Cembali deutschen Typs und ihr Repertoire

  • Mal die Frage eines Cembalo-Laien: auch wenn die Registerzüge für den Spieler nicht erreichbar sind, kann denn nicht trotzdem ein Registrierwechsel während des Spieles durch eine Hilfsperson üblich gewesen sein? Als Jugendlicher habe ich gelegentlich unserem KMD an der Orgel mit Seitenumblättern und Registerziehen geholfen, warum nicht am Cembalo? Auf dem obigen schönen Bild Johannes Voorhout, mit Reincken an einem Cembalo hätte dieser nur dem Mohr links von ihm, oder rechts seinem Freund Buxtehude zunicken müssen, und schon wäre der abgesprochene (oder zugeflüsterte) Registerwechsel erfolgt.


    Gruß! García

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von Manuel García
    Auf dem obigen schönen Bild Johannes Voorhout, mit Reincken an einem Cembalo hätte dieser nur dem Mohr links von ihm, oder rechts seinem Freund Buxtehude zunicken müssen, und schon wäre der abgesprochene (oder zugeflüsterte) Registerwechsel erfolgt.


    Gruß! García


    Es gibt auch Autoren, die schlüssig zu beweisen vermögen möchten, dass der links von Reiniken sitzende Gambenspieler eigentlich Buxtehude sei :hahahaha:
    Wer weis es genau ?


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Zitat

    Original von Manuel García
    Mal die Frage eines Cembalo-Laien: auch wenn die Registerzüge für den Spieler nicht erreichbar sind, kann denn nicht trotzdem ein Registrierwechsel während des Spieles durch eine Hilfsperson üblich gewesen sein? Als Jugendlicher habe ich gelegentlich unserem KMD an der Orgel mit Seitenumblättern und Registerziehen geholfen, warum nicht am Cembalo?


    Weil einmal auf dem Manual, auf dem gespielt wird, nicht umregistriert werden kann. Die Springer würden sich eventuell verhaken.
    Zum anderen hat man doch bloß ein paar Hebelchen, die so angeordnet sind, dass der Spieler (!) sie gut erreichen kann. Wenn sich da noch jemand dazwischedrängelt...
    Zur Not macht man die Fermate in der einen Hand halt etwas länger...


    Zitat

    Auf dem obigen schönen Bild Johannes Voorhout, mit Reincken an einem Cembalo hätte dieser nur dem Mohr links von ihm, oder rechts seinem Freund Buxtehude zunicken müssen, und schon wäre der abgesprochene (oder zugeflüsterte) Registerwechsel erfolgt.


    Wie Bernhard schon schrieb: Man geht derzeit davon aus, dass der Gambist Buxtehude ist. Urheberin dieser These ist – glaube ich – Kerala Snyder.
    Der Spieler greift wohl d und b, die Initialen von D. B. :D


    Der Mohr oder sonst wer kann seiner Schuldigkeit kaum schneller nachkommen als der Spieler, denn wie o. a. kann man sowieso nur das Manual umregistrieren, das gerade in Ruhe ist.
    Die Notwendigkeit, in einem Satz die Register zu wechseln, sehe ich außerdem nicht. Dafür kann man ja die Manuale wechseln.

  • Lieber Hildebrandt,


    entschuldige wenn ich etwas hartnäckig nachfrage. Aber das was Du schreibst, schließt ja eine Registrierungshilfe und einen (evtl. mehrfachen) Registerwechsel in einem Satz nicht aus, würde allerdings jeweils einen vorangehenden und nachfolgenden Manualwechsel erfordern?


    Zum OT zu Buxtehude? wer wäre dann der Mann mit der Note in der Hand?


    Best Grüße


    M. García

  • Zitat

    Original von Manuel García
    Aber das was Du schreibst, schließt ja eine Registrierungshilfe und einen (evtl. mehrfachen) Registerwechsel in einem Satz nicht aus, würde allerdings jeweils einen vorangehenden und nachfolgenden Manualwechsel erfordern?


    Das ist richtig; das Manual, auf dem umregistriert wird, muss in Ruhe sein.
    Nur fällt mir derzeit kein Stück ein, wo das sinnvoll oder erforderlich wäre. Selbst die Goldbergvariationen kann man alleine durchstehen, ohne dass störende Pausen entstehen, denn auch bei den Binnenhebeln, die oben im Cembalo liegen, ist es nur ein kurzer Griff.



