(Nicht viel) Neues aus Donna Juanita
Leider hat noch keiner die Aufführung von Donna Juanita aus St. Petersburg aus dem Jahre 2006 eingestellt. Ich weiß, dass es davon eine DVD gibt, die gibt es in Russland auch Online zu kaufen, leider nur auf einer russischen Seite mit kyrillischer Schrift. Ich bin dabei, mir diese zu erwerben, über russische "Kontaktleute". Leider dauert das...
Nach langwierigen Bemühungen ist es mir endlich gelungen, einen (Amateur)-Video Mittschnitt der St. Petersburger Aufführung der Donna Juanita aus dem Jahre 2006 zu erhalten. Meine Hoffnung, dass der Audio Mittschnitt, den ich schon vor Jahren erhalten hatte, nur einen geringen Teil der Petersburger Aufführung abdeckt, wurde allerdings komplett zunichte gemacht. Audio Mittschnitt und Video Mittschnitt – letzterer enthält sichtbar die gesamte Aufführung – sind eins zu eins identisch, was bedeutet, dass diese Aufführung auf einer bis zur Unkenntlichkeit verstümmelten Bearbeitung des ursprünglichen Werkes basiert. Wie so oft liegt hier wieder einmal eine im Volksmund sogenannte „Verschlimmbesserung“ eines zu Unrecht oder zu heftig kritisierten Original-Textbuches vor.
Es wäre müßig, die im wahrsten Wortsinn einschneidenden Änderungen gegenüber dem Original im Detail aufzuführen, zumal Letzteres hierzulande ohnehin kaum jemand kennt. Ich möchte deshalb hier nur auf eine von mehreren, aber exemplarische Änderung hinweisen.
Die Rolle des französischen Kriegsgefangenen Gaston entfällt ganz, dafür wird dann die Gastwirtstochter Petrita mit einer Person verbandelt, die mit dem öffentlichen Schreiber des Originals, Riego, eine gewisse Ähnlichkeit aufweist. Leider entfällt somit auch die urkomische Situation, in welcher der Alkalde ein Auge auf Petrita, seine Frau Olympia ein Auge auf Gaston geworfen hat und sie beide dem Schreiber gleichzeitig ein Brieflein an die jeweils Angebeteten diktieren, während jene ebenfalls zur gleichen Zeit eine Eifersuchtsszene hinlegen. Dieses im Original in bester italienischer Buffo-Manier geschriebene Quintett wird in der Bearbeitung bis auf den Rumpf verstümmelt und man fragt sich, warum es überhaupt noch gesungen wird.
Zwangsläufig fallen den personellen Änderungen bei zusammengeschrumpfter Handlung auch viele Musiktitel zum Opfer, die dann durch schier endlose Dialoge ersetzt werden. Wie auch das Quintett wurden die Finali I und II auf rudimentäre Elemente zusammengekürzt; dadurch entfiel leider auch das heroische Revolutionsthema „Caira“ so wie das Kampflied des Gaston mit seinem effektvollen Marsch. Weiterhin fehlen das Entrée des Evangelista (Schreiber), das Auftrittsduett des Alcalden mit Sir Douglas und das gesamte Finale III, um nur die wichtigsten Titel zu nennen.
Keiner der in der hier gezeigten Kritik der Wiener Sonntag-Montag Zeitung vom 22.02.1880 hervorgehobenen Musiktitel ist in der St. Peterburger Aufführung enthalten.
Ein weiteres großes Manko dieser Inszenierung ist die Tatsache, dass die Rolle der Donna Juanita von einem Mann dargestellt wurde. Dadurch geht der ganze erotische Reiz dieser „Frau als Mann in Frauenkleidern“ zugunsten eines Charleys Tante Klamauks verloren und die Titelheldin wird zur Witzfigur. Der Sänger der Titelrolle war zwar bemüht, durch übertrieben männliche Bewegungsabläufe in Frauenkleidern so etwas wie eine besondere Komik in die Rolle zu bringen, aber gemessen an diesem „Trampel“ Juanita ist Charleys Tante eine Dame.
Nur wenig besser sieht es mit einer Rundfunkproduktion des Russischen Rundfunks aus dem Jahre 1968 aus, die ich vor einiger Zeit von einem Sammler erhalten habe. Auch diese Fassung ist stark überarbeitet und beginnt nach einem langen, einführenden Monolog mit dem Auftrittsduett Alkalde/Sir Douglas und verzichtet dabei sogar auf den rassigen Eingangs-Bolero. Insgesamt weist die Rundfunkversion mehr Anteile an den beiden Finali auf, jedoch scheint auch dort das Finale I auf der gleichen Überarbeitung zu basieren wie die Petersburger Fassung. Auch dieses Finale verzichtet leider auf das revolutionäre Caira, schließt aber wie im Original die Reminiszenz auf Gastons Kampflied mit ein; das Lied selbst fehlt aber auch hier. Dafür ist das Quintett ausführlicher, wenngleich nicht vollständig; aber es enthält immerhin die köstliche Briefsequenz. Die Rundfunkfassung stellt somit eine wertvolle Ergänzung zur Petersburger Aufführung dar, aber es bleiben noch viele Wünsche offen.
Bei aller Kritik darf aber nicht vergessen werden, dass das Lückenhafte, das beide Fassungen zu bieten haben, immer noch besser ist als das völlige Ignorieren dieser Operette hierzulande. Es waren schließlich die wenigen Titel aus der Petersburger Aufführung, die mich glauben machten, dass Donna Juanita besser sein könnte als ihr Ruf oder ihre Nichtbeachtung, was dann letztlich durch das Studium des Klavierauszuges und die Rundfunkproduktion untermauert wurde. Bleibt zu hoffen, dass sich hier im Westen doch noch jemand findet, der wenigstens eine konzertante Aufführung dieses Werkes wagt. Es sind meines Erachtens schon weniger gute Operetten dieser Ehre zuteil geworden.
Uwe