Liebe Musikfreunde,
glücklicherweise sind bereits mehrere Boxen auf den Markt gebracht worden, welche die Leistungen einzelner Künstler nochmals bündeln und erneut zugänglich machen, wie eben diese Sammlung von Opernquerschnitten, die 1952 - 1961 erst auf Schallplatte, später dann auf CD erschienen. Viele Taminos, die nicht diese Box besitzen, kennen die Aufnahmen bereits als Schallplatte oder besitzen sie als Einzelaufnahme auf CD, so dass sicherlich viele ihre Meinung dazu beisteuern können. Im Idealfall würde dann jede Aufnahme der Box hier rezensiert werden.
Ich habe als erste Aufnahme Puccinis Tosca gehört, eine Einspielung, die vom 28. bis 30. September 1959 vorgenommen wurde. Die Aufnahme wurde liebevoll remastered und klingt für ihr Alter ganz hervorragend. Man hört die Stimmen und das Orchester glasklar und detailreich, etwaiges Rauschen ist minimal, das Klangbild alles in allem sehr zufriedenstellend. Die Einspielung erfolgte in Berlin in der Grunewaldkirche, ein sehr schöner akustischer Raum mit etwas Hall, ohne dass sich der Klang jedoch darin verlöre.
Die Titelpartie wird von Rudolf Schock mit großem Engagement gestaltet und bietet alles in allem ein für mein Ohr sehr eindrucksvolles Bild. Der glühende, leidenschaftliche Maler Cavaradossi erwacht in ihm überzeugend zum Leben. Die Stimme überzeugt durch ihren Schmelz, ihre samtige Grundierung und ihre Strahlkraft, obgleich hier schon eine sehr offene Tongebung zu beobachten ist und auch die Höhen mit vollem Atemeinsatz gestützt (um nicht zu sagen, gestemmt) werden. Hie geht der Tenor volles Risiko, dank seiner stimmlichen Möglichkeiten, die ihm damals zu Gebote standen, kann er diese schonungslose tour de force auch bewältigen. Was an filigraner, technischer Gestaltung fehlt, wird durch große Ausdruckskraft und Klangfülle kompensiert. Allerdings soll dies nicht bedeuten, dass Rudolf Schock hier nur laut und forciert sänge; es gibt auch Beispiele einer wunderbaren leuchtenden mezza voce und feiner Schattierungen. Sehr zu Herzen gehend etwa und eindringlich seine Gestaltung von "Es blitzten die Sterne".
Die Partie der Tosca wird von Lisa della Casa gestaltet. Sie verfügt über eine wunderschön leuchtende, glockenklare Stimme von berückender Schönheit. Ihr Timbre ist betörend. Sie verkörpert dabei für mich den Typus einer eher jungen, lyrischen Tosca, die naturgemäß nicht über die dramatische Wucht und Durchschlagskraft verfügt, wie sie Maria Callas und weiteren Ikonen dieser Rolle zu Gebote standen. Ungeachtet dessen gibt sie ein sehr hörenswertes Porträt dieser Rolle, wobei sie mehr die Aspekte der verletzlichen, sensiblen Künstlerin beleuchtet, die zum Opfer finsterer Intrigen wird, als dass sie die heroisch sich aufbäumende, starke Frau verkörpern würde.
Natürlich ist es, und das gilt dann für alle Partien, schwierig, ein umfassendes Bild der Rollengestaltung zu geben, da auf dem Querschnitt, der auch leider nur knapp über 49 Minuten lang ist, begreiflicherweise viele Elemente fehlen. Da ist dann auch vieles gekürzt, gerafft, umgearbeitet worden.
Eine weitere wichtige Figur ist natürlich der Antagonist, Baron Scarpia, der hier in genialer Weise verkörpert wird durch Josef Metternich. Hier hat er eine Paraderolle für seine außergewöhnliche Stimme. Sein Bariton ist von großer metallischer Strahlkraft, und durch seine besondere Art zu singen, eine besondere Art der Atemführung ist er in der Lage, gerade in hohen Lagen ein wohldosiertes und kontrolliertes Vibrato zu erzeugen (kein "wobbling", sondern wirklich ganz fokussiert und eng geführt), das eine geradezu elektrisierende Wirkung hat. Seine kraftbetonte Art zu singen, die einen squillo-artigen Ton erzeugt, ist im Übrigen auch recht fordernd, und wird auch nicht jeder Stimme gerecht; Jonas Kaufmann hatte zu Beginn seiner Karriere bei ihm Unterricht, was ihn nach eigener Aussage fast seine Stimme gekostet hätte, so dass er seine Technik von Grund auf umstellen musste, und damit ja dann auch für sich einen überzeugenden, ganz anderen Weg gefunden hat seine vokalen Möglichkeiten zur Entfaltung zu bringen. Hier jedenfalls zeigt sich Josef Metternich (oder Schmetternich, wie er auch scherzhaft genannt wurde) als ein finsterer, von Boshaftigkeit durchdrungener und imposanter Scarpia. Obwohl seine Stimme noch nicht einmal besonders dunkel gefärbt ist, schafft er eine Atmosphäre viriler Stärke und düsterer Bedrohlichkeit.
In den Nebenrollen wäre noch der Messner hervorzuheben - zu meiner Überraschung niemand Geringeres als der hochkarätige Bassist Wilhelm Strienz, der ja auch abseits der Oper in den Kriegsjahren mit "Heimat, Deine Sterne" große Erfolge erzielen konnte. Hier singt er sehr geschmackvoll und zurückhaltend, sehr dezent und hell, ich hätte ihn kaum erkannt.
Auch das Orchester, die Berliner Symphoniker, unter Berislav Klobucar, begleiten kompetent und engagiert das Geschehen, erstaunlich gut und detailreich eingefangen von der Tontechnik.
Fazit: für mich eine äußerst gelungene, wunderschöne Einspielung in deutscher Sprache, die trotz aller Kürzungen für mich ein Juwel ist.