    Zitat

    Zum OT zu Buxtehude? wer wäre dann der Mann mit der Note in der Hand?


    Ich glaube, der blieb anonym. Bei der früheren Deutung soll auch Theile (als Gambist) dabeigewesen sein. Am besten, ich schau nochmal nach.

  • Zitat

    Original von Hildebrandt
    Und dann fährt man gleich weiter nach Antwerpen ins Vleeshuis. :yes:


    Da hab' ich schon zweimal (!) gefrustet davorgestanden, immer wegen Renovierung u.dgl. geschlossen ... einfach Pech, nehme ich an. :(

  • Kann ja gut sein, dass im Satz nur ausnahmsweise umregistriert wurde, obwohl man die "Tutti-Solo"-Kontraste im Italienischen Konzert (oder auch den Präludien einiger Englischer Suiten) so sicher sehr schön herausholen könnte.


    Aber ein bis zwei Sekunden Pause zwischen Menuett und Trio oder zwischen zwei Sätzen oder zwei Variationen in einer Reihe ist sicher möglich.
    Gewiß plädiert auch niemand dafür, diese Möglichkeiten für Musik einzusetzen, die komponiert wurde, als es sie noch gar nicht gab. (Und gewiß hängt da auch nicht viel dran, denn nicht immer konnte ein Komponist davon ausgehen, dass die Musikliebhaber ein entsprechendes Instrument zur Verfügung hatten.)


    Für die meisten Nichtspezialisten dürfte allerdings der Interessenschwerpunkt eh auf der Musik von Couperin, Rameau, Bach, Händel, D. Scarlatti liegen und zu deren Zeit gab es jedenfalls die Registrierungsmöglichkeiten.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Hildebrandt


    Ich glaube, der blieb anonym. Bei der früheren Deutung soll auch Theile (als Gambist) dabeigewesen sein. Am besten, ich schau nochmal nach.


    Im aktuellen Heft von Concerto ist ein Artikel von Ulf Grapenthin zu diesem Bild - Auch er sagt, wenn, dann ist der Gambist Buxtehude. Ein Kandidat für den singenden Herrn vorne rechts wäre Johann Philipp Förtsch, Sänger und Komponist an der Hamburger Oper.
    Grapenthins Schlüsse sind ziemlich logisch. Buxtehude war ja der älteste der drei Musiker (es war Grapenthin, der herausfand, dass Reincken erst 1643 geboren wurde).

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Kann ja gut sein, dass im Satz nur ausnahmsweise umregistriert wurde, obwohl man die "Tutti-Solo"-Kontraste im Italienischen Konzert (oder auch den Präludien einiger Englischer Suiten) so sicher sehr schön herausholen könnte.


    Genau dafür hat es ja zwei Manuale. Die Tutti-Passagen werden unten mit allen Registern (8' + 4' + Koppel Obermanual mit 8'), die Solo-Stellen auf dem oberen, das ja sowieso nur den einen 8' hat.
    den zweiten Satz dann mit Obermanual 8' (evtl. mit Lautenzug), die Solostimme unten mit dem "großen" 8'.
    Dritter Satz wie erster.
    Kein Umregistrieren nötig. :no:


    Zitat

    Für die meisten Nichtspezialisten dürfte allerdings der Interessenschwerpunkt eh auf der Musik von Couperin, Rameau, Bach, Händel, D. Scarlatti liegen und zu deren Zeit gab es jedenfalls die Registrierungsmöglichkeiten.


    Zumindest Scarlatti spielte auch auf italienischen Instrumenten, wo es nichts zu registrieren gab.
    Und bei den anderen wüsste ich jetzt auch nicht, wo es denn wirklich von Vorteil wäre.
    Die Kniehebel und Pedale sind so späte Zusätze, dass man sie als Versuch werten kann, dynamische Übergänge zu realisieren. Die späten Kirckman-Cembali haben ja sogar per Fußhebel bewegliche Deckel oder Jalousien. Als Literatur dafür fallen mir aber eher Haydn und CPE Bach ein als die dynamisch noch statischen Barockmeister.

  • Um auf das Konzert vom letzten Sonntag zurückzukommen: Miklos Spanyi spielte leider keinen Händel, nur Bach und - Georg Böhm! Und dessen Musik kam auf dem Hass erstaunlich gut.
    Die Choralpartita "Auf meinen lieben Gott" wird meistens auf der Orgel dargeboten, dank des 16' Registers kann man es auf dem Hass mit angemessener Klangfülle spielen; auch das bekannte Präludium in g-moll klang dank einer vollklingenden Registrierung sehr majestätisch und kraftvoll - so überzeugend habe ich es bisher noch nicht gehört.


