Hallo,
Ich stelle mir den Umgang mit dieser "schulterbratsche" auch recht schwierig vor, aber es würde ohne Zweifel (abgesehn vom Instrument selbst, was ich für sehr interessant halte) das Instrument der 6. Suite erklären...
Vom praktischen gesehn, müsste jeder Cellist dieses Instrument neu "erlernen", die Haltung ist total anders, sowohl des Bogens, des Instruments als auch der Finger, egal, ob es sich nun um ein Violoncello piccolo, oder die Viola pomposa handelt. Beides ist für den Cellisten jedenfalls eine Umstellung, da es ähnlich wie die Bratsche gehalten wird.
Dass das Instrument, welches auf der schulter des Bogenarmes liegt, diesen beim Streichen nicht behindert, kann ich mir nur schwer vorstellen, also ist das wahrscheinlich auch der Grund, warum sich das Instrument nicht lange hat halten können; es war sehr unangenehm zu spielen (so stelle ich es mir vor). Auf dem Video klingt das Instrument jedenfalls hervorragend!
Ob es sich dabei um eine Viola da braccio, ein Violoncello pomposa, oder ein Violoncello piccolo da spalla handelt, kann ich leider überhaupt nicht sagen, fest steht nur, dass die VI. Suite bestimmt nicht ausschließlich für das Cello geschrieben wurde (wegen der 5. Saite), sondern auch anders Instrumentiert werden konnte. Bei den anderen Suiten, so glaube ich, kann man das nicht wirklich sagen. Natürlich ist ein Argument für diese "Schulterbratsche", dass man weitere Griffe auf ihr spielen konnte, die in einigen Sätzen auf dem Cello ohne Daumenaufsatz (der erst mit Duport und Boccherini entwickelt wurde) unmöglich zu spielen wären... (siehe zB Praeludium 3. Suite).
Ein weiteres Argument ist, dass anscheinend Bach selbst diese "Schulterbratsche" gespielt haben soll, wie aus dem Vorwort der neuen Bärenreiter-Urtext Edition hervorgeht. Ich werde das kurz zitieren:
ZitatAlles anzeigenFür welches Instrument komponierte Bach die VI. Suite?
Alle fünf Quellen lassen eine genau Instrumentenangabe für die VI. Suite vermissen. Die Abschrift Anna Magdalena Bachs weist ledeglich darauf hin, dass die sechste Suite für ein Instrument "a cinq cordes" in der Stimmung C-G-d-a-e' vorgesehen ist. [...] Doch gilt es zu bedenken, dass die Systematik der Instrumente ebenso wie ihre Spielweise im beginnenden 18. Jahrhundert keinesfalls mit der hochentwickelten Instrumententschnik unserer Zeit verglichen werden darf, sondern noch wenig ausgereift war und zahlreiche Instrumentenformen kannte, die sich späterhin nicht halten konnten. Vor allem bei den Streichinstrumenten... [...]
Für die Ausführung der VI. Suite kommt neben einem normal großen Violoncello mit fünf Saiten, wie es Mattheson und Mozart beschreiben, eine kleinere Bauart des Cellos, das Violoncello piccolo infrage. Dieses bereits vor 1700 bekannte und recht weit verbreitete Instrument konnte mit vier (!) oder fünf Saiten ausgestatten sein; im zuletzt genannten Fall wurde der für das Cello übliche Umfang in der Höhe erweitert(C-G-d-a-e' / d'). Im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert kennt man besonders im deutschsprachigen Raum eine besondere kleine Bauform des Violoncello piccolo, die annähernd Bratschengröße erreichte und in Armhaltung gespielt werden konnte
Bach selbst schreibt das Vllc. piccolo in einigen Kantaten vor... [...]
Die neuere Forschung konnte aufgrund von Tonumfang, Notationsweise und Schlüsselung der Kantaten belegen, dass hier wahrscheinlich die kleinere Bauform des Violoncello piccolo Verwendung fand; Ausführender war dann kein Cellist, sondern ein Geiger bzw. Bratscher (soviel zum praktischen :wacky: )
[...] Denkbar wäre, dass Bach selbst, der ja eine Vorliebe für die Bratsche hatte, die VI. Suite auf der besonders kleinen Ausprägung des Violoncello piccolo, also in armhaltung spielte. Möglicherweise ist auch Kellners (Kopist der Bach-Suiten, das älteste erhaltene Manuskript) allgemeine Instrumentenangabe "Viola da Basso" im Titel zur Suitensammlung als Hinweis auf das bratschenähnliche Instrument in der Cellostimmung zu verstehen, während alle anderen Quellen keinen Zweifel an der Verwenung eines in Beinhaltung gespielten Violoncellos - in welcher Größe auch immer - lassen.
Übrigens an alle anderen "Praktiker" : Diese Bärenreiter Ausgabe ist für jeden Cellisten, der sich mit den Suiten ernsthaft auseinandersetzt wirklich sehr empfehlenswert...
nun gut, wünsche noch einen fröhlichen vor-Weihnachtsabend
Freundlichen Gruß aus Wien
Renua