Ich fürchte, dass Du an der Sache vorbeiredest.
Dr. Pingel hatte ursprünglich geschrieben: "es war wohl der 4. Satz der Neunten, deren Chorkomposition ich in Frage gestellt habe".
Dieses Vorhaben (ein Infragestellen einer Komposition) geht über die bloße Mitteilung, ob man etwas als "schön" oder weniger "schön" erlebt hat (und welchen Hintergrund - in diesem Falle den des ausübenden Chorsängers - das hat) weit hinaus.
Ich fürchte, Du bist einfach nicht bereit, dem Diskussionsverlauf zu folgen und beharrst stur bei Deiner Position. Erst einmal hat Dr. Pingel seine Aussage mehrfach korrigiert und präzisiert - nicht zuletzt wegen meiner Ausführungen. Ich habe mehrfach gesagt, dass ich nicht so weit gehen würde, das Chorfinale als solches in Frage zu stellen, weil es eben ein als Chorsatz komponierter Symphoniesatz ist und nicht nur ein Chorsatz. Trotzdem - das habe ich auch immer gesagt - kann ich Dr. Pingels Urteil, was den Chorsatz betrifft, nachvollziehen und halte es auch für legitim. Ich weiß nicht, was Du unter "schön" verstehst. Nach traditionellem Verständnis bedeutet Schönheit Harmonie, harmonische Proportionen, Stimmigkeit, Einheitlichkeit. Das alles sind Eigenschaften, die man an einem Chorsatz hörbar oder singbar nachvollziehen kann.
Es ging nie um die Frage, ob es Dr. Pingel den Satz als "nicht schön" empfinden oder erfahren "darf" - selbstverständlich steht ihm das zu (auch wenn man sich vielleicht schon ein wenig wundern mag, wieso eine Stelle von einigen Sekunden Länge das Empfinden eines Sinfoniesatzes von über 20 min. Spieldauer bei jemandem so derartig beeinflusst, aber was soll's). Das, was nicht funktioniert, ist aus dieser subjektiven Erfahrung heraus ein Infragestellen der Komposition vorzunehmen, das auch nur ein halbwegs sachliches Fundament jenseits subjektiver Befindlichkeiten hätte. Das war der ganze Punkt der Erwiderung: dass ein solches Vorhaben auf dieser Basis zum Scheitern verurteilt ist, da die Basis dafür nicht ausreicht.
Wenn dem so wäre, dürfte ich auch einen Schlager nicht trivial und kitschig nennen. Da bewerte ich auch die Komposition ohne theoretische Analyse im Hintergrund. Es ist zudem ein Unterschied, ob man ein solches Urteil von der Perspektive des passiven Hörers aus fällt oder aber der eines Aktiven und Ausführenden, wie es ein Sänger ist. Wenn ein Klaviersatz nicht gut in der Hand liegt, dann weiß ich das aus der Spielpraxis heraus und nicht irgendeiner Analyse, die ich dafür einfach nicht brauche. Chorsänger haben sehr viel Erfahrung, weil sie den anderen Sängern und Stimmen zuhören müssen, um sich in einen Chor einzufügen. Das setzt ein intuitives Verständnis von Harmonie voraus und es ist unsinnig, einem Chorsänger so etwas abzusprechen. Wenn Sänger dann die Erfahrung machen, dass das, was auf dem Papier steht, sich eben nicht so schön realisieren lässt, wie es sein soll, dann kann man eine solche Erfahrung nicht bestreiten. Und dann kann er sich auch ein Urteil über diese Realität erlauben: denn ästhetisch relevant für die Bewertung einer Komposition ist letztlich das, was man hört und was klingt, und nicht das, was nur schwarz auf weiß gedruckt steht.