    Colin Tilney's alte EMI-Reflexe LP hatte es ähnlich, und diese CD hier:



    Robert Woolley spielt eine Kopie eines Cembalos von Christian Zell aus dem Jahr 1728, die ähnlich mächtig rüberkommt wie das Hass, ohne die vielfältigen Registierunsgmöglichkeiten, aber mit dem vollen Klang. Da die Aufnahme erstklassig klingt - Meridian ist das Label der gleichnamigen High-End-HiFi- Firma - kommt man hier in den Genuß eines hervorragenden Cembaloklangs. Woolleys Interpretation (das war eine seiner ersten, wenn nicht die erste CD) braucht sich auch nicht zu verstecken. Diese CD gibt es sogar noch: Hier klicken.

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  • Hier habe ich eben eine CD von Olivier Baumont mit Bach auf einem wunderbar klingenden Nachbau eines Cembalo aus der Silbermann-Schule beschrieben - es hat fast die Klangfülle des großen Hass. Ein tolles Instrument für Bach!


    J.S. Bach ist ja, das muß hier auch mal erwähnt werden, natürlich auch Kernrepertoire für deutsche Cembali - da es aber zu einzelnen Werkgruppen jeweils eigene Threads gibt, werde ich hier nur daruf verweisen und Links setzen.


    Viele setzen gerne Cembali von oder nach Mietke ein, da Bach nachgewiesenermaßen eines für Köthen bestellt und abgeholt hat, aber sächsische und thüringische Instrumente kommen genausogut in Frage oder klingen sogar noch besser, Cembali nach Harass, Silbermann, ....

  • ... und hier hat Hildebrandt eine CD von Carole Cerasi vorgestellt, mit Stücken aus dem sog. Möller-Manuskript. Zwei unglaublich gut klingende Cembali, Nachbauten nach Zell bzw. Fleischer - vor allem letzteres hat einen wunderschönen warmen Bass.
    Hervorragendes Anschauungsmaterial!


  • Zitat

    Original von miguel54
    Viele setzen gerne Cembali von oder nach Mietke ein, da Bach nachgewiesenermaßen eines für Köthen bestellt und abgeholt hat, aber sächsische und thüringische Instrumente kommen genausogut in Frage oder klingen sogar noch besser, Cembali nach Harass, Silbermann, ....


    Den wichtigsten hast Du vergessen! ;(


    Von ihm existiert nur noch ein Instrument, dessen Standort (irgendwo in Polen) nicht genau bekannt ist. Zwei Brüsseler Cembalobauern (Kaufmann & Sohn) gelang es in den 80er Jahren, es ausfindig zu machen. Soweit ich weiß, sind zwei Kopien von ihnen gefertigt worden, die auf dem Flandernfestival für Furore gesorgt haben – Leonhardt soll sich mehrere Stunden mit einem Instrument eingeschlossen haben. Dann verliert sich aber sogar die Spur der Kopien.


    Die Besonderheit war vor allem, dass es sich zwar nur um die Standarddisposition handelte (also kein 16'), der Bass aber einen eigenen Resonanzboden hatte, der damit ein fulminantes Fundament lieferte.


    Ähnlich wie dieser wohl bedeutendste mitteldeutsche Orgel- und Cembalobauer :D hat der Deutsch-Flame Dulcken gearbeitet. Ein großes Cembalo mit diesem eigenen Bass-Resonazboden ist erhalten – ein traumhaftes Stück. :yes:

  • Soeben beim dreibuchstabigen Partner zum Einführungspreis bestellt:



    Sie hätten ruhig auch vorne auf dem Cover erwähnen können, dass Staier hier wieder ein Hass-Cembalo verwendet! Mit Sicherheit nicht der Typus Instrument, der dem jungen Bach zur Verfügung stand, aber sicher hörenswert - nach dem Konzert mit Spanyi weiß ich, dass Bach auf Hass gut kommt. Es ist der gleiche Nachbau des Hass von 1734 von Anthony Sidey, den Staier auch auf der Hamburg CD vom Anfang dieses Threads benutzt hat. Ich bin gespannt!


    p.s.: In der Anzeige zur CD im neuen FonoForum steht "Haas"!!! :no:

