Schuberts „Winterreise“ ist in aller Munde. In gesanglicher Interpretation wird sie Jahr für Jahr immer wieder in Liederabenden und auf Festivals klassischer Musik präsentiert, CD-Verlage bieten permanent neue Aufnahmen davon an, Buch-Publikationen zu ihr gibt es jede Menge, und auch das Tamino-Forum hat gleich vier sich auf sie beziehende umfangreiche Threads anzubieten.
„Die schöne Müllerin“ wirkt demgegenüber ein wenig wie im Schatten stehend. Nichts von all dem trifft auch auf sie zu. Nur einen Thread gibt es hier. Sagitt hat ihn im Dezember 2004 gestartet mit der Frage „Die schöne Müllerin- Kleiner Bruder der Winterreise?“
Und er gab gleich am Anfang die Antwort darauf: „Nein, ein letztlich ganz anderes Werk. Es geht um unglückliche Liebe, nicht um bohrende Einsamkeit“.
Aber stimmt das denn, dass es in diesem Liederzyklus um „unglückliche Liebe“ gehe, nicht aber um „bohrende Einsamkeit“. Beschränkt sich seine Aussage wirklich auf dieses Thema, und erschöpft sie sich darin?
Träfe das zu, dann wäre es eine plausible Erklärung dafür, warum er, anders als die „Winterreise“, von gleichsam geringerer öffentlicher Präsenz ist. Die Fragen, die Schuberts Liedmusik dort aufwirft, sind für einen Menschen in der heutigen Lebenswelt von zweifellos hoher Relevanz. Für das musikhistorisch – die Pop-Musik einbezogen – reichlich abgegriffene Thema „unglückliche Liebe“ trifft das wohl kaum zu.
Nun steht im Zentrum dieser narrativ angelegten und daraus auch ihren Charakter als Zyklus beziehenden Gruppe von Liedern tatsächlich eine unglückliche, weil keine Erfüllung findende und sogar im Tod des Protagonisten endende Liebe. Aber die Geschichte derselben konstituiert sich von Wilhelm Müllers 1816/17 als „Liederspiel“ verfasster, 1818-1820 erweiterter und 1821 publizierter literarischer Vorlage her als Aufeinanderfolge von lyrischen, wesenhaft reflexiv angelegten Monologen. Es gibt darin nur einen wirklichen, weil als solcher sich narrativ tatsächlich ereignender Dialog: Der aber findet zwischen dem Protagonisten und dem „Bach“ statt, bleibt also per se auch monologisch-imaginativ.
Personaler Dialog ereignet sich nicht wirklich.
Die wenigen Worte des Mühlenbesitzers und seiner – als Bezugsperson der Liebe so bedeutenden - Tochter werden in zwei Liedern (Nr.5 und 10) nur in sprachlich-narrativem Imperfekt zitiert. Der Jäger als Antagonist kommt überhaupt nicht zu Wort, stattdessen ziehen sich die lyrischen Texte mehr und mehr aus der anfangs noch präsenten Ebene des Geschehens in die der monologischen Reflexion zurück. Die dialogischen Auftritte des Baches ändern daran nichts, denn sie sind in Wirklichkeit ja monologisch-imaginative Ereignisse.
Was aber haben sie in dem zu sagen, was Schuberts Liedmusik aus ihnen macht?
Ist das tatsächlich nur ein permanentes und sich darin erschöpfendes Kreisen um das Thema „Liebe“ aus den verschiedenen sich dabei einstellenden Perspektiven?
Oder kann man in dem Werk, in dem Schubert unter bewusstem Eliminieren der ironischen Komponente Müllers lyrische Texte in Musik gesetzt und damit auch interpretiert hat, mehr vernehmen?
Mehr im Sinne eines Vordringens der musikalischen Aussage auf die Ebene allgemeiner existenzieller Relevanz, so dass es um mehr geht als um einen kleinen Müllergesellen, der irgendwann und irgendwo einmal Liebesgefühle für die Tochter eines Mühlenbesitzers entwickelte und, weil seine Gefühle von dieser nicht erwidert wurden, den Tod im Mühlbach suchte?
Diesen Fragen, bei denen es also letzten Endes um die liedmusikalische Aussage der „Schönen Müllerin“ geht, soll Gestalt einer Betrachtung der einzelnen Lieder nachgegangen werden.
Gleichsam erkenntnisleitend ist dabei die These, dass es sich bei dieser Komposition um mehr handelt als einen liedmusikalisch ansprechenden, eine amüsante Geschichte von unglücklicher Liebe beinhaltenden Liederzyklus, vielmehr hier ein höchst bedeutsames musikalisches Selbstbekenntnis vorliegt. Dies in der Gestalt, dass Schubert sich in dieser von Wilhelm Müller kreierten Gestalt des Müllerburschen wiederfand, insofern ihm darin die literarische Verkörperung existenzieller Wanderschaft begegnete.
Der Begriff „musikalisches Selbstbekenntnis“ wurde erstmals 1869 von Eduard von Bauernfeld in dieser Anmerkung zu Schuberts Liedkompositionen verwendet:
„Für den lyrischen Dichter wie für den Tondichter ist eine unglückliche Liebe, wenn sie nicht gar zu unglücklich ist, vielleicht ein Vorteil, indem sie seine subjektiven Empfindungen erhöht und den Gedichten und Liedern, die ihr entströmen, Farbe und Ton der schönsten Wirklichkeit aufdrückt. Produktionen wie die beiden >Suleika<, die >Zürnende Diana<, vieles aus den Müllerliedern (gemeint ist „Die schöne Müllerin“) und der >Winterreise<, lauter musikalische Selbstbekenntnisse, in die Glut einer wahren und tiefen Leidenschaft getaucht, sind geläutert und abgeklärt als echte Kunstwerke in schönster Form aus dem zarten Innern des Liebenden hervorgegangen“. (in: „Schubert, Die Erinnerungen, S.199)
Was aber eigentlich Anlass war, die Liedmusik der „Schönen Müllerin“ unter dieser hypothetischen Vorgabe zu hören und analytisch zu betrachten, ist der historische Umstand ihrer Entstehung. Schubert war damals schwer erkrankt, er musste sich angesichts der Diagnose einer Syphilis mit dem Tod auseinandersetzen. Mit der kompositorischen Arbeit an diesem Liederzyklus begann er im Oktober 1823, und zu dieser Zeit lag er im „Allgemeinen Krankenhaus“ in Wien.
Vielsagend ist die Äußerung in einem an seinen Freund Franz von Schober gerichteten Brief vom 30. November 1823. Darin heißt es u.a.:
„Ich habe seit der Oper (gemeint ist „Fierabras“) nichts komponiert, als ein paar Müllerlieder. Die Müllerlieder werden in 4 Heften erscheinen, mit Vignetten von Schwind“.
Die Worte „ein paar Müllerlieder“ sind als Ausdruck von Bescheidenheit zu lesen und auch als Gewichtung seiner Liedkomposition in Relation zu seinem kompositorischen Ehrgeiz-Vorhaben „Oper“ zu verstehen.
