Franz Liszt und seine Lieder

  • Wenn Alfrd Schmidt sagt: "Liszts Liedschaffen ist weit breiter gestreut als man je vermuten möchte. "...,


    ...so möchte ich dem ausdrücklich zustimmen. Und noch mehr seiner Feststellung: "Ich bin aber sicher, daß es hier noch mehr zu entdecken gibt..."


    Diese Erfahrung mache ich eben auch, denn ich kenne längst nicht alle Lieder von Liszt und mache, beim Hineinhören in sein Liedwerk immer wieder neue Entdeckungen. Obwohl Liszt eigentlich die "große Geste" liebt, gibt es in dem, was er kompositorisch hinterlassen hat, auch recht intime Lieder.


    Ich möchte jetzt aber zunächst einmal eines der großen und wirklich bedeutsamen Lieder vorstellen, indem ich versuche, seine musikalische Gestalt zu beschreiben. Ich meine das Lied "Ich möchte hingehen", auf ein Gedicht von Georg Herwegh.

  • Dieses Lied auf ein Gedicht von Georg Herwegh ist wohl eines der größten Lieder Liszts, - nicht nur von seinem Umfang her (acht Notenblätter, Vortragsdauer sieben bis acht Minuten). Es ist ein großes vor allem wegen der kompositorischen Komplexität und der darin sich niederschlagenden gedanklichen Tiefe, mit der Liszt sich mit dem Thema „Tod“ auseinandergesetzt hat.


    Ich möchte hingehn wie das Abendrot
    Und wie der Tag mit seinen letzten Gluten –
    O leichter, sanfter ungefühlter Tod –
    Mich in den Schoß des Ewigen verbluten!


    Ich möchte hingehn wie der heitre Stern
    Im vollsten Glanz, in ungeschwächtem Blinken,
    So still und so schmerzlos möchte gern
    Ich in des Himmels blaue Tiefen sinken.


    Ich möchte hingehn wie der Blume Duft,
    Der freudig sich dem schönen Kelch entringet,
    Und auf dem Fittich blütenschwangrer Luft
    Als Weihrauch auf des Herrn Altar sich schwinget.


    Ich möchte hingehn, wie der Tau im Tal,
    Wenn durstig ihm des Morgens Feuer winken –
    O wollte Gott, wie ihn der Sonnenstrahl,
    Auch meine lebensmüde Seele trinken!


    Ich möchte hingehn wie der bange Ton,
    Der aus den Saiten einer Harfe dringet,
    Und kaum dem irdischen Metall entflohn,
    Als Wohllaut in des Schöpfers Brust erklinget.


    Du wirst nicht hingehn wie das Abendrot.
    Du wirst nicht stille wie der Stern versinken,
    Du stirbst nicht einer Blume leichten Tod,
    Kein Morgenstrahl wird deine Seele trinken.


    Wohl wirst du hingehn, hingehn ohne Spur,
    Doch wird das Elend deine Kraft erst schwächen,
    Sanft stirbt es einzig sich in der Natur:
    Das arme Menschenherz muß stückweis brechen!


    Klanglich geprägt wird dieses Lied von einem musikalischen Motiv aus fünf Tönen, das gleich am Anfang im Klaviervorspiel aufklingt, von der Singstimme dann aufgegriffen und in den einzelnen Strophen in vielfältiger Weise modifiziert und harmonisiert wird. Es ist eine bogenförmige melodische Linie aus den Tönen „h“, „cis“, „d“, „fis“ und – danach abfallend – „e“.


    Es ist nicht möglich, die musikalische Gestalt der einzelnen Strophen näher zu beschreiben. Angaben zum jeweiligen Klangbild dürften genügen. Die Bitte um einen sanften Tod wird fünf Mal ausgesprochen und von Liszt in der den lyrischen Text reflektierenden Weise kompositorisch aufgegriffen und umgesetzt, wobei die Klavierzwischenspiele – wie meistens bei ihm – ein wesentlicher musikalischer Ausdrucksfaktor sind.


    Die erste Strophe wird klanglich beherrscht von dem ausgeprägten Auf und Ab der melodischen Linie, das bei dem Vers „O leichter, sanfter ungefühlter Tod“ mit seinen


    Terzsprüngen, „sotto voce“ , eine besondere Eindringlichkeit annimmt. Bei den Worten „des Ewigen verbluten“ kommt dramatische Expressivität in die Vokallinie. Leicht tänzerischen Charakter nimmt sie an, wenn es um den „heiteren Stern“ und das „ungeschwächte Blinken“ geht. Aber schon bei den Worten „in des Himmels blaue Tiefen“ kommt, „poco rit.“, wieder der große, weit ausgreifende Gestus in sie. „Dolce“ erklingen die Worte „wie der Blume Duft“. Bei dem Bild vom „schönen Kelch“ bewegt sich die melodische Linie in hoher Lage und legt nur ganz geringe Intervalle zurück.


    Zwischen jeder Strophe erklingt im Klavier das melodische Grundmotiv in jeweils höchst kunstvoll modifizierter Form. Mit deutlich gesteigertem, ins Dramatische ausgreifendem musikalischem Gestus wird die fünfte Strophe gestaltet. „Piu agitato“ schreibt Liszt vor. Das „hingehn“ wird noch einmal als „ja hingehn“ wiederholt, und die Worte „wie der bange Ton“ werden ungewöhnlich rasch artikuliert. Danach tönen aus dem Klavier Harfenklänge, über denen sich die Vokallinie in ruhigem Strömen entfaltet: Halbe und sogar ganze Noten füllen die Takte aus. Und alles klingt in einem harfenähnlichen Nachspiel aus.


    „Ernst“ setzt die sechste Strophe klanglich ein. Die melodische Linie ist zwar die gleiche, im Klavier erklingen jetzt aber nur starre Akkorde. Bei den Worten „wie der Stern versinken“ steigt die Vokallinie in einem Halbtonschritt von „d“ über „dis“ hoch nach „e“ und hält dort inne. Was danach im Klavier erklingt, ist eine wahre Überraschung: Das Tristan-Motiv in reinster Form! Wagner hat es von hier übernommen.


    Danach setzt sich die melodische Linie zunächst noch in lyrischem Ton fort, „dolcissimo“ vom Klavier begleitet. Bei den Worten „deine Seele trinken“ erfolgt jedoch ein dramatischer Sprung nach oben, - um mehr als eine ganze Oktave. Danach: „Lange Pause“.


    Die Verse der letzten Strophe erklingen in einem düsteren Oktavunisono. Die Tonart steigt von fis-Moll hinunter nach F-Dur, und die melodische Linie landet bei dem Wort „Spur“ auf einem tiefen „d“. Diese Abwärtsbewegung wird mit Klavieroktaven fortgesetzt.


    „Heftig“ und im Fortissimo wird der letzte Vers gesungen. Bei dem Wort „brechen“ spiegelt die Vokallinie den lyrischen Text: Sie bricht im Fortissimo in Form einer kleinen Sekunde vom hohen „gis“ hinunter zum „f“. Im Nachspiel erklingen verminderte Septimakkorde über dem Orgelpunkt „a“. Klangliche Düsternis herrscht.


    MEIN EINDRUCK
    Ein großes, beeindruckendes Lied ist das, von starker Emphase geprägt. Weit weg von der musikalischen Faktur eines Schubertliedes, die sich unmittelbar aus dem Text entwickelt, entfaltet Liszt hier hochkomplexe Kompositionskunst, die den lyrischen Text gleichsam als Basis und Ausgangspunkt für die Gestaltung eines von dramatischer Binnenspannung geprägten Liedes nimmt, das sich eigentlich schon stark einer Arie für Singstimme und Klavier nähert.

  • Im ersten Anlauf komponiert er nicht nur gegen den Geist des Gedichtes von Goethe, er setzt sich sogar regelrecht kühn über dessen Wortlaut hinweg und zitiert falsch. Von der ersten Fassung her betrachtet, erringt in der zweiten die Musik sozusagen den Sieg. Allerdings wieder ganz und gar nicht im Einklang mit der Aussage des lyrischen Textes. Erst in der dritten Fassung bringt er Musik und lyrisches Wort in Einklang. Aber dieser "Einklang" ist nicht jene Synthese, die Schubert oder Schumann gelungen ist.


    Mit Synthese meine ich jene wechselseitige Befruchtung und Potenzierung von Wort uns Musik, wie sie bei diesen zu hören und zu bestaunen ist. Ich würde, nach dem jetzigen Stand meiner Kenntnisse des Liedwerks von Liszt sagen: In seinen wirklich gelungenen Liedern - und das ist eine beachtliche Zahl - ereignet sich eine Inspiration der Musik durch Lyrik. Und dies in dem Sinne, dass beide miteinander in Einklang stehen und keine die jeweils andere verbiegt oder gar verfälscht.


    Lieber Helmut,


    Deine geistvollen Ausführungen, besonders auch über die verschiedenen Fassungen, inspirieren mich wirklich sehr und wecken die Lust zum Nachhören. Das freut mich und dafür meinen allerbesten Dank! Was Du schreibst, leuchtet mir völlig ein. Schönberg sagte mal, wenn er ein Lied komponiere, brauche er den Text gar nicht zu kennen. Das war natürlich eine Provokation. Die Aussage spiegelt die Emanzipation der Musik gegenüber dem Text, die nun ihren eigenen Gesetzen folgt. In Schönbergs Chorliedern ist es ja so, daß die Musik einer inneren Logik folgt, die mit der Gedichtform fast gar nichts mehr zu tun hat. Auch Liszt wollte glaube ich die Musik emanzipieren gegenüber dem Wort im Sinne von Tieck, der sagte, wo die Musik nur "erhöhte Deklamation und Rede" ist, da sei sie nicht unabhängig und frei. Bei Liszt wird daraus so eine Art Dialog von Musik und Text als zwei selbständige Partner, woraus dann etwas ganz Neues, eine poetische Synthese entsteht: eine Sinnerweiterung des Terxtes durch die Musik, ohne diesen aber zu zerstören. Auffallend ist ja, daß Liszt oft die Zäsuren im Text durch eine Art "unendliche Melodie" überspannt, dort, wo der Text Einteilungen macht, also ein Kontinuum herstellt.


