Oratorien der Hochromantik bis "Neoromantik"

  • Hallo, liebe Taminoianer,


    folgende Aufnahme hat mich auf eine Fährte gesetzt, die ich gerne weiterverfolgen möchte:


    Arwel Hughes (1909 - 1990): Dewi Sant, Oratorio for 3 Solo Voices, Chorus and Orchestra
    BBC Welsh Chorus, BBC Welsh Symphony Orchestra unter Owain Arwel Hughes,
    erschienen bei Chandos


    Leider hab ich kein Conver gefunden.


    Wie dem auch sei, dieses Oratorium hat mir ausgesprochen gut gefallen. Auch an der Aufnahme gibt es kaum was zu mäkeln. Hervorragender Chor, gute Solisten, toll spielendes Orchester.


    Und ich bitte nun die Experten zu Wort, mich mit Empfehlungen zu überhäufen, wo ich ähnliches finden kann.


    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Hallo Thomas,


    das von dir genannte Oratorium kenne ich nicht,
    ich habe aber seit gestern auch einen Wunsch, ein zeitgenössisches Oratorium kennenzulernen.
    Es soll aber in konventioneller Art geschrieben worden sein, also keine unanhörbaren Klang- und Krachgeräusche.


    Es heißt "Der Tempel Gottes" und der Komponist ist Friedhelm Deis (geb. 1930).
    Ich werde es mir demnächst mal bestellen.



    Deis komponierte vorwiegend Kirchenmusik, er schrieb aber auch Klavierwerke, Sinfonien, Orgelfantasien und für seine Heimatstadt Hattingen eine Oper, die er der Stadt zur 600-Jahr-Feier schenkte.



    Friedhelm Deis




    Gruß, Peter.

  • Hallo,


    ich möchte das Thema gerne noch ein wenig erweitern auf Chorsinfonische Werke im Allgemeinen und auf jene aus dem Nordeuropäischen und angelsächsischen Raum im Speziellen. Letzteres interessiert mich besonders. Ich erhoffe mir hier doch noch ein paar Tipps von den Experten.


    Eine Aufnahmen, die ich in den letzten Wochen recht oft gehört habe und die mir ausgesprochen gut gefällt, ist folgende:



    Charles Hubert Parry: The soul´s Ransom; The Lotos-Eaters; Blest pair of sirens; Invocation to Music, Ode in honour of Henry Purcell; I was glad
    Anna Dawson, Della Jones, Arthur Davies, Brian Rayner Cook, David Wilson-Johnson
    London Philharmonic Choir, London Symphony Chorus
    London Philharmonic Orchestra, London Symphony Orchestra
    Matthias Bamert, Richard Hickox




    Bei beiden Aufnahmen finde ich die musikalische Ausführung wirklich sehr gut. Hervorragend gefallen mir die beiden Chöre. Sie bestechen mit klarem und homogenen Klang, u.a. bedingt durch das fehlende Vibrato. Es klingt einfach wunderschön! Und auch die Stücke selbst haben´s mir angetan. Das ist romantische Musik, die nie schwülstig wird, aber auch nicht emotionslos ist. Ich kann mich nur wiederholen: einfach schön!


    Gibt´s davon noch mehr?



    herzliche Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • hallo, thomas, ja, davon gibt es viiiiiel mehr ...


    als da wären die britischen komponisten (ich nenne hier nur die, die auch wirklich ORATORIEN geschrieben haben, nicht nur kantaten, chorsymphonien etc.) und die dir wohl auch gefallen könnten, da sie immer noch dem 'schönklang' huldigen


    delius
    dyson
    elgar
    vaughan williams
    walton


    schöne oratorien/kantatennahe-chorwerke: auch von bax, bantock, bliss, boughton, holst, howells,standford


    und die deutschen:


    bruch
    draeseke
    schmidt
    wolf-ferrari (kann man auch zu den italienern zählen)


    schöne oratorien/kantatennahe-chorwerke: auch von brahms, mahler, wagner


    und die slawen:
    dvorak


    die italiener:
    perosi


    die franzosen:
    saint-saens
    gounod


    schöne oratorien/kantatennahe-chorwerke: auch von debussy, ravel


    jetzt habe ich auf die schnelle sicher viele vergessen.
    bei bedarf kann ich auch die jeweiligen titel nennen und ergänzen ...



    ich denke, thomas, daß, wenn die parry gut grfällt, du am besten mit stanford, dyson und vaughan williams sowie perosi bedient bist ...


