Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832):
FAUST
DER TRAGÖDIE ERSTER TEIL
Einzelne Szenen wurden in Privataufführungen am
18. Februar 1816, 24. Mai 1819 und 7.Juni 1820 auf Schloss Monbijou, Berlin, gegeben,
die erste öffentliche Aufführung fand am 19. Januar 1829 im Nationaltheater Braunschweig statt
DIE PERSONEN DER HANDLUNG
Dr. Heinrich Faust, Gelehrter
Mephistopheles (Mephisto), Teufel
Margarete, genannt Gretchen, junges Mädchen
Marthe Schwerdtlein, Gretchens Nachbarin
Wagner, Fausts Famulus
Valentin, Gretchens Bruder
Hexe
Schüler
Frosch - Brander - Siebel - Altmayer, lustige Gesellen in Auerbachs Keller
Lieschen, Bekannte von Gretchen
Theaterdirektor
Dichter
Lustige Person
Raphael - Gabriel - Michael, Erzengel
Gott der Herr
Geist
Erdgeist
Chor der Engel - Chor der Weiber - Chor der Jünger
Spaziergänger aller Art
Bauern - Geister - Hexentiere
Böser Geist
Walpurgisnacht-Figuren
Stimme von oben
Ein Pudel
Meerkatzen der Hexe
Die Handlung geht an wechselnden Orten im 16. Jahrhundert vor sich.
INHALTSANGABE
Vorbemerkung: Anders als bei Dramen üblich, ist dieses Stück nicht in Aufzüge/Akte und Auftritte/Szenen unterteilt,
sondern in einzelne Szenenbilder mit Überschriften.
ZUEIGNUNG
Die Personen des Dramas werden in einem Gedicht, in dem sich der Dichter zum Thema selbst äußert, vorgestellt. Es ist gleichzeitig eine Reflektion über die Entstehungsgeschichte des Dramas und die eigene Jugendzeit, an die der Poet sich mit Wehmut erinnert.
VORSPIEL AUF DEM THEATER
Drei Personen - Theaterdirektor, Dichter und Lustige Person - diskutieren über die Situation an den Theatern und beklagen den Niedergang alles Kulturellen. Der Theaterdirektor schaut natürlich auf die Kasse und befindet, dass ein gutes Theaterstück nicht nur dem Publikum gefallen muss, es muss auch die Kassen füllen, und dazu ist ersteres unabdingbar. Der Dichter meint, dass des Poeten Bestreben sein muss, große Kunst zu erschaffen. Für den Komiker, die „Lustige Person“ ist es wichtig, dass ein Bühnenstück in der Lage ist, das Publikum zu fesseln und zu unterhalten. Gemeinsam glauben sie, dass das folgende, neue Stück ein gelungener Kompromiss ist.
PROLOG IM HIMMEL
Während die Erzengel - Raphael, Gabriel und Michael - den Herrn für die Schönheit und Vollkommenheit der Schöpfung loben, kommt von Mephistopheles, kurz Mephisto, der Teufel, Hohn und Widerspruch zugleich. Die Menschen sind doch oft unglücklich, müssen sich so plagen, dass es sogar ihn, den Teufel, jammert. Ein Vorwurf, den Gott, der Herr, nicht hinnehmen will. Er fragt Mephisto, ob er den Doktor Faust kenne - er nennt ihn „meinen Knecht“ - und bekommt zur Antwort, dass er ihn kenne, denn „er dient euch auf besondere Weise“. Genau den darf Mephisto „solang er auf der Erde lebt“ verführen, denn „es irrt der Mensch, solang er lebt“. Mephisto gesteht, nachdem Gott in einer Wolke verschunden ist
Von Zeit zu Zeit seh’ ich den Alten gern, / Und hüte mich mit ihm zu brechen.
Es ist gar hübsch von einem großen Herrn / So menschlich mit dem Teufel selbst zu sprechen.
