Nackter Verdi

  • Zitat


    Mich machte nur der Gestus "Verschrottet die alte Kunst" frösteln. Die fand ich bei den Dadaisten irgendwie originell und frisch, später schon nicht mehr so notwendig und heute nur noch unsympatisch. Aber nun klingst Du ja schon etwas weniger kriegerisch ...



    In der MET werden nur Inszenierungen verschrottet, keine Kunstwerke. Denn es gilt ja:


    Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    [...] Du vergisst, dass es nicht zwingend ist, die Aufführung als autonomes Kunstwerk zu betrachten.


    :baeh01:



    (Konnt' ich mir nicht verkneifen, sorry. Bin aber schon wieder raus hier.)



    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Na, lies mal die anderen 500 Threads zu dem Thema. Mir kommt das hier sehr tolerant und harmonisch vor.
    :hello:


    und ich möchte noch ergänzen: hochgradig unterhaltsam. :D



    Egal, wie man nun den Casus bewertet, eine "lex Maskenball/Nudis"(Latein für Angeber) einfordert, über blödsinnige Regiereinfälle schimpft oder Zurückhaltung hierin bis zur Auffürhrung anmahnt, die Nackerten greislig (oral speach/münchnerisch) findet: Die Oper Erfurt hat ihren zumindest bundesweiten Renner und Aufreger.


    Ich meine, wir befinden uns in bester Operntradition. Saftige Skandale gehörten doch immer wieder mal dazu. :pfeif:


    LG
    :hello:


    Ulrica


    Übrigens: Wehren kann man sich nicht, hier zu singen, wenn man engagiert ist, aber zumindest bei Solisten gehört ein Nacktauftritt nicht zum Berufsbild und darf verweigert werden.

  • Zitat

    Original von Zwielicht


    In der MET werden nur Inszenierungen verschrottet, keine Kunstwerke. Denn es gilt ja:


    :baeh01:
    (Konnt' ich mir nicht verkneifen, sorry. Bin aber schon wieder raus hier.)


    Naja, aber für GiselherHH müßte es Kunst sein - und er lobte das Verschrotten.


    Wenn er das Verschrotten guthieße vor dem Hintergrund, dass er diese Inszenierung nicht als Kunst ansähe, hätte das für mich einen interessanten Ansatzpunkt zum Weiterquatschen ergeben, da dann offenbar nicht jede Inszenierung Kunst gewesen sei und (womöglich) erst durch das Regietheater eine "Kunstwerdung" der Regie stattgefunden hätte, die wiederum ein Eintreten für eine Alternative für die Regietheater-Kunst umso unangreifbarer werden ließe (soweit meine Hintergedanken bei dem Posting).
    :beatnik:

  • Zitat

    Original von Theophilus
    Hallo Barbirolli


    Damit ich mir das besser vorstellen kann: Wenn du z.B. einmal jährlich nach Paris fährst und in den Louvre gehst, dann erwartest du, dass die Mona Lisa jedesmal ungefärbelt wurde (du erwartest ja das Unerwartete!).


    Ja, in etwa so:



    Nein, im Ernst. Die Mona Lisa oder der Lawrence von Arabien sind unumstößliche Artefakte, auf Leinwand und Zelluloid gebannt. Daran gibt es nichts zu rütteln.
    Eine Oper aber, die durch nachschöpferische Künstler immer wieder neu geformt und gegriffen werden muss, da es sie sonst nur auf dem Papier gäbe, ist für mich etwas anderes. Da besteht Spielraum, und zwar in meinen Augen ein erheblicher, für dich und andere eben nur ein kleiner.


    LG
    B.

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Naja, aber für GiselherHH müßte es Kunst sein - und er lobte das Verschrotten.