    Beste Grüße
    Holger

  • Wenn Du sagst, lieber Holger: „Auch Liszt wollte glaube ich die Musik emanzipieren gegenüber dem Wort im Sinne von Tieck, der sagte, wo die Musik nur "erhöhte Deklamation und Rede" ist, da sei sie nicht unabhängig und frei.“…
    …dann triffst Du, meine ich, damit sehr genau die kompositorischen Intentionen Liszts. Und Du erfasst damit einen der wesentlichen treibenden Faktoren des Prozesses, den ich – einen Begriff von Walther Dürr übernehmend – im Thread „Sprache und Musik im Lied“ als „Musikalisierung des Kunstliedes“ versucht habe zu beschreiben.


    Es ist, wie Du sagst, „auffällig“, dass „Liszt oft die Zäsuren im Text durch eine Art "unendliche Melodie" überspannt, dort, wo der Text Einteilungen macht, also ein Kontinuum herstellt.“ Und das ist genau dieses kompositorische Denken von der Musik her, das dem größten Teil seiner Lieder zugrundliegt.“


    Allerdings macht Liszt diesbezüglich eine interessante Entwicklung durch, die ich schon einmal angedeutet habe und an deren Hintergründe ich zurzeit noch ein wenig herumrätsele. Ich meine die Tatsache, dass in seinen späten Liedern die Emphase der Musik, die die frühen und mittleren Liedkompositionen prägte, in auffälliger Wiese zurückgenommen wird. Es gibt späte Lieder, die mich deshalb verblüffen, weil der „Klavier-Superstar“ Liszt die Klavierbegleitung dort auf schlichte Akkorde reduziert. Ich werde mindestens eines dieser Lieder später hier vorstellen.


    So viel meine ich jetzt schon begriffen zu haben, – bin mir aber dabei in keiner Weise sicher: Liszt hatte wohl, bei der Verwirklichung seiner zentralen Idee (die er mit Wagner teilte), nämlich eine „neue Musik“ zu schaffen, die in der Inspiration durch den Geist der Poesie ihre eigentliche Quelle hat, große Probleme, die Musik so zu strukturieren, dass sie ihm nicht aus dem Ruder läuft. Er nannte das interessanterweise „Zusammenspannen“. Und Wagner hielt ihm damals vor, dass ihm dieses „Zusammenspannen“ nicht immer gelinge.


    Man kann dieses Phänomen auch bei den Liedern beobachten, wobei allerdings Fischer-Dieskau meint, dass Liszt bei seinen Liedern diese seine ganz spezifische kompositorische Problematik noch am besten gelöst habe. Bei einigen Liedern bordet die Musik regelrecht über, was sich rein äußerlich an ganz typischen strukturellen (und natürlich damit auch klanglichen) Phänomenen zeigt: Den mehrfachen Wiederholungen von einzelnen Textelementen oder ganzen Versen; dem Sich- Hinwegsetzen über die Textvorlage durch Abänderung derselben; der freizügigen und höchst subjektiven Interpretation eines lyrischen Textes mit den Mitteln der Musik u.a.


    Zu der Goethe-Vertonung „Über allen Gipfeln“ meinte ich: Er will nicht die lyrische Sprache Goethes musikalisch aufgreifen und kompositorisch umsetzen, sondern die „poetische Botschaft“, die er dieser lesend entnimmt, mit den kompositorischen Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen, so umfassend und so intensiv wie möglich musikalisch zum Erklingen bringen.


    Liszt will für die Gedanken und Gefühle, die die Rezeption eines lyrischen Textes bei ihm bewirken, ein musikalisches Äquivalent schaffen. Das ist sein zentrales Anliegen. Allerdings scheint ihm dabei das „Zusammenspannen“ nicht immer ihn einer ihn selbst befriedigenden Weise gelungen zu sein, wie die Selbstkritik zeigt, die ich oben in Beitrag Nr.16 zitiert habe.

  • Allerdings macht Liszt diesbezüglich eine interessante Entwicklung durch, die ich schon einmal angedeutet habe und an deren Hintergründe ich zurzeit noch ein wenig herumrätsele. Ich meine die Tatsache, dass in seinen späten Liedern die Emphase der Musik, die die frühen und mittleren Liedkompositionen prägte, in auffälliger Wiese zurückgenommen wird. Es gibt späte Lieder, die mich deshalb verblüffen, weil der „Klavier-Superstar“ Liszt die Klavierbegleitung dort auf schlichte Akkorde reduziert. Ich werde mindestens eines dieser Lieder später hier vorstellen.

    Lieber Helmut,


    da bin ich wirklich gespannt! Ich finde Liszt Spätwerk mit dieser extremen Reduktion, die schon in Richtung abstrakter Kunst geht, diese asketische Schmucklosigkeit und gerade damit die Fähigkeit, in die Abgründe der menschlichen Seele zu leuchten, wirklich beeindruckend und singulär. Die Problematik der Wiederholungen genauer zu untersuchen wäre auch sehr lohnend finde ich. Dafür kann es verschiedene Gründe geben. Oft ist es ja so, daß dahinter der Versuch steht, die Gedichtform und die musikalische Form, die sich nicht decken, kongruent zu machen. (Sogar bei Schubert gibt es das!) Wenn man Liszts Selbstfindungsprozeß in Sachen Liedkomposition einmal nachzeichen könnte, das wäre natürlich sehr aufschlußreich!


    Beste Grüße
    Holger

  • Dieser Tage erschien eine neue CD mit Liedern von Franz Liszt. Meine Bekannte Renate Wagner hat für den Merker folgende Besprechung verfasst -


    Elisabeth Kulman, Mezzosopran - LISZT ROOTS & ROUTES
    Eduard Kutrowatz, Klavier
    CD, Preiser Records


    Elisabeth Kulman taktiert klug und sorgfältig. Sie hat es geschafft, dass jede ihrer bisherigen CDs (für Mussorgsky und Mahler) besonderes Interesse und besondere Anerkennung fand, und das wird mit dieser Liszt-CD nicht anders sein. Zumal es hier ein Zusammentreffen von „Burgenländern“ gibt, deren Vertrautheit miteinander fast greifbar scheint – sowohl Elisabeth Kulman wie ihr Pianist Eduard Kutrowatz sind beide, wie immer wieder vermerkt wird, in der Nähe von Liszts Geburtsort Raiding zur Welt gekommen (sie in Oberpullendorf, südlich davon, er in Rohrbach, nördlich davon) und haben die 23 Lieder auf dieser CD auch im Liszt-Zentrum Raiding aufgenommen. Der Käufer bekommt etwas für sein Geld, denn die eineinviertel Stunden Musik sind ebenso informativ für Liszt-Freunde wie lustvoll für Kulman & Kutrowatz-Liebhaber.


    Liszt zuerst, ein umfassendes Angebot seines Liedschaffens in sechs Sprachen (Deutsch, Französisch, Italienisch, Englisch, Ungarisch und Russisch), wobei das Booklet nicht umsonst eine Europa-Karte zeigt – man weiß, wie sehr Franz Liszt „unterwegs“ war, von Paris, wo sein Ruhm erwuchs, bis Rom, wo er als Abbé nicht ganz endete, denn schließlich ist er in Bayreuth, bei Schwiegersohn Wagner, begraben, und er hat besonders wichtige Arbeit in Weimar geleistet (wo Ururenkelin Nike noch heute in seinen Fußstapfen wandert). Der Reichtum der Lieder ist beträchtlich, weil Liszt sich so selbstverständlich, so weltmännisch, so „europäisch“ in vielen Kulturen umtat. Man findet Goethe- und Heine-Vertonungen, er hat auf Französisch in einer großen, dramatischen Szene der Jeanne d’Arc gehuldigt, er ist von besonderer Zärtlichkeit und Geschmeidigkeit auf Italienisch, es gibt ein schmerzerfülltes ungarisches Lied (die Kulman kann ja offenbar alle Sprachen), man findet hier sein einziges Lied in englischer Sprache, das einzige auf Russisch (eine Ersteinspielung nach einem Text von A. Tolstoi, der nicht mit dem großen „Krieg und Frieden“-Tolstoi verwechselt werden darf). Ganz am Ende steht das Kunststück, auf das zu Recht immer wieder aufmerksam gemacht wird, denn es ist besonders schön gelungen – „O Meer im Abendstrahl“ (Autor: Alfred Meissner, wer immer dies gewesen sein möge) singt die Kulman im Duett mit sich selbst, ein sehr verführerisches Unternehmen.


    Verführerisch ist vieles auf der CD, vor allem immer wieder das Entzücken über diese in allen Registern so schöne Stimme, die auch vor hoher Tessitura nicht zurückscheut und nur ganz selten, bei exponierten dramatischen Höhen dann leise Schärfe hören lässt. Ihr Vortrag ist hinreißend, sie schmeichelt auf Italienisch, sie findet den „Zigeuner-Sound“, sie kann geradezu locker plätschern und das ungarische Pathos, das schon in der Sprache liegt, umsetzen, und dazu perlt und zaubert Eduard Kutrowatz mit dem Klavier, ein Partner, Mitsprecher, Mitgestalter.