Was er dann aber anfügt, ist ein Beleg dafür, in welcher Nähe zum Tod die kompositorische Arbeit an den Liedern der „Schönen Müllerin“ stand:
„Übrigens hoffe ich meine Gesundheit wieder zu erringen, und dieses wiedergefundene Gut wird mich so manches Leiden vergessen machen.“
Ich denke:
Eine Liedmusik, die in einer solchen existenziellen Situation entstand, darf nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Man sollte genau hinhören, was sich hinter der Fassade der scheinbar arglos kleinen Geschichte einer unglückseligen Müllerburschen-Liebe musikalisch auftut.
Ich habe es versucht, und dabei habe ich in hinter einem Melos von edler Simplizität sich auftuende existenzielle Abgründe geblickt.
Franz Schubert, „Die schöne Müllerin“. Der Liederzyklus als musikalisches Selbstbekenntnis
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Ich freue mich schon jetzt auf Ihre Beiträge zu diesen Liedern. Ihre Liedbesprechungen habe ich immer mit großem Interesse und Wissensgewinn gelesen. Dem Lied gehört meine ganz große Liebe, vor allem den Liedern Schuberts, obwohl ich mittlerweile hunderte Lied –CDs habe, darunter auch von französischen, russischen und englischen Komponisten.
Mit freundlichen Grüßen
Ramona1956
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Darin haben wir etwas gemeinsam, liebe Ramona, - in dieser Liebe zu Schuberts Liedern.
Aber diese Gemeinsamkeit ist hier im Tamino-Forum traditionell eine, die sich im diskursiven Austausch auf der Basis eines "Du" ereignet.
Also bitte nicht "Ihre Beiträge" formulieren. Das "Sie" macht mich - um es in meiner Heimatsprache, der des "Datterich" von Ernst Elias Niebergall auszudrücken - ja "fast schaamrethlich".
Hoffentlich erschrickst Du nicht über das, was nun von mir hier zu Schuberts "Schöner Müllerin" nachfolgt, und wendest Dich vielleicht sogar entsetzt ab.
Die Liedbetrachtungen sind, weil ich mich halt rezeptiv und reflexiv stark in die Musik vertieft habe, sehr umfangreich geworden.
Ich habe mich deshalb, um die Lesbarkeit zu erleichtern und nicht zu einer zu großen Zumutung werden zu lassen, dazu entschlossen, in einzelnen Fällen die Beiträge in gleichsam portionierter Weise präsentieren.
Ich bitte, und das richtet sich an alle potentiellen Leser, um Nachsicht und Verständnis. -
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Lied 1: „Das Wandern“
Das Wandern ist des Müllers Lust,
Das Wandern!
Das muß ein schlechter Müller sein,
Dem niemals fiel das Wandern ein,
Das Wandern.
Vom Wasser haben wir's gelernt,
Vom Wasser!
Das hat nicht Rast bei Tag und Nacht,
Ist stets auf Wanderschaft bedacht,
Das Wasser.
Das sehn wir auch den Rädern ab,
Den Rädern!
Die gar nicht gerne stille stehn,
Die sich mein Tag nicht müde gehn (M.: „drehn“)
Die Räder.
Die Steine selbst, so schwer sie sind,
Die Steine!
Sie tanzen mit den muntern Reihn
Und wollen gar noch schneller sein,
Die Steine.
O Wandern, Wandern, meine Lust,
O Wandern!
Herr Meister und Frau Meisterin,
Laßt mich in Frieden weiterziehn
Und wandern.
Erst in der letzten Strophe spricht dieses lyrische Ich von sich selbst. Die vorangehenden vier Strophen muten von daher wie eine Begründung dafür an, dass das „Wandern“, wie es nun bekennt, „seine Lust“ ist. Es wird von ihm als menschliche, ein elementar-naturhaftes Grundprinzip aufgreifende menschliche Lebensform gesehen und ganz offensichtlich auch gelebt: Die aktive und darin auf Zukunft ausgerichtete und neue Formen suchende Selbstverwirklichung. Bleiben wird er gar nicht können, wenn er denn einmal einen Ort des Arbeitens gefunden haben sollte. Er muss permanent „wandernd“ weiterziehen, weil dies für ihn die einzig sinnvolle, existenzielle Bereicherung und Erfüllung versprechende und darin wesenhaft auf Zukunft ausgerichtete Weise des Lebens ist.
Das „Wasser“ ist für ihn gleichsam der Inbegriff dieses elementaren Prinzips. Er kennt es als die Kraft, die Mühlenräder anzutreiben vermag, und er weiß, dass diese so mächtig ist, dass sie selbst schwere Steine zum Tanzen bringen kann. Wenn er ihm auf seiner Wanderschaft in Gestalt eines „Bächleins“ begegnet, wie das auf der zweiten Station derselben geschehen wird, dann ist das für ihn eine Begegnung mit eben diesem Lebensprinzip in seiner naturhaft-elementaren Form und Gestalt, und es ist von daher in keiner Weise verwunderlich, dass es, weil es seine Sinne zu berauschen vermochte, zu seinem Gesprächspartner wird, den er um Rat fragen zu können meint.
Es wird – und das ist bemerkenswert – der einzige sein, mit dem es zu einem Dialog kommt, der so bedeutsam und gewichtig ist, dass er als solcher sprachlichen Niederschlag findet. Ihm wird von daher eine zentrale Rolle in der wesenhaft monologischen, die situativen Erfahrungen verarbeitenden Reflexion zukommen, und schließlich wird es dasjenige Wesen werden, in dessen in dessen nun zum Elementaren ausgeweitetem bergendem Schoß es Zuflucht nimmt und Erlösung sucht von seiner durch das Scheitern seiner Suche nach lieberfüllter Zweisamkeit in die Einsamkeit und Heimatlosigkeit geworfenen Existenz.
Wanderschaft als Wesenselement menschlicher Existenz, - das ist ein zentrales Thema Schuberts, in vielen Liedern, darunter insbesondere jenen der „Winterreise“, direkt thematisiert und indirekt reflektiert. Er musste sich deshalb von diesen Versen, die ihm in der Sammlung „Sieben und siebzig Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten, herausgegeben von Wilhelm Müller, Deßau 1821“ begegneten, unmittelbar angesprochen gefühlt haben.
Dieser im ersten Gedicht, betitelt mit „Wanderschaft“, so frisch, fromm, fröhlich und frei auftretende namenlose Müller-Geselle, der am Ende der in zwanzig Stationen lyrisch dokumentierten Geschichte eines nur kurze Zeit währenden Aufenthalts als Mitarbeiter in einer Mühle im selbst gewählten Tod endet, dürfte Schubert, so lässt seine Liedmusik darauf in aller Deutlichkeit vernehmen, als eine Verkörperung existenzieller Wanderschaft erfahren haben und damit Müllers Gedichte ganz anders gelesen haben, als sie ausweislich des langen Prologs und Epilogs gedacht waren, als Vorlage für ein künstlerisches Gesellschaftsspiel nämlich.
Schubert konnte damals noch nicht wissen, dass er dieses Thema „Wanderschaft“ in liedmusikalisch zyklischer Form vier Jahre später noch einmal aufgreifen würde, in seiner „Winterreise“, die man – trotz ihrer fundamental wesensverschiedenen Liedsprache - von eben dieser zentralen Thematik her doch gleichsam als Wiedergängerin der „Schönen Müllerin“ auf anderer liedkompositorischer Ebene verstehen darf.