  • Nachdem die neue Staier CD auf dem grandiosen Hass-Nachbau einige Male unser Wohnzimmer beschallt hat und sogar meiner Frau ausnehmend gut gefällt (wie auch Walkers Hass-Nachbau in Heidelberg), kann ich nur noch eine Empfehlung aussprechen.
    Staier fühlt sich beglückt, auf diesem Instrument spielen zu können, und in der Tat habe ich ihn auf seinen vielen Cembalo-Aufnahmen noch nie so entspannt musizieren hören. Er neigt etwas zur angespannten Perfektion, aber hier ist er etwas lockerer, dabei nicht weniger perfekt, setzt nur einen Bruchteil der Registrierungsmöglichkeiten des Hass ein, die aber absolut treffend und musikalisch sinnvoll, wählt perfekte Tempi, kehrt den Humor des jungen Bach heraus, wo es angebracht ist, usw. usf. Dabei kommt die komplexe Polyphonie ebenso zu ihrem Recht. Das Instrument hat eine enorme Dynamik, ist sehr gut aufgenommen, mit etwas Raum, der typische Hass-Klang mit kernigem Bass und glockigen hohen Registern ist gut zu hören, die Dynamik ist enorm. Mehr Staier und Hass, bitte, und gerne auch Bach!


    Ach ja, beinah hätte ich das Programm der CD vergessen:


    Toccata D-dur BWV 912
    Partite diverse sopra il chorale "O Gott, du frommer Gott" c-moll BWV 767
    Toccata e-moll BWV 914
    Suite a-moll BWV 818a
    Toccata G-dur BWV 916
    Capriccio sopra la lontananza del fratello dilettissimo BWV 992

  • Zitat

    Original von Hildebrandt
    Den wichtigsten hast Du vergessen! ;(


    Von ihm existiert nur noch ein Instrument, dessen Standort (irgendwo in Polen) nicht genau bekannt ist. ...
    Ähnlich wie dieser wohl bedeutendste mitteldeutsche Orgel- und Cembalobauer :D hat der Deutsch-Flame Dulcken gearbeitet. Ein großes Cembalo mit diesem eigenen Bass-Resonazboden ist erhalten – ein traumhaftes Stück. :yes:


    Meinst Du Zacharias Hildebrandt? Und gibt es Aufnahmen mit diesem Teil oder den Nachbauten? Ich befürchte, dass nicht, aber man kann ja mal fragen .....

  • Bei einem kurzen Aufenthalt in Berlin letzte Woche konnte ich eine cembalistische Bildungslücke schließen und noch einmal die berüchtigte Nr. 316 der Berliner Sammlung sehen und eine zugehörige CD samt Büchlein erwerben (auch im Online-Shop des Museums erhältlich):



    Der Klang dieses Instruments, das inzwischen der Werkstatt Harass zugeschrieben wird, ist überraschend: Die Klangfülle eines Hass, sehr mächtig, füllig, dank der insgesamt 4 Register, sehr "glockig" - die Anfang des 20. Jhdts. davon inspirierten modernen Cembali klingen durchaus ähnlich, z.B. dieses "Bach-Cembalo" von Neupert:



    In Sonderhausen steht im Schloßmusueum ein weiteres Harass-Cembalo, das u.a. Merzdorf nachbaut:



    Das Original sieht wie das Berliner Instrument etwas schlichter aus:



    Die auf Initiative des Museums von Christine Schornsheim eingespielte CD präsentiert gleich zwei Nachbauten, die man von dem mittlerweile unspielbaren Instrument anfertigen ließ, um verschiedene Bauzustände angemessen hören zu können: die Klangeigenschaften waren nicht unbedingt für alle Register optimal, weshalb es mehrere Male umgebaut wurde (s. das Büchlein). Für meinen Geschmack klingt das Hass ausgewogener - er hat die Problematik der Abstimmung der Größe der Resonanzböden zu den Registern besser gelöst. Trotzdem ist dieses Harrass so verschieden von dem, was man trotz Mietke-Nachbauten von Bach-CDs gewohnt ist, dass man es einmal gehört haben sollte. Frau Schornsheim spielt ausgezeichnet, u.a. die Partita IV BWV 828. Man sollte diese CD nicht zu leise hören! Wenn das Bachs Klangvorstellung war, dann müssen noch einige CDs gemacht werden!

  • Zitat

    Original von miguel54
    Meinst Du Zacharias Hildebrandt?


