Der unmögliche Traum - Mitch Leighs MAN OF LA MANCHA

  • Das Musiktheater kennt viele Versionen der klassischen Geschichte des Ritters von der traurigen Gestalt von Purcell und Telemann über Massenet und Kienzl bis hin zu Hans Zenders DON QUIJOTE DE LA MANCHA von 1993. Wohl keine war aber international auch nur annähernd so erfolgreich wie Mitch Leighs Musicalfassung MAN OF LA MANCHA nach einem Fernsehdrama von Dale Wassermann, das 1965 mit Richard Kiley in der Titelrolle in New York Premiere hatte. Schon 1968 wurde es in einer deutschen Fassung von Robert Gilbert, dem Sohn des Operettenkomponisten Jean Gilbert (DIE KEUSCHE SUSANNE u.a.) an das Theater an der Wien übernommen. Regie führte damals Dietrich Haugk, und die Titelrolle spielte kein Geringerer als Josef Meinrad, bei dem man aber wahrscheinlich musikalisch einige Abstriche machen musste (ich kenne die Produktion nicht).


    Die schnelle Übernahme zur damaligen Zeit legt bereits nahe, dass es sich bei diesem nominellen Musical eher um eine Operette handelte, wofür nicht nur der Stoff spricht, sondern auch die Leichtigkeit, mit der das Stück von Opern- und Operettenstars interpretiert enden kann. Letztlich aber ist dem begeisterten Publikums des Stückes gleichgültig, was es ist. Wichtig waren ihm nur die zahlreichen Hits des Werkes: "I, Don Quijote, the Man of La Mancha", "Dulcinea", "I'm only thinking of him", "Golden helmet of Mambrino" und natürlich To dream the impossible dream". Seltsam, dass es Mitch Leigh, der unter anderem bei Paul HIndemith Musik studiert hatte, zwar noch fünfmal versuchte, mit einem weiteren Musical zu reüssieren, jedoch keines davon jemals über den Broadway hinaus gelangte. Lediglich das im Karneval von Rio angesiedelte SARAVÁ von 1979 brachte es wenigstens auf 101 Vorstellungen, ist heute aber ebenfalls so total vergessen wie seine drei Jahre ältere musikalische Komödie HOME SWEET HOMER, die schon nach einer Vorstellung schließen musste. Eine typische Eintagsfliege also, aber was für eine!


    Die Handlung darf ich zumindest in groben Zügen wohl als bekannt voraussetzen, wobei Leigh Wassermanns geschickten Kunstgriff auf seiner Seite hat, das ganze als eine Folge von Fantasien des von der Inquisition zwecks Verhör ins Gefängnis geworfenen Cervantes aufzubereiten. Statt der Inquisition verhören ihn seine Mitgefangenen, mit denen er (Echos von Peter Weiss' Jean Paul Marat...?) einzelne Stationen seines Buches inszeniert. Das erlaubt zahlreiche Sprünge, nicht nur zwischen den unzusammenhängenden Abenteuern, sondern auch zwischen den Zeit- und Realitätsebenen, die Leigh und seine Librettisten Dale Wassermann und Joe Darion (Songtexte) mit großem Geschick nutzten. So wird eine Insassin des Kerkers (früher waren die wohl gemischt, weil die Inquisition anscheinend nichts gegen die Unzucht hatte, solange sie von Verurteilten im eigenen Kreise betrieben wurde), die Hure Aldonza, von Cervantes/Quijote zur schönen Dulcinea stilisiert und besungen.


    Dieses Musical steht und fällt mit einem starken Cervantes/Quijote, und fast alle Einspielungen können damit aufwarten. Natürlich bleibt die originale Broadway-Einspielung mit dem grandiosen Richard Kiley eine erste Wahl, zumal wenn man sie preiswert bekommt:



    Aber auch die Einspielung mit der absoluten Luxusbesetzung Placido Domingo, Julia Migenes, Samuel Ramey, Jerry Hadley und Mandy Patinkin hat große Meriten, obwohl Domingo hier eine eigentlich für Bariton gedachte Rolle okkupiert und zuweilen transponiert. Paul Gemignani holt jedoch ein Optimum aus dem Orchesterpart heraus, und auch die anderen Mitwirkenden zeichnen sich gegenüber anderen der Vergleichseinspielungen aus. Die derzeit preiswerten Schnäppchen im Marketplace lohnen also.