Aber schon hier widmet er sich ihm mit dem gleichen Ernst, wie er das dort noch einmal tun wird. Es ist der Ernst, wie er aus tiefer existenzieller Betroffenheit durch einen lyrischen Text hervorgeht. Das die Liedmusik so stark prägende idyllisch-liebliche Melos, wie es sich so häufig in Gestalt volksliedhaft einfach auftretender, und das Prinzip der Wiederholung auf geradezu exzessive Weise in Anspruch nehmender Strophenlied-Musik manifestiert, scheint diesen verbergen zu wollen. Aber er bricht hervor, und dies in Gestalt von kleinen Abgründen in der liedmusikalischen Aussage, die sich von Lied zu Lied immer häufiger auftun. Was Schubert bewogen haben mag, die Liedmusik in dieser Weise anzulegen, ist eine der Fragen, denen hier nachzugehen sein wird. -
Dieser im ersten Gedicht, betitelt mit „Wanderschaft“, so frisch, fromm, fröhlich und frei auftretende namenlose Müller-Geselle, der am Ende der in zwanzig Stationen lyrisch dokumentierten Geschichte eines nur kurze Zeit währenden Aufenthalts als Mitarbeiter in einer Mühle im selbst gewählten Tod endet, dürfte Schubert, so lässt seine Liedmusik darauf in aller Deutlichkeit vernehmen, als eine Verkörperung existenzieller Wanderschaft erfahren haben und damit Müllers Gedichte ganz anders gelesen haben, als sie ausweislich des langen Prologs und Epilogs gedacht waren, als Vorlage für ein künstlerisches Gesellschaftsspiel nämlich.
Ja, lieber Helmut, diese Wanderschaft wird in den Tod führen. Bereits im zweiten Lied, dem ich gespannt entgegen sehe, wird die alles entscheidende Frage gestellt werden "Ist das denn meine Straße?" Für mich ist dies einer der wichtigsten und und bewegendsten Momente dieses Liederzyklus. In der später entstandenen "Winterreise" würde der Tod zwar nicht mehr die Lösung sein. Aber das Ende ist letztlich noch schlimmer. Wobei ich nicht weiß, ob schlimm jetzt das passende Wort ist.
Hoffentlich erschrickst Du nicht über das, was nun von mir hier zu Schuberts "Schöner Müllerin" nachfolgt, und wendest Dich vielleicht sogar entsetzt ab.
Davor hattest Du Ramona gewarnt. Ich fand diese Warnung mehr als angemessen und bin gefasst.
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Ich empfand den Zyklus immer schon als tieftraurig.
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Habt Dank für Eure Beiträge, liebe Ramona und lieber Rheingold.
Ja, das Wort "tieftraurig" ist hier völlig angebracht. Dieser Liederzyklus Schuberts wurde und wird, so hatte ich in Äußerungen, die ich darüber las, den Eindruck, sehr häufig in seiner künstlerisch-musikalischen Aussage nicht angemessen und zutreffend aufgefasst. Man geht dabei von den Müller-Texten aus und hört nicht genau hin auf das, was Schubert daraus gemacht hat.
Typisch diese Äußerung von Hermann Prey (in seinem Buch "Premierenfieber", München 1981):
"Ein wandernder Jüngling (…) zerbricht an enttäuschter Zuneigung zu einem Mädchen. Unter den Erlen, wo die schöne Müllerin zu Hause ist, sorgt die Schneeschmelze für einen Überfluß an sprudelndem Wasser, rauschenden Bächen, blühenden Blumen. Lerchen wirbeln in der Luft, Mühlräder brausen, traulich sitzt man beisammen im kühlen Erlendach und hält Zwiesprache mit dem Mond und den Sternen. (…)
Des Müllergesellen Bach ist sein Freund und Vertrauter, die sanften Harmonien betten ihn zur Ruh, besingen und verklären seinen ewigen Schlaf, als gäbe es in diesem Leben nichts Schöneres und Begehrenswerteres als sich ins liebe, gutmeinende Bächlein zu stürzen und darin für immer zu versinken." (S.118/19)
Diese Charakterisierung trifft nicht einmal die Aussage des lyrischen Textes richtig, von Schuberts Liedmusik gar nicht zu reden.
Was diese uns - wie ich meine - zu sagen hat, versuche ich im Folgenden darzustellen. Leider sind meine Ausführungen, eben weil ich meine zentrale These von der "schönen Müllerin" als "musikalisches Selbstbekenntnis" so gründlich und detailliert wie möglich untermauern wollte, sehr (zu?) umfangreich geraten (wie gleich der nachfolgende Beitrag zur Musik des ersten Liedes zeigen wird).
Aber man wird sie ja nur dann in ihrer Gänze lesen müssen, wenn man Zweifel an der Angemessenheit und Berechtigung dieser Interpretation dieses Liederzyklus hat und ihn ganz anders auffasst und versteht.
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Zwar würde ich niemals so weit gehen, Wilhelm Müller jegliche Doppelbödigkeit abzusprechen, doch ein Eichendorff war er wohl nicht. Ein Schubert gleich gar nicht - quasi über die Binnengrenzen der Genres hinweg gedacht.
Wer die Winterreise für tieftraurig hält, die schöne Müllerin weniger, ist möglicherweise auch dem Titel des Zyklus auf den Leim gegangen. Dies scheint mir eine realistische Gefahr.
ZitatAber man wird sie ja nur dann in ihrer Gänze lesen müssen, wenn man Zweifel an der Angemessenheit und Berechtigung dieser Interpretation dieses Liederzyklus hat und ihn ganz anders auffasst und versteht.
Man wird das vielleicht nicht müssen, ich werde es aber tun. Und melden werde ich mich gerne nach Bedarf meinerseits. Mit den Zweifeln muss es da auch gar nicht so weit her sein, etwas zu sagen haben sollte ich indes schon.
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… etwas zu sagen haben sollte ich indes schon.
Nicht den mindesten Zweifel habe ich daran, lieber Wolfgang, und hoffe darauf, dass einiges von dem hier einfließt.
Aber Deine Bemerkung, Wilhelm Müller betreffend, hat mir bewusst gemacht, dass ich zu wenig auf die textliche Grundlage von Schuberts Liedmusik eingegangen bin, - was ihre spezifische Eigenart als lyrische Poesie und ihre literarische Qualität anbelangt. Müller hat zwar, da hast Du schon recht, nicht das poetische Format eines Eichendorff, aber eine lyrische Nullnummer, wie man ihn lange gesehen hat, ist er auf gar keinen Fall. Anlässlich der "Winterreise" und meinen Beträgen zu ihr habe ich auf diesen Sachverhalt anhand einzelner Textbeispiele aufmerksam gemacht, hier, bei der "Schönen Müllerin", habe ich´s aber unterlassen und nur den jeweiligen Inhalt der einzelnen Gedichte, ihren wesenhaft monologischen Gehalt berücksichtigt. Die Beiträge wären ja sonst noch länger geworden.
Dabei wäre hier eine Menge zu Müllers Lyrik zu sagen, sozusagen diesseits ihrer Umsetzung in Liedmusik durch Schubert. Allein schon die Art und Weise, wie er romantische Topoi aufgreift, um mit ihnen ein höchst gekonntes Spiel im Sinne einer Desillusionsromantik zu treiben, wäre einen eigenen Thread wert. Auch die Frage, wie weit - wie in den Gedichten der "Winterreise" - der Geist der Restaurationszeit in sie Eingang gefunden hat, wäre interessant. Die innere Rat- und Kraftlosigkeit des Müllerburschen, sein Lamento "Ach, wie ist mein Arm so schwach" und sein geringes Selbstwertgefühl könnten durchaus als literarischer Niederschlag der Grundhaltung des damaligen Bürgertums verstanden werden.
