Um „Fischer“ gab es lange Verwirrung, denn es gab mehrere Fischers, die im ausgehenden 17. und in der ersten Hälfte des 18. Jh. als Musiker und Omponisten tätig waren. Da man die Daten alle in einen Topf warf, kamen abenteuerliche Biografien zustande.
Erst in den 70er Jahren des letzten Jh. setzte sich die Wissenschaft etwas ernsthafter mit „Fischer“ auseinander, und es erschien eine Reihe von Aufsätzen zu Fischer in den einschlägigen Zeitschriften. Rudolf Walters Bio/Monographie von 1990 referiert den Stand der Dinge, noch neuere Erkentnisse gibt es von ihm in der MGG-Neuauflage zu lesen. Seither sind die Verhältnisse zwar klar, es werden aber immer noch viele der alten Irrtümer weiter verbreitet. Erst einmal kurz derjenige, der am häufigsten mit JCFF verwechselt wurde und wird:
Johann Fischer
1646 in Augsburg geboren, Schüler von Capricornus und etwa zwischen 1665 und 1670 in Paris als Notenschreiber Lullys tätig. Später in Stuttgart, Augsburg, Ansbach, dann Kopenhagen, Schwerin als Kapellmeister des Herzogs von Mecklenburg, Stralsund, Stettin, Stockholm und Schwedt als markgräflicher Kapellmeister, wo er um 1716 starb.
Abgedrehter Violinist französischer Observanz mit abenteuerlichen Skordatur-Vorschriften.
Werke: Tafelmusik (Blockfl., Bratsche & B. c.), Sonaten für 2 Violinen & B. c., „Feld- und Heldenmusik auf die Schlacht von Höchstadt“, „Himmlische Seelenlust“ (Arien und Madrigale) etc. pp.
Der richtige Fischer
Johann Caspar Ferdinand Fischer wurde am 6. 9. 1656 im böhmischen Schönfeld geboren. Er absolviert das Piaristen-Gymnasium in Schlackenwerth. Danach macht er offensichtlich Karriere und unterhält Kontakte nach Dresden – Zelenka war auch Böhme – und Prag.
Wahrscheinlich 1686 wird er Hofkapellmeister des Herzogs von Sachsen-Lauenburg. Kurz darauf ist er bereits hochfürstlicher markgräflicher badischer Kapellmeister, bleibt aber zunächst in Böhmen, weil die Verhältnisse im Badischen infolge des Pfälzischen Erbfolgekrieges nicht so sind, wie sie sein sollten. Erst 1715 folgt er seinem Dienstherren in die neu erbaute Residenz nach Rastatt. Er behält sein Amt bis zu seinem Tod 1746, also bis in sein 90. Lebensjahr.
Ein Aufenthalt in Paris kann nicht belegt werden, ist auch nicht allzu wahrscheinlich. Es wurde ihm aber eine andere besondere Ehre dort zuteil: Sein „Journal de Printemps“ (acht Orchestersuiten, 1695) ist vollständig in die Collection Philidor aufgenommen worden, eine handschriftliche, vielbändige Sammlung der am Hofe gespielten Musik. Damit ist er der einzige „deutsche“ Vertreter und einer von zwei ausländischen Komponisten darin – der andere ist Cavalli mit der Oper „Xerxes“.
Fischers Kompositionen waren zu seinen Lebzeiten bekannt und beliebt. Seine gedruckten Werke erlebten mehrere Auflagen kurz hintereinander. Auch von seinen Kollegen wurde er hoch geschätzt.
Wie er ausgesehen hat, wissen wir nicht.
Wo kann man ihn stilistisch einordnen? Gar nicht so einfach.
Er hat im „Journal du Printemps“ (gedruckt 1695), einer Sammlung von acht groß besetzten Orchestersuiten, das Modell Lullys aufgenommen, verfährt allerdings kompositorisch anspruchsvoller, indem er etwa die Mittelstimmen erheblich aufwertet und die Oboen nicht durchgehend unisono mit den Violinen spielen lässt. Hier zeigt er auch, was ein Fischer mit den Ostinato-Modellen Passacaglia und Chaconne anstellen kann, und wird damit konkzurrenzlos.