DER TRAGÖDIE ERSTER TEIL
NACHT
Faust beklagt in einem Monolog seine allgemeine Unzufriedenheit. Er hat im Streben nach Weisheit und Erkenntnis alle möglichen Wissenschaften studiert, aber keine hat ihn dem anvisierten Ziel nähergebracht:
Da steh ich nun, ich armer Tor und bin so klug als wie zuvor.
Nun will er sich mit dem Zauberbuch des Nostradamus der Magie zuwenden. Er beschwört den Erdgeist, der auch tatsächlich erscheint, ihn aber verhöhnt und an seine Sterblichkeit erinnert. Das ist für Faust niederschmetternd. Zu allem Übel kommt nun sein Famulus Wagner mit Lobeshymnen über seine umfassende Bildung. Doch Faust will ihn wieder loswerden, weil er ihn bei seinen Studien stört; er komplimentiert Wagner hinaus und setzt den Monolog fort. Völlig desillusioniert durch den Erdgeist will er seinem Leben ein Ende setzen, doch die plötzlich ertönenden Kirchenglocken und ein jubelnder Chorgesang, die auf das Osterfest hinweisen, lassen ihn innehalten.
VOR DEM TOR
Das Volk ist zu Hauf in der erwachenden Natur vor dem Stadttor unterwegs. Auch Faust und Wagner unternehmen den Oster- und Frühlingsspaziergang. Faust wird von den Menschen ehrfürchtig begrüßt, von Wagner aber genau deswegen beneidet. Während sie durch die Felder spazieren, läuft ihnen plötzlich ein schwarzer Hund zu, der sich nicht abwimmeln lässt und ihnen ständig auf den Fersen bleibt.
STUDIERZIMMER (I)
Der Spaziergang durch die frühlingshafte Natur hat Faust neu belebt und motiviert. Er hat den Hund, der ihm und Wagner ständig folgte, mit in sein Haus genommen. Faust will das Neue Testament in die deutsche Sprache übersetzen und mit dem Johannes-Evangelium beginnen. Doch schon der erste Vers lässt ihn stocken und mehrmals zu einem Versuch ansetzen. Dabei stört ihn der Hund durch ständiges Heulen und Bellen. Er versucht, allerdings erfolglos, das Gejaule durch die Beschwörung des in dem Hund verborgenen Geistes abzustellen. Plötzlich aber verwandelt sich der Hund in einen Studenten in etwas altertümlicher Tracht. Und der Student gibt sich als Teufel zu erkennen und Faust staunt:
Das also war des Pudels Kern! / Ein fahrender Skolast? Der Kasus macht mich lachen.
Mephisto arbeitet sich langsam an den Doktor heran; er will (und wird) ihn dazu bringen, mit Blut die Unterschrift unter den Pakt mit dem Satan zu setzen. Vorerst hat Faust jedoch viele Fragen, die ihm Mephisto auch gerne beantworten will, allerdings erst später. Für jetzt bittet er sich verabschieden zu dürfen, doch gibt es für ihn das Problem, dass ein Drudenfuß (ein Bannzeichen gegen das Böse) auf der Türschwelle genau das verhindert. Fast schelmisch fragt Faust, warum er nicht einfach durchs Fenster verschwinde, worauf Mephisto bekennt, dass selbst er sich an strenge Gesetzen halten muss:
’s ist ein Gesetz der Teufel und Gespenster / Wie sie hereingeschlüpft, da müssen sie hinaus.
Das erste steht uns frei, beim zweiten sind wir Knechte.
Weil aber Faust Mephistos Problem nicht lösen kann, sorgt Mephisto selbst dafür: er ruft Geister herbei, die Faust mit Gesang einschläfern. Dann zitiert er eine Ratte herbei, die das Zeichen an einer Ecke benagt und damit dem „Herrn der Ratten und der Mäuse“ den Abgang ermöglicht. Als Faust erwacht ist er sich sicher, geträumt zu haben.