In diesen Gedichten, an denen Müller lange feilte, fand übrigens, Du wirst es wissen, seine Liebe zu Luise Hensel Ausdruck. Und bei der Figur des Jägers dürfte er, das darf man mit guten Gründen vermuten, Clemens Brentano vor Augen gehabt haben, der damals im Hause des Staatsrats Staegemann, in dem die Geschichte mit der "Schönen Müllerin" ja ihren Anfang nahm, auftauchte und alle tief beeindruckte, - auch Luise Hensel. Es gibt einen Bericht der damals sechzehnjährigen Tochter Staegemanns, Hedwig mit Namen, der den Auftritt Brentanos "mit seinem schwarzen Lockenkopf" und seinem "spitzen, satyrischen Lächeln" festgehalten hat. Er las damals Passagen aus seiner Komödie "Viktoria und ihre Geschwister" vor, mit der Folge, dass die jungen Damen, also Hedwig und Luise Hensel, vor Lachen "sekundlang wegblieben" und "wie die Biber heulten". Der in Luise Hensel sehr verliebte - und schüchterne - Wilhelm Müller muss wohl darunter gelitten haben.
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Wichtig halte ich für das Verständnis "Der schönen Müllerin" den Prolog und den Epilog < den noch wichtiger, weil da auf die Distanz hingewiesen wird.
Der Dichter, als Prolog
Ich lad' euch, schöne Damen, kluge Herrn,
Und die ihr hört und schaut was Gutes gern,
Zu einem funkelnagelneuen Spiel
Im allerfunkelnagelneusten Styl;
Schlicht ausgedrechselt, kunstlos zugestutzt,
Mit edler deutscher Rohheit aufgeputzt,
Keck wie ein Bursch im Stadtsoldatenstrauß,
Dazu wohl auch ein wenig fromm für's Haus:
Das mag genug mir zur Empfehlung sein,
Wem die behagt, der trete nur herein.
Erhoffe, weil es grad' ist Winterzeit,
Thut euch ein Stündlein hier im Grün nicht Leid;
Denn wißt es nur, daß heut' in meinem Lied
Der Lenz mit allen seinen Blumen blüht.
Im Freien geht die freie Handlung vor,
In reiner Luft, weit von der Städte Thor,
Durch Wald und Feld, in Gründen, auf den Höhn;
Und was nur in vier Wänden darf geschehn,
Das schaut ihr halb durch's offne Fenster an,
So ist der Kunst und euch genug gethan.
Doch wenn ihr nach des Spiels Personen fragt,
So kann ich euch, den Musen sei's geklagt,
Nur eine präsentiren recht und ächt,
Das ist ein junger blonder Müllersknecht.
Denn, ob der Bach zuletzt ein Wort auch spricht,
So wird ein Bach deshalb Person noch nicht.
Drum nehmt nur heut' das Monodram vorlieb:
Wer mehr giebt, als er hat, der heißt ein Dieb.
Auch ist dafür die Szene reich geziert,
Mit grünem Sammet unten tapeziert,
Der ist mit tausend Blumen bunt gestickt,
Und Weg und Steg darüber ausgedrückt.
Die Sonne strahlt von oben hell herein
Und bricht in Thau und Thränen ihren Schein,
Und auch der Mond blickt aus der Wolken Flor
Schwermüthig, wie's die Mode will, hervor.
Den Hintergrund umkränzt ein hoher Wald,
Der Hund schlägt an, das muntre Jagdhorn schallt;
Hier stürzt vom schroffen Fels der junge Quell
Und fließt im Thal als Bächlein silberhell;
Das Mühlrad braust, die Werke klappern drein,
Man hört die Vöglein kaum im nahen Hain.
Drum denkt, wenn euch zu rauh manch Liedchen klingt,
Daß das Lokal es also mit sich bringt.
Doch, was das Schönste bei den Rädern ist,
Das wird euch sagen mein Monodramist;
Verrieth' ich's euch, verdürb' ich ihm das Spiel:
Gehabt euch wohl und amüsirt euch viel!
Der Dichter, als Epilog
Weil gern man schließt mit einer runden Zahl,
Tret' ich noch einmal in den vollen Saal,
Als letztes, fünf und zwanzigstes Gedicht,
Als Epilog, der gern das Klügste spricht.
Doch pfuschte mir der Bach in's Handwerk schon
Mit seiner Leichenred' im nassen Ton.
Aus solchem hohlen Wasserorgelschall
Zieht Jeder selbst sich besser die Moral;
Ich geb' es auf, und lasse diesen Zwist,
Weil Widerspruch nicht meines Amtes ist.
So hab' ich denn nichts lieber hier zu thun,
Als euch zum Schluß zu wünschen, wohl zu ruhn.
Wir blasen unsre Sonn' und Sternlein aus –
Nun findet euch im Dunkel gut nach Haus,
Und wollt ihr träumen einen leichten Traum,
So denkt an Mühlenrad und Wasserschaum,
Wenn ihr die Augen schließt zu langer Nacht,
Bis es den Kopf zum Drehen euch gebracht.
Und wer ein Mädchen führt an seiner Hand,
Der bitte scheidend um ein Liebespfand,
Und giebt sie heute, was sie oft versagt,
So sei des treuen Müllers treu gedacht
Bei jedem Händedruck, bei jedem Kuß,
Bei jedem heißen Herzensüberfluß:
Geb' ihm die Liebe für sein kurzes Leid
In eurem Busen lange Seligkeit!
Ich freue mich auf Aufschlussreiches von dir lieber H.Hofmann, bei den Liedern!
Apropos Lieder, welche Aufnahmen ziehst du zu Rate!?
LG Fiesco
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Wichtig halte ich für das Verständnis "Der schönen Müllerin" den Prolog und den Epilog < den noch wichtiger, weil da auf die Distanz hingewiesen wird.
Lieber Fiesco, obwohl ich Prolog und Epilog auch sehr schätze und auch die einschlägigen Aufnahmen habe, bin ich für mich zu dem Schluss gelangt, dass man die "Müllerin", Schuberts "Müllerin" für sich nehmen sollte. Schubert hat ja nicht alle Gedichte vertont, weshalb zum Beispiel Fischer-Dieskau in seiner um die Sprechtexte erweiterten Aufnahme, auf die Zahl im Epilog verzichten.
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Wichtig halte ich für das Verständnis "Der schönen Müllerin" den Prolog und den Epilog < den noch wichtiger, weil da auf die Distanz hingewiesen wird.
Für die Lyrik Müllers schon, nicht aber für Schuberts Liederzyklus. Das höchstens indirekt und auf vielsagende Weise: Denn Schubert hat ihn ganz bewusst formal außen vor gelassen, ihn in seiner Aussage und Funktion nicht in seine Komposition einbezogen und damit absolut ignoriert.
Für das Verständnis des Liederzyklus sind dieser Prolog und der Epilog nicht nur irrelevant, sie sind geradezu irreführend.