    Fans, die auch optisch in die Kulman verliebt sind (wie man es vielen Herren nachsagt) werden über das Begleitheft in Entzücken geraten, wo sie in zahlreichen Farbfotos in ganzer Figur oder nur Gesicht in verführerischen Posen lächelt… Auch Sinnlichkeit ist ein Element, das zu Franz Liszt gehört.

    Hear Me Roar!

  • Lieber Holger,


    Du meinst: "Wenn man Liszts Selbstfindungsprozeß in Sachen Liedkomposition einmal nachzeichen könnte, das wäre natürlich sehr aufschlußreich!"


    Das sehe ich auch so, weiß aber nicht, ob wir das hier schaffen können. Ich betone noch einmal, dass das hier aus meiner ganz persönlichen Perspektive der Versuch eines langsames Sich-Herantastens an Franz Liszts Lieder ist, mit denen ich mich zuvor - ich gestehe das freimütig - nie ernsthaft beschäftigt habe. Einige Lieder höre ich eben buchstäblich zum ersten Mal ganz bewusst.


    Für alle, die meine Beiträge hier lesen, heißt aber: Vorsicht! Da könnte einiges unzutreffend sein und müsste u. U. später korrigiert bzw. sogar gestrichen werden. Für vieles mache ich mir so meine eigenen Erklärungen, weil ich in den Büchern über Liszt darüber nichts finde. Keines von denen, die ich eben studiere, lässt sich auf sein Liedwerk ein. Und das ist ja eigentlich auch gar nicht verwunderlich, lief dieses doch auch für Liszt selbst sozusagen "nebenher".


    Meine - bisherige - Erklärung für das wirklich auffällige Verwenden des kompositorischen Mittels der Wiederholung lautet so:


    Erstens gibt es bei Liszt - übrigigens nicht nur bei dem Komponisten Liszt - eine Neigung zum Theatralischen und Effektvollen, die beim Menschen Liszt in merkwürdiger Weise einhergeht mit der Neigung zum Grüblerischen und zur Sinnsuche (die später bei ihm immer deutlicher zum Vorschein kommt). Man kann das zum Beispiel bei seinem frühen und mittleren Klavierwerk beobachten, wo der musikalische Satz sehr oft stark überladen und auf das Dekorative hin abgestellt ist. Bei den frühen und mittleren Liedern äußert sich diese Neigung dann im kompositorischen Einsatz der Wiederholung und der kompositorisch stark ausgearbeiteten und komplexen Klavierbegleitung.


    Zweitens steckt dahinter aber wohl auch ein auf Expressivität abgestellter Ausdruckswille. Eben weil er sich durch die Begegnung mit einem lyrischen Text musikalisch inspiriert fühlte, setzte er sozusagen alle kompositorischen "Hebel" ein, um diese seine Gedanken und emotionalen Regungen in adäquater Weise zum Ausdruck zu bringen. Bei dem Lied "Über allen Gipfeln" kann man dies zum Beispiel sehr schön beobachten. Aus dem eigentlich sprachlich verblüffend schlichten Gedicht Goethes wird bei Liszt ein vergleichsweise fast "überdimensionales" Lied, weil er mit Hilfe des kompositorischen Mittels der Wiederholung dem "Warte nur" die Eindringlichkeit verleihen möchte, die er selbst aus diesem Gedicht herausgelesen hat.


    Ich werde versuchen, diesen "Selbstfindungsprozess" wenigstens hier mit Beispielen zu belegen, - wenn ich ihn denn schon nicht ganz werde erklären können. Bei dem Lied "Der du von dem Himmel bist" habe ich ihn ja schon andeutungsweise aufgezeigt. Vielleicht ist es nun sinnvoll, wenn ich - abweichend von meinem ursprünglichen Plan - als nächstes eines von den Liedern hier vorstelle, bei denen Liszt zu einer erstaunlichen Einfachheit in der musikalischen Faktur gefunden hat, - besonders im Hinblick auf den Klaviersatz. Ich hoffe, dass mir das morgen gelingt.

  • Nur zwei kurze Anmerkungen zu dem Beitrag von Dreamhunter.


    (Zit.) "(die Kulman kann ja offenbar alle Sprachen)," --- Mag sein, aber Liszt konnte sie nicht. Er konnte, obwohl in Ungarn geboren, kein Ungarisch, weil seine Eltern ebenfalls nur Deutsch sprachen. Er selbst bevorzugte aber schon sehr früh das Französische, - Ausdruck seiner "weltmännischen" Grundhaltung, über die sich Schumann sehr gewundert hatte, als er ihr zum ersten Mal begegnete. Über die Begegnung mit Liszt 1840 schreibt Schumann an Clara:


    "Liszt kam nämlich sehr aristokratisch verwöhnt hier an und klagte immer über die fehlenden Toiletten und Gräfinnen und Prinzessinnen, daß es mich verdroß und ich ihm sagte, >wir hätten hier auch unsere Aristokratie, nämlich 150 Buchhandlungen, 50 Buchdruckereien und 30 Journale und er solle sich nur in Acht nehmen<."


    (Zit.) "(Autor: Alfred Meissner, wer immer dies gewesen sein möge)"


    Alfred Meißner wurde 1822 in Teplitz geboren und starb 1885 in Bregenz durch Selbstmord. Während seines Medizinstudiums in Prag schloss er sich dort dem Dichterkreis "Junges Böhmen" an. Im Jahre 1848 nahm er aktiv an der revolutionären Bewegung teil. Er schrieb Erzählungen, Gedichte, Dramen und Unterhaltungsromane. Literarisch stand er dem "Jungen Deutschland" nahe. Für die Literaturwissenschaft ist er eine interessante Quelle wegen seiner Autobiographie und den Erinnerungen an Heinrich Heine.

  • Meine - bisherige - Erklärung für das wirklich auffällige Verwenden des kompositorischen Mittels der Wiederholung lautet so:


    Erstens gibt es bei Liszt - übrigigens nicht nur bei dem Komponisten Liszt - eine Neigung zum Theatralischen und Effektvollen, die beim Menschen Liszt in merkwürdiger Weise einhergeht mit der Neigung zum Grüblerischen und zur Sinnsuche (die später bei ihm immer deutlicher zum Vorschein kommt). Man kann das zum Beispiel bei seinem frühen und mittleren Klavierwerk beobachten, wo der musikalische Satz sehr oft stark überladen und auf das Dekorative hin abgestellt ist. Bei den frühen und mittleren Liedern äußert sich diese Neigung dann im kompositorischen Einsatz der Wiederholung und der kompositorisch stark ausgearbeiteten und komplexen Klavierbegleitung.

    Lieber Helmut,


    da befinden wir natürlich mitten in Fragen der ästhetischen Bewertung. Keine Frage, Liszt scheut nicht auf "Wirkung" zu setzen, den Hörer zu beeindrucken. Romantiker haben keine Angst vor dem "Schein". Man kann dieses Setzen auf den Effekt, das Dekorative, als überladen empfinden. Das erinnert dann aber an die schwierige Auseinandersetzung mit dem Barockstil, dem man ja auch vorwirft, "überladen" und bombastisch zu sein. Der Barock wiederum empfand die Klassizität der Renaissance als "trocken" und unlebendig - Leben hat für ihn etwas mit überschwänglich ausgegossener Fülle zu tun. Liszts oft sehr opulenter Klang hat etwas barockes an sich, aber über seine ästhetische Qualität ist vor diesem Hintergrund nicht einfach zu urteilen, finde ich. Auch die Wiederholungen können dazu dienen, Fülle zu erzeugen. Bruckner werfen auch viele vor: Was sollen nur diese endlosen Sequenzen? Sind die nicht überflüssig? Dann läßt man sich allerdings nicht auf ihre dramatisch-dynamische Funktion ein, die sich klassizistischen Maßstäben entzieht. Deswegen finde ich eigentlich die Frage spannender: Warum hat sich Liszt selbst zurückgenommen, der hochromantischen Klangapotheose später bewußt enthalten? Und wie ändert sich dadurch der Umgang mit dem Text? Da müßte auch ich mich allerdings sehr in die Sache weiter vertiefen - das sind doch alles nicht einfache ästhetische Fragen!


    Beste Grüße
    Holger

  • Zitat Dr. Holger Kaletha: "...da befinden wir natürlich mitten in Fragen der ästhetischen Bewertung.", ...


    Richtig! Und die sollte hier besser außen vor bleiben! Es ist richtig, dass die Zeit des Barock eine völlig andere Vorstellung von der Funktion und der Bedeutung des Ornamentalen in Kunst und Literatur hatte, als das etwa in der Zeit der Klassik der Fall war. Dahinter steht das die barocke Ästhetik prägende Elegantia-Ideal. In der Romantik liegen die Dinge wieder anders, weil hier Kunst und Literatur aus der Quelle der Phantasie schöpften. Dort war für die romantischen Künstler der Zugang zur "eigentlichen Welt", die der als Abfall vom Urgrund empfundenen realen Welt in Form von Kunst entgegengesetzt wurde.


    Die Frage: "Warum hat sich Liszt selbst zurückgenommen, der hochromantischen Klangapotheose später bewußt enthalten? "...


