Das "Einfache"

  • Ich möchte hier ein neues Thema anreissen (als Neuling sei mir diese ungestüme Tat verziehen...). Mich persönlich interessiert eine Musik der Einfachheit am allermeisten. Mit Einfachheit können nun mehrere Dinge gemeint sein, und ich möchte damit auch eine Erweiterung des Nachdenkens über Schönheit einbringen.
    Ein "klassisches" Beispiel: Schubert, Der Tod und das Mädchen. Der durchgehaltene Rhythmus der Pavane, die wenigen Töne, die die Melodie formen, die einfache Harmonik, das sind für mich solche Aspekte der Einfachheit. Solche Einfachheit durchzieht die Musikgeschichte, und manche Komponisten verschreiben sich ihr ganz und gar. Welche Komponisten haben Euch fasziniert, indem sie solche Einfachheit komponierten? Oder findet Ihr alle die Einfachheit zwar mal ganz nett, aber letztlich eher langweilig? Ist das überhaupt ein Thema?


    Euer gespannt auf Antworten wartender Dschuang-tse

  • Einfachheit, um mit Dostojeskij zu reden : " Gefühl für das rechte Maß", ist für mich auch sehr iwchtig und alles übertrieben pathetische verachte ich.
    Ich sehe das Ideal allerdings in bachscher mUsik.. die ist auch nicht pompös, sondern so ..einfach..
    schon einstimmige sachen wie die Violinpartiten ! genial und "einfach " (also nicht vom Schwierigkeitsgrad... 8o)

  • Zitat

    Original von Max Thomaner
    Ich sehe das Ideal allerdings in bachscher mUsik.. die ist auch nicht pompös, sondern so ..einfach..
    schon einstimmige sachen wie die Violinpartiten ! genial und "einfach " (also nicht vom Schwierigkeitsgrad... 8o)


    Das ist interessant. Warum gerade Bach? Ich empfinde ihn oft eher als komplex... Aber da ist was dran. Gewisse Kompositionen haben diese Einfachheit. Aber Bach als Komponist, der sich Einfachheit als ein Leitmotiv aufs Banner schrieb? Da hätte ich Zweifel...

  • Zitat

    Original von Max Thomaner
    Einfachheit, um mit Dostojeskij zu reden : " Gefühl für das rechte Maß", ist für mich auch sehr iwchtig und alles übertrieben pathetische verachte ich.
    Ich sehe das Ideal allerdings in bachscher mUsik.. die ist auch nicht pompös, sondern so ..einfach..
    schon einstimmige sachen wie die Violinpartiten ! genial und "einfach " (also nicht vom Schwierigkeitsgrad... 8o)


    Salut,


    wenn Du Dein Geschriebenes mal auf den Beginn des Weihnachtsoratoriums beziehst, kann Deine Aussage nicht ganz standhalten... oder?


    @Confuzius: Wir hatten eine ähnliche Diskussion bereits im Themenbereich "eilitäre" Musik oder "Musss Musik schön sein". Eine Ausgliederung macht aber Sinn. Nein, es war sogar im Wie unterscheidet sich gut von schlechter Musik-Thread. Ich zitiere mich selbst:


    Zitat


    Einfache, liedhafte Stücke zeichnet aus, dass der Einfachheit einfach nichts mehr hinzuzufügen ist, eine Komplexität also eher schadhaft wäre.


    bien cordialement
    Ulli

    Als Pumuckl sich zum Frühstück noch ein Bier reingeorgelt hat, war die Welt noch in Ordnung.
    (unbekannt)

  • Zitat

    Original von dschuang-tse


    Das ist interessant. Warum gerade Bach? Ich empfinde ihn oft eher als komplex... Aber da ist was dran. Gewisse Kompositionen haben diese Einfachheit. Aber Bach als Komponist, der sich Einfachheit als ein Leitmotiv aufs Banner schrieb? Da hätte ich Zweifel...