Dietrich Fischer-Dieskau hat das - mit einer gewissen Verzögerung - auch begriffen. Denn in einer seiner frühen Aufnahmen hatte er der gesanglichen Interpretation der Lieder diese Texte, sie selbst sprechend, unsinnigerweise beigegeben. Später gestand er dann ein, dass dies ein Fehler war, und in allen nachfolgenden Aufnahmen der "Schönen Müllerin" sind Prolog und Epilog weggelassen.
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Gerhaher geht noch weiter. In dieser Aufnahme spricht er an den entsprechenden Stellen die von Schubert nicht vetonten Gedichte "Das Mühlenleben", "Erster Schmerz, letzter Schmerz" und "Blümlein Vergissmein". Das hat zur Folge, dass er im Epilog nicht die Zahl aller Verse weglassen muss wie weiland Fischer-Dieskau. Aber das hatte ich ja schon weiter oben erwähnt. So sah übrigens die LP-Ausgabe aus, wie ich sie habe.
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Ich kenne diese Gerhaher-Aufnahme. Ihre Sinnhaftigkeit hat sich mir bislang nicht erschlossen.
Aber nun möchte ich zu meinem Anliegen zurückkehren: Die Vorstellung von Schuberts Liedmusik, ihrer kompositorischen Faktur und ihrer Aussage.
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Zitat von Helmut Hofmann
Dietrich Fischer-Dieskau hat das - mit einer gewissen Verzögerung - auch begriffen. Denn in einer seiner frühen Aufnahmen dieser Lieder hat er deren Vortrag der gesanglichen Interpretation der Lieder unsinnigerweise beigegeben.
Aber warum, wenn er es begriffen hat, spricht er es dann auf der Aufnahme seines Schülers Ion Bostridge, denn wenn dem so wäre, hätte er als Lehrer aber unbedingt vermeiden müssen!? Oder?
Auch wen du es lieber H.Hofmann, für irrelevant hälst, bei einem Liederabend sprach Gerhaher über den Prolog und Epilog um der Distanz willen des Sängers zum Text! Und Bitte keine Larmoyanz im Vortrag!
LG Fiesco
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Müllers Prolog und Epilog halte nicht nur ich für irrelevant, lieber Fiesco, sie sind es für Schubert selbst objektiv gewesen. Das ist ein Sachverhalt, keine Frage des Dafürhaltens.
Die Aufforderung am Ende des Prologs "Gehabt euch wohl und amüsirt euch viel!" mutet angesichts dessen, was Schubert mit seiner Liedmusik zum Ausdruck bringt (und ich im Folgenden aufzeigen möchte), geradezu pervers an.
Schubert hat aus den Versen, die ihm in der Sammlung „Sieben und siebzig Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten, herausgegeben von Wilhelm Müller, Deßau 1821“ begegneten, eines seiner zentralen Lebensthemen heraus gelesen: Wanderschaft als Wesenselement menschlicher Existenz. Er musste sich von ihnen unmittelbar angesprochen gefühlt haben. Die im Prolog und im Epilog mit den Mitteln Ironie und Humor hergestellte Distanzierung vom narrativen Gehalt der Gedichte steht dieser Unmittelbarkeit des Angesprochen-Seins diametral entgegen.
Warum Interpreten dieses Liederzyklus es für angebracht halten, diese Texte in Aufführungen und Aufnahmen desselben einzubeziehen, ist mir schlechterdings unerklärlich, und ich möchte dieser Sache auch hier nicht nachgehen.
Tut mir leid!
Fragen wie diese und auch der Aspekt "gesangliche Interpretation des Werkes" sind nicht Gegenstand dieses Threads, wie aus dem Einführungs- und Eröffnungstext eigentlich ersichtlich geworden sein sollte.
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Lieber Helmut, ich wollte mich nur mal melden, um dir zu sagen, dass ich mitlese, aber zum Thema selbst kann und will ich nichts sagen. Nur eins: ich kenne den Zyklus schon sehr lange. Das letzte Lied fand ich immer herzzerreißend. Gerade die Diskrepanz zwischen Text und Musik ist ja erschreckend. Heiterkeit im Angesicht des Todes kann ja nur gespielte Heiterkeit sein. Besser kann ich das leider nicht ausdrücken.
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Das letzte Lied enthält eine einfache, aber wirkungsvolle Reizharmonie, die auch bei mir diese "herzzerreißende" Wirkung hat. Schubert eben. Mehr vielleicht, wenn es so weit ist.
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Danke, lieber Dr. Pingel! Schon Dein Mitlesen ist mir viel wert!
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„Das Wandern“. Zur Faktur der Komposition und ihrer liedmusikalischen Aussage
Wie hat Schubert dieses erste Gedicht Wilhelm Müllers, das von diesem mit „Wanderschaft“ überschrieben wurde, gelesen und dementsprechend in Musik gesetzt? Prosodisch präsentiert es sich seiner vollkommen regelmäßigen Anlage aus vierfüßigen Trochäen mit Refrain im zweiten und letzten Vers der Strophen als lyrischer Text der zum Wandern gesungen werden will.
Das Bemerkenswerte ist nun aber, dass Schubert daraus kein Wanderlied macht. Anders, als dies bei der populär gewordenen Vertonung des Textes durch Carl Friedrich Zöllner der Fall ist, kann man auf seine Liedmusik nicht wirklich wandern. Sie ist als reines Strophenlied angelegt, weist einen Zweivierteltakt als Grundlage auf, steht in B-Dur als Grundtonart, und sie soll „mässig geschwind“ vorgetragen werden. Melodik und Klaviersatz atmen volkliedartigen Geist und reflektieren darin die Aussage und den Geist des lyrischen Textes. Aber ein „Wanderlied“ wollen sie nicht sein.
Und was auch noch bemerkenswert ist:
In Zöllners Vertonung schmiegt sich die melodische Linie auf organische Weise in den lyrischen Text, bei Schubert hingegen wirkt sie an mehreren Stellen geradezu sperrig, indem sie unangemessene Akzente setzt. So etwa in der ersten Strophe mit dem Akzent auf den Worten „des Müllers Lust“, auf denen eine über das Intervall einer Oktave sich erstreckende Sechzehntel-Fallfigur liegt, und der eigentlich unangemessenen Hervorhebung des Verbs bei „das muß ein schlechter Müller sein“.
Bedenkt man, dass es keinen anderen Liedkomponisten gibt, der die melodische Linie der Singstimme in so enger Anbindung an die lyrische Sprache entwickelt und führt, dass der Musikologe Thrasybulos Georgiades daraus sogar die These von „Sprache als Musik“ entwickelt hat, so drängt sich einem die Vermutung auf, dass Schubert eine ganz andere Absicht verfolgte, als einen sich als Wanderlied gebenden Text in entsprechende Musik zu setzen.
Und so ist es ja auch. Besonders ein zweites, geradezu aufdringliches Merkmal dieses Liedes legt das nahe: Das hier von ihm auf geradezu exzessive Weise gehandhabte Prinzip der Wiederholung. Mehr geht eigentlich nicht. Nicht nur die Worte des ersten und des zweiten Verses werden wiederholt, und dies auf gleicher melodischer Linie und mit identischem Klaviersatz, der lyrische Schlussrefrain des letzten Verses erklingt vier Mal, und dies in Gestalt einer sich wiederholenden melodischen Linie, die, mit einem Septsprung einsetzend, auf „das Wandern, das Wandern“ eine gestaffelte, erst aus hoher Lage über eine Sekunde erfolgende, dann aber erneut einsetzende und zum Ausgangston, also wieder über das Intervall einer Septe erfolgende Fallbewegung beschreibt, die in schlichter Weise in Rückungen von der Dominante F-Dur zur Tonika harmonisiert ist.