    Abzuraten ist dagegen von der langweiligen Filmversion Arthur Hillers trotz der tollen Besetzung mit Peter O'Toole (synchronisiert von Simon Gilbert) und Sophia Loren, die immerhin selbst singt, und das sogar ganz ordentlich. Da der die Geschichte aber nur sehr einfallslos bebildert und die Musik auch noch in der üblichen Hollywoodbreitwandsoße ertränkt wird, gibt es wenig Grund, sich an diese Einspielung zu halten, wenn man nicht unbedingt das Musical als Film sehen will.


    Welche ERinnerungen habt Ihr an das Musical?


    :hello: Jacques Rideamus


    Dieser Text wurde auf der Basis einer Rätsellösung erstellt, die sich in diesem Thread findet:


    Der Lösungsthread zu "Grisetten, Treulose, Kurtisanen - Das erste luderliche Rätsel"

  • Hallo,


    MAN OF LA MANCHA gehört zu meinen Lieblingsmusicals. Ich würde das Stück gerne einmal live auf der Bühne sehen, aber offensichtlich wird es sehr selten gespielt. In guter Erinnerung habe ich eine Fernsehaufzeichnung mit Josef Meinrad und Damar Koller, die vor langer Zeit einmal im TV lief.


    Die Aufnahme mit Placido Domingo gefällt mir nicht so gut. Ich halte Domingo für eine totale Fehlbesetzung. Julia Migenes ist jedoch hervorragend. Allein wegen ihr lohnt sich die CD.


    Die Filmversion finde ich gar nicht einmal so schlecht, allerdings ist die Tonqualität (selbst auf der DVD) grauenhaft.


    Viele Grüße
    Frank

  • Das Stück lief jahrelang mit großem Erfolg in Wien, erst mit Josef Meinrad, später dann mit Karlheinz Hackl - beide primär großartige Schauspieler mit passablen Stimmen. Aber auf Ohrenschmaus war das auch nicht ausgerichtet, sondern auf Eindringlichkeit und psychologische Verdichtung. Dagmar Koller fand hier die Rolle ihres Lebens. Die drei haben die allgemeine Vorstellung von diesem Musical so stark geprägt, daß es wohl schwer sein wird, es in absehbarer Zeit wieder in Wien zu präsentieren.


    LG


    Waldi

  • Lieber Waldi,


    die drei hier erwähnten Versionen des "Mann von La Mancha" habe ich schon auf CD, d.h. das Original, die Fassung mit Domingo und die Fassung mit Josef Meinrad, die ich übrigens ziemlich gelungen finde. Normalerweise will ich Musicals nur in der Originalsprache.
    Jetzt mag ich aber den Karlheinz Hackl besonders und wollte fragen, ob es da mal eine Aufzeichnung in Bild oder Ton gab. Wahrscheinlich wieder mal nicht, aber fragen kostet ja nichts. Ist Dir was bekannt?


    Danke im voraus und liebe Grüße aus München


    Kristin

  • Der belgische Bariton Jose van Dam hat sich vor 10 Jahren für eine französische Version des Musicals eingesetzt (frz. Textbearbeitung: Jacques Brel)
    Das wurde dann in Lüttich realisiert - mit beachtlichem Erfolg beim Publikum. Die Fernsehübertragung ist wohl zwischenzeitlich auch auf DVD erhältlich gewesen, scheint aber im Moment nicht verfügbar zu sein, und auch die Audio-CD ist nur schwer erhältlich:



    Aufnahme: 1998, Liège
    Dirigent: Patrick Baton
    Orchestre de l'Opéra de Wallonie Liège
    Choeur de l'Opéra Royal de Wallonie de Liège