    ...ist mir bis jetzt ein Rätsel. Ich kann sie im Augenblick nicht beantworten. Ich vermute, dass hinter diesem eigentümlichen Prozess der Reduktion im Einsatz der kompositorischen Mittel ( die eine - im Vergleich betrachtet - regelrechte Abmagerung" darstellte ), wie sie vor allem im späten Klavierwerk zu beobachten ist, biographische Gründe stehen. Der Psychiater Anthony Storr unterscheidet in den Schaffensperioden großer Komponisten drei Phasen. Die dritte beschreibt er als "eine Zeit, da Kommunikation mit anderen zunehmend ersetzt wird durch Werke, die eher von einsamer Meditation bestimmt sind." Für Liszt dürfte das zutreffen.


    Ich hatte schon einmal aus dem Brief Liszts an den Komponisten Josef Dessauer zitiert, wo Liszt selbstkritisch anmerkt: "Meine früheren Lieder sind meistens zu aufgebläht, sentimental und häufig vollgepropft in der Begleitung." Wenn man zu einem solchen Urteil kommt, muss man die eigene Liedkomposition an Maßstäben messen, die gleichsam als kompositorische Leitlinien fungieren. Ich weiß nicht, welche das bei Liszt waren, da mir bis jetzt keine diesebzüglichen Äußerungen von ihm vorliegen.


    Ich vermute aber, dass für ihn im Laufe seines Liedschaffens mehr und mehr die Frage, relevant wurde, in welchem Maß es ihm gelingt, den Geist des lyrischen Textes musikalisch zu erfassen. Wenn man das Notenbild früher Lieder mit dem aus den sechziger Jahren vergleicht, genügt ein flüchtiger Blick, und die Reduktion der musikalischen Faktur fällt ins Auge. Bei dem von mir jetzt als nächstes vorgestellten Lied "Du bist wie eine Blume" ist das besonders signifikant.


    Meine These ist also: Im Verlauf seines Liedschaffens verschiebt sich bei Liszt die kompositorische Intention mehr und mehr von der Ebene der subjektiven Emotion hin zur Ebene der Aussage des lyrischen Textes an sich.


    (Was im einzelnen noch nachzweisen wäre)

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  • Dieses Lied ist in seiner musikalischen Faktur von einer Schlichtheit, die es deutlich von dem zuvor besprochenen („Ich möchte hingehen“) abhebt. Es ist typisch für den Spätstil des Liedkomponisten Liszt. In seiner letzten Fassung entstand es 1860. Es steht im Dreivierteltakt und ist mit „Langsam, innigst“ überschrieben. Zugrunde liegt ihm ein Gedicht von Heinrich Heine, das auch von Robert Schumann und Hugo Wolf vertont wurde.


    Du bist wie eine Blume
    So hold und schön und rein;
    Ich schau dich an, und Wehmut
    Schleicht mir ins Herz hinein.


    Mir ist, als ob ich die Hände
    Aufs Haupt dir legen sollt,
    Betend, daß Gott dich erhalte
    So rein und schön und hold.


    Musikalisch geprägt wird das Lied durch eine melodische Figur, die schon in den ersten beiden Takten im Klavierbass aufklingt und von der Singstimme, „mezza voce“, im fünften Takt aufgegriffen wird. Sie besteht aus einer bogenförmigen Bewegung, die mit einem Sextsprung nach unten einsetzt und danach in Terz- und Quartintervallen sich nach oben entfaltet, um nach einem kurzen Innehalten wieder abzusteigen und auf halber Höhe zur Ruhe zu kommen.


    Etwas Liebliches, Inniges wohnt diesem musikalischen Motiv inne, und es kehrt, von Liszt durchaus bewusst kompositorisch so plaziert, noch insgesamt fünf Mal wieder, mal in der Singstimme, mal im Klavier, und es wird dabei in unterschiedlicher Weise harmonisiert.


    In der ersten Strophe besteht die Klavierbegleitung aus – für den großen Pianisten erstaunlich! – einfachen Akkorden, die im Diskant durch eine Kombination von einem halben mit einem Viertelnotenwert synkopisch rhythmisiert werden. Das trägt ganz wesentlich zu dem heiteren Grundton des Liedes bei.


    Mit der zweiten Strophe ändert sich die Klavierbegleitung, - ohne deshalb komplexer zu werden. Jetzt erklingen dort bei den ersten beiden Versen jeweils drei akkordische Viertel. Ernst und Bedeutsamkeit tritt klanglich in das Lied ein, ganz dem lyrischen Text gemäß.


    Das drückt sich auch in der melodischen Linie der Singstimme aus. Sie bewegt sich jetzt in ruhigen, aufwärts gerichteten Schritten hinauf zu ihrem Gipfelpunkt bei den Worten „legen sollt“. Liszt schreibt an dieser Stelle ein Crescendo vor. Danach folgt ein kurzes Klavier-Zwischenspiel „un poco marcato“, das in einen lang gehaltenen arpeggierten Akkord mündet.


    Die beiden letzten Verse erklingen in einer zauberhaft-lyrischen Schlichtheit. Zunächst ist im Klavierdiskant wieder das zentrale musikalische Motiv zu hören. Danach, bei den Worten „betend, daß dich Gott erhalte“, verharrt die Singstimme, syllabisch exakt deklamierend, auf einem Ton (einem hohen „c“), um danach die Worte „so rein und schön“ wieder auf der melodischen Linie des zentralen Motivs zu singen.


    Auf den Worten „schön und hold“ liegt eine lange melodische Dehnung (wieder auf dem Ton „c“) mit einem nachfolgenden melodischen Abstieg auf die Terz, die mit einem punktierten Halbnotenwert versehen ist.


    Beim Nachspiel erklingt zunächst wieder das zentrale Motiv. In den letzten beiden Takten aber löst es sich in Form einer Aufwärtsbewegung hin zu großen Höhen regelrecht auf. Es scheint klanglich zu entschweben.

  • Ich versuche, der Frage nachzugehen, wie Liszt kompositorisch mit dem lyrischen Text umgeht, indem ich einen Vergleich mir Robert Schumann anstelle. Dieser hat das Heine-Gedicht „Du bist wie eine Blume in seinem Liederzyklus „Myrten“ op.25 ebenfalls vertont (als Lied Nr.24). Ich werde mich dabei, damit die Sache nicht ausufert und wirklich auf den Punkt gebracht wird, vorwiegend auf die kompositorische Gestaltung der Anfangsverse konzentrieren. Ich glaube nämlich, dass man schon hier der Eigenart der Liedkomposition Liszts auf die Spur kommt.


    Zu Heines Gedicht.
    Es sind zwei Bilder, die in diesem Gedicht ihr evokatives Potential entfalten: Das Bild von der Blume, mit der die Geliebte verglichen wird, und die Geste des Handauflegens, die allerdings fiktional ist, ein „Als ob“. Darin erschöpft sich die Aussage des Gedichts jedoch nicht, denn das lyrische Ich artikuliert darin ja auch seine Gedanken und Empfindungen beim imaginativen Anblick der Geliebten.


    Hieraus ergeben sich für den Liedkomponisten zwei durchaus unterschiedliche kompositorische Ansätze. Er kann gleichsam deskriptiv verfahren und die Komposition auf die lyrischen Bilder ausrichten. Er kann aber auch gleichsam introspektiv vorgehen und das musikalisch zum Ausdruck bringen, was das lyrische Ich denkt und fühlt.


    Genau darin unterschieden sich nun Liszt und Schumann mit ihrer jeweiligen Komposition auf dieses Heine-Gedicht. Und das Erstaunliche ist: Man kann das schon bei der kompositorischen Gestaltung der ersten Verse erkennen. Beide Komponisten arbeiten mit dem Mittel des Falls der melodischen Linie der Singstimme. Solche von starken Intervallen geprägte Bewegungen der Vokallinie sind traditionell ein kompositorisches Mittel zum Ausdruck seelischer Regungen. Und diesbezüglich zeigt sich nun folgendes:


    - Bei Liszt liegt auf den ersten Takten der Singstimme eine melodische Figur, die mit einem Sextfall einsetzt und danach in eine nach oben sich richtende Bewegung übergeht, die danach bogenförmig wieder abfällt, - dieses Mal aber nur um eine Sekunde. Das hat etwas Artifizielles, und man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass Liszt mit dieser melodischen Figur – die durchaus Wohllaut entfaltet – die Schönheit der Blume musikalisch einfangen will. Er verfährt also bei diesem Lied von Anfang an kompositorisch deskriptiv. Und betrachtet man unter diesem Aspekt das ganze Lied, so bestätigt sich das.


    - Schumann geht es primär um das musikalische Erfassen der seelischen Regungen des lyrischen Ichs. Er verfährt kompositorisch also eher introspektiv. Auch das kann man an der Struktur der melodischen Linie durchaus ablesen, wobei interessant ist, wo jeweils der Fall derselben um ein größeres Intervall stattfindet. Das ist nicht am Anfang der Fall. Hier bewegt sich die Vokallinie um nur eine Sekunde nach unten (von „c“ nach „b“), und danach macht sie eine Art triolische Schlenkerbewegung um nur eine Terz nach oben. Danach aber, bei dem Wort „hold“ ereignet sich ein Septimabfall. Der Höreindruck besagt: Der Komponist greift hier den semantischen Gehalt des Wortes „hold“ musikalisch auf und gibt damit wieder, was das lyrische Ich empfindet. Und hört man ein wenig weiter, dann bemerkt man, dass bei dem Wort „Wehmut“ ein Quintfall stattfindet, der wiederum den semantischen Gehalt dieses Wortes musikalisch repräsentiert.