Erstmals begegnet dem Hörer hier ein liedmusikalisches Grundmerkmal des Zyklus „Die schöne Müllerin“:
Die kumulativ auftretende Wiederholung melodischer Figuren auf der Basis des Strophenlied-Konzepts. Und schon hier, gleich an seinem Anfang, kann man begreifen, welche kompositorische Absicht Schubert damit verfolgt. Mit „Das „Wandern“ will Schubert den Protagonisten der nachfolgenden Geschichte in Liedern vorstellen und dabei einen Einblick in seine Mentalität und seine menschliche Grundhaltung vermitteln. Das Prinzip der Wiederholung dient ihm dabei als kompositorisches Mittel, die innere Einfachheit und Gradlinigkeit dieser Haltung hervorzuheben und die Wanderschaft als Lebensprinzip in ihrer besonderen Bedeutsamkeit bewusst zu machen.
In diesem konzeptionellen Rahmen und auf seiner Basis fungieren dann Melodik und Klaviersatz gleichsam als ins Detail gehende Konkretisierung. Der Klaviersatz tritt schon im viertaktigen Vorspiel als klangliche Verkörperung geradezu impulsiv vorandrängender Bewegung auf: Über dem permanenten, über das Intervall einer Oktave erfolgenden Auf und Ab von Vierteln im Bass ereignet sich im Diskant eine Abfolge von über Terzen und eine Quarte steigenden und wieder fallenden Sechzehntel-Figuren, die erst in einer Terz und dann in einer Sexte aufgipfeln und, weil sie immer wieder neu ansetzen, die Anmutung nicht aufzuhaltender innerer Bewegtheit aufweisen.
Und darin prägen sie maßgeblich den klanglichen Charakter der ganzen Liedmusik, weil das Vorspiel nicht nur drei Mal als Zwischenspiel erklingt, sondern es darüber hinaus, mit Ausnahme der eine gleichsam retardierende Aufgabe erfüllenden Liedmusik auf den Versen drei und vier, in strukturell unveränderter, nur auf das Prinzip der Aufgipfelung verzichtender Gestalt als Begleitung der Singstimme fungiert. Und seine bemerkenswert schlichte, aus permanenter Rückung von der Tonika zur Dominante bestehende Harmonisierung unterstützt es in seiner Aufgabe als Antreiber der melodischen Linie.
Auch diese ist in der Art ihrer Entfaltung eine wesenhaft einfache und schlichte, und eben darin will sie Ausdruck der inneren Haltung, der geistigen und seelischen Verfasstheit des lyrischen Ichs, dieses auf nicht ruhen wollende Wanderschaft ausgerichteten einfachen Müller-Gesellens sein. Auf den ersten beiden Versen beschreibt sie einen munteren, über eine Quarte und eine Quinte erfolgenden Anstieg bis zu einem hohen „Es“, geht danach bei den Worten „des Müllers Lust“ in eine melismatische, weil bogenförmig in Sechzehntelschritten erfolgende Fallbewegung über und endet in einer mit einem Sextsprung einsetzenden Dehnung in Gestalt eines Terzfalls mit nachfolgendem Sekundanstieg, der dem Wort „Wandern“ einen markanten Akzent verleiht. In der nachfolgenden Pause für die Singstimme im Wert von zwei Vierteln lässt das Klavier wieder die Terzen- und Sextenaufgipfelungen seiner Sechzehntelfiguren des Vorspiels erklingen, und das geschieht nicht nur nach der Wiederholung dieser Melodik auf dem ersten Verspaar, sondern auch vor dem Einsatz der melodischen Linie auf den Versen drei bis fünf, die nun eine nicht noch einmal durch eine Pause unterbrochene Einheit bildet.
Dieses Wiedererklingen der Figuren des Vorspiel-Klaviersatzes, wie auch die weit angelegte Phrasierung der Melodik auf den letzten drei Versen sind wesentliche, die innere, aus dem Wandergeist kommende Beschwingtheit der Liedmusik generierende Faktoren. Der Melodik auf dem ersten Verspaar kommt dabei, und eben deshalb lässt Schubert sie wiederholen, eine Art Auftaktfunktion zu. In dem damit eingeschlagenen deklamatorischen Gestus lässt Schubert die Melodik aber nicht fortfahren und darin erkennt man schon gleich am Anfang der „Schönen Müllerin“ den in der eminenten Wortgebundenheit der Melodik sich bekundenden hochgradig artifiziellen Charakter der Liedmusik. Weil die Verse drei und vier in allen Strophen einen gedanklich-reflexiven Gehalt aufweisen, geht die auf ihnen liegende melodische Linie zu einer Art retardierendem Gestus über. Nicht nur, dass sie nun keine solche über relativ große Intervalle erfolgende Aufstiegsbewegung mehr beschreibt, das Auf und Ab in mittlerer tonaler Lage, zu dem sie nun übergeht und partiell in deklamatorischen Sechzehntelschritten erfolgt, endet bei den Worten „dem niemals fiel das Wandern ein“, in einem zweimaligen Fall.
Und nicht nur darin hebt sich die Liedmusik von der auf dem ersten Verspaar ab. Die Harmonik, die sich bislang in schlichten Tonika-Dominante-Rückungen erging, wendet sich nun ins Tongeschlecht Moll. Dies allerdings nur in kurzen, von der Rückkehr zum Tongeschlecht Dur unterbrochenen Rückungen nach g-Moll, dem sofort aber erst ein D-Dur und dann gar ein C-Dur nachfolgt.
Aber immerhin:
Dieser Müllergeselle wird von Schubert schon im ersten Lied als ein sich nicht in simplem Wanderlust-Geist erschöpfendes, sondern auch nachdenkliche Züge aufweisendes lyrisches Ich dargestellt. Und deshalb lässt er auch den Klaviersatz hier Abstand nehmen von seinen Wanderimpulse gebenden Sechzehntelfiguren und lässt das Klavier die Singstimme nun im Diskant mit einem ruhigen Auf und Ab von Sechzehnteln über das Intervall einer Oktave begleiten, und im Bass mit einer partiell rhythmisierten und fallend und wieder steigend angelegten Folge von Achtel-Oktaven.
Aber der Wandergeist verschafft sich am Ende dann doch Durchbruch: In Gestalt einer zwei Mal in gleicher Weise sich wiederholenden melodischen Figur auf den ebenfalls sich wiederholenden Worten „das Wandern“. Sie setzt, nun wieder in der schlichten Tonika-Dominante-Rückung harmonisiert, mit einem energischen Septsprung ein und geht, nach einem leicht gedehnten Sekundfall, mit einem neuerlichen Ansatz über einen Sekundanstieg in einen, von einem Sechzehntelschritt auf dem Wort „das“ gleichsam beschleunigten, dann aber in einer Dehnung auf „Wandern“ wieder entschleunigten Sekundfall über, der über einen Terzfall auf dem Grundton „B“ endet. Bemerkenswert aber: Die Wiederholung dieser melodischen Figur erfolgt im Pianissimo. Und der gedehnte Sekundfall auf „Wandern“ ist gleich vier Mal mit einem Decrescendo versehen.