    viel spaß :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Hallo klingsor,


    erstmal vielen Dank für die vielen Namen. Ein paar Stücke von einigen der Genannten kenne ich auch schon mehr oder weniger, z.B. Waltons Belshazzar´s Feast, Dvoraks große Oratorien (Requiem, Stabat mater), Morning heroes von Bliss, Delius´ Sea drift (beide vor längerer Zeit mal im Radio gehört), Saint-Saens Weihnachtsoratorium oder Vaughan-Williams´ und Mahlers Sinfonien mit Chor und natürlich Brahms´ Requiem. Grade erst gekauft, aber noch nicht gehört: Elgars The light of life.


    Bleiben wir aber erstmal bei den Engländern. Ich möchte dich bitten, mich ein wenig an die [virtuelle] Hand zu nehmen und ein paar Stücke zu nennen. Und vielleicht auch noch Aufnahmeempfehlungen dazu. Was mir persönlich allerdings zum Kennenlernen wichtig ist, das ist der oben schon beschriebene Chorklang möglichst ohne Geschepper. Es wär echt klasse, wenn du darauf auch noch Rücksicht nehmen könntest. (Ich glaub, ich bin heute bei "Wünsch dir was..." :D )



    herzliche Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Hallo Thomas,


    nach Jörgs ersten Anregungen möchte ich nun noch einige Werk- und Einspielungsempfehlungen des britischen Repertoires hinzufügen, die nach Deinen Vorgaben und Vorlieben für Dich in Frage kommen könnten.
    Bei allen von mir genannten Stücken handelt es sich um wunderschöne und beeindruckende, noch spät- bzw. nachromantisch geprägte Chor-Orchestermusik, die man in vollen Zügen genießen kann:


    Ralph Vaughan Williams (1872-1958):
    Sancta Civitas -
    Oratorium für Tenor, Bariton, Halbchor, Fernchor, gemischten Chor, Orgel und Orchester 1923-25;
    Dona Nobis Pacem - Kantate für Sopran, Bariton, gemischten Chor und Orchester 1936
    Philip Langridge, Tenor; Bryn Terfel, Bariton; Choristers of St. Paul's Cathedral;
    London Symphony Chorus & Orchestra, Richard Hickox
    EMI, 1992, 1 CD



    Gustav Holst (1874-1934):
    The Cloud Messenger -
    Ode für Alt, gemischten Chor, Orgel und Orchester, opus 30; H 111 1909/10
    The Hymn of Jesus für Chöre, Orgel und Orchester, opus 37; H 140 1917
    Della Jones, Mezzo; London Symphony Chorus & Orchestra, Richard Hickox (London, 06/1990)
    alt: Chandos 8901 (1 CD) - neu: Chandos 241-6 (2 CD)



    Herbert Howells (1892-1983):
    Hymnus Paradisi -
    Requiem für Sopran, Tenor, gemischten Chor, Orgel und Orchester 1936-38
    Julie Kennard, Sopran; John Mark Ainsley, Tenor; Royal Liverpool Philharmonic Choir & Orchestra, Vernon Handley



    Frederick Delius (1862-1934):
    A Song of the High Hills
    für gemischten Chor (textlos) und Orchester 1911
    Ambrosian Singers, Royal Philharmonic Orchestra, Eric Fenby
    Unicorn-Kanchana, 1983, 1 CD



    Howard Ferguson (1908-1999):
    The Dream of the Rood -
    Kantate, opus 19 1958/59; Overture for an Occasion, opus 16; Partita für Orchester, opus 5 a; Two Ballads, opus 1
    Anne Dawson, Sopran; Brian Rayner Cook, Bariton;
    London Symphony Chorus & Orchestra, Richard Hickox
    Chandos, 1992, 1 CD



    John Ireland (1879-1962):
    Orchestral and Choral Works
    These Things Shall Be - Kantate für Bariton, gemischten Chor, Orgel und Orchester 1937
    Vexilla Regis - Hymne für den Passionstag für S, A, T, B, gemischten Chor, Blechbläser und Orgel 1898
    Bryn Terfel, Bariton; u. a., London Symphony Chorus & Orchestra, Richard Hickox
    Chandos, 1990, 1 CD



    Schöne Grüße und viel Spaß beim Entdecken wünscht
    Johannes

  • Lieber Jörg,


    eine Frage an den Fachmann, oder besser zwei:


    Gehört Delius "A Mass of life" auch hierher? Und welche Aufnahme kannst Du empfehlen?


