Rosenkavalier, 8.6.2019, Komische Oper Berlin
Leider ist der Trailer der Komischen Oper von so trüber Qualität,
daß ich ihn nicht verlinken möchte.
Er sollte aber niemanden vom Besuch der dreizehn Jahre alten Homoki-Inszenierung abhalten.
Am Pfingstsonnabend war die Oper in der Behrenstraße gut gefüllt, und das Publikum durchaus erwartungsvoll.
Das Terzett im letzten Akt - die Kulisse/Welt steht kopf - endet mit der Marschallin auf der leeren Bühne, die sich mühsam, schmerzverzerrten Gesichts, der Perücke und des Reifrocks entledigt, während das junge Paar aus dem Off singt. Das geht nicht auf. Emanzipation ist bei Strauss und Hofmannsthal der jungen Sophie vorbehalten. Die Fürstin weiß ja schon im ersten Akt, welche Rolle sie spielen muß: ... daß man's ertragt. Und in dem "Wie" - da liegt der ganze Unterschied. Dies Korsett kann der Regisseur nicht abstreifen, alles spricht gegen seine Sicht.
Dabei weiß er, daß Ochs und die Marschallin beide Figuren der alten Zeit sind, die endgültig verrinnt. Wie die beiden damit klarkommen - darin liegt der ganze Unterschied.
Aber die Inszenierung macht Spaß. Jens Larsen gibt Ochs wirklich täppisch und wenig jovial. Der große Mann ist stark und ziemlich gefährlich. Daß der schmächtige Octavian Karolina Gumos' einen Stich gegen ihn macht, erscheint fast unwahrscheinlich. Schon das Mariandel packt er so fest, daß sie sich heimlich das schmerzende Handgelenk reiben muß.
Mir hat Larsen auch stimmlich gut gefallen, er meistert den gesamten Umfang der Partie.
Die Marschallin singt Johanni van Oostrum, die ich am Haus schon als Eva in den Meistersingern gesehen habe. Sie muß sich gelegentlich gegen das zeitweilig sehr laute Orchester unter Ainars Rubikis mühen, ist aber eine souveräne Dame. Ihr werden mehrere Regieeinfälle zu teil, etwa der, daß sie der italienische Sänger beim Lever in erkennbare Unruhe versetzt und aus dem Saal fliehen läßt, den sie völlig verwandelt mit Reifrock und hoher Perücke wieder betritt. Beide wird sie erst am Ende ablegen.
Das Palais der Fürstin hat hundert Augen. Sehr witzig hat der Regisseur das in Szene gesetzt. Jeder weiß, wer bei der Marschallin schläft und der kecke Mohr versucht sogar, einen Blick auf den sich hinter dem Bett bergenden Grafen Rofrano zu erhaschen. Marie-Theres lockt Quinquin mit einem Croissant, das dieser aber nie erwischt. In der nächsten Szene wird es der hungrige Baron umstandslos verzehren. Das Leichte, die sanft-heitere Frivolität des morgenlichen Augenblicks gelingt den Aktricen schön, und der Regisseur würzt mit ein wenig Slapstick um den störenden Degen nach. Karolina Gumos ist als zarter Octavian sehr überzeugend. Ganz fließend-souverän singt sie den jungen Liebhaber und forciert auch nicht, wenn die Musik aus dem Graben sie übertönt.
Als Octavian in Kadettenuniform mit flacher Mütze die silberne Rose übergibt, bleibt im Hause Faninal die Zeit stehen. Das Personal erstarrt dornröschenhaft, den beiden Teenagern geschieht unterdes märchenhaft Alltägliches. Vera-Lotte Böckers Sophie verfügt über leuchtende Höhen und wehrhaften Trotz, dessen der Baron mit grobem Zugriff Herr zu werden sucht.
Im dritten Akt kracht es entschieden zu viel. An den Donnerschlägen des Gewitters, die jede Wendung auf der Szene begleiten, hatten die Tontechniker zu viel Vergnügen. Das Mariandel und der Baron quälen sich ein wenig durch ihr Rendezvous im Beisl. Richtig verführerisch agiert die doppelt travestierte Fr. Gumos nicht, ihr Octavian sammelt eher verteidigende Erfahrungen.
Endlich ist Ochs abserviert. Sein kluger Vorschlag, ihn in den Bund aufzunehmen, um die Situation zu konservieren, die Zeit anzuhalten, wird natürlich nicht angenommen. Weil Homoki die Feldmarschallin nicht gehen lassen will, muß sie Faninals Arm abweisen, um dann allein ihre Exuvien ablegen zu können.
Als das Terzett erklingt, wird noch einmal deutlich, daß die Komische Oper drei wunderbare Sängerinnen für diesen Rosenkavalier auf die Bühne gebracht hat.