiterführen, was damals gesagt wurde. Im Thread über die historischen Kostüme werden ja bereits die Beiträge gezählt, um darauf harsche Schlüsse zu ziehen. Die Diskussion über Oper ist und bleibt in diesem Forum leider ein ziemlich vermintes Feld.


    LG Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Deshalb könnte Arabella auch in der Jetztzeit spielen, denn ihre Empfindungen sind auf alle Zeiten
    übertragbar


    Die Empfindungen schon, aber die Art, diese in Worte zu kleiden eher nicht.
    Vor Allem Mandrykas herrlicher, oder besser gutsherrlicher Wortschwall könnte heutzutage etwas parodisch wirken.


    Wenn schon das Schönste an der Oper der Titel ist, dann lasst ihn auch in all seiner nostalgischen Pracht erblühen, auf dass wir und spätere Generationen bei der Namenswahl unserer Kinder nicht mehr ausschließlich auf den Import von Übersee angewiesen sind.


    Hätte Herr von Hofmannsthal seine Heldin Klothilde oder Kunigunde genannt, wäre jeder Gedanke an eine Modernisierung ohnehin schon im Keime erstickt worden.

  • Im Übrigen dürfte das Verschachern der einen und das Verkleiden der anderen Tochter auch in den 1860er Jahren zumindest ungewöhnlich gewesen sein, ...


    Das "Verschachern" von schönen Töchtern ist wohl eine zeitlose Sache (in welche Form konkret sie auch immer abläuft), das Verkleiden der jüngeren Tochter war aber eine Sparmaßnahme, die für 1860 argumentierbar, für 1930 jedoch praktisch auszuschließen ist. In früheren Zeiten mussten heiratsfähige Töchter von Stand "in die Gesellschaft eingeführt werden", was für die Familie u.a. ein teures "Vergnügen" war. Die Waldners hatten eigentlich nicht einmal das Geld für die ältere Tochter, geschweige denn für beide. Erst durch eine lukrative Verheiratung der älteren Tochter hätte man die Mittel für eine adäquate Ausstattung der jüngeren erhalten...

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Das Schönste an der Arabella nebst ihrer wunderbaren Musik ist und war (nicht nur) für mich die unvergleichlich schöne, höchst elegante und faszinierende Lisa Della Casa - daran führt kein Weg vorbei.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Ich möchte Milletre hier zustimmen: Die Musik zu Arabella ist wirklich großartig (Hofmannsthal sollte, nach Strauss, einen Text verfassen, der durchaus eine Kopie des "Rosenkavalier" sein durfte) und Lisa della Casa ist noch heute der Inbegriff der Arabella (wie Anneliese Rothenberger die Zdenka). Ich habe, ganz sicher im Gegensatz zu Milletre, Lisa della Casa nie auf der Bühne erlebt, aber die beiden Aufnahmen von der "Arabella" (Solti/Studio und Keilberth/Live) mit der Schweizerin sind der hörbare Beweis - ich kann mich nicht entscheiden, welcher der Vorzug gehört. Ich liebe sie beide - auch wegen der Güden bei Solti als Zdenka...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Eine weitere offizielle "Arabella" mit Lisa Della Casa ist diese:

    Und dann gelangt eine Salzburger Produktion von 1958, die in der Besetzung mit der Münchener (1964) überein stimmt, durch Orfeo auf den Markt:

    Ja, so gehört sich das gesungen! Wir Recht ihr habt! Ich beschäftige mich auch seit vielen Jahren mit diesem Werk und habe einzig durch diese Sängerin erfahren, was es damit auf sich hat.


    Herzlich grüßt Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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