Gibt es die ultimative Gesamtaufnahme von Bachs Orgelwerk?

  • Hallo allerseits,


    in einem anderen Thread klang die Diskussion bereits an: Gibt es die ultimative (soll heissen: in allen Aspekten befriedigende) Gesamtaufnahme von Johann Sebastian Bachs Werken für Orgel? Kann es sie überhaupt geben? Nach welchen Kriterien wäre sie zu beurteilen?


    Einige Aspekte wurden hier schon genannt:


    - Auswahl der Instrumente - modern oder möglichst historisch?
    - Wenige Instrumente oder eine grosse Vielfalt?
    - Dicht aufeinander folgende oder weit auseinanderliegende Aufnahmen?
    - Aufnahmetechnik - "analytisch" oder Raumklang?
    - Interpretation - neutral oder dynamisch?
    - Vollständigkeit - alles oder nur zweifelsfreie Werke?


    Diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit - mir geht es hier nur darum, durch ein paar Stichworte die Diskussion anzuregen.


    Was meinen die Orgelexperten hier im Forum?


    Viele Grüsse
    Fugato

    Einmal editiert, zuletzt von Fugato ()

  • Bin definitiv kein Orgelexperte, aber Du hast in Deinem Eröffnungsposting die Antwort gleich mitgeliefert: NEIN!


    Die verschiedenen Möglichkeiten, wie man die Orgelwerke interpretieren kann bzw. auf welchen Instrumenten man sie überhaupt spielen kann / soll, lassen es überhaupt nicht zu, eine ultimative Einspielung als Endprodukt ins Auge zu fassen. Die Geschmäcker des Publikums sind zu verschieden.
    Wenn es so einfach wäre, könnte man ja von jedem Werk endlich mal die ultimative Einspielung vorlegen, dann können wir alle endlich wieder beruhigt schlafen ;).


    :hello:Jürgen

    Ich brauche keine Millionen, mir fehlt kein Pfennig zum Glück...

  • Kürzlich wurde eine Gesamtaufnahme der Bachschen Orgelwerke fertiggestellt, die der "Ultimativen" doch schon recht nahe kommt; zum einen deshalb, weil der Organist mehr beherrscht, als großes und kleines Plenum.Er versteht es, den Orgeln wunderbare Klangfarben zu entlocken. Die Instrumente stammen durchweg aus Bachs Zeit und bei der Hildebrandt-Orgel in Naumburg handelt es sich um ein Instrument, das quasi unter Bachs Aufsicht entstand
    und das seinen Vorstellungen, die er an Klang und Farbigkeit eines großen Instrumentes hatte, wohl recht nahe kommt.


    Dem Interpreten Gerhard Weinberger ist es wichtiger, die Strukturen der Bachwerke darzulegen und zu durchleuchten. Wer also lieber hemmungslos
    "zugedröhnt" werden möchte, der halte sich besser an eine der vielen auf dem Markt befindlichen Mainstream-Einspielungen.


    Die zweifelhaften Bach-Werke, so auch das zu Tode getrötete BWV 565 wurden auf die hinteren Plätze verbannt. Hier stimmen Preis und Leistung
    einfach in beglückender Weise.


    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Drei CDs aus der Reihe habe ich mir auch zugelegt, als sie gerade für 1,99 zu haben waren. Aber die von Dir angesprochenen Strukturen, die da freigelegt werden, fand ich nicht besonders spannend. Immer wieder dachte ich "Nett, wirklich nett" - der Todfeind von grandios :).
    Anscheinend werde ich lieber zugedröhnt :yes:.


    :hello:Jürgen

    Ich brauche keine Millionen, mir fehlt kein Pfennig zum Glück...

  • Zitat

    Original von BigBerlinBear
    Hier stimmen Preis und Leistung
    einfach in beglückender Weise.


    Lese ich das richtig? Teilweise 1,99 für eine CD? :faint: :faint:

  • Zitat

    Lese ich das richtig? Teilweise 1,99 für eine CD?