Dieses lyrische Ich gibt sich, so wie Schubert es verstanden wissen will, nicht ganz unbedarft seiner Wanderlust hin. Es gibt da ja die mit ihr einhergehende Ungewissheit der Zukunft. Und auch deshalb klingt das Lied ohne Nachspiel aus. -
Auch ich schließe mich Dr. Pingel an, obwohl diese Lieder mit zu meinen ersten gehören, die ich vor Jahren kennen- und lieben gelernt habe, fühle ich mich nicht kompetent genug, um mich hier schriftlich äußern zu können. Ich werde aber alles hier verfolgen.
Viele Grüße
Ramona1956
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... fühle ich mich nicht kompetent genug, um mich hier schriftlich äußern zu können. Ich werde aber alles hier verfolgen.
Ich habe den (für mich schrecklichen) Verdacht, liebe Ramona, dass dieses "Gefühl" nicht in einer tatsächlichen "Inkompetenz" gründet (an die ich nicht recht zu glauben vermag), sondern Folge des Schwalls an liedanalytischen Aussagen und Feststellungen ist, der meine Beiträgen ausfüllt und auf die Leser geradezu erdrückend wirken kann.
Aber über Deine Aussage zu urteilen, das steht mir natürlich nicht zu, und so bleibt mir nur, meine Freude darüber zu bekunden, dass Du "alles hier verfolgst", - und Dir dafür zu danken.
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Ich habe den (für mich schrecklichen) Verdacht, liebe Ramona, dass dieses "Gefühl" nicht in einer tatsächlichen "Inkompetenz" gründet (an die ich nicht recht zu glauben vermag), sondern Folge des Schwalls an liedanalytischen Aussagen und Feststellungen ist, der meine Beiträgen ausfüllt und auf die Leser geradezu erdrückend wirken kann.
Aber über Deine Aussage zu urteilen, das steht mir natürlich nicht zu, und so bleibt mir nur, meine Freude darüber zu bekunden, dass Du "alles hier verfolgst", - und Dir dafür zu danken.
Lieber Helmut, ich habe das schon öfter gesagt, dass deine Selbstkritik ("Schwall") nicht nötig ist. Du bist der Verfasser, wir sind die Leser, jeder tut, was am besten kann. Viele Dinge, die ich nicht verstehe, überlese ich. Andere verstehe ich sehr gut, wie z.B. deine Charakteristik der Wiederholungen bei Schubert. Dies als bewusstes Stilmittel hat ja die Minimal Music eingesetzt, also Steve Reich, Philipp Glass und John Adams. Einige dieser Werke schätze ich sehr, etwa "Echnaton" von Glass. Dieses Stilmittel ist aber früher schon angewendet worden. Man höre nur Perotins "Sederunt principes". Bach und Händel haben mit endlosen Koloraturketten für Wiederholungen gesorgt, Bach auch in seinen Solo-Suiten für Violine und Klavier. Der nächste, der mir einfällt, ist Leos Janacek, der dieses Stilmittel bewusst einsetzt.
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Danke, lieber Dr. Pingel, für die interessanten Hinweise auf andere Komponisten, das Wiederholungsprinzip betreffend.
Für Schubert ist es ganz allgemein in der Liedmusik ein wichtiges kompositorisches Mittel, insbesondere im Zusammenhang mit dem von ihm gerne verwendeten Strophenliedkonzept.
Hier, in der "Schönen Müllerin", kommt es aber ungewöhnlich häufig zum Einsatz. Und das hängt mit der Gestalt des Müllergesellen zusammen, der für ihn - und das arbeitet er stärker heraus, als dies im lyrischen Text Müllers zum Ausdruck kommt - eine wesenhaft monologische Wanderschafts-Existenz verkörpert. Mit der Wiederholung kann er, wenn diese in identischer Weise erfolgt, der lyrischen Aussage einen besonderen Akzent verleihen und vernehmlich werden lassen, welche Bedeutung sie für diesen Müllergesellen hat. Und mit dem kompositorischen Mittel der Variation kombiniert vermag er durch die Wiederholung die affektiven und seelischen Dimensionen der jeweiligen lyrischen Aussage auszuloten.
Wie er dabei jeweils in den einzelnen Liedern verfährt, das soll im Folgenden aufgezeigt werden. Schon in der Besprechung des ersten Liedes geschah das ja, und dort wurde darauf hingewiesen, dass
Schubert das Prinzip der Wiederholung hier als kompositorisches Mittel einsetzt, um die innere Einfachheit und Gradlinigkeit Haltung des Müllergesellen hervorzuheben und die Wanderschaft als sein Lebensprinzip in ihrer besonderen Bedeutsamkeit bewusst zu machen.
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Na bitte, ein klarer und gut verständlicher Text! Ich bitte dich übrigens darum, wie du es ja auch schon gemacht hast, die Texte immer mit abzudrucken, da hat man alles sofort bei der Hand.
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Lied 2: „Wohin?"
Ich hört' ein Bächlein rauschen
Wohl aus dem Felsenquell,
Hinab zum Tale rauschen
So frisch und wunderhell.
Ich weiß nicht, wie mir wurde,
Nicht, wer den Rat mir gab,
Ich mußte auch hinunter
Mit meinem Wanderstab.
Hinunter und immer weiter,
Und immer dem Bache nach,
Und immer heller rauschte,
Und immer heller der Bach.
Ist das denn meine Straße?
O Bächlein, sprich, wohin?
Du hast mit deinem Rauschen
Mir ganz berauscht den Sinn.
Was sag ich denn vom (M.:von) Rauschen?
Das kann kein Rauschen sein:
Es singen wohl die Nixen
Tief unten ihren Reihn.
Laß singen, Gesell, laß rauschen,
Und wandre fröhlich nach!
Es gehn ja Mühlenräder
In jedem klaren Bach.
Wasser als im Fließen und Strömen sich entfaltendes Naturelement war in gleichsam allgemeiner Gestalt zentraler lyrischer Gegenstand des Eingangsliedes. Nun tritt es in konkreter auf: Als Bächlein, gerade der Quelle entsprungen, dann aber zum Bach sich weitend und hinunter ins Tal rauschend. Und was geschieht? Der Müllergeselle folgt ihm. Er, der nun erstmals als faktisches lyrisches Ich auftritt und sich als solches artikuliert, versteht sich selbst nicht ganz in seinem Verhalten, weiß nicht, wer ihm das geraten hat, spürt nur, dass er auch hinunter muss, immer dem Bache nach.
Eine magische Kraft scheint von diesem Bach auszugehen, und wesenhaft von seinem Rauschen. Müller bringt dies lyrisch-sprachlich zum Ausdruck, indem er in der dritten Strophe die Verse zwei bis vier allesamt mit den Worten „und immer“ einsetzen lässt, damit das gleichsam Zwanghafte des Geschehens zum Ausdruck bringend, und das Wort „rauschen“ in seinem Bezug zum Bach in verbaler und substantivischer Gestalt sieben Mal einsetzt, in Korrespondenz dazu und nun in Bezug zum lyrischen Ich, sogar ein achtes Mal in der Variante „berauscht“. Das lyrische Ich fühlt sich in Bann gezogen durch dieses „Rauschen“, seinen „Sinn“, die sein Verhalten steuernde Ratio empfindet es als tangiert, und weil ihm das alles unerklärlich ist und es doch nach einer rationalen Erklärung sucht, meint es, dass es sich dabei um ein Singen von Nixen handele, das „tief unten“ erklingt.