    Folgendes festzustellen ist mir wichtig:


    Beide Lieder sind musikalische Meisterwerke. Ich wüsste nicht, welchem ich einen höheren kompositorischen Rang zusprechen sollte. Aber sie lassen sehr schön wesentliche Unterschiede in der Intention des Komponisten erkennen. Und vor allem kann man Einblick in die Art und Weise gewinnen, wie Liszt kompositorisch mit dem lyrischen Text umgeht, - vor allem in der Spätphase seiner Liedkomposition. Ließ er sich in der Anfangszeit durch den lyrischen Text zu emphatischen Höhenflügen inspirieren, - so stark, dass er sich sogar von diesem entfernte und sehr willkürlich mit ihm umging, so bleibt er hier – bei diesem Lied – durchweg nahe an ihm. Er setzt keine stark expressiven Ausdrucksmittel mehr ein – Wiederholungen etwa – und komponiert durchweg im Geist des lyrischen Textes. Dennoch ist diese Nähe zum lyrischen Text nicht diese, die Schumann in seinem Lied wahrt.


    Man könnte den Unterschied im kompositorischen Zugriff auf und den Umgang mit dem Gedicht so auf den Punkt bringen:
    Schumann leuchtet die lyrische Sprache kompositorisch aus, Liszt hingegen greift die evokative Kraft des lyrischen Bildes mit musikalischen Mitteln auf.

  • „Richtig! Und die sollte hier besser außen vor bleiben!
    Es ist richtig, dass die Zeit des Barock eine völlig andere Vorstellung von der
    Funktion und der Bedeutung des Ornamentalen in Kunst und Literatur hatte, als
    das etwa in der Zeit der Klassik der Fall war. Dahinter steht das die barocke
    Ästhetik prägende Elegantia-Ideal. In der Romantik liegen die Dinge wieder
    anders, weil hier Kunst und Literatur aus der Quelle der Phantasie schöpften.
    Dort war für die romantischen Künstler der Zugang zur "eigentlichen
    Welt", die der als Abfall vom Urgrund empfundenen realen Welt in Form von
    Kunst entgegengesetzt wurde.“



    Lieber Helmut,



    genau! Mit dieser
    Erzeugung eines „Paralleluniversums“ der Poesie verliert in der Romantik das
    Ornamentale seine „dienende“ Funktion der Figuration. Der Klang
    wird Selbstzweck, das Kleid der figurativen Umkleidung wird gleichsam von
    seinem Körper abgezogen und um seiner selbst willen ausgestellt.




    Ich habe mir „Über allen Gipfeln ist Ruh“ (3. Fassung) zu
    Gemüte geführt (mit Brigitte Fassbaender und J. Y. Thibaudet). Ein
    exemplarisches Beispiel für Liszts Art der „subjektivierenden“ Vertonung, finde
    ich. Zunächst dominiert der choralhafte Ton, der eine fast schon
    kirchlich-feierliche Stimmung erzeugt. Liszt versucht offenbar den Eindruck des
    Stillstandes aller Bewegung musikalisch zu erzeugen – die Singstimme macht kaum
    Bewegung, kreist um denselben Ton, und wenn sie ausschweift wie bei dem Vögeln
    im Walde, dann wirkt das merkwürdig traumhaft, also auch hier ist die Bewegung
    nicht real, sondern irreal. Was macht er aber aus den beiden letzten Zeilen!
    Das „Warte nur“ interpretiert die Musik als das Erwachen eines innerlich
    unruhigen Strebens und Verlangens – das wird nun aufwendig in Szene gesetzt,
    mit der Ruhe ist es vorbei – die beiden schlichten Schlusszeilen werden durch
    die Vertonung entsprechend aufgewertet, bekommen Gewicht durch Wiederholungen,
    welche hier Ausdruck der Dynamisierung sind. Entsprechend muss dann zum Ende
    die Ruhe ebenso musikalisch aufwendig hergestellt werden – da findet Liszt
    einen „impressionistischen“ Ton, der sich wahrlich wie Debussy anhört. Die
    Vertonung hat also eine dynamische Dramaturgie, es gibt einen Spannungsbogen
    von Ruhe, Bewegung (Aufwallung von Leidenschaft), Ruhe (Beruhigung). Liszt
    interpretiert damit die Naturschilderung als Kontrast zur inneren
    Befindlichkeit des lyrischen Ich: Die Natur ruht in Frieden, dem steht jedoch
    die innere Aufgewühltheit des Subjekts gegenüber, das seine Ruhe in dieser
    Natur erst noch zu finden sucht. Es werden die inneren Vorgänge, die das
    Gedicht selber gar nicht ausdrückt (beim schlichten „Warte nur, balde...“)
    durch die Musik zum Ausdruck gebracht, das verborgene Seelendrama
    gewissermaßen. Die Musik gibt sich als Interpretation des Textes, welche das
    Verborgene, Verschwiegene, nur Angedeutete zum Vorschein bringt.




    Beste Grüße



    Holger

  • Lieber Helmut.


    ich höre den Vergleich Schumann-Liszt ganz ähnlich: Liszt liest "wie eine Blume" - komponiert betont "naturhaft". Bei Schumann dagegen ist die Blume ein Mensch, sprich der Ausdruck ist anthropomorph. Was in einem schlichten "wie" doch alles steckt!


    Beste Grüße
    Holger

  • Die Frage, die mich immer noch umtreibt, ist die nach den Gründen dafür, weshalb die Lieder Liszts ein so unterschiedliches Bild bieten: Von pathetischer, weitschweifiger Melodik und exzessivem, ja überladenem Klaviersatz bis hin zu der fast kargen musikalischen Faktur, wie sie späte Lieder und die letzten Überarbeitungen früherer Fassungen aufweisen. Allmählich aber scheint sich das Dunkel für mich ein wenig zu lichten.


    Ganz sicher, darauf bin ich jetzt gestoßen, spielt die Künstlerbiographie Liszts dabei eine Rolle. Er stand in seiner Jugend sehr stark unter dem Einfluss der französischen Romantik. In den dreißiger Jahren las er wie ein Besessener. Heinrich Heine bemerkte über ihn einmal (im Jahre 1837):


    „Höchst merkwürdig sind seine Geistesrichtungen. Er hat große Anlagen zur Spekulation, und mehr noch als die Interessen seiner Kunst interessieren ihn die verschiedenen Schulen, die sich mit der Lösung der großen, Himmel und Erde umfassenden Fragen beschäftigen.“


    Sehr bezeichnend für die Grundhaltung der Künstler der französischen Romantik, deren herausragender Wortführer Victor Hugo war, ist, dass nicht mehr so sehr das Schöne im Vordergrund stand, sondern das ästhetisch Charakteristische, das man im Grunde als dialektische Einheit des Schönen und des Hässlichen verstand. Man liebte die starke Expressivität und den grellen Kontrast, die „fruchtbare Einheit des Grotesken und des Erhabenen“ (Hugo).


    Diese Haltung hat sicher auch Franz Liszt geprägt, - von seinem kompositorischen Schaffen bis hin zu seinem Auftreten als Pianist. So kann man sich auch die Tatsache erklären, dass viele seiner frühen Lieder stark auf den theatralischen Effekt abgestellt sind, dass er darin kompositorische Mittel einsetzt, die auf effektvolle klangliche Außenwirkung abzielen. Fischer Dieskau meint dazu:


    Auch Liszt ist der Schwäche dieser Zeit nicht entronnen, die wie jede Übergangsperiode echtes Feuer allzu leicht in Pathos oder Schmachten abgleiten ließ.“
    Ein ganz typisches Merkmal seiner frühen und mittleren Lieder ist das musikalische Auskosten einzelner lyrischer Bilder aus einem Gedicht. Ebenso bezeichnend für seine frühe Liedkomposition ist das Herausgreifen einzelner Verse, die stark affektgeladen sind. Diese werden sehr oft mit Mehrfachwiederholungen hervorgehoben. Das Problem bei dieser Art des kompositorischen Zugriffs auf ein Gedicht ist, dass dieses seine innere sprachlich-strukturelle Einheit verliert oder – im schlimmsten Fall – sogar die poetische Aussage verfehlt wird.


    Liszt ist dies wohl selbst aufgefallen. Anders ist nicht zu erklären, dass er viele seiner Lieder später einer Überarbeitung unterzog. Ich vermute, dass die Gründe dafür in seiner späteren inneren Distanzierung von dem auf starke Außenwirkung abzielenden Habitus seiner „Star-Pianisten-Zeit“ zusammenhängen.


    An dem Lied „Der du von dem Himmel bist“ habe ich das schon beispielhaft aufgezeigt, möchte das dazu bereits Gesagte im nächsten Beitrag aber noch einmal ein wenig konkretisieren, bevor ich ein neues Lied vorstelle.

  • Im langsamen Herantasten an die kompositorische Grundhaltung Liszts, speziell seine Lieder betreffend, - dieses "Herantasten" ist ja das Grundprinzip dieses Threads - stoße ich eben auf eine Äußerung von ihm, die mir sehr aufschlussreich zu sein scheint. Er meint:


    "Ein vollflutender magnetischer Strom verbindet Poesie und Musik, diese beiden Formen menschlichen Denkens und Fühlens."

    Diese Äußerung ist zwar im Zusammenhang mit seinem kompositorischen Konzept der "Sinfonischen Dichtung" getätigt worden, hinter dem, ähnlich wie bei Wagner, die Idee eines "Gesamtkunstwerks" stand, aber ich glaube, dass sie auch für die Liedkomposition seiner frühen und mittleren Phase als eine Art kompositorisches Leitprinzip betrachtet werden kann.