    Aldonza: Alexise Yerna
    Anselmo: Guy Cabelle
    Antonia: Anne-Catherine Gillet
    Barbier: Philippe Ermelier
    Captain of the inquisition: Serge Swysen
    Cervantes: José van Dam
    Chevalier au miroir: Patrick Vilet
    Doctor Carrasco: Patrick Vilet
    Don Quichotte: José van Dam
    Duke: Patrick Vilet
    Dulcinée: Alexise Yerna
    Father: Jacques Duparc
    Fermina: Christine Solhosse
    Innkeeper: Oliver Grand
    José: Atoine Garcin
    Juan: Maurice Xiberras
    Le Gouverneur: Oliver Grand
    Maria: Palmina Grottola
    Muezzin Sulman: Stephen Laird
    Nurse: Christine Solhosse
    Paco: Antoine Normand
    Pedro: Léonard Graus
    Sancho Pansa: Georges Gautier
    Tenono: Lillo Farrauto
    Un muletier guitariste: Eric Medol


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • "Der Mann von La Mancha" ist mein Favorit unter den Musicals, die ich selbst auf der Bühne oder in Fernsehübertragungen erlebt habe. Das liegt vermutlich daran, dass mich dieses Musical nicht nur von der Musik her oder auch inhaltlich anspricht. (Gerade wegen der verschiedenen zeitlichen Ebenen und Sichtweise ist da einiges an Potential erhalten.


    Den Film mit Peter O'Toole und Sophia Loren habe ich seinerzeit im Fernsehen gesehen und sehr enttäuschend gefunden. Ich würde das allerdings der ziemlich hölzernen und einfallslosen Regie ankreiden, der es eindeutig nicht gelingt, zwischen Bühne und Realszenen einen Spagat zu schlagen. Wie eine Lösung dieses szenischen Problems hätte aussehen können, lässt sich am Beispiel der beiden Verfilmungen von "Henry V." von Kenneth Branagh (eine der besten Shakespeare-Verfilmungen überhaupt) und Lawrence Olivier (dessen Verfilmung mir weniger zusagt) gut erkennen. Daneben wäre es auch möglich, wahrscheinlich schlüssiger gewesen, dass Musical im Film überhaupt "auf der Bühne" zu lassen oder daraus eine Realverfilmung zu machen, also den Bühnenraum wegzulassen.


    Von der Musical-Version mit Josef Meinrad existiert eine Fernsehfassung, die ich insgesamt sehr gelungen finde. (Partner/in als Sancho Pansa und Aldonza/Dulzinea sind hier der Schauspiler Heinz Petters und die Operettensängerin Dagmar Koller, die ich als Dulzinea seinerzeit auch mit Karlheinz Hackl an der Volksoper erlebt habe).


    Ein Soundtrack der Premierenbesetzung mit Josef Meinrad existiert ebenfalls, hier sind die Partner/innen allerdings der bekannte Schauspieler Fritz Muliar (dessen hell klingende Stimme einen sehr guten Kontrast zu der von Meinrad bildet) und die Schauspielerin Blanche Aubry, die vor allem als "Brecht"-Darstellerin bekannt war. (Sie gibt eine relativ herbe, aber auch sehr kindlich-verletzliche Aldonza.) Musikalisch finde ich diesen Soundtrack sehr gelungen, auch wenn vielleicht nicht jeder Ton korrekt gesungen ist.


    Karlheinz Hackl fand ich als Dichter Cervantes überzeugender als als Don Quichotte.


