Heute habe ich ein neues Stück - offenbar aus dem Bereich des Musicals - kennengelernt, welches gelegentlich Stücke aus der "Nacht in Venedig" enthielt - oft mit veränderten Texten.
Die Rezension eines Zusehers, der kaum bereit ist, etwas anzuerkennen, was nicht weitgehend dem entspricht, was er als "Original" kennengelernt hat.
Besser gesagt, von dem er glaubt, dass er es als Original kennengelernt hat. Das Dumme dabei ist nur, dass es das gar nicht gibt. Es gibt eigentlich gar keine originale Nacht in Venedig. Denn die ursprüngliche Fassung fiel bei ihrer Premiere gnadenlos durch und man begann sofort mit Umarbeitungen, um die erste Aufführungsserie zu retten. Das zog sich in den folgenden Jahrzehnten wie ein roter Faden durch, die Nacht wurde in unzähligen Bearbeitungen auf die Bühnen gebracht. Eine von ihnen konnte sich einigermaßen auf den Bühnen etablieren und wird von vielen fälschlicherweise als die ursprüngliche Version gehalten - sie stammt aber aus dem Jahr 1923 und wurde von keinem Geringeren als Erich Wolfram Korngold erstellt.
Wir sahen gestern wieder eine neue Bearbeitung. Sie spielte in der Jetztzeit, was kein Problem darstellt, denn die spärliche Handlung der Nacht in Venedig ist ein rein menschliches Verwechselungs- und Verwirrspiel, das an keine konkrete Zeit gebunden ist. Ähnliche Geschichten können durchaus auch heute passieren. Dabei wurden auch die Texte an die geänderten Vorgaben angepasst und so der Kardinalfehler des Regietheaters vermieden, der neue Handlungen zu den originalen Texten erfindet. Ein Paradebeispiel war gerade wieder aus Bayreuth zu sehen - im Tristan wurden entscheidende Handlungspunkte abgeändert, wonach Handlung und Text völlig auseinander drifteten und letztlich absurdes Theater ergab (dabei hätte die Inszenierung durchaus eine schlüssigere Gestaltung seitens der Regisseuse verdient!). In Mörbisch gab es einen bunten und recht unterhaltsamen Abend, vertraute Musik in runderneuertem Gewand - Alfreds Anspielung auf Musicals halte ich für absurd, es war musikalisch Operette reinsten Wassers. Musiziert wurde wie schon erwähnt äußerst erfreulich, die Gesangsleistungen waren für mich deutlich besser als sie Alfred einschätzt. Vor allem Dagmar Schellenberger war geradezu sensationell gut!
Für mich ist die Nacht viel schöne Musik mit sehr schwer zu vermittelnder dramatischer Handlung. Der Versuch in Mörbisch ist sehr publikumswirksam und alles in allem recht gut gelungen - den Besuchern wird es gefallen!