    Du liest das richtig ! :pfeif:

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Zitat

    Original von Blackadder


    Lese ich das richtig? Teilweise 1,99 für eine CD? :faint: :faint:


    Hallo!


    Ich hab's gerade nochmal bei JPC überprüft. Die Preise stimmen noch, allerdings sind nicht alle CDs zu dem Preis zu haben. Je später, desto billiger. Vor Volume 10 sind sie teurer.


    :hello:Jürgen

    Ich brauche keine Millionen, mir fehlt kein Pfennig zum Glück...

  • Zitat

    Original von BigBerlinBear
    zum einen deshalb, weil der Organist mehr beherrscht, als großes und kleines Plenum. Er versteht es, den Orgeln wunderbare Klangfarben zu entlocken. Die Instrumente stammen durchweg aus Bachs Zeit und bei der Hildebrandt-Orgel in Naumburg handelt es sich um ein Instrument, das quasi unter Bachs Aufsicht entstand
    und das seinen Vorstellungen, die er an Klang und Farbigkeit eines großen Instrumentes hatte, wohl recht nahe kommt.


    Das sind doch schon zwei wichtige Aspekte: historische Instrumente, möglichst aus dem Bach-Umfeld, und farbige, durchsichtige Registrierung statt Plenum-Matsch.


    Ich kenne diese Gesamteinspielung noch nicht, aber der Preis erleichtet das Probehören ;)


    Zitat

    Original von BigBerlinBear
    Wer also lieber hemmungslos "zugedröhnt" werden möchte, der halte sich besser auf eine der vielen auf dem Markt befindlichen Mainstream-Einspielungen.


    Welche Einspielungen würdest Du als "Mainstream" bezeichnen?


    Viele Grüsse
    Fugato

  • Von den Einspielungen des Gesamtwerkes die von Walcha (vor und nach 45)
    Stockmeier und Eisenberg. Walcha ist durchaus präzise, ist andererseits unfähig, den Instrumenten Klangfarben zu entlocken, es bleibt alles "grau" !


    Stockmeier hat überhaupt kein Gefühl für barocke Strukturen.


    Eisenberg ist ein großartiger Organist, allerdings kennt er im barocken Bereich nur zwei Klangfarben, nämlich laut und leise ! ;)


    Ähnlich negativ würde für mich sicher auch Latry ausfallen, der sicher seinen Gesamt-Bach noch vorlegen wird jedoch besser beraten wäre, sein romantisch-französisches Repertoire zu kultivieren und dieses vieleicht über Messiaen hinaus zu erweitern.

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Zitat


    Stockmeier hat überhaupt kein Gefühl für barocke Strukturen.


    Das ist aber hart. Hast du ein Beispiel parat? ?(


    :hello:

    "Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten" Gustav Mahler

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Guten Tag



    Habe (fast) alle CDs dieser Bach-Orgelwerkei- Interpretaionen von G. Weinberger und kann das o.g. bestätigen. Vorzüglich auch die Erklärungen zu den einzelnen verwendeten Orgeln.


    Gruß aus der Kurpfalz

  • Zitat

    Original von BigBerlinBear
    Von den Einspielungen des Gesamtwerkes die von Walcha (vor und nach 45)


    Gibt es von Walcha auch Aufnahmen vor 1945? Ich kenne nur die Mono-Aufnahmen (1947-1952) und die späteren Stereo-Aufnahmen. Erstaunlicherweise sind die Mono-Aufnahmen farbiger und abwechslungsreicher registriert, was trotz der nicht so guten Klangqualität deutlich hörbar ist. Hier wird sogar noch der Tremulant eingesetzt, was später - nicht nur bei Walcha - irgendwie ein Tabu gewesen sein muss...


    Zitat

    Original von BigBerlinBear
    Walcha ist durchaus präzise, ist andererseits unfähig, den Instrumenten Klangfarben zu entlocken, es bleibt alles "grau"!