    Wen sonst? :D


    Zitat

    Und gibt es Aufnahmen mit diesem Teil oder den Nachbauten? Ich befürchte, dass nicht, aber man kann ja mal fragen .....


    Leider nein. Der Standort des Originals wird geheim gehalten, die beiden Kopien sind nach Übersee verkauft worden und ohne weitere Spuren geblieben.

  • Sag bloß, Du hast es irgendwann gehört ......


    Dass es nicht zugänglich ist oder die Kopien, halte ich für ein Kulturverbrechen. Oder würde es das Bach-Klang-Bild so revolutionieren, dass die Folgen unabsehbar sind?

  • Zitat

    Original von miguel54
    ...und eine zugehörige CD samt Büchlein erwerben (auch im Online-Shop des Museums erhältlich)


    Miguel, mein Sargnagel. :D
    Deine Adresse habe ich jetzt bei der Kreditabteilung meiner Bank hinterlegt.


    Noch eine kleine Anmerkung, um Missverständnissen vorzubeugen:

    Zitat

    Der Klang dieses Instruments, das inzwischen der Werkstatt Harass zugeschrieben wird, ist überraschend: Die Klangfülle eines Hass, sehr mächtig, füllig, dank der insgesamt 4 Register, sehr "glockig" - die Anfang des 20. Jhdts. davon inspirierten modernen Cembali klingen durchaus ähnlich, z.B. dieses "Bach-Cembalo" von Neupert


    In der Tat war das Bach-Modell von Neupert ein Versuch, der Nr. 316 nachzuspüren. Nur saß man zeitbedingt dem Irrglauben auf, dass man mit modernen Werkstoffen ein besseres Ergebnis erzielen könnte als die handwerklichen „Vorläufer“, die ja mit unzulänglichem Material arbeiten mussten. Außerdem war man ja „ingernieursmäßig“ inzwischen viel weiter...
    Herausgekommen ist der Eierschneider an sich: Ein gefühlte zwei Tonnen schweres Gerät, aus dem ein zwar sehr umfangreiches, aber insgesamt kläglich dünnes Gezirpe drang. Im Studio war die Elektronik hilfreich, bei leibhaftigen Aufführungen geriet das Spiel des Cembalisten ab der dritten Reihe zur Pantomime, vollends bei Ensemblestücken.


    Nicht zuletzt diese Kästen (andere Firmen bauten damals sehr ähnlich) haben die Rückbesinnung auf die historischen Bauweisen ausgelöst.
    Einen weiteren Vergleich von Harrass und Neuperts „Bach“ müsste ich übel nehmen. :D


    Noch ein bisschen aktueller als die von Miguel empfohlene Lektüre ist das:
    Ahrens & Klinke (Hrsg.): Das deutsche Cembalo – Symposium im Rahmen der 24. Tage Alter Musik in Herne 1999.
    Verlag Katzbichler, Wiesenfelden, ISBN 3-87397-580-7.


    Darin auch eine Zusammenfassung Krickebergs zur Geschichte und Bedeutung der Nr. 316.
    Sehr empfehlenswert, aber wohl nur noch antiquarisch zu bekommen.

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  • Zitat

    Original von miguel54
    Sag bloß, Du hast es irgendwann gehört ......


    Dass es nicht zugänglich ist oder die Kopien, halte ich für ein Kulturverbrechen. Oder würde es das Bach-Klang-Bild so revolutionieren, dass die Folgen unabsehbar sind?


    Nein, ich muss mich da auf Augen- und Ohrenzeugen verlassen, die aber als professionelle Cembalisten meiner Glaubensrichtung :D sehr zuverlässig sind.
    Dass keine weiteren Konsequenzen gezogen wurden, ist mir auch immer rätselhaft geblieben.

  • Zitat

    Original von Hildebrandt


    Noch ein bisschen aktueller als die von Miguel empfohlene Lektüre ist das:
    Ahrens & Klinke (Hrsg.): Das deutsche Cembalo – Symposium im Rahmen der 24. Tage Alter Musik in Herne 1999.
    Verlag Katzbichler, Wiesenfelden, ISBN 3-87397-580-7.


    Darin auch eine Zusammenfassung Krickebergs zur Geschichte und Bedeutung der Nr. 316.
    Sehr empfehlenswert, aber wohl nur noch antiquarisch zu bekommen.


    Das Buch hat seit ein paar Tagen den obersten Platz auf meiner Anschaffungsliste!