    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Hallo Johannes,


    vielen herzlichen Dank für die Empfehlungen. Ich hab mir schon gedacht, dass insbesondere Chandos einiges im Angebot haben würde. Deine Tipps stehen jedenfalls ab sofort auf meiner Wunschliste.


    liebe Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Zitat

    Original von Caesar73


    Gehört Delius "A Mass of life" auch hierher? Und welche Aufnahme kannst Du empfehlen?


    hallo, christian, es war ja zunächst nur nach oratorien gefragt, aber johannes und ich haben es ja jetzt auch erweitert in den bereich große vokale musik mit kantaten und symphonischen werken mit chor. mit den gattungsbegriffen ist das ja sowieso so eine sache. was zählt im modernen zeitalter als oratorium, was nicht.


    also, um auf deine frage zurückzukommen, ja, der delius zählt unbedingt dazu. ein knapp 2-stündiges werk nach nietzsche. und das wichtigste: originalsprache desahlb auch: deutsch! das ist manchmal ein wenig merkwürdig bei der ziemlich 'englischen' musik und musikauffassung. wenn man sich mal auf delius-tonsprache eingelassen hat, der zuweilen recht 'herb' daherkommt, gibt es TRAUMHAFTE stellen ...insbesondere die letzte halbe stunde ist zum dahinschmelzen .... WUNDERSCHÖN ...


    dennoch halte ich die messe nicht für sein (vokales) meisterwerk, besser sind: das requiem, sea drift, cynara!, die verschiedenen 'songs' und das absolute meisterwerk m.e.: an arabesque ... wem es da nicht kalt über den rücken herunter läuft ....


    beim requiem gibt es zwei einspielungen, so weit ich weiß: einmal groves bei emi und einmal hickox bei chandos .. ich würde die erste empfehlen, klanglich geben sie sich nicht soviel interessanterweise und die interpretation ist bei den alten aufnahmen einfach ebsser und anrührender ...


    ich hoffe, die ersten fragen sind beantwortet. viel spaß beim kennenlernen


    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Zitat

    Original von salisburgensis


    Bleiben wir aber erstmal bei den Engländern. Ich möchte dich bitten, mich ein wenig an die [virtuelle] Hand zu nehmen und ein paar Stücke zu nennen. Und vielleicht auch noch Aufnahmeempfehlungen dazu.


    hallo, thomas, aber gerne ...


    mein lieber freund und musik-kollege johannes hat mir ja schon einige arbeit abgenommen .. unser geschmack ist in dieser hinsicht fast identisch :yes:
    also... die empfehlungen gebe ich so weiter ...


    ich hatte mich, wie schon christian eben geschrieben, mich zunächst mehr aufs 'richtige' oratorium begrenzt, aber mit dem gattungsbegriff kommt man da nicht mehr so weit in dieser epoche; deshalb eine erweiterung.


    ich denke, dir dürften die oratorien von dyson gut gefallen; auch wenn dies keine meilensteine sind, aber sie machen einfach spaß und gute laune; beste unterhaltung eben:


    als da wären:
    the canterbury pilgrims (!)
    und quo vadis
    beide bei chandos unter hickox . hier kenne ich auch keine vergleiche


    dazu kämen die wunderschönen chorwerke:
    sweet thames run softly,
    the blacksmiths (sein bestes werk, am besten die fassung für chor, klavier und schlagzeug...ziemlich 'strawninskynah' für einen engländer und atypisch für ihn)
    und hierusalem


    diese sind bei kleinen englischen labels meist verstreut aufgenommen. da muß ich zuhause mal nachschauen, wenn du möchtest. :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • so, nun zu elgar ..


    hier gibt es ja wahrhaft 'massen'. einige ausgewachsene oratorien und zahllose (gelegenheits)werke für chor und orchester oder auch orgel.


    the light of live ist eines der frühesten (oder sogar das früheste?) und zählt m.m. nach auch leider zu den schwächsten werken von ihm . mich hat es immer ziemlich gelangweilt, bis auf die letzten 10 minuten.


    hingegen ergreifend:


    the dream of gerontius. das werk hat seinen ruhm begründet (sehr intim; viell. sein wirklich bestes oratorium)
    the kingdom !! (wenn hier der pfingstliche sturmwind herabbraust, haben alle boxen zu kämpfen: PHÄNOMENAL!!!!) sein 'bombastischstes' oratorium
    the apostles (wunderschöne orchestrale einleitungen!)