    Cher Dschuang-tse,
    Die Choräle von Bach sind wohl dermaßen bekannt, "Oh Haupt voll Blut und Wunden" wird sogar in deutschen katholischen Kirchen gesungen, daß sie schlicht oft schon im Ohr sind.


    Eine Kollegin hat mal an sich musikalisch völlig unkundigen Kindern einer Grundschule einen Bachchoral zweistimmig eingelernt, der dann regen Beifall erntete. Und ich fand ihn ebenfalls traumhaft schön vorgetragen: vielleicht könnte man sagen: lieber gut und einfach, als schwierig und nicht "so ganz richtig" :) :) :)

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  • Salut,


    der Einfachheit ist ihr Wunder nicht abzusprechen. Nehmen wir doch "einfache" Beispiele:


    Joh. Seb. Bach: WTC I,1 Präludium.


    Das ist wirklich meldodisch, technisch und harmonisch als einfach einzustufen, nicht? Und trotzdem ist es so überaus schön, dass es die Spatzen von den Dächern pfeifen...


    Oder die Vogelfänger-Arie aus der Zauberflöte. Da ist nun wirklich nichts harmonisch oder meldoisch geniales 'dran. Trotzdem ein einfach gutes Stück.


    Wenn man beispielsweise bei Mozart nach dem Genie im Werk sucht, wird man feststellen, dass es die Einfachheit ist, welche die überaus beliebten Werke ausmachen.


    bien cordialement
    Ulli

    Als Pumuckl sich zum Frühstück noch ein Bier reingeorgelt hat, war die Welt noch in Ordnung.
    (unbekannt)

  • Hallo Dschuang-tse,


    hier haben wir schon ein wenig über ein schlichtes und doch grandioses Werk diskutiert. Oder sind immer noch ein ganz klein wenig dabei...


    Es geht um den Bolero...


    Gruß, Maik

    Wie ein Rubin auf einem Goldring leuchtet, so ziert die Musik das Festmahl.


    Sirach 32, 7

  • Hallo Maik.
    Bolero ist schwer mit Worten zu beschreiben, denke ich, es soll auf maurische Einflüsse zurückgehen, sicher ein nicht nur bekanntes Stück, sondern auch ein extrem geniales, das seine Berühmtheit wohl beidem verdankt.
    LG Mike

  • Lieber Dschuang Tse,


    ein wirklich schönes Thema, was Du da angeschlagen hast.


    Mir geht es persönlich so, daß mir ein musikalisches Thema meist in der Urgestalt am besten gefällt. Die Variation bringt eine Verkomplizierung, aber meist keine Verbesserung.


    Also zwei Beispiele: Das Hauptthema des Finales aus der Gasteinersonate von Schubert ist sehr schlicht, zugegeben, aber auch sehr schön. So einfach kommt es dann nicht mehr wieder, sondern vielseitig variiert. Sicher nicht schlecht, aber mir hätte es weit besser gefallen, es noch mal in der Urgestalt zu hören. Im langsamen Satz von Bruckners 5. finde ich das 2. Thema wirklich überirdisch schön. Wenn das Thema dann wieder kommt, kommt eine zusätzliche Stimme dazu ( wenn ich mich richtig erinnere, hab das jetzt lange nicht mehr gehört). Das klingt auch sehr schön, aber das "Urerebnis" bleibt für mich die "einfachere" Variante.


    Solche Erfahrungen habe ich glaube ich schon häufiger gemacht, auch bei den größten Komponisten. Das Ärgerliche daran ist, daß ein Komponist etwas "steigern" will, was aber oft genug schief geht, weil nämlich dieses "steigern"l zur kompisitorischen Pflichtaufgabe wird, der man die Pflicht anhört, was im allerschlimmsten Fall als "Mache" klingt, oder auch als Bombast. Mit solchen schlimmen Dingen will ich Schubert und Bruckner jetzt natürlich nicht in Verbindung bringen. Und oft genug geht das Konzept ja auch auf, aber wohl durchaus nicht immer.