  • Gestern sind Buch und CD aus Berlin gekommen.


    Nach der Lektüre des schmalen Bändchens weiß ich eigentlich nur, dass man nichts weiß – so viele Konjunktive auf einem Haufen.
    Trotzdem entsteht der Eindruck, dass es sich um Bachs Kielflügel handeln könnte. Dabei wird dezent verschwiegen, dass es sich um eines (!) der Cembali aus dem Besitz JSBs handeln könnte. Im Vorgriff behaupte ich mal dreist: um das hässlichste, das niemand mehr haben wollte.
    Vielleicht hat Bach das Ding ja in einem Anfall von Mildtätigkeit erstanden, dann ein wenig daran herumbasteln lassen und es schließlich in der Remise abgestellt.


    Die ereignisreiche, verwirrende und wohl nie mehr zu klärende Baugeschichte hat eine Ruine zurückgelassen. Klar scheint zu sein, dass es sich um ein Experimentiermodell gehandelt hat, dass es schon kurz nach seiner Entstehung umgebaut wurde und im Lauf der Jahrhunderte weitere Entstellungen hat hinnehmen müssen.


    Die CD kann da auch nicht viel zur Klärung beitragen, denn wie im Buch zu lesen, war man sich über den jeweiligen Vorbildzustand nie völlig im Klaren und hat obendrein, um den offensichtlichen konstruktiven Mängeln der angenommenen Originalzustände zu begegnen, die Innenkonstruktion fröhlich verändert, indem man auf Silbermannsche Vorbilder zurückgegriffen hat.
    Für mich sind diese Dinger Holz und Draht gewordene Hypothesen. Obendrein klingen sie so, als ob man selbst an ihnen noch so viel verbessern könnte, dass etwas halbwegs Anständiges herauskommen würde: Der Resonanzboden scheint vollkommen abgetötet zu sein, und die Intonation klingt einfach jämmerlich. Da kann auch Frau Schornsheim bei allem Bemühen nichts dran ändern.


    Hellhörig müsste man werden, wenn es im Text heißt, dass Reste der originalen Fassung einen ursprünglich weiß-goldenen Originalzustand der Farbgebung belegen.
    Dann kann es jedenfalls nicht das Prunkstück der Bachschen Sammlung gewesen sein, denn das wird als „furniertes Clavecin“ bezeichnet. Und man furniert nicht erst unter vielen Mühen und Kosten ein Instrument mit wertvollen Hölzern, um es dann sogleich weiß und golden zu übermalen. Außerdem wäre es dann nicht mehr furniertes Clavecin genannt worden, sondern womöglich „das weiß angemalte Ungetüm mit den dicken Beinen“.


    Hier anknüpfend ließe sich eine kaum abenteuerlichere, mir aber wesentlich logischer erscheinende These aufstellen.
    Aber die will garantiert niemand hören. :D

  • Zitat

    Original von Hildebrandt
    Gestern sind Buch und CD aus Berlin gekommen.


    Nach der Lektüre des schmalen Bändchens weiß ich eigentlich nur, dass man nichts weiß – so viele Konjunktive auf einem Haufen.


    :D :yes:


    Zitat

    Die CD kann da auch nicht viel zur Klärung beitragen, denn wie im Buch zu lesen, war man sich über den jeweiligen Vorbildzustand nie völlig im Klaren und hat obendrein, um den offensichtlichen konstruktiven Mängeln der angenommenen Originalzustände zu begegnen, die Innenkonstruktion fröhlich verändert, indem man auf Silbermannsche Vorbilder zurückgegriffen hat.
    Für mich sind diese Dinger Holz und Draht gewordene Hypothesen. Obendrein klingen sie so, als ob man selbst an ihnen noch so viel verbessern könnte, dass etwas halbwegs Anständiges herauskommen würde: Der Resonanzboden scheint vollkommen abgetötet zu sein, und die Intonation klingt einfach jämmerlich. Da kann auch Frau Schornsheim bei allem Bemühen nichts dran ändern.


    Frau Schornsheim spielt so gut, dass man ihr in der Tat ein besser klingendes Instrument wünscht! Der verdächtig nahe an den alten neupert-Nähmaschinen angesiedelte Klang ließ mich ähnliches vermuten wie Du ...


