Robert Stolz als Dirigent

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    Robert Elisabeth (sic) Stolz, geboren am 25. August 1880 in Graz, gestorben am 27. Juni 1975 in Berlin, war ein österreichischer Komponist und Dirigent.


    Über den Komponisten Robert Stolz wurde an anderer Stelle bereits so einiges gesagt. Hier soll es um den Dirigenten gehen. Tatsächlich war Stolz auch in dieser Profession überaus begnadet, vornehmlich in der sog. "leichten" Musik.



    Ein Vermächtnis hat sich Stolz im bereits greisenhaften Alter selbst gesetzt mit der insgesamt 12 Volumes umfassenden Edition "Wiener Musik", die auf Schallplatte erstmals 1971 erschienen ist. Er war seinerzeit bereits 91 Jahre alt.


    In CD-Form kam dies zunächst 1988 bei Eurodisc einzeln auf den Markt, 1995 erstmals als Box. 2005 und 2017 erfolgten Neuauflagen des Rechteinhabers RCA. Gegenwärtig ist die 12-CD-Box so günstig zu haben wie wohl noch nie zuvor.


    Bestritten wurde das Mammutprojekt mit den Wiener Symphonikern und auch den Berliner Symphonikern, wobei ich mir erlaube, ein ehemaliges Mitglied zu zitieren, das es sehr treffend auf den Punkt brachte:


    Für einen ersten Einstieg ist sicherlich das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker eine ideale Quelle, die mittlerweile auch recht umfangreich ist. Mit einem Stapel Neujahrskonzert-CDs kann man schon einen sehr großen Querschnitt der Musik der Strauss-Dynastie erwerben, und das auf sehr gutem Niveau.


    Will man darüber hinaus gehen, gibt es eigentlich nur eine einzige wirklich gute Möglichkeit: In den 60ern hat Robert Stolz unter dem Titel Wiener Musik eine umfangreiche Einspielung der Musik der Strauß-Dynastie und ihrer wichtigsten Zeitgenossen gemacht, die in vier dicken LP-Kassetten ca. 1970 bei Eurodisc erschien und auch auf 12 CDs wiederveröffentlicht wurde. Robert Stolz ist eine harte Konkurrenz für die Neujahrskonzert-Dirigenten und muss als einer der größten Dirigenten der Wiener Operette in der Geschichte der Schallplatte angesehen werden (uneingeschränkt empfehlenswert alle seine Operetten-Einspielungen bei Eurodisc - eigentlich die einzige Konkurrenz zu den oft aufwendigen EMI-Star-Aufnahmen aus dieser Zeit).


    Eine Pikanterie am Rande ist die Tatsache, dass ein guter Teil dieser Einspielungen mit den Berliner Symphonikern gemacht wurde. Es ist der einzige mir persönlich bekannte Fall, wo es ein österreichischer Dirigent geschafft hat, dass ein ausländisches Orchester diese Ur-Wienerische Musik so gespielt hat, dass man es für ein heimisches Ensemble halten konnte. Die Berliner Philharmoniker z.B. haben das nie so gut hingekriegt, weder unter Karajan und schon gar nicht unter Harnoncourt (man vergleiche einmal Harnoncourts Neujahrskonzert mit den Wienern und seine Strauß-Platte mit den Berlinern - gleicher Dirigent, gleiche Musik und zwischen den Ergebnissen liegen musikalische Welten).

    Abgedeckt ist gleichsam die gesamte Geschichte des Wiener Walzers, von den Anfängen bei Joseph Lanner und Johann Strauss Vater über die Strauss-Söhne (Johann Sohn freilich im Zentrum), Ziehrer und Komzák bis hin zu Heuberger, Oscar Straus, Lehár, Leo Fall, Kálmán und als letzten Titel mit "Wiener Café" auch ein Walzer von Stolz selbst.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich möchte an dieser Stelle Joseph II. danken, dass er hier an Robert Stolz erinnert und gleichzeitig den Hinweis für die von Stolz eingespielte "Wiener Musik" hinweist. Alle diese 12 CD-Ausgaben habe ich mir im Laufe der Zeit zugelegt und ich kann Theophilus' Statement nur zustimmen, denn es sind allesamt idiomatische Aufnahmen

    Zitat

    von den Anfängen bei Joseph Lanner und Johann Strauss Vater über die Strauss-Söhne (Johann Sohn freilich im Zentrum), Ziehrer und Komzák bis hin zu Heuberger, Oscar Straus, Lehár, Leo Fall, Kálmán und als letzten Titel mit "Wiener Café" auch ein Walzer von Stolz selbst.

    geworden. Tatsächlich macht man nichts falsch, wenn man als Liebhaber dieser Musik sich diese Aufnahmen zulegt.