    Wenn er das Verschrotten guthieße vor dem Hintergrund, dass er diese Inszenierung nicht als Kunst ansähe, hätte das für mich einen interessanten Ansatzpunkt zum Weiterquatschen ergeben, da dann offenbar nicht jede Inszenierung Kunst gewesen sei und (womöglich) erst durch das Regietheater eine "Kunstwerdung" der Regie stattgefunden hätte, die wiederum ein Eintreten für eine Alternative für die Regietheater-Kunst umso unangreifbarer werden ließe (soweit meine Hintergedanken bei dem Posting).
    :beatnik:



    Da hast Du empfindlich die Achillesferse meines kleinen hämischen Beitrags getroffen. :D


    Aber im Ernst: Das Verschrotten "temporärer Kunst" ist ja völlig normal (es gibt Grenzfälle wie die Fettecken von Beuys etc.). Ich habe kein Problem damit, dass auch die von mir als Kunstwerk definierten Inszenierungen eines Tages verschrottet werden - eine Inszenierung ist nun einmal kein auf Zeitlosigkeit angelegtes Werk.


    Wobei die Zeffirelli-Inszenierungen der MET ja höchstwahrscheinlich ohnehin auf Zelluloid gebannt worden sind, im Gegensatz zu manchen Meisterwerken des "Regietheaters" ;(.



    Viele Grüße


    Bernd

  • Vor etwa 30 Jahren sendete das Hessische Fernsehen einen Vorbericht zur Premiere von Don Giovanni am Staatstheater Kassel. In einer Szene waren alle Protagonisten nackt, was auch im TV gezeigt wurde. So mußte man sich über das Publikumsinteresse keine Sorgen machen. Der Zulauf soll gewaltig gewesen sein. Daß diese Inszenierung die moderne Rezeptionsgeschichte des Don Giovanni wesentlich beeinflusst hätte, läßt sich freilich nicht behaupten.
    Und jetzt bietet ein Regionaltheater erneut kollektive Nacktheit (von den vereinzelten Nackten in diversen Darbietungen nicht zu reden). Die Rechnung geht doch auf. Man kann sich der Aufmerksamkeit gewiß sein - wie gerade auch dieser Thread demonstriert, obwohl öffentliche Nacktheit heutzutage die Schauder des Verbotenen oder gar Obszönen gewiß nicht mehr auslöst. Im übrigen ist der berühmte Herr Kresnik ein, folgt man den Feuilletons, seit Jahren bewährter Provokations-Regisseur (was weiß Gott kein Negativum ist, wenn die Provokation werkfördernde Interpretationen zustande bringt; was aber zur albernen Marotte verkommt, wenn es dabei nur noch um die Selbstverliebtheit des Regisseurs geht, um im Tumult des Publikums baden zu können.) Soweit ich mich der Feuilletons erinnere, ist Herrn Kresniks Karriere gepflastert mit Darbietungen, in denen die Handlungen der angeblich vorgestellten Werke bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt sind. Und seine Vorankündigung bezüglich des Maskenball läßt ja auch jetzt wieder keine Wünsche offen.
    So wäre es vermutlich hrlicher, er würde auf den Theaterzettel des Maskenball schreiben: Handlung von H. Kresnik - Musik von Verdi, der sich nicht mehr wehren kann.



    Florian

  • Zitat

    Original von Zwielicht
    Wobei die Zeffirelli-Inszenierungen der MET ja höchstwahrscheinlich ohnehin auf Zelluloid gebannt worden sind, im Gegensatz zu manchen Meisterwerken des "Regietheaters" ;(.


    Ich sehe schon: Wenn ich beginnen werde, mich für Regietheater zu interessieren, wird es nur noch ein paar schwache Epigonen geben und die großen Meisterwerke (die womöglich jetzt schon der Vergangenheit angehören) kann man dann anhand ein paar Fotos und Bleistiftkritzeleien sich imaginieren, so wie manche Aktionen der wilden Wiener aus den 1960ern.
    :rolleyes:


    Oder wie die alles überragenden Meisterwerke der T'ang-Maler, die nur noch anhand späterer Kopien und nachfolgender Strömungen (etwa der paar Werke der nördlichen Song-Dynastie) erahnbar sind.