    Gruß Martin

  • Zitat

    Original von Martin_2
    Das Ärgerliche daran ist, daß ein Komponist etwas "steigern" will, was aber oft genug schief geht, weil nämlich dieses "steigern"l zur kompisitorischen Pflichtaufgabe wird, der man die Pflicht anhört, was im allerschlimmsten Fall als "Mache" klingt, oder auch als Bombast. Mit solchen schlimmen Dingen will ich Schubert und Bruckner jetzt natürlich nicht in Verbindung bringen. Und oft genug geht das Konzept ja auch auf, aber wohl durchaus nicht immer.


    Lieber Martin, ich kann verstehen was Du meinst. Allerdings wäre ich immer vorsichtig, wenn es darum geht zu sagen, was der Komponist "will". Oft genug muss er eher, auch aus vorgeprägten formalen Zwängen. So ist es ein (mir absolut verständliches) Ideal, nicht zweimal dasselbe zu sagen. Wir haben seit Goethe das Ideal der Pflanzengenese, also des Wachsens an sich als ästhetisches Qualitätsvorbild. Natürlich muss das nicht das einzige sein (ist es ja auch nicht). Aber das wird der Grund sein, warum Komponisten Variation bevorzugen. Steigerung halte ich hier für einen missverständlichen Begriff. Es ist Veränderung und damit die Nachahmung eines natürlichen Flusses (in den man laut Heraklit "nicht zweimal steigen kann").

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  • Ohne das Komplexe gibt es auch kein Einfaches. Deshalb brauche ich ein Spannungsfeld zwischen beidem. Sonst empfinde ich ein Stück als einseitig, im Extremfall langweilig.


    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Zitat

    Original von salisburgensis
    Ohne das Komplexe gibt es auch kein Einfaches. Deshalb brauche ich ein Spannungsfeld zwischen beidem. Sonst empfinde ich ein Stück als einseitig, im Extremfall langweilig.


    Thomas


    Salut, Tommasius Salisburgensis!


    Wie empfindest Du Joh. Seb. Bach: WTC I,1 P ?


    sans, souci
    Ulli

    Als Pumuckl sich zum Frühstück noch ein Bier reingeorgelt hat, war die Welt noch in Ordnung.
    (unbekannt)

  • Hallo Ulli,


    jetzt landen wir wieder beim Thema Musik und Schönheit, aber ich kann´s nicht trennen.


    Ich finde das erste Präludium aus WTC1 ist an der Grenze zur Langweiligkeit. Schön ist es allemal, aber eben nur schön, langweilig schön sozusagen. Und nicht nur sämtliche Spatzen pfeifen es von den Dächern, sondern auch etliche Handys. :wacky: Übrigens, das Präludium der ersten Cello-Solo-Suite von Bach ist ganz ähnlich gestrickt.


    Aber zum Glück gibt es ja noch die zugehörige Fuge. Und die reißt das ganze wieder raus. Schließlich ist das Präludium, der Name sagt es schon, "nur" das Vorspiel zu dieser Fuge.


    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Zitat

    ...ganz ähnlich gestrickt...


    Salut,


    das "Strickmuster" hat Bach in der Tat häufiger verwendet. Auch das Präludium Cis-Dur [ich habe jetzt nicht im Kopf, ob I oder II] ist ganz Baugleich mit leicht abgewandeltem Thema.


    Ich finde aber gerade diese "einfache Schönheit" klasse! Es wird sogar ein wenig "Spannung" durch die unaufgelösten Dissonanzen erzeugt, aber natürlich gibt es weitaus tiefgründigere Werke, dennoch: als "platt" oder "kitschig" würde ich das Präludium nicht einstufen.