STDIERZIMMER (II)
Mephisto kehrt tatsächlich zu Faust zurück, jetzt in der Verkleidung eines edlen Junkers. Er will Faust bestens unterhalten, ihm alles zeigen, ihn wunschlos glücklich machen. Faust ist es recht, allerdings wendet er ein, dass der Satan nichts ohne Gegenleistung macht, also fragt er, was Mephisto von ihm erwartet. Die Antwort ist ein Wettangebot, das Faust überrascht: Wenn der Herr Doktor mit den gebotenen Leistungen zufrieden ist, dann soll seine Seele nach dem Tod ihm, Mephisto, gehören. Faust stimmt zu, und der „Junker“ zieht den schon fertigen Pakt aus seinem Wams und verlangt die Unterschrift mit Blut, dem „besonderen Saft“. Faust sticht sich kurzerhand mit dem Federkiel in die Vene und unterschreibt den Pakt. Als Mephisto einen Schüler Fausts kommen sieht, wehrt der Doktor sofort ab, ihn zu sehen. Mephisto dagegen findet es nicht gut, wenn ein lernbegieriger Scholast nicht empfangen wird, verkleidet sich deshalb als Faust und lässt den Schüler eintreten. Das Gespräch zwischen den beiden ist gekennzeichnet von Lehrhaftem und, als es Mephisto schließlich zu viel wird, von boshaft-sarkastischen Belehrungen. Als der Scholast ihm ein Stammbuch hinhält, schreibt er
Eritis sicut Deus, scientes bonum et malum.
(Ihr werdet sein wie Gott, wissend, was Gut und Böse ist)
hinein und schickt ihn ziemlich unsanft fort.
AUERBACHS KELLER IN LEIPZIG
Mephisto hat es mit Faust in Auerbachs Keller gezogen. Dort sind vier schon angeheiterte Studenten (Frosch, Siebel, Brander und Altmayer) in entsprechender Stimmung, fühlen sich von den beiden fremden Männern jedoch zu sehr gemustert. Mephisto versteht es, schnell für Anschluss bei den Studiosi zu sorgen. Er bietet ihnen zunächst Unterhaltung mit dem Lied von der Ratte, bekommt auch viel Beifall dafür, beklagt dann aber die schlechten Weine hier vor Ort. Er fragt die vier nach ihrem bevorzugten Wein und spendiert ihnen genau den, indem er den Rebensaft durch Löcher im Tisch fließen lässt. Als sich zum Boden fallende Tropfen plötzlich in Feuer verwandeln, wollen die Studenten mit Messern auf Mephisto losgehen. Der verwirrt die Studenten mit Zauberei so, dass sie ihre Nasen für Weintrauben halten, die sie sich partout gegenseitig abschneiden wollen. Mephisto und Faust, der sich beobachtend zurückgehalten hat, gelingt es zu verschwinden.
HEXENKÜCHE
Nun sind Mephisto und Faust in einer Hexenküche gelandet. Man sieht auf dem Herd einen großen Kessel, aus dem sich durch aufsteigenden Dampf die verschiedensten merkwürdigen Wesen zeigen. Vor dem Kessel sitzt eine Meerkatze und rührt in der Suppe, damit sie nicht überläuft. An den Wänden sieht man Hexenhausrat, an der Decke Hexensymbole. Als die Hexe kommt und sich äußerst giftig gegenüber den Eindringlingen verhällt, macht Mephisto ihr unmissverständlich klar, wer da vor ihr steht. Die Hexe reagiert kleinlaut-unterwürfig und Mephisto befiehlt ihr, für Faust einen Trank zu brauen, der ihn zu einem Jüngling macht. Die Hexe macht sich mit allerlei Zaubersprüchen ans Werk, während Faust einen Spiegel findet, in dem er eine wunderschöne Frau sieht, für die er sofort entflammt ist.