Es ist ein romantischer Topos, den Müller hier poetisch zum Einsatz bringt: Die Magie der im Wasser sich auftuenden und Geborgenheit in der Natur versprechenden Tiefe. Eichendorff hat ihn in die lyrischen Worte gefasst: „Ich hör ein Bächlein rauschen / im Walde her und hin, / Im Walde in dem Rauschen / ich weißt nicht, wo ich bin“. Bei ihm mündet dies an anderer Stelle in die Aussage „Und ich mag mich nicht bewahren“, und damit ist ein zentrales Theorem der Weltanschauung der Romantik angesprochen: Die Individuation als Herausgerissen-Sein des Menschen aus der universalen Einheit naturhaften Lebens und das daraus sich ergebende Bedürfnis nach Erlösung davon. Goethe hat die Gefahren, die er darin sah, gleich mehrfach dichterisch aufgegriffen, im „Erlkönig“ etwa und in der Ballade „Der Fischer“, wo die Magie der Wassertiefe sogar lyrisch explizit gemacht wird mit dem Versprechen: „Ach wüßtest du, wie´s Fischlein ist / so wohlig auf dem Grund, / du stiegst herunter, wie du bist, und würdest erst gesund.“
Wilhelm Müller wusste natürlich darum und ließ es – dies allerdings nur unterschwellig, aber als sehr wohl relevanter Faktor – in seinen Gedicht-Zyklus „Die schöne Müllerin“ einfließen, der, wenn man in seine poetischen Hintergründe blickt, in dieser Titulierung geradezu irreführend anmutet, so dass man gar von einer Täuschung des Lesers sprechen möchte. Allerdings muss man ihm zugutehalten: Prolog und Epilog entlasten ihn diesbezüglich.
Was aber auf jeden Fall zu konstatieren ist: Was diesem Liederzyklus von Schubert textlich zugrunde liegt, ist, auch wenn sie sich sprachlich so geben will, alles andere als eine arglos schlichte, harmlose Lyrik. Die auf „Des Baches Wiegenlied“ zulaufende und darin wie einer immanenten Logik gehorchende Folge der lyrischen Texte lässt das dem aufmerksamen Leser deutlich werden. Und umso mehr die Liedmusik von Franz Schubert darauf. Denn der hatte ein hochgradig ausgeprägtes, biographisch bedingtes Sensorium dafür, hervorgehend aus der existenziellen Erfahrung von „Wanderschaft“.
Wie er dieses zweite Gedicht gelesen hat und wie sich das in der Liedmusik darauf niederschlägt? Dieser Frage soll im ruhig-nachdenklichen, sich ihrer verführerischen Schönheit hingebenden, aber auch den analytischen Blick im gebührenden Maß wahrenden Hinhören auf sie nachgegangen werden. Was als erstes, die formale Anlage betreffend, ins Ohr und ins Auge fällt: Im zugrunde liegenden, einen Schreitrhythmus konstituierenden Zweivierteltakt und den Sechzehntel-Figuren im Klavierdiskant bindet die Liedmusik ganz bewusst an das Eröffnungslied an. Aber die hochinteressante, weil Aufschluss über die liedkompositorische Grundintention gebende Frage ist: Wie und wie tiefgreifend setzt sie sich davon ab, und in welche Richtung geht das?
Um es gleich vorab festzustellen: Dieses Sich-Absetzen ist einerseits ein recht deutliches und tiefgreifendes, es will aber als eine Fortführung, Ausgestaltung und Vertiefung der Ansätze verstanden werden, wie sie im Eröffnungslied des Zyklus das lyrische Ich betreffend gleichsam ansatzweise entwickelt wurden. Die Liedmusik will nun nicht mehr „mäßig geschwind“, sondern nur noch „mäßig“ vorgetragen werden. Und vor allem: Schubert greift hier nicht zum – ansonsten hier in der „Schönen Müllerin“ immer wieder zum Einsatz kommenden - Konzept des Strophenliedes. Er wählt die Durchkomposition, und dies ganz offensichtlich deshalb, weil er nur so die Komplexität der die Gedanken und Emotionen reflektierenden lyrischen Aussage in diesem zweiten Gedicht liedmusikalisch erfassen kann. Und ganz dementsprechend weisen dann auch die Melodik, ihre Harmonisierung und der Klaviersatz einen deutlich höheren Grad an struktureller Komplexität auf, als dies im Lied „das Wandern“ der Fall ist. Wenn er andererseits auch hier aber wieder zum kompositorischen Konzept der Wiederholung greift, so deshalb, weil es für ihn in der „Schönen Müllerin“, wie sich im Folgenden erweisen wird, ein wichtiges, wenn nicht das entscheidende liedmusikalische Ausdrucksmittel ist.
Der Klaviersatz weist im Diskant zwar auch Sechzehntelfiguren auf, und dies durchweg bis zum Ende des Liedes. Dieses Mal sind es aber Sextolen, die eine ansteigende und wieder fallende Bewegung beschreiben, die – und darin ereignen sich vielfältige Variationen – über unterschiedliche Intervalle, von der Sekunde bis zur Quinte, erfolgen und sich überdies auch noch auf wechselnden tonalen Ebenen entfalten. Kam den Sechzehntelfiguren im Eingangslied die Funktion zu, in immer wieder neuem stoßartigem Einsatz den Wandergestus der melodischen Linie anzutreiben, so kann man ihre Aufgabe in diesem Lied eher so verstehen, dass sie in der Anmutung von fließender, strömender Bewegung, die von ihnen ausgeht, die Szenerie des „rauschenden Bächleins“ klanglich imaginieren sollen. Im Bassbereich findet sich der schreitende Gestus in Gestalt von Viertel-Sprüngen über größere Intervalle bis bin zur Oktave hier zwar auch, daneben aber auch eine zweite Grundfigur: Die mit einem Viertelsprung eingeleitete taktübergreifende Quinte. Da sich die Funktion des Klaviersatzes in keiner Weise darin erschöpft, der melodischen Linie gleichsam ein klangliches Bett zu bereiten, er sie vielmehr in ihren Aussagen auch akzentuiert und interpretiert, ereignet sich einmal sogar – dies in der dritten Strophe – ein Unisono zwischen ihr und dem Klavierbass. -
Lieber Helmut,
vielleicht könntest du eine kleine Korrektur in der 3 Strophe / 3. Zeile anbringen: statt "heller" "frischer", ist mir beim Hören aufgefallen.
Viele Grüße
Ramona1956
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Gute Bemerkung! Ist es nicht so, dass bei Müller der dritte Vers wirklich so lautet, wie Helmut ihn wiedergegeben hat? Also ganz bewusst zweimal "heller".
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Ich habe jetzt auf die schnelle in die Texthefte zweier Aufnahmen hineingeschaut. Es ist tatsächlich so – in der einen steht 2x "heller" (Aufnahme Peter Schreier mit Norman Shetler), in der anderen "frischer" und "heller" (interressanterweise auch Aufnahme Peter Schreier mit Walter Olbertz). Ich vermeinte in dem Liedbeispiel von Fischer-Dieskau auch frischer und heller zu hören.
Lassen wir also beide Varianten gelten.
Viele Grüße
Ramona1956