    Zitat

    Hier anknüpfend ließe sich eine kaum abenteuerlichere, mir aber wesentlich logischer erscheinende These aufstellen.
    Aber die will garantiert niemand hören. :D


    Ich schon ... :D

  • Zitat

    Original von miguel54
    Ich schon ... :D


    Dachte ich mir. :D


    Aber ich musste erst noch etwas nachsehen. Es gibt einen kurzen, aber sehr informativen Aufsatz von Herbert Heyde, dessen Buch „Musikinstrumentenbau“ ich als Hausbibel verehre:


    "Der Instrumentenbau in Leipzig zur Zeit Johann Sebastian Bachs"


    in: 300 Jahre Johann Sebastian Bach. Katalog zur Ausstellung der Internationalen Bachakademie in der Staatsgalerie Stuttgart 14. 9. bis 27. 10. 1985. Schneider, Tutzing, 1985.


    Dort finden sich auch einige Fakten zu Clavierinstrumenten. Die unten verwendeten Zitate stammen alle von dort.


    Und jetzt die mehr oder weniger gewagte Hypothese:
    Bachs „eigentliches“ Cembalo war ein von Zacharias Hildebrandt nach Bachs Angaben gebautes Instrument.


    Hildebrandt lebte von 1734 bis 1750 in Leipzig, war abtrünniger Silbermannschüler und verwirklichte Bachs Vorstellungen von einer „großen, schönen Orgel“ im Neubau des Instruments in der Wenzelskirche in Naumburg. Für die Einweihung einer kleineren H.-Orgel in Störmthal komponierte Bach eigens eine Kantate. Hildebrandt baute für Bach ein dreimanualiges Lautenclavicymbel, war neuen Entwicklungen gegenüber offen und selbst offenbar recht erfinderisch.


    Am 17. 6. 1733 wurde die Wiedereröffnung des Bachschen Collegium Musicum im Zimmermannschen Garten u. a. mit einem neuen „Clavicymbel, dergleichen allhier noch nicht gehöret worden“ angekündigt.


    Mehrere Cembali Hildebrandts sind durch Anzeigen im „Leipziger Intelligenzblatt“ belegt. Eine aus dem Jahre 1763 lautet: „Es ist ein sehr schönes Clavecin, nebst dazu gehörigen 16 füßigen Pedal, mit 2 Clavieren, die Claves von Elfenbein und äußerlich schön fourniret.“
    In einer anderen vom 4. 10. 1775 heißt es: „Es stehet ein vierchörichter schön mit Nußbaum fournierter Flügel von Zacharias Hildebrand zum Verkauf. Selbiger hat 2 Claviere von contra F bis dreygestrichen F. Im Unterclaviere mit Principal 16 Fuß und Principal 8 Fuß. Auf dem obern ist ein Cornet 8 Fuß und Octava 4 Fuß. Zur Verstärkung der Bässe ist Spinet 8 Fuß in 2 Octaven von Cornet entlehnt. Hierzu sind 5 Register, mit welchen beym Gebrauche der Kuppel sehr viele Veränderungen gemacht werden.“


    Es gibt also sowohl Pedalcembalo als auch das 16füßige Instrument ohne Pedal. (Übrigens sind von Mietke auch mindestens zwei Instrumente mit Manual-16’ belegt, was vielleicht der Grund war, warum Bach sich für die Anschaffung eines neuen Cembalos eigens von Köthen nach Berlin bemühte.)


    Halten wir jetzt den Berliner Museumleuten zugute, dass sie bei der Rekonstruktion der Nr. 316 ihr Möglichstes getan haben, kommt ein akustisches Ergebnis zustande, das es nicht gewesen sein kann. Vielleicht hat Bach dieses Instrument besessen. Aber selbst dann darf man fragen, ob er es geschätzt hat.
    Vielmehr legt die nahe Verbindung von Bach und Hildebrandt nahe, dass letzterer den Wünschen Bachs wohl erheblich eher entsprechen konnte als der sonst nicht allzu renommierte Harrass-Familienbetrieb. Außerdem spielte Hildebrandt konstruktiv, qualitativ und klanglich in einer ganz anderen Liga.


    Keines der großen Hildebrandt-Cembali ist erhalten.
    Schade eigentlich. :wacky:

  • Schade? Eine Katastrophe ist das! Nicht auszudenken, wie sich die Bachinterpretation auf Tasteninstrumenten entwickelt hätte, wenn das Köthener Mietke-Cembalo oder eines der großen von Hildebrandt erhalten wäre. Ist plausibel für mich, dass sich ein dermaßen aus der Orgeltradition kommender Komponist auch entsprechend gravitätische Cembali wünscht. Zumindest ist es unter diesem Aspekt nicht ganz verkehrt, Bach auf einem großen Hass zu spielen.