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Danke für die Bestätigung, lieber musikwanderer. :hello:

    Die Aufnahmen wurden übrigens zwischen 1966 und 1971 in den Spandauer Festsälen in Berlin sowie im Großen Musikvereinssaal in Wien eingespielt. Das Gros entstand 1971.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Danke für die Bestätigung, lieber musikwanderer. :hello:

    Die Aufnahmen wurden übrigens zwischen 1966 und 1971 in den Spandauer Festsälen in Berlin sowie im Großen Musikvereinssaal in Wien eingespielt. Das Gros entstand 1971.

    Produzent der Serie war der legendäre Fritz Ganss (1898-1976), Tonmeister Horst Lindner. Gibt es eigentlich eine Aufstellung, in der die exakten Aufnahmedaten enthalten sind? Die suche ich schon sehr lange, zumal ich gerade an einer Biografie von Fritz Ganss arbeite.

  • Lieber Heiko, ich besitze die Eurodisc-Produktion und die beigefügten Booklets sind äußerst dürftig, enthalten nur die Tracknummern mit den jeweils spielenden Orchestern, jedoch keine weiteren Angaben, weder wird der Aufnahmeort, noch sind die Aufnahmedaten vermerkt. Ich weiß auch nicht, ob meine Scheiben die originale Erstausgabe oder eine Nachfolge-Auflage ist.


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Ich habe vor langer Zeit einmal ewig nach den genauen Aufnahmedetails zur 12-CD-Edition "Wiener Musik" recherchiert und wurde irgendwo im Netz tatsächlich fündig. Meist ist nur das Jahr bekannt, manchmal aber auch der Monat. Ich könnte nicht mehr sagen, woher die Informationen genau stammten, aber hier bitte sehr:


    Vol. 1:

    Spandauer Festsäle, Berlin, 1971 (1-7, 10, 11)

    Großer Musikvereinssaal, Wien, 1971 (8, 9, 12)


    Vol. 2:

    Spandauer Festsäle, Berlin, 1971 (2-14)

    Großer Musikvereinssaal, Wien, 6/1966 (1)


    Vol. 3:

    Spandauer Festsäle, Berlin, 1971 (1-3, 5-17)

    Großer Musikvereinssaal, Wien, 1971 (4)


    Vol. 4:

    Spandauer Festsäle, Berlin, 5/1969 (18), 1/1970 (13, 14), 1971 (2-11, 15, 19), 3/1971 (16)

    Großer Musikvereinssaal, Wien, 6/1966 (12, 17), 1971 (1)


    Vol. 5:

    Spandauer Festsäle, Berlin, 1971 (1, 3, 4, 6-8, 11, 13, 14)

    Großer Musikvereinssaal, Wien, 1971 (2, 5, 9, 10, 12)


    Vol. 6:

    Spandauer Festsäle, Berlin, 1971 (1-5, 7-12)

    Großer Musikvereinssaal, Wien, 1966 (6)


    Vol. 7:

    Spandauer Festsäle, Berlin, 1971 (1-4, 6-8, 11, 12)

    Großer Musikvereinssaal, Wien, 1971 (5, 9, 10)


    Vol. 8:

    Spandauer Festsäle, Berlin, 1971 (2-11)

    Großer Musikvereinssaal, Wien, 1971 (1, 12, 13)


    Vol. 9:

    Spandauer Festsäle, Berlin, 1971 (1-4, 6, 8-14)

    Großer Musikvereinssaal, Wien, 1971 (5, 7)


    Vol. 10:

    Spandauer Festsäle, Berlin, 1971 (1-3, 5-11, 13-16, 18)

    Großer Musikvereinssaal, Wien, 1971 (4, 12, 17)


    Vol. 11:

    Spandauer Festsäle, Berlin, 1971 (1, 2, 4-7, 9)

    Großer Musikvereinssaal, Wien, 1971 (3, 8 )


    Vol. 12:

    Spandauer Festsäle, Berlin, 1971 (1, 2, 6, 8-11)

    Großer Musikvereinssaal, Wien, 1971 (3-5, 7)


    Kaum zu glauben, dass Robert Stolz in den allermeisten Aufnahmen also bereits über 90 Jahre alt war, so ungemein beschwingt und echt wienerisch das herüberkommt. Erstaunlich auch, dass es keinen erkennbaren Unterschied bei beiden Orchestern aus Wien und Berlin gibt und beide den richtigen Tonfall treffen. Auch die Berliner Symphoniker muss man hier wirklich loben. Das könnten sogar die besten Einspielungen sein, die sie je vorlegten.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Spandauer Festsäle, Berlin, 1971 (1-7, 10, 11)

    Wenigsten haben die Spandauer Festsäle in diesen Aufnahmen überlebt. Sie wurden nämlich zwei Jahre später, 1973, abgerissen. :( Heute sieht es an dieser Stelle besonders fies aus.