    Hm - das mag vielleicht auch an den verwendeten Orgeln liegen. Im Beiheft der Stereo-Aufnahmen (CD-Box) ist zu lesen, dass die Orgel in Alkmaar, mit der die Aufnahmen begonnen wurden, nicht genug Registrierungsmöglichkeiten geboten hat, weswegen die Aufnahmen auf einer anderen Orgel fortgesetzt wurden. Als "grau" würde ich das aber trotzdem nicht bezeichnen.


    Zitat

    Original von BigBerlinBear
    Stockmeier hat überhaupt kein Gefühl für barocke Strukturen.


    Woran machst Du das fest?


    Zitat

    Original von BigBerlinBear
    Eisenberg ist ein großartiger Organist, allerdings kennt er im barocken Bereich nur zwei Klangfarben, nämlich laut und leise ! ;)


    Die Aufnahmen mit Eisenberg kenne ich nicht - offenbar lohnt es sich auch nicht, sie kennenzulernen. ;)


    Viele Grüsse
    Fugato

  • Zitat

    Original von Hans Sachs
    Ich hab's gerade nochmal bei JPC überprüft. Die Preise stimmen noch, allerdings sind nicht alle CDs zu dem Preis zu haben. Je später, desto billiger. Vor Volume 10 sind sie teurer.


    Also: Lieferbar sind die Bände 6 und 9-19. Davon kosten die Bände 9-16 je 1,99 €. Die Nr. 6 und die Nrn. 17-19 sind teurer.


    Danke an BBB und Hans Sachs für den Hinweis. :hello:


    Die Aufnahmen an der Hildebrandt-Orgel (Bde. 15-16) in Naumburg fehlten mir noch. Das Instrument ist ein Traum!


    Liebe Grüße :)

  • Bei Stockmeier fängt es schon mit der Auswahl der Orgeln an, von denen keine dem Bachwerk angemessen ist, aber selbst die Wahl der (möglichen) Register verrät eine eher unsichere Hand. Wer meint, für 11 Euronen den vollständigen Bach erwerben zu können und glaubt, damit ein "Schnäppchen" gemacht zu haben, soll in dem Glauben bleiben. Mir liegt es fern, hier zu missionieren und was eine angemessene Bach-Interpretation ausmacht, habe ich hinreichend (und hoffentlich verbal nachvollziehbar) dargelegt.


    Helmut Walcha, der zusammen mit dem von mir ausserordentlich bewunderten
    Hugo Distler aus der sogenannten "Orgelbwegung" kommt, hat große Verdienste um Bach und sein Werk. Das ist unbestritten und wird auch von mir nicht madig gemacht. Vielleicht hängt Walchas mangelndes Gespür für
    Registerfarben mit seiner Blindheit zusammen, ich weiss es nicht. Fest steht jedoch, daß er selbst die auf "seinen" Instrumenten möglichen Registerfarben
    nicht einseitzt, ob aus Scheu oder aus ästhetischem Empfinden heraus vermag ich ebenfalls nicht zu sagen !


    Eisenberg ist ohne Zweifel einer der großartigsten Organisten der Gegenwart und alles andere als eine lokale Kapazität. So überzeugend er z.b. bei Liszt oder Mendelssohn sein kann, so "farblos" bleibt sein Bachspiel.


    Überhaupt habe ich die Erfahrung gemacht, das Organisten, deren Domäne eher die Werke der Hoch- bzw. Spätromantik sind, mit barocker Musik eher wenig anzufangen wissen:


    Eisenberg auf einer Schnitkerorgel etwa oder Bernard Foccroulle (einer der großartigsten Barock-Organisten auf Ladegast, das bringt nix....

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Zitat

    Zitat von BigBerlinBär
    Bei Stockmeier fängt es schon mit der Auswahl der Orgeln an, von denen keine dem Bachwerk angemessen ist, aber selbst die Wahl der (möglichen) Register verrät eine eher unsichere Hand.