    Große Meister sind immer auch große Projektionsfelder ...

  • Eben habe ich zufällig eine weitere CD für diesen Thread in meinem Regal entdeckt:



    Gustav Leonhardt spielt eine sehr geschickt zusammengestellte Auswahl von Stücken des unnachahmlichen Johann Jakob Froberger auf einem Cembalo von Bruce Kennedy (1985) nach einem Original von Mietke (ca. 1702-04).
    Über die Instrumentenwahl läßt sich streiten - Froberger (1616-1667) hat solche Instrumente mit Sicherheit nicht gekannt, aber da seine Werke erst nach 1690 im Druck erschienen und u.a. von Bach geschätzt wurden, dürfte dieser sie sehr wohl auf so einem Kasten gespielt haben. Insofern ... Leonhardts Spiel ist über jeden Zweifel erhaben. Mir persönlich ist der Klang des Mietke für Froberger nicht "diskret" genug ...


    (Achtung: es gibt noch eine zweite CD auf DHM, 1962 aufgenommen auf einem originalen Ruckers-Cembalo - schöner Vergleich, obwohl verschiedene Programme.)

  • diese Froberger CD habe ich bei einem Plattenladen hier in Kassel für 2.99 gekauft - ein wirkliches Schnäpchen, denn ich liebe Frobergers Cembalowerke :D
    Meine Ex Freundin trieb diese CD damals in den Wahnsinn und ich war sie dann auch kurze Zeit später los :hahahaha:




    Übrigens


    die neue Jubileums Box sollte hier auch mal Erwähnung finden.
    Vor alem dürfte diese Box für diejenigen interessant sein, die ihr Cembalo Repertoire erweitern wollen:




    Gustav Leonhardt Edition


    um es kurzu zu machen, für knapp 23 Euro bekomt man hier 15 ! CD's die bei verschiedenen Labeln vor Jahren erschienen sind, und nicht zu den schlechtesten Alte Musik Afnahmen gehören dürften.
    Besonders schön gelungen, alle CD's - obwohl im Papphüllen - haben ihr ursprüngliches Design beibehalten (teilweise auch LP Design)


    und ich habe mal versucht die originalen CD Cover zu finden, damit man eine Vorstellung diese genialen Box bekommt (ich bin immer noch ganz begeistert, da hier so viele CD's versammelt sind, die ich mir ohnehin solo gekauft hätte, aber teilweise sind die ja gestrichen...und nur noch zu unverschämten Wucherpreisen zu bekommen)





    Masterpieces of French Harpsichord Music *leider kein Cover*


    Konzerte für Cembalo (Bach) *Kein Cover*


    J.S. & C.P.E. Bach: Konzerte für Cembalo *kein Cover*


    (die einzige CD die ich vorher schon hatte ( :D )



    diese Box ist teilweise die einzige Möglichkeit an die wunderbare Böhm oder Weckmann / Froberger Aufnahmen heranzukommen.


    Alles hab ich noch nicht gehört, den Kauf hab ich jedenfalls nicht bereut, ganz im Gegenteil.
    Ich ging zuerst von Stückel CD's aus, dass hier ganze Alben wiederveröffentlicht sind, ist wirklich eine tolle Überraschung.


    Leider gibts kein Begleitmaterial, auch erfährt man nichts über die verwendeten Instrumente X( außer einem Interview mit Leonhardt und einem Geleitwort ist nichts dabei.



    :hello:

  • Diese Leonhardt-Box mag ja preiswert sein, aber wenn sie es noch nicht einmal schaffen, wenigstens die Credits der originalen CDs neu zu setzen fürs Booklet, dann ist das ganz schön armselig. Was nützt mich eine Orgel-CD ohne Instrumentenangabe? Und ich finde den Mix etwas zu bunt: Orgel, Cembalo, Kammermusik, Aufnahmen in großer Besetzung mit ihm als Dirigent ... da waren die Andreas Staier CD-Wiederveröffentlichungen besser, da thematisch kombiniert. Nun denn.


    Wenn ich weitere Leonhardt CDs finde, die hier passen, werde ich sie erwähnen.
    Ansonsten bitte ich ganz nett und freundlich, nicht zu sehr abzuschweifen ... :hello:

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