Die 20 kürzeren Präludien und Fugen (Ariadne Musica, 1702) durch fast alle Tonarten für Orgel sind möglicherweise als Gebrauchsmusik für Gottesdienste im böhmischen Stift Tepl entstanden. Die Verwendung auch der entlegeneren und vorzeichenreicheren Tonarten lässt den Schluss zu, dass es hier auch um den Beweis der Tauglichkeit einer nichtmitteltönigen, gemäßigteren Stimmung ging – und das 20 Jahre vor dem Wohltemperierten Klavier. Bach zitiert bisweilen daraus, übernimmt einzelne Motive und sogar ganze Themen.
Der „Blumenstrauß“ (um 1735 gedruckt, entstanden wahrscheinlich um 1700) besteht aus acht Suiten für die Orgel durch die Kirchentonarten. Die Satzfolge ist immer dieselbe: Präludium, sechs Fugen, Finale. Es handelt sich wohl ebenfalls um Musik für böhmische Gottesdienste.
Dazu kommt ein ziemlich umfangreiches Oeuvre an geistlicher Musik, das vom Hymnus für Chor, zwei Violinen & B. c. (1680) über „Vesperae seu Psalmi vespertini“ (1701) bis zu den „Lytaniae Lauretanae VII“ (1711) reicht, beides Sammlungen unterschiedlich besetzter geistlicher Musik. Oft fühlt man sich an Fux oder Zelenka erinnert, manchmal scheint Bach durch, und dann wieder klingt der Chorsatz ein bisschen französisch.
Für die Clavieristen wichtig sind die Suitensammlung „Musicalischer Parnassus“ für Cembalo (1738 ) und ein Band meist kleinerer Stücke „Musicalisches Blumen-Büschlein“ (1696), in dem er ausdrücklich auch das Clavichord zur Ausführung empfiehlt.
Im Parnassus überträgt er das französische Suitenmodell aufs Cembalo, stellt aber immer ein Präludium voran, das sich oft am clavecinistischen non-mesuré orientiert. Manchmal klingen da die Eltern der Chromatischen Fantasie durch, dann wieder meint man, dass er auch seinen Buxtehude gekannt hat. Das Präludien-Suiten-Modell haben Bach und Händel, der Fischer ebenfalls öfter zitiert, übernommen.
In den folgenden Sätzen folgt er nicht dem Schema der Frobergerschen Suite (Allemande, Courante, Sarabande, Gigue), sondern wieder französischen Vorbildern, indem er unterschiedlich viele und völlig andersartig charakterisierte Sätze einander folgen lässt. Zwei der neun Suiten enden mit einer Chaconne bzw. Passacaglia, die zu den Höhepunkten barocker Cembalomusik gehören.
Fischers nicht gedruckte Werke aus der Rastatter Zeit gelten allesamt als verloren, was einen enormen Verlust bedeutet, denn Fischer hat in diesen über 30 Jahren die Musik bei den Gottesdiensten, bei Festlichkeiten und zwei wöchentliche Konzert- und Kammermusikveranstaltungen geleitet und wohl auch zu einem Gutteil mit eigenen Kompositionen ausgestattet.
Allerdings liegen hier und da verstreut noch ungesichtete Manuskripte und Drucke, die wohl mit ihm zu tun haben könnten und noch begutachtet werden müssen. So gibt es einen Druck eines "Concerto p. le Clavecin av. Acc.“ eines gewissen „Fischer“ von „17..“ (Rest unleserlich). Wer weiß, was sich dahinter verbirgt?
Eine Schubladisierung Fischers ist schwierig. Vielleicht ist ihm gelungen, was in Frankreich – weil ja in Frankreich – nicht gelingen konnte, die Vereinigung der Geschmäcker. Er war kein Lullist, sondern einer der kompetentesten Vertreter des „vermischten Geschmacks“, der sich bei allen Vorbildern bediente, die ihm qualitativ geeignet erschienen. Dass er daneben ein ausgesprochen „starker Fugist“ war, ist zu dieser Zeit eine Selbstverständlichkeit.
Dazu kommt sein Genie als Motiviker und Melodiker. Besonders in seinen Cembalokompositionen legt er eine Originalität an den Tag, die ihn mindestens an die Seite Rameaus stellen. Allerdings kommt bei den großen Ostinato-Variationen Chaconne und Passacaglia auch kein Rameau mehr mit.
Damit das hier nicht zu sehr ausufert, kommen die Einspielungen Fischerscher Werke später – gleiche Welle, gleiche Stelle.
edit: Johann Fischer war nur 5 Jahre bei Lully, nicht 105