STRASSE (I) - BEGEGNUNG MIT MARGARETE
Auf einer Straße begegnet Faust einem jungen Mädchen, die sich als Margarete vorstellt, die sich ihm gegenüber jedoch sehr reserviert verhällt: sie ist weder schön noch benötigt sie ein Geleit nach Haus. Gerade dieses Sträuben stachelt Faust an und er verlangt von Mephisto, dass er sie ihm sofort gefügig macht. Genau das ist der Plan Mephistos und er kommt dem Verlangen sehr gerne nach. Er stachelt Fausts Begierde noch mehr an mit der Bemerkung, dass er Geduld und Ausdauer aufbringen muss.
ABEND
Gretchen ist in ihrem Zimmer allein und gesteht sich (in einem Monolog) ein, dass die Begegnung mit Faust nicht spurlos an ihr vorübergegangen ist; hört man ihren Aussagen zu, lässt sich sogar „tief beeindruckt“ festhalten. Als sie kurzzeitig das Zimmer verlässt, können Faust und Mephisto hineinzuschlüpfen, und Mephisto legt ein Schmuckkästchen in den Schrank. Faust inspiziert das Zimmer genau und lässt dabei seine Fantasie spielen. Mephisto merkt natürlich rechtzeitig Gretchens Rückkehr und dringt in Faust, schnell zu Verschwinden. Sie beobachten, dass sich Margarete entkleidet und dabei das Lied vom König in Thule singt. Dann entdeckt sie plötzlich das von Mephisto hinterlegte Schmuckkästchen - und reagiert sowohl erstaunt wie auch erschrocken. Letztlich ist sie aber so neugierig und legt sich einige der Kleinodien an; dabei äußert sie sich traurig über ihre Armut.
SPAZIERGANG
Mephisto musste verärgert registrieren, dass Margaretes Mutter das Schmuckkästchen gefunden und es sofort dem „Pfaff“ übergeben hat. Der nahm es selbstverständlich auch an, denn die Kirche „hat einen guten Magen“. Fausts Antwort an Mephisto ist sarkastisch, denn er weiß doch, dass ein solches Verhalten nichts Besonderes ist, weil ja „Jud‘ und König“ es ebenso halten. Dann verlangt er von Mephisto ein neues Schmuckkästchen herbeizuschaffen. Mephisto höhnt, dass Faust im Fordern ganz groß ist.
DER NACHBARIN HAUS
Bei Frau Marthe berichtet Margarete ganz aufgeregt, dass in ihrem Schrank schon wieder ein Schmuckkästchen liegt und sie versteht das nicht. Frau Marthe empfiehlt, den Fund geheim zu halten, auch nicht ihrer Mutter davon zu berichten. Außerdem solle sie den Schmuck auch nur heimlich anlegen. Als Gretchen gegangen ist tritt Mephisto zu Frau Marthe und behauptet mit gespielter Niedergeschlagenheit, die traurige Nachricht vom Ableben ihres Mannes in Padua auftragsgemäß erledigen zu müssen. Ohne eine Nachfrage von Frau Marthe fügt er ergänzend hinzu, dass es auch leider nichts zu erben gebe, ihr Mann hat nämlich vollkommen mittellos das Zeitliche gesegnet. Er rät der erstaunten und erschrockenen Witwe, dass sie sich nach der angemessenen Trauerzeit nach einem neuen Mann umsehen sollte. Offensichtlich sind Frau Marthe an Mephistos Erklärungen doch Zweifel gekommen, so dass er sich bemüßigt fühlt, am Abend mit einem Zeugen wiederzukommen, der das Sterben ihres Mannes mitbekommen hat. So nebenbei vergewissert er sich, dass dann auch Gretchen anwesend ist.
STRASSE
Mephisto muss nun Faust dazu bringen, dass er am Abend bei Frau Marthe den Tod ihres Mannes bezeugt. Das stellt sich gar nicht als leicht heraus, denn der Doktor weigert sich zunächst, eine Falschaussage zu machen, kennt er doch weder Frau Marthes Mann, noch war er in Padua als Zeuge dabei. Was soll er also bezeugen? Nein, das kann er nicht. Mephisto aber weiß genau, wie er Faust herumkriegen kann - dass Gretchen am Abend auch anwesend sein wird, überzeugt Faust und er wird den Zeugen spielen.