    Es ist bei Liszt eben nicht so, wie das bei Schubert oder Schumann der Fall war, dass der lyrische Text nicht nur inspirierender, sondern auch strukturierender und kompositorisch verbindlicher Faktor der Liedkomposition war. Bei Liszt war er lange Zeit "nur" ein Faktor, der sich im "vollflutenden magnetischen Strom", den er in sich vorfand, zusammen mit der Musik zu einer Art höherer Einheit, der poetischen Musik - oder auch sinfonischen Dichtung - zusammenfand.


    Um so verwunderlicher und auch rätselhafter, dass ihn der lyrische Text später wieder zu sich zurückholte und gleichsam an sich band.

  • Ich wies in meinem letzten Beitrag, die kompositorische Grundhaltung Liszts im Bereich Lied betreffend, darauf hin, dass er in seiner frühen und mittleren Schaffensphase dazu neigt, gleichsam an der „Oberfläche“ eines Gedichts anzusetzen, indem er lyrische Bilder oder affektiv aufgeladene Verse aus diesem herausgreift, um sie kompositorisch auszukosten.


    In seiner Spätphase hingegen versteht er Liedkomposition in enger musikalischer Anlehnung an den lyrischen Text und die genuine dichterische Aussage desselben. Die Folge ist eine durchaus markante Reduktion im Einsatz kompositorischer Ausdrucksmittel, von der Klavierbegleitung, über das Arbeiten mit Klavierzwischenspielen bis hin zur Führung der melodischen Linie der Singstimme, die in ihren Bewegungen exaltierte Sprünge und Wiederholungen vermeidet, bzw. sie auf das vom lyrischen Text her Notwendige und Gebotene beschränkt.


    Die drei Fassungen von „Der du von dem Himmel bist“ sind, soweit ich sehen kann, das beste Beispiel, an dem man die innere Entwicklung des Liedkomponisten Franz Liszt studieren und erkennen kann. Die erste Fassung von 1842 ist eigentlich mehr eine Arie als ein Lied: In der Melodik wirkt sie theatralisch, der Klaviersatz ist pompös und effekthascherisch, und die vielen Zwischenspiele haben nicht immer einen direkten Bezug zum Text.


    Die zweite Fassung von 1856 weist im Klaviersatz schon eine deutliche Reduktion auf, weist aber immer noch stark auf eine dem Gedicht Goethes nicht gerecht werdende Expressivität auf. Man kann das zum Beispiel deutlich an dem Vers sehen, der besonders stark affektgeladen ist: „Ach, ich bin des Treibens müde“. Eben weil sich hier die innere seelische Verfassung des lyrischen Ichs in Form eines leisen Klagerufs äußert, greift Liszt mit allen Mitteln einer auf Expressivität angelegten Liedkomposition zu.


    Die melodische Linie der Singstimme bewegt sich in kurzen Intervallen nach oben, verharrt dort bei dem Wort „müde“ über einen halben Notenwert lang, um in ebenso kleinen Schritten wieder in die Tiefe abzusinken – die Müdigkeit gleichsam musikalisch abbildend. Das Klavier begleitet dabei mit einer aufwendigen, nach oben gerichteten Triolenbewegung.


    Und vor allem wird wiederholt. Das hört sich dann so an:
    „Ach! ich bin des Treibens müde / Was soll al der Schmerz und Lust / Ach! ich bin des Treibens müde / Was soll all der Schmerz / all der Schmerz und Lust / all der Schmerz und Lust?

    Diese Vertonung wird dem lyrischen Text insofern nicht gerecht, als dieser Vers ja – es handelt sich um ein „Nachtlied“ – leise und aus tiefer existenzieller Müdigkeit hervorkommend artikuliert wird. Der große expressive kompositorische Aufwand geht auch in der zweiten Fassung noch an der Aussage des lyrischen Textes vorbei.


    Die dritte Fassung von 1860 unterscheidet sich von den beiden vorangehenden so fundamental, dass man eigentlich von einem neue Lied sprechen müsste, gäbe es nicht gewisse Ähnlichkeiten in der Führung der melodischen Linie. Dennoch überwiegen die Unterschiede ganz deutlich: Die fortlaufenden Triolen des Klaviersatzes sind durch breite, choralartige Akkordik ersetzt; die Bewegung der melodischen Linie meidet große Intervalle und ist durchgängig auf Ausdrucksintensität angelegt,- vor allem durch die Nutzung der Wirkung, die von der großen und kleinen Sekunde ausgeht.


    Zwar wird der Vers „Ach! ich bin des Treibens müde“ auch wiederholt, aber eben nur einmal! Vor allem aber fehlt hier jegliches aufgesetzte Pathos. Die Aufwärtsbewegung zum Ton „e“ erfolgt jetzt langsam und über nur zwei Tonintervalle. Vor allem aber ist der letzte Schritt eine verminderte Terz, was die Schmerzlichkeit der Klage auf einfache, aber gerade deshalb höchst eindringliche Weise hörbar werden lässt.
    Und noch etwas zeigt die viel größere Kompositionskunst, die in diesem Lied steckt: Der höchste Ton, eben dieses über eine verminderte Terz erreichte „e“, liegt auf der Silbe „mü“-, und bei der zweiten Silbe des Worte („-de“) fällt die melodische Linie um eine kleine Sekunde ab, was die Müdigkeit weitaus besser zum Ausdruck bringt, als dies bei dem kompositorischen Aufwand der vorigen Fassungen der Fall war. Hinzu kommt nämlich, dass das Klavier an dieser Stelle mit nur einfachen Akkorden begleitet, und das im Diskant. Im Bass ist nahezu nichts zu hören: Nur eine Bewegung aus einem Einzelton.


    Wenn man das Notenbild an der Stelle „all der Schmerz und Lust“ aus der ersten Fassung neben die der dritten legt, meint man, rein vom optischen Eindruck her, dass mehr als zwei Drittel der Noten verschwunden ist, - von der Struktur der musikalischen Faktur gar nicht zu reden. Nach dem Wort „Lust“ erklingt in der ersten Fassung ein Klavierzwischenspiel, das aus den Paganini-Etüden stammen könnte, so komplex ist es: Aufrauschende Sechzehntel-Triolen aus Doppelgriffen im Diskant, begleiten von derselben Bewegung im Bass. In der dritten Fassung erklingt an dieser Stelle im Diskant nur ein einziger Akkord, und im Bass ist eine Aufwärtsbewegung aus nur drei Noten zu hören.


    Es ist also in der Tat zutreffend, wenn man feststellt, dass Liszt im Laufe seiner Entwicklung als Liedkomponist von der Oberfläche des lyrischen Textes hin zu seiner genuinen Aussage gefunden hat. Es entstehen mit dieser ganz anderen kompositorischen Intention wahrlich große Lieder!

  • Als Ergänzung zu Dreamhunters Einführung kann jetzt festgestellt werden, dass die CD von Elisabeth Kulman und Eduard Kutrowatz bereits bei einem Tamino-Partner gelistet ist (und bei Preiser natürlich auch direkt erhältlich):


    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Um meiner Pflicht nachzukommen und einmal etwas wirklich Nützliches hier zu schreiben, also das Forum nicht nur dazu zu benutzen, meiner Leidenschaft für liedanalytische Betrachtungen zu frönen, möchte ich auf zwei Aufnahmen mit Liszt-Liedern hinweisen, die hier noch nicht genannt wurden.


    Es handelt sich um eine Edition der Firma Marsyas in Koproduktion mit dem ORF. Der Titel ist: "Franz Liszt, The complete songs". Zwei CDs sind bislang erschienen - jedenfalls kenne ich nur zwei:


    Volume 1: Adrian Eröd (Bariton), Charles Spencer (Piano) // Volume 2: Janina Baechle (Sopran), Charles Spencer (Piano)


    Eben sehe ich, dass ich hinzufügen muss: Diese Aufnahmen sind bei den Tamino-Partnern gelistet.

  • Auch dieses Lied, von dem es zwei Fassungen (von 1842 und 1860) gibt, ist geprägt von einem musikalischen Motiv, das gleich am Anfang im Klaviervorspiel aufklingt und danach von der Singstimme aufgegriffen wird. Zugrunde liegt ihm das berühmte Gedicht aus Goethes „Wilhelm Meister“ („Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn…“).


    Mit einem Vorhalt versehen, klingt ein arpeggierter Akkord auf, der in Form von zwei Abwärtsschritten in die melodische Dissonanz „cis“ – „f“ mündet. Wenn die Singstimme diese Bewegung aufgreift, dann nimmt sie dabei keine Rücksicht auf die sprachliche Akzentuierung des lyrischen Textes. Der musikalische Ton liegt auf dem „du“.


    Dieses melodische Motiv kehrt im Lied immer wieder. Schon bei dem Vers „Ein sanfter Wind“ taucht es wieder auf, nachdem das Klavier es zuvor hat erklingen lassen. Aber es wird eingebunden in die melodischen Bewegungen, die die Aussage des lyrischen Textes reflektieren. Dort etwa, wo sich die melodische Linie bei den Worten „hoch der Lorbeer steht“ in hohe Lagen hinaufsteigert.


    Das „Kennst du es wohl“ wird gleich dreimal wiederholt, in Form eines melodischen Aufwärtssprunges in Form einer Quinte mit nachfolgender Sekunde, und es wird gerahmt von gleichartigen Motiven in der Klavierbegleitung während der Pausen.