    Woran genau erkennt man diese beiden Tatsachen (Es klingt IMO nicht nach zwei
    Meinungen, also sollten sie ja auch belegbar sein).


    Gibt es nicht Analogien zur Cembalo-Pianoforte-Diskussion, oder waren die Art Orgeln von
    Stockmeier zu Bachs Zeiten bekannt und wurden von Bach abgelehnt?


    :hello:

    "Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten" Gustav Mahler

  • Zitat

    Original von Fugato


    Die Aufnahmen mit Eisenberg kenne ich nicht - offenbar lohnt es sich auch nicht, sie kennenzulernen. ;)


    Viele Grüsse
    Fugato


    Matthias Eisenberg, ehemals Gewandhausorganist in Leipzig, dann - noch zu DDR-Zeiten - nach Westdeutschland entfleucht, langjähriger nomineller Kantor auf Sylt mit lebhafter Konzerttätigkeit in Deutschland und Europa und nun - nach unbestätigten Informationen - ins Erzgebirge zurückgekehrt.


    Er ist ein technisch souveräner, improvisatorisch hochbegabter und sehr publikumswirksamer Konzertorganist. Live lohnt es sich meist, ihn zu hören. Seine Bachwerke-Aufnahmen sind mehr oder weniger solides Handwerk. Meiner Meinung nach weder in der Auswahl von Instrumenten und Registrierung noch in der Interpretation besonders erwähnenswert. Unter der Überschrift dieses Threads ("ultimativ") hätte ich sie gar nicht genannt.


    P.S.: Meine Kinder lieben seine CD mit Orgelimprovisationen über Kinderlieder.


    Grüße :)

  • Zitat

    Woran genau erkennt man diese beiden Tatsachen (Es klingt IMO nicht nach zwei Meinungen, also sollten sie ja auch belegbar sein).


    Damit sind, so denke ich, die Grenzen dessen, was man beschreiben OHNE es gehört zu haben kann, erreicht ! Die von Stockmeier ausgewählten Orgeln, überwiegend zw. 1950 und 1970 entstanden, bzw. in dieser Zeit wieder spielbar gemacht, vergleiche man klanglich und von der Registrierung her mit 2 Orgeln, von denen man definitiv weiss, daß Bach sie bevorzugte. Das betrifft zum einen die Trost-Orgel in der Schloßkapelle zu Altenburg, die von Bach abgenommen wurde und der er ein glänzendes Zeugnis ausstellte und zum anderen die großartige Hildebrand-Orgel an St. Wenzel zu Naumburg, an deren
    Disposition Bach persönlich beteiligt war und deren Abnahme er gemeinsam mit Gottfried Silbermann durchführte.


    Den Prozess des AKTIVEN Hörens und Verglichens kann ich dir allerdings nicht ersparen, den musst du schon selber bewerkstelligen.



    (Hildebrand-Orgel)

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Zitat

    Original von Reiner_Klang
    Matthias Eisenberg, ehemals Gewandhausorganist in Leipzig, dann - noch zu DDR-Zeiten - nach Westdeutschland entfleucht, langjähriger nomineller Kantor auf Sylt mit lebhafter Konzerttätigkeit in Deutschland und Europa


    Ist mir bekannt - trotzdem vielen Dank für die Informationen. Ich habe ihn in seiner Funktion als Kantor auf Sylt in einer Fernsehsendung gehört und gesehen (es war eine Sendung über die Finanzen der evangelischen Kirche mit dem bezeichnenden Titel "Gott ohne Geld").


    Nur seine Bach-Aufnahmen kenne ich nicht.


    Zitat

    Original von Reiner_Klang
    Seine Bachwerke-Aufnahmen sind mehr oder weniger solides Handwerk. Meiner Meinung nach weder in der Auswahl von Instrumenten und Registrierung noch in der Interpretation besonders erwähnenswert.