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    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Joseph II., sehr herzlich sage ich Dankeschön für diese Fülle von Informationen, die ich nicht erwartet habe! Sie sind mir eine große Hilfe bei meinen Recherchen über Fritz Ganss.


    Die Edition "Wiener Musik", auch in meiner Sammlung sowohl als LP-Ausgabe als auch als CD-Box und 12 Einzel-CDs enthalten, gründete sich auf der langjährigen Bekanntschaft von Robert Stolz mit Monti Lüftner, dem legendären Chef von Ariola-Eurodisc. So bekam er Gelegenheit, eigene Werke und Wiener Musik in qualitativ hochwertigen Besetzungen (eben die Berliner und Wiener Symphoniker) einzuspielen. Dazu zählten auch die klassischen Operetten-Gesamtaufnahmen und -Querschnitte klassischer Operetten von Johann Strauss, Carl Millöcker und Franz Lehár. 1973 erhielt Stolz den "Grand Prix du Disque" für das Doppelalbum "Zwei Herzen im Dreivierteltakt" und 1974 für die Anthologie "Die Goldene Zeit der Wiener Musik".


    Robert Stolz - und natürlich auch Ehefrau Einzi - nahmen für sich in Anspruch, mit diesen Aufnahmen eine "authentische Interpretationsweise" zu vermitteln. Diese Behauptung lässt sich anhand dieser Einspielungen gut nachprüfen. Für Stolz war das Rubato "die Seele und Würze jeder Musikinterpretation. So schreibt darüber Eugen Semrau in seiner Biografie "Robert Stolz. Sein Leben. Seine Musik" (Residenz-Verlag Salzburg-Frankfurt-Wien 2002): "Die Musik wird nicht symphonisch aufgeladen wie etwa bei Karajan und natürlich auch nicht analytisch durchleuchtet wie etwa bei Harnoncourt. Die Strauss-Interpretationen von Robert Stolz sind sorgfältiger durchgearbeitet als etwa von Willi Boskovsky ... Für heutige Hörgewohnheiten ist Stolz jedenfalls ein sehr traditioneller Dirigent, dessen Interpretationsweise sich am besten mit ,musikantisch' umschreiben lässt." Und speziell sagt er zu den Lehár-Werken (im Vergleich zu den von diesen selbst dirigierten): "Dessen (also Stolzens) Interpretationen wirken schwungvoller - eben mit ,Wiener Schmiss' ... Stolz versieht Lehárs Musik gleichsam mit Unterstreichungen und Ausrufungszeichen und schafft damit mehr Lebendigkeiet und Dramatik als der Komponist ..."


    Noch ein Wort zu den Spandauer Festsälen in der Schützenstr. 2-4, in denen Ariola-Eurodisc (Klassik-Team Fritz Ganss) seit 1967 ihre größeren Projekte aufnahm. Bereits ab den 1920-er Jahren waren die Räumlichkeiten unter dem Namen „Seitz-Festsäle“ oftmals Schauplatz politischer Kundgebungen verschiedener Spandauer Parteien.

    Ab Mitte der 1950-er Jahre wurden sie vielschichtig genutzt, zumal die von Karl-Heinz Kuhnert bewirtschafteten und 500 Menschen fassenden Spandauer Festsäle die einzigen ihrer Größenordnung am Berliner Havelufer und ein beliebter Ort größerer Beat- und Tanzveranstaltungen waren. Hier konzertierte das Spandauer Blasorchester, und 1966 traten dort „The Heartbreakers“ auf. 1973 wurden sie, wie schon erwähnt, abgebrochen.

    Unter den Aufnahmen aus den Spandauer Festsälen sind neben Einzeltiteln und Operetten-Querschnitten („Balkanliebe“ 1967, „Schön ist die Welt“, „Friederike“ 1968, „Die Försterchristel“, „Balkanliebe“, „Monika“, „Die ungarische Hochzeit“, „Manina“ und „Clivia“ 1970) mit den Dirigenten Werner Schmidt-Boelcke und Nico Dostal vor allem die im Februar 1968 unter der Leitung von Franz Allers entstandene Gesamtaufnahme von Offenbachs „Pariser Leben“ sowie „Ewig junger Offenbach“ (1969) und die Operettenduette mit Anna Moffo unter dem Titel „Schenkt man sich Rosen in Tirol“ (1971) zu nennen. Auch Sänger-Recitals (z. B. mit Sylvia Geszty) entstanden hier.


    Mit herzlichem Gruß


    Heiko

  • Ich habe heute die Sony/RCA Box erhalten,


    bisher die ersten beiden CDs angehört. Da ist wirklich sehr, sehr gut !


    Kalli

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