    Deutlich melodisch und harmonisch abgehoben davon ist der Refrain. „Bewegter“ schreibt Liszt dafür vor. Das „dahin“ erklingt auch gleich drei Mal. Die melodische Linie bewegt sich dabei in drei Sprüngen in Form großer Intervalle hinauf in große Höhe und verharrt dort bei der Silbe „-hin“ mehr als einen halben Notenwert lang. Auch dieser Vers wird, in noch expressiverer Form, wiederholt, wobei einzelne Versteile ebenfalls noch eine Wiederholung erfahren. Das „o mein Geliebter“ wird mit diesem kompositorischen Mittel auf eindrucksvolle Weise hervorgehoben.


    Auf „Kennst du das Land“ liegt wieder das bekannte Vorhalt-Motiv. Danach bewegt sich die melodische Linie der Singstimme wieder sprunghaft in die Höhe, deren Gipfelpunkt sie mit dem Wort „Saal“ erreicht. Durchweg ist diese aufwärts gerichtete Sprunghaftigkeit, bei der große Intervalle genommen werden, typisch für dieses Lied.


    Immer wieder wird in fast exzessiver Weise mit den kompositorischen Mittel der Wiederholung gearbeitet. „Kennst du es wohl“ ist bei Goethe ein Vers. Bei Liszt aber wird es drei Mal musikalisch artikuliert, ebenso wie die Verse des Refrains und innerhalb desselben noch einmal die Worte „o mein Geliebter“ und „mein Beschützer“.

    Bei der dritten Strophe („Kennst du den Berg…“) liegt eine andere melodische Linie auf den Versen. Es wird zunächst syllabisch exakt auf nur zwei Tönen deklamiert, während das Klavier sich in unruhigen Achteln auf und ab bewegt. Nicht mehr ein Vierviertel-Takt liegt zugrunde, sondern sechs Viertel. Und das setzt sich so fort bis zu den Worten „Es stürzt der Fels“. Hier setzen die großen Intervallsprünge nach oben und unten wieder ein.


    Mit den Worten „Kennst du ihn wohl“ löst sich die Komposition völlig von Goethes Textvorgabe. Denn nicht nur, dass diese Worte wiederholt werden, - die Singstimme artikuliert jetzt: „Kennst du das Land, / kennst du das Haus, / kennst du den Berg, / kennst du sie wohl?“, - und das auf einer stufenweise abfallenden melodischen Linie, die in eine lange Pause mündet.


    Auch der letzte Vers wird melodisch extensiv ausgestaltet. Mehrfach werden in emphatischer Steigerung Teile des Verses wiederholt, „sempre dolce“, und mit lebhaft aufsteigenden Sechzehntelfiguren im Klavier klanglich gesteigert und intensiviert. Mit den Worten „Geliebter dahin...“, „lento“ und „dolce“ auf einer ansteigenden melodischen Linie gesungen, klingt das Lied aus.

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  • Lieber Helmut,


    das sind wieder sehr schöne Analysen und Reflexionen von Dir. Da muß ich mir die Tage Zeit nehmen, nachzuhören. Gerade zu Gemüte geführt habe ich mir den folgenden Aufsatz: "Liszts Goethe-Lieder. Liszt contra Goethe?" von Wolfgang Huschke in: Liszt und die Weimarer Klassik, hrsgg. v. Detlev Altenburg, Laaber 1997. Er geht dort ein auf "Über allen Gipfeln ist Ruh", "Der du von dem Himmel bist",sowie "Freudvoll und Leidvoll" - und diskutiert die verschiedenen Fassungen. Anregend zu lesen, aber die Frage nach den verschiedenen ästhetischen Haltungen bei der Liedvertonung wird auch nur bestenfalls angeschnitten.


    Beste Grüße
    Holger

  • Zitat Dr. Holger Kaletha: "...aber die Frage nach den verschiedenen ästhetischen Haltungen bei der Liedvertonung wird auch nur bestenfalls angeschnitten."


    Der Antwort auf diese Frage, lieber Holger, rücke ich allmählich näher. Hinter diesem Wandel in der kompositorischen Haltung Liszts dürften nicht nur ganz persönliche Motive gestanden haben, - es ist auch der Wandel des Zeitgeistes, der sich in den Liedern (und den Neufassungen alter Lieder) der sechziger Jahre niederschlägt. Darauf werde ich später noch einmal eingehen.

  • Dieses Gedicht aus Goethes "Wilhelm Meister" hat viele Komponisten zu einer Vertonung inspiriert. Es gibt weit über dreißig kompositorische Auseinandersetzungen damit, darunter die von Beethoven Schubert, Schumann und Hugo Wolf. Der Grund für die Faszination, die von der Gestalt der Mignon auf Komponisten ausgeht, liegt in der Aura des Geheimnisvollen, die Goethe dieser Gestalt verliehen hat Ich möchte darauf nicht näher eingehen, zumal es hier im Liedforum einen Thread darüber gibt.


    Hier geht es mir um die schon mehrfach behandelte Frage: Wie ist Liszt mit dem lyrischen Text umgegangen und welche kompositorische Intention lasst sich in diesem Fall erkennen?


    Zunächst einmal ist festzustellen: Liszts „Mignons Lied" ist ein zweifellos gut zu hörendes und in seiner Melodik und Harmonik eingängiges Lied. Überaus expressiv ist die melodische Linie, die auf den Versen „Dahin, dahin möcht ich mit dir, o mein Geliebter (Beschützer), ziehn“. Sie ist aber nicht nur expressiv, sondern sogar von der Art Eingängigkeit, dass man meint, sie sei einem durchaus bekannt.


    Hier, an diesem Vers, zeigt sich zugleich auch ganz besonders deutlich die Problematik, auf die man bei Liszts frühen und mittleren Liedern immer wieder stößt: Er übertreibt bei seinem Versuch, den affektiven Gehalt eines lyrischen Verses mit musikalischen Mitteln aufzugreifen und zum Ausdruck zu bringen. Die Vokallinie wird nicht nur mit großer Emphase versehen, auch im Klaviersatz wird mit expressiven Mitteln gearbeitet, vom unruhigen Auf und Ab der Achtelfiguren bis hin zu arpeggierten Akkorden. Zudem kommt auch das Mittel der Wiederholung wieder zum Einsatz:„Dahin, dahin, dahin / möchte ich mit dir, o mein Geliebter ziehn! / Dahin, dahin, dahin / mit dir, o mein Geliebter / mit dir, o mein Geliebter ziehn.“


    Nun ist freilich bemerkenswert, dass auch Schubert bei diesem Schlussvers der Strophen in für ihn auffälliger Weise dramatisiert. Er scheint bei dieser Komposition sehr stark unter dem Einfluss der Vertonung gestanden zu haben, wie sie Beethoven vorgelegt hat (sie ist eine der großartigsten!), und es ist nicht recht erklärlich, warum er dieses Lied im Unterschied zu seinen anderen Kompositionen auf die lyrischen Texte aus „Wilhelm Meister“ nicht noch einmal überarbeitet hat. Auch Schumann arbeitet übrigens mit dem Mittel der Wiederholung, nur Hugo Wolf tut es nicht.


    Vermutlich steht ja hinter all dem nicht nur die lyrische Nachdrücklichkeit dieses Verses, dieses doppelte „dahin“, sondern auch das Wissen um die Stelle in Goethes Roman, an der der lyrische Text zitiert wird. Dort heißt es nämlich zu der Art, wie Mignon das Lied vortrug:


    „Sie fing jeden Vers feierlich und prächtig an, als ob sie auf etwas Sonderbares aufmerksam machen, als ob sie etwas Wichtiges vortragen wollte. Bei der dritten Zeile ward der Gesang dumpfer und düsterer; das >Kennst du es wohl?< drückte sie geheimnisvoll und bedächtig aus; in dem >Dahin! Dahin!< lag eine unwiderstehliche Sehnsucht, und ihr >Laß uns ziehn< wußte sie bei jeder Wiederholung dergestalt zu modifizieren, dass es bald bittend und dringend, bald treibend und vielversprechend war.“

    Vergleicht man nun die verschiedenen Kompositionen auf dieses Goethe-Gedicht von Reichardt und Zelter bis hin zu Hugo Wolf, dann wird wieder recht deutlich, dass Franz Liszt der sich hier zeigenden Linie in der Entwicklung des Kunstliedes nicht wirklich angehört. Er steht sozusagen seitab, - womit kein Qualitätsurteil über seine Liedkomposition verbunden sein soll!


    Ich nehme einmal Schubert als Bezugspunkt, - der ja auch die jeweilige Schlusszeile der Strophen aus einem durchaus auf pathetische Expressivität hin angelegten kompositorischen Gestus heraus gestaltet. Der auffällige Unterschied zu Liszt ist aber, dass dieses nicht aufgesetzt wirkt, sondern sich wie eine Art Steigerung einer durchgehenden Melodik ausnimmt. Schubert nimmt Goethes Text in versübergreifende Melodiezeilen auf. Und die kompositorische Gestaltung des Strophen-Schlussverses wirkt – unbeschadet seiner mit dem Mittel der Wiederholung zustande gebrachten dramatischen Steigerung – wie einer Fortsetzung derselben.


    Bei Liszt hingegen gibt es solche in der musikalischen Bindekraft der Melodiezeile wurzelnde innere Einheit des Liedes nicht. Es wirkt alles wie aus musikalisch expressiven Einzelelementen zusammengesetzt, - zusammengehalten durch den Klaviersatz, der sich – wie eine Art musikalisches Bindemittel – in den Pausen der Singstimme beharrlich zu Wort meldet.