    Gut zu wissen ;)


    Jetzt kommt natürlich gleich die Frage: Welche Aufnahmen findest Du erwähnenswert?


    Viele Grüsse
    Fugato

  • Zitat

    Original von Fugato
    Jetzt kommt natürlich gleich die Frage: Welche Aufnahmen findest Du erwähnenswert?


    Ehrlich gesagt, kenne ich keine Gesamtaufnahme der Bach-Orgelwerke, die ich rundum und komplett empfehlen würde. Ich habe mir viele Einzel-CDs im Laufe der Zeit zugelegt, bei denen mich besonders die verwendeten Orgeln und / oder die Besonderheit der Interpretation reizte. Insofern finden sich Hans Otto und Dietrich Wagler an diversen Silbermannorgeln in Sachsen (Eterna / Berlin Classics) neben Hans Fagius an seinen skandinavischen Barockorgeln (bei Brilliant), Ton Koopman auf norddeutschen und holländischen Instrumenten, Gerhard Weinberger (siehe oben) und noch eine ganze Reihe anderer Interpreten mit einzelnen Aufnahmen. Die älteste stammt von der Silbermannorgel aus der noch unzerstörten Frauenkirche in Dresden ;( ;( ;(


    Grüße :)

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von BigBerlinBear
    Das betrifft zum einen die Trost-Orgel in der Schloßkapelle zu Altenburg, die von Bach abgenommen wurde und der er ein glänzendes Zeugnis ausstellte und zum anderen die großartige Hildebrand-Orgel an St. Wenzel zu Naumburg, an deren
    Disposition Bach persönlich beteiligt war und deren Abnahme er gemeinsam mit Gottfried Silbermann durchführte.


    Natürlich - ich kenne die Weinberger-Aufnahmen (noch) nicht, die beiden Orgeln sind mir aber aus anderen Aufnahmen bekannt. Der Unterschied zu einer modernen Orgel ist sehr deutlich hörbar.


    Ein historisches Instrument allein macht allerdings noch keine gute Aufnahme aus. Ist hier die Gesamtaufnahme von Ton Koopman (im Bach-Jahr 2000 erschienen) bekannt?


    Viele Grüsse
    Fugato

  • Zitat

    Original von Reiner_Klang
    Ehrlich gesagt, kenne ich keine Gesamtaufnahme der Bach-Orgelwerke, die ich rundum und komplett empfehlen würde.


    Das geht mir mehr oder weniger genauso. Jede Aufnahme, die ich bisher kennengelernt habe, hat irgendwo ihre besonderen Stärken und Schönheiten, aber auch ihre Schwächen.


    Zitat

    Original von Reiner_Klang
    Insofern finden sich Hans Otto und Dietrich Wagler an diversen Silbermannorgeln in Sachsen (Eterna / Berlin Classics)


    Zu DDR-Zeiten gab es dort eine Schallplattenreihe "Bachs Orgelwerke auf Silbermannorgeln". Das war bei Verwandtenbesuchen immer eine gute Möglichkeit, den sogenannten "Mindestumtausch" sinnvoll auszugeben (Umtausch für einen Tag = zwei Schallplatten). Meine ersten Orgelschallplatten waren Bachs "Orgelbüchlein", gespielt von Robert Köbler an der Silbermannorgel in Freiberg. Was für eine Orgel - da bin ich kaum vom Plattenspieler weggekommen! Vor kurzem habe ich gesehen, dass es diese Aufnahmen jetzt bei Berlin Classics auf CD gibt.


    Viele Grüsse
    Fugato

  • Zitat

    Ein historisches Instrument allein macht allerdings noch keine gute Aufnahme aus. Ist hier die Gesamtaufnahme von Ton Koopman (im Bach-Jahr 2000 erschienen) bekannt?