GARTEN
In Frau Marthes Garten gehen Faust mit Gretchen, und Mephisto mit Frau Marthe spazieren. Während Mephisto jede Mühe aufwenden muss, Frau Marthes Heiratsanträge abzuwehren, überschüttet Faust sein Gretchen mit Komplimenten, die sie sich ungläubig anhört. Ihr fehlt die Vorstellungskraft, dass sich ein Doktor, ein Mann überhaupt, für sie interessieren könnte, es sei denn aus reiner Höflichkeit. Dann aber bekommt sie zufällig eine Blume in die Hände und zählt spielerisch an den Blütenblättern ab, ob Faust sie liebt oder nicht. Dieses Spielchen empfindet Faust so anregend, dass er ihr seine Liebe gesteht. Mephisto hat die beiden trotz seines Flanierens mit Frau Marthe genau beobachtet und er weist seine Begleiterin schließlich in dem Augenblick darauf hin, als sich das Paar zurückzieht. Frau Marthe geht weiter und Mephisto folgt ihr.
EIN GARTENHÄUSCHEN
Während sich Faust und Gretchen gegenseitig Liebesschwüre schenken, und dann küssen, stört sie Mephisto plötzlich mit dem energischen Ruf, aufbrechen zu müssen. Nachdem Faust trotz ihres Flehens zu bleiben, verschwunden ist, fragt sich Margarete, was ein so gebildeter Mann wie Faust an ihr wohl reizvoll findet, ist sie doch weder schön noch reich, sondern nur ein „arm unwissend Kind“.
WALD UND HÖHLE
Faust findet sich in einer Waldhöhle wieder und dankt dem Erdgeist für die Erfüllung aller seiner Wünsche. Er ärgert sich allerdings über die Abhängigkeit von Mephisto, der ihm zwar schon viel geboten hat, sich aber an seinem Zynismus reibt. Der Gedanke an Mephisto war ausreichend, ihn sofort erscheinen zulassen: er tritt auf die Szene und erinnert Faust an sein Gretchen, die sehnsüchtig auf ihren Geliebten wartet. Er verspottet Faust wegen seiner Natur-Schwärmerei und fordert ihn auf, ihm nach Gretchen zu folgen.
GRETCHENS STUBE
Gretchen sitzt am Spinnrad und beklagt den Verlust ihres seelischen Gleichgewichts durch die Begegnung mit Faust:
Meine Ruh ist hin, mein Herz ist schwer, / ich finde sie nimmer und nimmermehr.
Wo ich ihn nicht hab’ / Ist mir das Grab, / Die ganze Welt / Ist mir vergällt. […]
Mein Busen drängt / Sich nach ihm hin, / Ach dürft’ ich fassen / Und halten ihn!
Und küssen ihn / So wie ich wollt’, / An seinen Küssen / Vergehen sollt’!
MARTHENS GARTEN
Margarete und Faust spazieren durch Frau Marthes Garten und sie stellt ihm die sogenannte „Gretchenfrage“, nämlich wie er es mit der Religion halte. Seine Antwort ist ausweichend, ein offensichtlich unangenehmes Thema für Faust. Seine Erklärungen befriedigen sie nicht und sie wirft ihm vor, ohne Christentum zu sein. Abrupt kommt sie auf seinen ständigen Begleiter zu sprechen, den sie nicht leiden kann, der ihr sogar Grauen einflößt. Dementsprechend macht sie Mephisto für Fausts Religionsverachtung verantwortlich. Er versucht sie zu beruhigen und lenkt dann das Gespräch auf ein für ihn wichtiges Thema: er beklagt, nie mit ihr allein sein zu können, ständig auf die Mutter achtgeben zu müssen. Um das zu ändern hat er ein harmloses Schlafmittel besorgt, das sie am Abend in den Tee geben soll, dann kann endlich mit ihr unbemerkt und ungestört turteln.