    Liebe Grüße
    Ulli

    Als Pumuckl sich zum Frühstück noch ein Bier reingeorgelt hat, war die Welt noch in Ordnung.
    (unbekannt)

  • Zitat

    Original von salisburgensis
    Ohne das Komplexe gibt es auch kein Einfaches. Deshalb brauche ich ein Spannungsfeld zwischen beidem. Sonst empfinde ich ein Stück als einseitig, im Extremfall langweilig.


    Thomas


    Was meinst du mit komplex? So sehe ich den Sinn des Satzes noch nicht. Warum soll das Komplexe eine Bedingung für das Einfache sein? Einfach am ersten Präludium WTK1 ist die Form der Bewegung, die immer gleich bleibt. Doch innerhalb dieses Grundprinzips passiert einiges! Das ständige Absteigen des Basses vom c' um schließlich zwei Oktaven nach unten ist der Pfad, dem das Stück folgt. Zu banal? Ich finde nicht. Oft stecken sehr einfache Ideen hinter einem Stück. Mehr Details: wie der Orgelpunkt auf der Dominante erreicht wird, mit dieser verschränkten Chromatik fis-as-g und was dann auf dem Orgelpunkt passiert mit so wenig Bewegung, das ist tatsächlich meisterhaft. Ich wünschte, ich könnte ein Stück schreiben, das acht Takte lang mit Bewegungen der kleinsten Art zurechtkommt, um dann noch einmal den ganzen Ambitus zu durchlaufen in nur zwei Takten, bevor das Stück zu Ende ist. Langweilig? Nur wenn man oberflächlich hört. Warum es die Spatzen von den Dächern pfeifen? Ausnahmsweise weil es ein hervorragendes Stück Musik ist.
    N.b.: die Lichttonart C-Dur würde für den barocken Menschen seltsam geklungen haben, wäre sie mit kühnsten "Dissonanzen" gespickt...

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  • Wenn es Einfaches gibt, dann muß es auch das Gegenteil, nämlich komplexes, kompliziertes, nenn es wie du willst, geben. Wenn es ausschließlich einfaches gäbe, würde es gar keinen Sinn machen, einen Begriff dafür zu vergeben. Stell dir vor, es gäbe keine Farben, alles wäre weiß. Dann würde niemand auf die Idee kommen, das Weiß zu benennen.


    Ich habe von Harmonielehre wenig Ahnung, ich kann nur wiedergeben, was ich durch das, was ich höre empfinde. Aber offenbar stehe ich mit meinem Höreindruck nicht alleine da. Mag sein, dass du weitaus mehr in dem Präludium entdeckst, wenn du dir die Noten anschaust. Aber du wirst sicher nicht bestreiten können, dass sehr viele Werke mehr zu bieten haben.


    In einem anderen Thread hast du die Musik früherer Zeit rundweg abgelehnt statt darauf aufzubauen (So kommt es jedenfalls rüber, bitte korrigieren, falls das falsch ist). Da ist zu lesen:
    Da wäre ich im berühmten Elfenbeinturm, doch der Elfenbeinturm wäre eben noch dazu ein 300 Jahre alter... oder Ich sehe keinen Sinn darin, heute eine solche Stilistik zu benutzen. Und hier wünschst du dir, du könntest ein (stilistisch) ähnliches Stück schreiben. Vielleicht solltest du dich doch in dieses alte Zeug reinknieen, um daraus für deine aktuelle Arbeit Gewinn zu ziehen.


    Und dann frage ich mich auch, ob deine Frage nach dem Einfachen hier überhaupt beantwortet werden kann. Die meisten hier sind in der musikalischen Ästhetik der Vergangenheit zuhause, du aber im heute. In wieweit sich im Laufe dieses Threads die unterschiedlichen Auffassungen der musikalischen Einfachheit zur Deckung bringen lassen, bin ich sehr gespannt.


    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Salisburgensis mein Freund und Verbündeter!