    Das ist wahrlich eine ganz neue Art der Liedkomposition. Man könnte – besonders im Blick auf die Gestaltung des Liedschlusses hier - sie auf den Nenner bringen: Die Musikalisierung des Kunstliedes ist sozusagen auf die Spitze getrieben. Es ist nicht mehr weit bis zur Theatralik der Arie.

  • Es ist nicht mehr weit bis zur Theatralik der Arie.


    Das geht mir ein wenig zu weit. "Oh, quand je dors" etwa hat zwar seine ariose und expansive Seite, aber hier wird nichts veräußerlicht ausgestellt; vielmehr entspannt die Melodie, vom entwaffnenden Quartenbogen über die Sext bis zur Oktave eine sublime Extase, die in ihrer Wirkung Fauré vorwegnimmt. Eines der schönsten Gedichte des großartigen Victor Hugo übrigens, die Vertonung zweifellos nicht leicht nachzusingen (wie etwa Schuberts "Forelle"). Die in der Begleitung hindurchgleitenden Modulationen tauchen die E-Dur-Konturen der Vokallinie in ein träumerisch-unvorhersehbares Licht, die Steigerung ist stets eine innere, ganz dem verklärten Gehalt der Poesie angemessen. Nichts wird an vordergündige und griffige Melodieformeln verraten, jede große Gebärde erscheint sogleich wieder zurückgenommen. In der Form erinnert das ein wenig an Verlaines "la lune blanche/ luit dans les branches" mit seinem ans Ende jeder Strophe gesetzten Fazit, das die Archtitektur dieser Intensität so sinnfällig macht. Wie im berühmten "Liebestraum" bestimmt auch hier die Harmonik ganz wesentlich die variierte (dreiteilige) Strophenform. Ich empfehle als Interpretin Barbara Bonney, wie überhaupt Damen dieses meisterhafte Lied am vollendetsten zu Gehör bringen, auch stimmfarblich, unerachtet seiner maskulinen Rolle.


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Farinelli moniert: "Das geht mir ein wenig zu weit. "


    In meinem Beitrag Nr. 50 habe ich genau begründet, warum ich im Schluss des Liedes "Mignons Lied" eine Annäherung an den kompositorischen Gestus der Arie höre und in den Noten sehe. Ich kann in farinellis Beitrag, der sich auf ein ganz anderes Lied bezieht, keine Widerlegung meiner diesbezüglichen Feststellungen erkennen.


    Was Liszts Hang zur Theatralik anbelangt - und nur das ist Anlass meiner hiesigen Stellungnahme - so lässt er sich in vielen Liedern feststellen und nachweisen, - vor allem in denen aus seiner frühen und mittleren Kompositionsphase. Das wurde oben an mehreren Bespielen schon aufgezeigt und wird auch weiterhin ein Aspekt der Betrachtung seines Liedwerkes sein.


    Dass er diesen Hang selbst als eine Schwäche seiner frühen Lieder erkannt, in einer schriftlichen Äußerung dokumentiert und ihn schließlich in vielen Überarbeitungen derselben später behoben hat, wurde ebenfalls hier schon im einzelnen dargestellt.

  • Lieber Helmut,


    ich fand bloß die Wertung merkwürdig - als sei das Ariose gleich das Theatralische. Ich denke, gerade die Mignon-Vertonungen zeigen ja, wie Lizt auch um etwas ringt, das im Liedbereich Neuland war (und Schubert bleibt dem Gedicht ja fast alles schuldig. Und "Dahin" läßt auch er dreimal singen). Liszt scheint mir einesteils eine Brücke zu Wolf zu bilden (umgekehrt klingen die vibrierenden Akkordkaskaden in Wolfs Mignon-Version deutlich nach Liszt, z.B. im Vallée d´Obermann).


    Die Textzeilenwiederholung entstammt zwar der Operntradition, das ist richtig. Aber da war es ein Stilmittel musikalischer Amplifikation, da Arientexte eher spärlich ausfielen. Das Mehrfachsingen ganzer Textpassagen bei Liszt ist ein Ausdruck von Emphase, nicht von Theatralik im Sinne glanzvoller Außenwirkung. Vielmehr wirkt die Ausdrucksform der Oper zurück auf die Möglichkeiten der Textgestaltung im Lied - Liszts Mignon oder Über allen Gipfeln klingen ja passagenweise wie eine Art Melodram. Und doch ist die Vertonung von "die Vögelein schweigen im Walde", um nur diesen Vers einmal herauszugreifen, in ihrer Art an Suggestivität kaum zu übertreffen. Liszt verlangt, wie Wolf, vor allem einen subtilen, keinen dramatischen Sänger (dennoch, geschenkt, ist das zweimalig anrollende "Warte nur, balde" keine geglückte Lösung und klingt, als habe sich Liszt unter den verschiedenen Nuancen für die beste nicht recht entscheiden können). Vielleicht hätte er es bei der fassunglosen, aus bang pochenden Akkorden drängenden Frage des ersten Durchlaufs mit ihrer aufatmenden Beruhigung gegen Ende bewenden lassen sollen.


    Man höre für "Ein Gleiches" (1. Fassung) Mitsuko Shirai, um die hohe Musikalität zu beurteilen, die hier erforderlich ist. Theatralisch ist hier gar nichts, alles im hochromantischen Sinn vielmehr stimmungshaft.


    Der Verzicht auf flüssiges Melos, die musikalische Faktur mit ihren Brüchen und teils harten Kontrasten hat, hört man sich darin ein, etwas sehr Neuartiges und Kühnes, dessen poetische Bewandnis immer dicht am Text entlangführt. - Und damit gebe ich zurück ...


    :hello:

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    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Zitat farinelli:


    "(und Schubert bleibt dem Gedicht ja fast alles schuldig. Und "Dahin" läßt auch er dreimal singen). Liszt scheint mir einesteils eine Brücke zu Wolf zu bilden"


    Also bitte nichts für ungut, lieber farinelli, - aber an diesem Zitat ist schlechterdings alles unzutreffend.


    Schubert bleibt, wie ich oben gezeigt habe, diesem Gedichts überhaupt nichts "schuldig". Ganz im Gegenteil. Man kann ihm höchstens vorwerfen, dass er - wahrscheinlich aus Respekt vor Beethoven - sich dieses Gedicht von Goethe nicht noch einmal vorgenommen hat. Er hätte es wahrscheinlch, wie seine anderen Vertonungen aus "Wilhelm Meister" zeigen, noch ein wenig besser gekonnt und noch mehr zu sich selbst gefunden.


    Und dass Liszt "eine Brücke zu Wolf" bilden würde, - ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Auf diese Idee ist bislang noch keiner gekommen, der den Prozess der historischen Entwicklung des Kunstliedes ein wenig genauer unter die Lupe genommen hat.

  • Einen Nachtrag möchte ich noch zu meinem letzten Beitrag machen, um Missverständnisse auszuschließen.


    Es geht mir nicht darum, Einwände, wie sie jetzt von farinelli gemacht werden, abzuwehren, weil sie mir etwa nicht in den Kram passen würden. Das Gegenteil ist der Fall: Für jeden Einwand, der mich in meinem Verständnis Liszts weiterführt, bin ich dankbar. Dieses Bemühen um das Verständnis des Liedkomponisten Liszt ist mein vordringliches Anliegen.


    Ich möchte aus diesem Grund darauf hinweisen, dass zu vielem, was jetzt eingewendet wird, schon sehr viel gesagt ist. Deutlich wird das zum Beispiel an dem Hinweis: (Zitat farinelli)"Man höre für "Ein Gleiches" (1. Fassung) Mitsuko Shirai, um die hohe Musikalität zu beurteilen, die hier erforderlich ist. Theatralisch ist hier gar nichts, alles im hochromantischen Sinn vielmehr stimmungshaft."


    Dieses Lied wurde oben ausführlich besprochen. Dass es in irgend einer Weise "theatralisch" sei, wurde darin nicht behauptet.


    Was Schuberts Lied anbelangt, von dem behauptet wurde, es bleibe dem Gedicht "ja fast alles schuldig", so möchte ich hier Robert Schumann zitieren. Er sagt über Schuberts Lied:


    "Die Beethovensche Komposition ausgenommen, kenne ich keine einzige dieses Liedes, die nur im mindesten der Wirkung, die es ohne Musik macht, gleich käme. Ob man es durchkomponieren müsse oder nicht, ist eins; laßt es euch von Beethoven sagen, wo er seine Musik herbekommt."

  • ... aber an diesem Zitat ist schlechterdings alles unzutreffend ...


    Ich bedaure, lieber Helmut, daß ich nicht über die Ohren Beethovens oder Schumanns verfüge, sondern mich auf meine eigenen verlassen muß. Die stilistischen Merkmale, die von Liszt auf Wolf vorausweisen, sind die rezitatativisch oder quasi melodramatisch dem gesprochenen Vers nachgebildeten Phrasen, daraus resultierend die nicht melodisch gebundene und geschlossene Form, sondern eine sehr flexible Struktur mit Passagen melodischer Verdichtung; ferner die besondere Rolle, die der harmonisch kühnen Wortausdeutung zukommt, oft in einer weniger bildhaft anschaulichen, sondern eher ungreifbar stimmungshaften Beleuchtung zwischen den Zeilen, die dem Symbolismus zugehört. - Von den "Glocken von Marling" oder "Blume und Duft" ist es zu "Auf eine Christrose" nicht so weit mehr. Das ist für jeden Hörer derart evident, daß mich dein Einwand an dieser Stelle schon sehr verwundert hat.
    Nichts für ungut ...


    :hello:

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    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

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