AM BRUNNEN
Gretchen trifft ihre Freundin Lieschen und erfährt von ihr, die Schadenfreue ist dabei nicht zu überhören, dass Bärbelchen, eine gemeinsame Bekannte aus dem Dorf, ab sofort „zwei füttert, wenn sie isst und trinkt“, also schwanger geworden ist. Außerdem hat Bärbelchens Liebhaber sie sitzen gelassen und ist auf und davon. Während Lieschen über das Paar herzieht, macht die Nachricht Margarete sichtlich betroffen. Sie muss unwillkürlich an ihre „sündhafte“ Liebe zu Faust denken. Und das Publikum kann daraus schließen, dass Margarete mit Faust intim geworden ist.
ZWINGER
Gretchen hat sich betend vor dem Andachtsbild der Mater dolorosa niedergekniet und spricht:
Ach neige, / Du Schmerzenreiche, / Dein Antlitz gnädig meiner Not! […]
Hilf! rette mich von Schmach und Tod!
Ach neige, / Du Schmerzenreiche, / Dein Antlitz gnädig meiner Not!
NACHT
Valentin, Bruder von Gretchen und Soldat, beklagt sich über die Gerüchte über seine geliebte Schwester Er, der immer stolz auf den guten Ruf Margaretes war, hört in der letzten Zeit viel über ihren lockeren Lebenswandel. Er will dem nachgehen und für Klarheit sorgen. Mephisto und Faust treten auf und planen einen Kircheneinbruch, weil sie unter den dort vorhandenen Wertgegenständen ein Kleinod für Gretchen vermuten. Mephisto singt unter Margaretes Fenster ein Lied, und das ist für Valentin das Signal, auf den „Junker“ loszugehen und ein Duell zu provozieren. Faust hält sich zwar zurück, beobachtet aber genau, ob er eingreifen muss. Anscheinend weiß er nicht, dass Mephisto mit Valentin sein Spielchen treibt. Plötzlich aber springt er hinzu, greift unter Mephistos Arm hindurch und ersticht Valentin. Während Faust und Mephisto flüchten, kommen Gretchen, Marthe und weitere Nachbarn herbei und finden den tödlich Verwundeten auf der Straße. Bevor er seinen letzten Atemzug macht, beschimpft er seine Schwester als Hure und Frau Marthe als Kupplerin.
DOM
Gretchen will im Dom beten, doch es erscheint ihr zunächst ein böser Geist, der sie nicht nur auf ihre Sünden anspricht, sondern ihr auch die Schuld am Tod der Mutter und des Bruders gibt. Als er sie dann noch auf ihre Schwangerschaft aufmerksam macht, fällt sie, erschüttert, in eine Ohnmacht. Während dieses Geschehens singt der Chor einen Teil der Sequenz aus dem „Requiem“, das „Dies irae“.
WALPURGISNACHT - HARZGEBIRG
Mephisto zieht es mit Faust zum Harz, um auf dem Brocken die Walpurgisnacht zu genießen. An ihnen jagen die Windsbraut und jede Menge Hexen mit ungestümem Gesang vorbei und Faust wird von dem „Strudel“ mitgezogen. Eine schöne Frau, die Mephisto Lilith, Adams erste Frau, nennt, zieht ihn in seinen Bann, doch warnt ihn Mephisto vor ihr, denn einmal gefangen wird sie ihn nicht mehr loslassen. Nach einem wirbelnden Tanz mit einer Schönen sieht Faust plötzlich eine Erscheinung, die ihn stark an sein Gretchen erinnert: ein „blasses, schönes Kind“, das eine rote Schnur um den Hals trägt - eine Vorausdeutung auf ihren Tod.