    Ich habe außerdem noch eine Übertragung voin einer Bühnenaufführung im Fernsehen gesehen, allerdings liegt das schon viele Jahre zurück und ich kann daher keine Auskünfte über die Besetzung geben. Es war aber sehr gute Bühnenaufführung, mit einer recht interessanten Aldonza, die sich von Darstellerinnen wie Koller, Aubry oder Loren deutlich unterschied: ein gestandenes Frauenbild, absolut unattraktiv und stark übergewichtig, eindeutig eine derbe Stallmagd, die mit beiden Beinen auf der Erde ist und daher auch keine wirklichen Illusionen mehr hat. Mit dem romantischen Bild einer Dulzinea hatte sie so gar nichts gemein und ich hatte den Eindruck, dass Don Quichottes Verhalten bei ihr in erster Linie den Beschützerinstinkt geweckt hatte. (Beispiel: die Vergewaltigungsszene, wo sie offensichtlich das Ganze selbst nicht ernst nimmt, aber offensichtlich verhindern will, dass sich der gute Don Quichotte der Realität stellen muss.) Allerdings hatte diese Dulzinea eine wunderbare Stimme.


    Vielleicht hat jemand auch diese Fernsehübertragung gesehen?


    Herzliche Grüße
    Waltrada

    Il mare, il mare! Quale in rimirarlo
    Di glorie e di sublimi rapimenti
    Mi si affaccian ricordi! Il mare, il mare!
    Percè in suo grembo non trovai la tomba?

  • Zitat

    Original von Musikkristin
    Jetzt mag ich aber den Karlheinz Hackl besonders und wollte fragen, ob es da mal eine Aufzeichnung in Bild oder Ton gab. Wahrscheinlich wieder mal nicht, aber fragen kostet ja nichts. Ist Dir was bekannt?


    Liebe Kristin,


    Bekannt ist mir nichts, ich habe ihn nur auf der Bühne erlebt. Der ORF hat sich meines Wissens mit dem Meinradschen Mann begnügt; trotzdem halte ich es nicht für ausgeschlossen, daß eine Hackl-Aufführung zumindest teilweise aufgezeichnet wurde. Ob aber archiviert wurde?


    LG


    Waldi

  • Lieber Waldi,


    danke. Dann werde ich bei Gelegenheit mal beim ORF nachfragen. Probieren kann man es ja. Allerdings sind die so teuer, daß einem die Spucke wegbleibt, wie man bei uns sagt. Ich wollte mal den Film "Erdsegen" haben, der hätte sage und schreibe 95 Euro gekostet, hab ich bleiben lassen.


    Schönen Tag noch aus München


    Kristin


  • Liebe Kristin!


    Fallsesder ORF aufgezeichnet hat, dann wirdes bestimmt so teuer sein, eher mehr, weil die ja nach Minuten rechnen.


    Viel Glück wünscht Dir beim Finden, Peter aus Wien. :hello: :hello:

  • Es gibt noch eine - allerdings nicht leicht zu erhaltende - CBS-Aufnahme des Musicals as dem Jahr 1972:



    "Man of La Mancha"
    MARILYN HORNE & JIM NABORS


    Don Quijote: Jim Nabors
    Sancho: Jack Gilford
    Aldonza: Marilyn Horne
    The Padre: Richard Tucker
    Conductor: Paul Weston
    CBS 1972


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Eigentlich komponierte er hauptsächlich Musik-Spots und Jingles für die Werbeindustrie. Das Musical "Der Mann von La Mancha", das er zusammen mit Dale Wassermann schuf, verschaffte ihm Weltruhm!


    Mitch Leigh (* 30. Januar 1928 in Brooklyn, New York; eigentlich Irwin Michnick) Schüler von Paul Hindemith, amerikanischer Komponist und Theaterproduzent.



    Glückwünsche zum Geburtstag!


    :jubel::jubel::jubel:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)


  • Mitch Leigh (* 30. Januar 1928 in Brooklyn, New York; † 16. März 2014 in Manhattan, New York; eigentlich Irwin Michnick) war ein amerikanischer Komponist und Theaterproduzent.
    Mitch Leigh besuchte die Yale University in New Haven. Dort wurde er unter anderem von Paul Hindemith unterrichtet.
    Sein größter Erfolg war das Musical Der Mann von La Mancha, das er zusammen mit Dale Wasserman (Buch) und Joe Darion (Liedtext) schrieb. Er wurde 86 Jahre alt.



    R. I. P.

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)