    Sicher nicht, ich weise ja gerade auch deshalb auf die Dinge hin, die eine gute interpretation zumindest ermöglichen, ob sie dann zustande kommt, steht freilich auf einem anderen Blatt. Ton Koopmans Einspielung besticht vor allem durch die unbändige Spielfreude des Interpreten, die sich auf den Hörer überträgt. Ich teile nicht alle seine Auffassungen zu Tempi und Registrierung, aber wie mehr oderweniger alle hier schon meinten, es gibt sie eben nicht, die "perfekte Einspielung" !

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Zitat

    Original von BigBerlinBear
    Ton Koopmans Einspielung besticht vor allem durch die unbändige Spielfreude des Interpreten, die sich auf den Hörer überträgt.


    Und damit wäre dann aus meiner Sicht auch schon das Positive genannt. Ich schätze Koopman sehr als Cembalist und als Dirigent, und auch einige seiner früheren Orgelaufnahmen (bei DGG und Novalis) fand ich sehr ansprechend. Leider kann ich die Gesamtaufnahme bei Teldec aber nur als grottenschlecht bezeichnen, und das aus mehreren Gründen: Erstens oft zu "fette" Registrierungen, zweitens keine adäquate Aufnahmetechnik (da versinken viel zu viele Details im Hall und Klangmatsch, weil die Orgeln nur aus grösserer Entfernung aufgenommen wurden) und drittens gelegentlich Wahl von ungeeigneten Orgeln für die jeweiligen Stücke. Warum spielt er solche eher kammermusikalischen Werke wie die Triosonaten ausgerechnet auf der grossen Schnitger-Orgel in St. Jakobi/Hamburg? Es gibt von ihm eine ältere Aufnahme dieser Werke aus dem Jahr 1983 (bei DGG), die meiner Meinung nach um Längen besser ist.


    Das alles mag vielleicht der Grund dafür sein, dass die Teldec-Gesamtaufnahme seit geraumer Zeit gestrichen ist, während die älteren (und meiner Meinung nach besseren) Aufnahmen bei Novalis gerade erst wieder neu aufgelegt werden.


    Bei ungeeigneter Aufnahmetechnik und entsprechender Registrierung kann man eben auch mit historischen Orgeln "dröhnen" ;)


    Viele Grüsse
    Fugato

  • Zitat

    Original von BigBerlinBear
    Ähnlich negativ würde für mich sicher auch Latry ausfallen, der sicher seinen Gesamt-Bach noch vorlegen wird jedoch besser beraten wäre, sein romantisch-französisches Repertoire zu kultivieren und dieses vieleicht über Messiaen hinaus zu erweitern.


    Welche Gründe bewegen dich zu der Äußerung, dass Latry bisher sein Repertoire nicht oder zumindest deiner Meinung nach wohl nicht ausreichend im "romantisch französischen" Bereich kultiviert habe und sein Repertoire nicht bzw. nicht ausreichend "über Messiaen hinaus" erweitert habe?
    Zwischen 1986 und 1991 erschienen übrigens 7 CDs einer Bach-Gesamtaufname bei BNL...


    Gruß
    Karsten

  • zu 1: Ich kenne zumindest von Latry keine Aufnahmen, die Komponisten
    aus Generationen NACH Messiaen berücksichtigen würde, was jedoch
    KEIN Werturteil über seine generelle Einschätzung als Organist
    bedeutet, was man an anderer Stelle hier auch nachlesen kann.


    zu 2: Die BLN-Einspielungen der Bachwerke würde ich dagegen durchaus
    mit dem hier wirklich abwertend gemeinten Attribut "nett" bezeichnen,
    sie zeichnen sich weder durch Rafinessen beim Registrieren noch durch
    ausserordentliches Gespür für Bachs Klang-und Formensprache aus.


    Lohnend ist hier auf jeden Fall ein Hörvergleich mit der Bach-Edition
    des Labels Ricercare, die Bernard Foccroulle eingespielt hat und die
    beim hörenden Vergleich schlagartig beleuchtet, WER hier in Sachen
    Bach das Sagen hat.