    Zitat

    Ich habe von Harmonielehre wenig Ahnung, ich kann nur wiedergeben, was ich durch das, was ich höre empfinde. Aber offenbar stehe ich mit meinem Höreindruck nicht alleine da. Mag sein, dass du weitaus mehr in dem Präludium entdeckst, wenn du dir die Noten anschaust. Aber du wirst sicher nicht bestreiten können, dass sehr viele Werke mehr zu bieten haben.


    Das ist die "alte" :D Problematik der Differenzen zwischen reinen Hörern und Machern. Da gibt es keine Lösung. Der Macher wundert sich, warum "sein bestes Werk" nicht gutgeheissen wird und ärgert sich, wenn man ein anderes Werk für toll findet, welches er selbst in den Müll schmeissen würde. Beethoven: Vergesst mein Oktett!


    Marie von Ebner-Eschenbach:


    1. Künstler haben gewöhnlich die Meinung von uns, die wir von ihren Werken haben.
    2. Wenn der Kunst kein Tempel mehr offensteht, flüchtet sie in die Werkstatt.


    Zitat

    In einem anderen Thread hast du die Musik früherer Zeit rundweg abgelehnt statt darauf aufzubauen (So kommt es jedenfalls rüber, bitte korrigieren, falls das falsch ist). Da ist zu lesen:
    Da wäre ich im berühmten Elfenbeinturm, doch der Elfenbeinturm wäre eben noch dazu ein 300 Jahre alter... oder Ich sehe keinen Sinn darin, heute eine solche Stilistik zu benutzen. Und hier wünschst du dir, du könntest ein (stilistisch) ähnliches Stück schreiben. Vielleicht solltest du dich doch in dieses alte Zeug reinknieen, um daraus für deine aktuelle Arbeit Gewinn zu ziehen.


    :yes: - habe ich in "dem anderen Thread" auch so ähnlich geschrieben.


    Liebe Grüße
    Ulli

    Als Pumuckl sich zum Frühstück noch ein Bier reingeorgelt hat, war die Welt noch in Ordnung.
    (unbekannt)

  • salisburgensis, nicht im Ernst! 8o WTK I C-Dur Präl. grenzt an Langeweile? naja, kann ja sein..ich persönlich..kann mir das stundenlang anhören..... :jubel:
    Ulli: Was meinst du, "Jauchzet, frohlocket"? das sind bloß Quarten... :D nein, im Ernst, natürlich, ganz viel Pomp, aber das muss ja, schließlich ist Jesus geboren, ich sage ja nicht, dass BAch unfähig ist, prunkvolle musik zu machen. Aber kennst du zB die Violinpartiten für Solovioline? D a ist alles drin, es fehlt nichts, die "Rede " ist vollkommen... und das bei EINER geige! Das kriegt doch nur Bach hin!
    @dschuang-tse: Nein, das schrieb er sich tatsächlich nictht aufs Banner (Einfachheit). Ich miene nur, dass er (meiner Menung nach) als einiger Komponist "einfache" Stücke in ihrerm Sinn und Ausruck zu höchster Vollkommenheit bringeh konnte, also sie nicht banal klangen.

  • Salut, Max,


    ich wollte Dir nur mit Liszt und Tücke Übereinstimmung entlocken.


    Langeweile ist die Halbschwester der Verzweiflung, meint Marie von E...


    Liebe Grüße
    Ulli

    Als Pumuckl sich zum Frühstück noch ein Bier reingeorgelt hat, war die Welt noch in Ordnung.
    (unbekannt)