WALPURGISNACHTSTRAUM
Der Walpurgisnachtstraum ist ein auf dem Blocksberg aufgeführtes Theaterstück um die Goldhochzeit des Elfenkönigspaares Oberon und Titania, also ein Stück im Stück. Es enthält zahlreiche Anspielungen auf zeitgenössische Personen und konfus kombinierte Wechselspiele zwischen den am Theaterstück beteiligten Personen, aber keine eigentliche Handlung und schon gar keinen Sinnzusammenhang mit dem Faust-Stoff, Goethe selbst nennt es Intermezzo. Es ist umstritten, warum er die Szene in den „Faust“ aufgenommen hat (nach Wikipedia).
TRÜBER TAG - FELD
Margarete ist als eine Verbrecherin ins Gefängnis gekommen. Als Faust davon erfährt, macht er seinem Kumpan Mephisto Vorwürfe, weil ihm das verheimlicht wurde, und er durch die Teilnahme an der Walpurgisnacht sogar abgelenkt war. Er will, dass Mephisto sein Gretchen rettet, doch der erwidert ungerührt, dass das seine, Fausts, Angelegenheit ist. Außerdem warnt er ihn, an den Ort des Mordes - an Valentin - zurückzukehren, da er eine Blutschuld auf sich geladen hat. Faust will nun unbedingt Gretchen aus dem Kerker befreien, und Mephisto gibt seinem Drängen schließlich nach; er wird den Wächter ablenken und die Pferde zur Flucht bereithalten.
NACHT, OFFEN FELD
Wie durch einen Zauber stehen plötzlich schwarze Pferde da, auf die sich beide schwingen und durch die Nacht dahinreiten. Als sie jedoch an der Hinrichtungsstätte „Rabenstein“ vorbeikommen, sehen sie eine Gruppe von Hexen, die sich an diesem Ort offensichtlich sehr wohlfühlen und sie mit Hexenbrimborium für eine bevorstehende Hinrichtung vorbereiten.
KERKER - SCHLUSSSZENE
Vom Strafgericht wurde Margarete für die Ermordung ihres Kindes und ihrer Mutter zum Tode verurteilt. Im Kerker an schwere Ketten gefesselt erwartet sie ihre Hinrichtung. In ihren Äußerungen wird geistige Verwirrtheit deutlich. Als Faust vor der Kerkertür steht, hört er aus der Zelle anklagende Worte und erschrickt:
Meine Mutter, die Hur / Die mich umgebracht hat!
Mein Vater, der Schelm / Der mich gessen hat!
Mein Schwesterlein klein / Hub auf die Bein / An einem kühlen Ort;
Da ward ich ein schönes Waldvögelein; / Fliege fort, fliege fort!
Als Faust eintritt glaubt sie, dass der Henker sie holen will und reagiert panisch; dass ihr Heinrich vor ihr steht, nimmt sie nicht wahr. Selbst Fausts eindringliche, immer dringlicher vorgetragene Mahnung (während er die Ketten aufschließt) mit ihm zu fliehen, bringen keine Änderung. Erst als er lachend mit „Gretchen! Gretchen“ ruft, erkennt sie ihn an der Stimme. Diese plötzliche Erinnerung lässt sie an die frühere Verliebtheit denken und Faust vorhalten. Aber sie wirft ihm auch Mitschuld am Tod ihres gemeinsamen Kindes vor. Seine flehentliche Bitte, ihm zu folgen, kommt zunächst bei ihr nicht an, sie will von ihm geküsst werden. Als Mephisto erscheint, der auch zur Eile zu drängt, erschrickt Gretchen vor ihm, sieht vor ihrem geistigen Auge die Hölle sich auftun und erkennt in ihm den Teufel, der ihre Seele zu besitzen glaubt. Mephisto stellt triumphierend fest, dass Margarete gerichtet ist, aber aus der Höhe widerspricht eine unsichtbare Stimme
Ist gerettet!
Mephisto reißt Faust zu sich heran und ist im Nu verschwunden, während von innen eine Stimme verhallend
Heinrich! Heinrich!
ruft…
© Manfred Rückert für den Tamino-Schauspielführer 2021.