    dann so lala:
    caractacus,
    king olaf


    wiederum schön, aber kein oratorium mehr:
    the music makers


    hinzu kommen viele kürzere werke und kantaten: z.b. the black knight, te deum und benedictus, the banner of st. george etc. pp. diese würde ich aber zumeist als gelegenheitswerke oder 'schwächer' bzw. 'langweilig' abtun .. mit einigen schönen stellen natürlich


    bei den aufnahmen hast du zumeist zwei möglichkeiten


    die älteren bei emi: meist unter boult oder groves
    und die neueren: chandos unter hickox


    ich habe immer beide; bei chandos ist natürlich die klanqualität um ein vielfaches besser, was gerade beim orchster sehr beeindruckend ist ..gerade die o.e. pfingststelle stellt boult bei weitem in den schatten
    bei emi jedoch die solisten !! und die anrührendere, intensivere musizierweise ...


    schwere entscheidung. du mußt sehen, was dir wichtiger ist zunächst: brillanz oder interpretation ...(wobei natürlich auch hickox gut interpretiert) ...


    bei dem gerontius gibt es sogar ziemlich viele aufnahmen. hier rate ich von hickox dringend ab. da gibt es viel bessere: boult, barbirolli und viell. am ehesten sogar britten.


    viel spaß! weiteres folgt demnächst...



    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • ein Werk, dass ich im letzten Jahr eher zufällig hier in Weimar gehört habe, von dem ich aber sofort begeister war:


    Hermann Suter (1870-1926)


    Le Laudi
    di San Francesco d´Assisi (Cantico del Sole/ Sonnengesang)
    für Chor, Soli, Knabenstimmen, Orgel und Orchester

  • Eines der wichtigsten Oratorien in diesem Bereich ist Schmidts Buch mit den sieben Siegeln. Über Schmidt und dieses Hauptwerk haben wir ohnehin einiges im Forum.


    Wenn auch Symphonien mit Soli und Chor erlaubt sind, möchte ich noch auf Szymanowskis 3. Symphonie hinweisen. Rattle hat dazu das Stabat Mater und eine Litanei auf die Jungfrau Maria eingespielt, ebenfalls hervorragende nachromantische (?) Werke der Zwischenkriegszeit.


    Als dritten bedeutenden Komponisten möchte ich den hier leider nur mit politischem Interesse verfolgten Pfitzner mit seinem Oratorium Aus Deutscher Seele nennen.


    Von diesen drei Meisterwerken würde ich aber eher den Weg zu Schönberg einschlagen (Gurrelieder -> Jakobsleiter) und nicht in der Neoromantik eine idyllische Zuflucht suchen - die womöglich anfängliche Mühe macht sich bezahlt, Schönberg ist nicht umsonst berühmt, seine Werke geben viel her.
    :hello:

  • Hallo allerseits,


    von meiner Seite nur ein paar Ergänzungen:


    Für die im 20. Jahrhundert nicht so versierten Hörer:
    Die beiden genannten Beispiele von Arnold Schönberg fallen in zwei unterschiedliche Schaffensphasen. Die 'Gurrelieder' gehören noch ganz in die spätromantische, die 'Jakobsleiter' hingegen in die sogenannte atonale Phase. Das letztgenannte dürfte also nicht im Sinne des Themenstarters sein. (siehe Threadtitel)


    Auch was Szymanowski anbelangt, habe ich (leider) bereits die Erfahrung machen müssen, daß die Werke des Polen (ab ca. 1910) bezüglich der Harmonik in den Ohren des ein oder anderen konservativeren Klassikhörers als zu extravagant klangen; daß mit dieser Art Musik bereits eine Grenze von der Noch-Spät- bzw. -Nachromantik zur Klassischen Moderne überschritten wurde. Aber, ich denke, das muß jeder für sich selbst herausfinden. Für mich sind Szymanowskis Werke uneingeschränkt genießbar und darüber hinaus gleichermaßen prachtvoll, rauschhaft, enorm ausdrucksstark ... :]


    Und hier noch zwei kleine Korrekturen:
    Franz Schmidts Oratorium heißt 'Das Buch mit sieben Siegeln'.
    Der Titel von Pfitzners Eichendorff-Kantate lautet: 'Von deutscher Seele'.


    Schöne Grüße
    Johannes