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Zitat

    Original von BigBerlinBear
    zu 1: Ich kenne zumindest von Latry keine Aufnahmen, die Komponisten
    aus Generationen NACH Messiaen berücksichtigen würde, was jedoch
    KEIN Werturteil über seine generelle Einschätzung als Organist
    bedeutet, was man an anderer Stelle hier auch nachlesen kann.


    Inwieweit bei der Feststellung des tatsächlichen Repertoires CDs ein verlässlicher Maßstab sind, weiß ich nicht. Aber meines Wissens gilt Latry was Konzertprogrammgestalutng und Uraufführungen angeht als einer der ersten Adressen was "moderne französische Orgelmusik" angeht. Laut den offiziellen Biografietexten hat Latry Werke von Xavier Darasse, Claude Ballif, Thierry Pecout, Vincent Paulet, Thierry Escaich und Jean-Louis Florentz uraufgeführt und solche Namen tauchen nicht selten in seinen Konzerten auf.


    Aber um dann doch auf Latry-CDs zurück zukommen:


    J.-L. Florentz : Debout sur le Soleil, Asmara, Qsar Ghilâne
    - Paris Notre-Dame
    - Disque Accord; Una Corda, [Maîtrise Notre-Dame, N. Corti, Ensemble orchestral de Paris, J. Nelson]
    janv. 2005 live CD


    T. Escaich : Concerto pour orgue et orchestre {1° Symphonie, Fantaisie concertante pour piano et orchestre}
    - Paris Notre-Dame
    - Disque Accord-Musidisc;, {Orchestre Philharmonique de Liège, P. Rophé, C.-M. Le Guay Piano}
    2002 CD (493)


    T. Escaich : Le Dernier Evangile
    - Paris Notre-Dame
    - Disque Hortus;, [Maîtrise de Notre-Dame de Paris, Choeur Britten, Ensemble orchestral de Paris, dir. J. Nelson]
    live 19 juin 2002 CD (498)


    Gruß
    Karsten

  • Hallo Karsten,
    ich schätze O. Latry persönlich sehr und habe hervorragende Konzerte mit ihm gehört. Die von Dir genannten CDs waren mir bisher alle drei völlig unbekannt. Die Letztgenannte gibt es sogar mit kurzer Lieferzeit bei jpc. Danke für die Tips! :hello:


    Grüße :)

  • Hallo Karsten, danke für die Hinweise auf Escaich, den ich bislang nur als Orgelinterpreten seiner eigenen Werke und als Verfasser von Vokalmusik kannte. Leider scheint von den Einspielungen derzeit kaum etwas (normal) lieferbar zu sein. X(


    Bernard Foccroulle sagte mir einmal, daß er die Werke Tournemires bewundere, aber niemals auf die Idee käme, diese zu spielen.
    Vielleicht ist damit einer der zentralen Punkte insofern berührt, daß eben nicht jeder alles kann und schon garnicht alles soll.


    Aha, "Le Dernier Evangile" habe ich auch bei CPO entdeckt: wird sofort geordert !

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Zitat

    Original von BigBerlinBear
    Aha, "Le Dernier Evangile" habe ich auch bei CPO entdeckt: wird sofort geordert !


    Das ist das Stichwort, um wieder zum eigentlichen Thema zu kommen: Ich habe einige der Weinberger-CD's bestellt, und morgen soll geliefert werden. Ich bin schon sehr gespannt, zumal ich heute in der aktuellen Ausgabe von FonoForum eine positive Rezension von Vol. 18 dieser Gesamtaufnahme gelesen habe. Sie bestätigt das, was Du hier schon geschrieben hast: "Weinberger spielt, wie er es auch schon auf seinen früheren Bach-CDs getan hat: flexibel phrasierend, fein nuancierend, abwechslungsreich registrierend." Das klingt doch sehr vielversprechend.

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose