Am 6. Juni 2005 ist der deutsche Cellist Siegfried Palm nach schwerer Krankheit im Alter von 78 Jahren in Köln gestorben. Palm war eine der Interpretenpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts, welche ihre Epoche wie wenige geprägt haben. Geboren am 25. April 1927 in Wuppertal, ging er bereits mit sechs bei seinem Vater, einem Schüler Julius Klengels, in eine harte Lehre, denn früh wurde seine immense Begabung für das Cello entdeckt. Schon als Jugendlicher spielte er im städtischen Orchester mit. Während des Krieges wurde er als junger "Vorzeigecellist" herumgereicht und deshalb nicht eingezogen. 1945 wurde Palm Solocellist in Lübeck, zwei Jahre später beim NDR-Sinfonieorchster in Hamburg, 1962 beim Sinfonieorchester des WDR Köln. Wichtig war die Schulung durch Enrico Mainardi (1950-53): Vorher habe er nur wie "ein wildgewordener Handfeger, schnell und sauber" gespielt, doch Mainardi habe ihn gelehrt, Musik zu machen. In Meisterkursen mit Palm war zu sehen, was das heisst: die Atemenergie in die Musik fliessen lassen. Er atmete mitunter gut hörbar mit, wenn er ganz in der Musik aufging.
Früh hat Palm die Liebe zur Neuen Musik entdeckt. Mit seiner phänomenalen Technik meisterte er Partituren, die als unspielbar galten. Er pflegte einen anderen Schönheitsbegriff, brach radikal mit den Konventionen. Seine Experimentierfreude führte mehrere Generationen von Komponisten zu ihm, und es entstanden Werke, die Geschichte schrieben. Beispielsweise der "Canto di Speranza", die Solosonate, das Cellokonzert von Bernd Alois Zimmermann, "Match" von Mauricio Kagel, oder im alle Ideen von Schönheit hinter sich lassenden, bald kratzenden, bald klopfenden und schabenden Cellokonzert von György Ligeti. Auch Penderecki hat für ihn geschrieben und Wolfgang Rihm, Morton Feldman, Boris Blacher, Xenakis, Yun und viele andere. Palms bleibender Verdienst ist die Uraufführung von über 130 von ihm in Auftrag gegebenen oder ihm gewidmeten zeitgenössischen Stücken. Aber auch Palms Reger- oder Hindemith-Interpretationen sind unvergessen.
1968 verliess er das Orchester, konzentrierte sich auf die solistische Arbeit und weitete seine bereits reiche pädagogische Tätigkeit aus. 1972-76 war er Direktor der Staatlichen Hochschule für Musik in Köln, 1976-81 Generalintendant der Deutschen Oper Berlin. Siegfried Palm war ein temperamentvoller, lenesluster und genussfreudiger Mensch voller Humor. Da er selbst kaum Schriftliches publizierte, hat ihn der Musikwissenschafter Michael Schmidt Ende der neunziger Jahre und erneut 2004 zu Gesprächen getroffen. Ein Glücksfall, denn hier wird aus eigener Perspektive eine ganze Epoche reflektiert. Man spürt die Persönlichkeit Palms aus den Anekdoten heraus, die er erzählt, amn spürt die Besonderheiten der Menschen, über die er spricht. Entstanden ist ein einmaliges Dokument, das spannend ist wie ein Roman und einen die Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts mit anderen Augen betrachten lässt.
Literaturhinweis: Michael Schmidt " Capriccio für Siegfried Palm. Ein Gesprächsporträt." ConBrio-Verlagsgesellschaft
Wir hatten leider nur einmal in Liestal die Gelegenheit einem Konzert von Palm beizuwohnen. Er spielte das Cellokonzert von György Ligeti.
Gerne erfahren wir noch mehr über seine CD-Aufnahmen
Gruss
romeo&julia