  • Meine lieben Freunde, jetzt muss ich also doch noch einiges klarstellen. Ich sehe, dass hier vieles ganz und gar falsch aufgefasst wurde. In Ulli scheine ich bereits einen wunderbaren Antipoden gefunden zu haben, den ich nicht beschwichtigen kann. Zunächst:
    salisburgensis: ich habe mit keinem Wort die Musik der Vergangenheit abgelehnt! Das ist eine freche Unterstellung. Ich bin mit der Tradition groß geworden und ich liebe Musik aus JEDER Epoche. Als KOMPONIST jedoch sehe ich keinen Grund, weshalb ich STILISTISCH schreiben sollte wie Mozart oder irgend ein anderer Komponist vergangener Zeiten, auch und nicht zuletzt aus dem einfachen Grund, dass ich finde, DIESE MUSIK KANN MAN NICHT BESSER SCHREIBEN. Ich bringe also meine absolute Wertschätzung den großen Komponisten gegenüber zum Ausdruck. Ich hoffe, das ist nun endlich klar.
    Was die Harmonielehre betrifft: auch beim Hören kann man diese subkutanen Dinge finden. Nicht zuletzt ist das auch ein Beispiel dafür, wie wenig wir in dieser Musik letztlich drinstecken: zu Bachs Zeiten wäre der Mehrzahl der Hörer der tragende Affekt eines Stücks aufgefallen. Heute müssen wir das mit Bildung kompensieren. Es war auch nicht gemeint, dass ich jetzt protzen will mit meinem Wissen, aber ich finde es notwendig, ein solches Stück in Schutz zu nehmen. Es ist nicht Ballade pour Adeline oder sowas. Aber natürlich , salisburgensis, sollst du langweilig finden, was immer du eben langweilig findest! Ich sage ja nicht, das Stück soll dir gefallen...Übrigens, Ulli, wer ist Frau Ebner-Eschenbach?
    Nochmal zum Dualismus komplex-einfach: ich hatte es so aufgefasst, dass das für eine einzelne Komposition gelten solle (das wäre ja quasi ein klassisches ideal). Natürlich, da gebe ich Recht, muss es nicht nur einfaches geben.
    Salisburgensis:
    Aber du wirst sicher nicht bestreiten können, dass sehr viele Werke mehr zu bieten haben.
    Da bin ich vorsichtig! In dem Stück ist meiner Meinung nach alles gesagt. Was soll es denn noch mehr zu bieten haben? Aber ich wäre gespannt, welche Stücke du meinst! Genau das interessiert mich!
    Abschliessend: Einfachheit ist ein allgemeines Kriterium für die Kunst. Ich sehe hier gar keinen Grund, warum wir das nicht zusammenbringen könnten.

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  • Zitat

    Original von Max Thomaner
    salisburgensis, nicht im Ernst! 8o WTK I C-Dur Präl. grenzt an Langeweile? naja, kann ja sein..ich persönlich..kann mir das stundenlang anhören..... :jubel:


    Mir gehts ähnlich, ich könnte es stundenlang spielen. Das gilt natürlich auch für die anderen Präludien u. Fugen des Wohltemp. Claviers. Und obwohl das C-dur Präludium teilweise schon arg verhunzt wurde, kann man es doch immer wieder neu entdecken. Andere Klassik-"Hits" sind da nicht so unempfindlich (Für Elise, Träumerei, Rondo alla turca...)


    Und daß in dem Präludium keine "richtigen" Dissonanzen drin wären, kann ich auch nicht bestätigen. Man muß sie beim Spielen natürlich auch entsprechend hervorheben, sonst kanns schon fad werden.


    Nette Grüße
    Heinz

  • Salut,


    Zitat

    In Ulli scheine ich bereits einen wunderbaren Antipoden gefunden zu haben


    Mit Fossilien habe ich nun wirklich nicht viel am Hut... ;)


    Zitat

    den ich nicht beschwichtigen kann.


    Ganz im Gegentum: Mich schockt auf dieser Welt überhaupt nichts mehr...


    Zitat

    DIESE MUSIK KANN MAN NICHT BESSER SCHREIBEN


    Auf eben dieser Suche befinde ich mich. Ich fürchte, Du wirst Recht behalten. Aber: ebenso gut!


    Zitat

    auch beim Hören kann man diese subkutanen Dinge finden


    empfinden fände ich treffender formuliert.


    Zitat

    Ulli, wer ist Frau Ebner-Eschenbach?


    gucksdu hier: Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach


    Liebe Grüße
    Ulli

    Als Pumuckl sich zum Frühstück noch ein Bier reingeorgelt hat, war die Welt noch in Ordnung.
    (unbekannt)

  • Heinz
    wollen wir uns unser WTC "verhunzen" lassen?
    Nicht doch: auch nicht durch das weit bekanntere Ave Maria von Gounod, das wie Mendelssohns "Mitternachtsmusik" für Hochzeiten und ähnliches mehr herhalten muß, da t Leut es halt nicht anders kennen.


    absit malitia.......

  • Klassikpianofan
    Ich habe niemals die Absicht geäußert, jemanden das Präludium mies zu machen und schon gar nicht das ganze WTC! Ich habe lediglich das wiedergegeben, was ich beim genannten Präludium empfinde.


    @dschuang-tse

    Zitat

    ...ich habe mit keinem Wort die Musik der Vergangenheit abgelehnt!...etc...etc...


    Du bist bisher recht provokant gewesen in deinen Beiträgen, so dass genau dieser Eindruck entstanden ist. Danke für die Klarstellung, das war nötig.


    Ich finde es nicht sinnvoll, wenn dieses Präludium als Einzelstück betrachtet wird. Die Fuge gehört mit dazu. Der tragende Affekt, wie du es nennest, braucht die nachfolgende Fuge, um richtig zur Geltung zu kommen. Aber nochmal zur Einfachheit des Präludiums: Jeder Akkord bleibt einen ganzen Takt lang unverändert. Dann gibt´s eine kleine Änderung und wieder passiert für den Rest des Taktes nicht viel, usf. Das wird nur dadurch anhörbar, weil die einzelnen Töne des jeweiligen Akkordes nacheinander gespielt werden. Es gibt kaum große Sprünge/Brüche in der Akkordfolge, das geschieht alles ganz behutsam. Auch rhythmisch gibt es keine Veränderung, jeder Takt ist gleich aufgebaut. Vielleicht ist es das, was dieses Präludium so einfach macht, einfach aber nicht im Sinne von simpel oder primitv oder dergleichen. An der Grenze zur Langweiligkeit steht es für mich deswegen, weil die Entwicklung so langsam ist. Ich mag Stücke mit mehr innerem Tempo lieber (was aber nicht heißt, ich würde nur allegro mögen, auf die Mischung kommt´s an).


    Ein Beispiel für ein viel komplexeres Stück ist der Anfangschor aus der Bachkantate Alles nur nach Gottes Willen (Nr. 72).


    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Hallo,


    ja, der unregistrierte dschuang-tse hat da, wie ich meine, eine wichtige Sache angesprochen: das "Einfache" in der Musik. Beim Lesen ist mir sofort, reflexartig, der langsame Satz von Beethovens Streichquartett op. 127 eingefallen: Wie wird dieser Satz in der Literatur herausgestellt! Musikinterpreten, Wissenschaftler, Komponistenkollegen, Hörer - alle scheinen sich einig zu sein, dass dieser Satz der Inbegriff von Schönheit und Anmut ist. Und woraus besteht das Thema? Hauptsächlich aus sehr einfachen aufwärts- und abwärtssteigenden Tonleiterpassagen, eigentlich völlig unspektakulär, kann eigentlich jeder.


    Und auf dieses "einfache" Themengebilde folgen wunderbare Vaiationen, die es nun wirklich in sich haben. Und der Satz wirkt sehr einheitlich, organisch und lebendig!


    Auch Schönberg sagte in seiner "Harmonielehre" fast durchgehend (ich deute etwas frei), dass in der Musik, ähnlich wie in der Wirtschaft, das ökonomische Prinzip anzustreben ist: so einfach wie möglich, so kompliziert wie nötig.


    Ich glaube, dass der Umgang mit Einfachheit in obigem Sinne für mich eines der wesentlichen Beurteilungskriterien für die Qualität von Musik ist.


    Gruß,


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

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