    (Was war gleich noch das Thema?)
    :untertauch:

  • Zitat

    Original von florian
    Vor etwa 30 Jahren sendete das Hessische Fernsehen einen Vorbericht zur Premiere von Don Giovanni am Staatstheater Kassel. In einer Szene waren alle Protagonisten nackt, was auch im TV gezeigt wurde. So mußte man sich über das Publikumsinteresse keine Sorgen machen. Der Zulauf soll gewaltig gewesen sein. Daß diese Inszenierung die moderne Rezeptionsgeschichte des Don Giovanni wesentlich beeinflusst hätte, läßt sich freilich nicht behaupten.


    Eine kleine Richtigstellung: nicht die Protagonisten waren damals in Kassel nackt, sondern die Statisterie. Die jungen Leute rissen sich an der Stelle: "Viva la liberta" während des ersten Finales die Kleider vom Leib und tanzten nackt auf der Bühne - "Viva la liberta" hier verstanden als Form der sexuellen Freiheit. Die Inszenierung bot aber wesentlich mehr, als nur diesen verhältnismässig kurzen Ausschnitt, viele der Bilder sind mir auch heute noch gut erinnerlich - die Inszenierung gehört mit zu den interessantesten, die ich vom "Giovanni" gesehen habe.


    Tatsächlich wurde sie nach wenigen Vorstellungen vom Programm genommen, eine Entscheidung des damaligen Intendanten Gian-Carlo del Monaco, die nicht nachvollziehbar ist.


    Die Premiere wurde übrigens heftig gestört, die hier beschriebene Szene ging im Tumult unter. Die Sängerin der Zerlina, Maria Husmann, gab dann dem Dirigenten ein Zeichen, damit dieser den Akt zu Ende brachte - zu hören war von der Musik bis zum Aktschluss nichts mehr.


    Von solchen Erfahrungen geprägt, bin ich immer froh, wenn die Aufführungen störungsfrei bleiben - den Unmut kann das Publikum dann gerne am Ende des Abends adressieren.


    Zitat

    Soweit ich mich der Feuilletons erinnere, ist Herrn Kresniks Karriere gepflastert mit Darbietungen, in denen die Handlungen der angeblich vorgestellten Werke bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt sind


    Das ist so nicht ganz richtig: Kresnik hat auch viele Stücke selbst kreiert - gerade im Bereich des Choreographischen Theaters - ist da also auch der "Autor" der Produktionen, zu denen oft auch eine eigene Musik (z. B. von Serge Weber) komponiert wurde. Verstört haben die Bilder trotzdem, berühmt geworden ist z. B. das Ende seines Tanstheaters "Macbeth", wo Macbeth genau so in der Badewanne liegt wie ein damals bekannter Politiker in einem Genfer Hotel...

  • Zitat

    Erfurth ist eine Kleinstadt


    Auf dieses Stichwort möchte ich doch noch mal eingehen. Mir hat Erfurt sehr gut gefallen, die Stadt hat viel Charme und das frühlingshafte Wetter hat die Menschen auf die zahlreichen Plätze der Stadt getrieben, kleinstädtisch wirkte das nicht.


    Besonders imposant der Domplatz, über dem sich der Erfurter Dom und die direkt danebenliegende Severin-Kirche eindrucksvoll erhebt, erreichbar sind beide über eine grosse, vielstufige Treppe, auf der im Sommer Theater gespielt wird.


    Überhaupt verfügt die Stadt über eine bemerkenswerte Anzahl von Sakralbauten, die heute nicht mehr alle ihrem ursprünglichen Zweck dienen.


    Viele Häuser wurden aufwendig restauriert und zeugen von der Vergangenheit der Landeshauptstadt Thüringens.


    Kleine Flussläufe durchziehen die Stadt, immer wieder kommt man über Brücken auf die jeweils andere Seite des Wassers, man kann die Stadt zu Fuss sehr gut erkunden.


    Einiges spricht für eine gute Lebensqualität in Erfurt. Es gibt viele Angebote aus dem Bereich der Kleinkunst, die Gastronomie ist mit Kneipen, Cafés und Restaurants von einfach bis gehoben erstaunlich gut aufgestellt, da findet jeder das richtige und es gibt viel Grün, Kunst im Stadtbild und eben auch das moderne, noch recht neue Theater, das mir auch architektonisch sehr zugesagt hat.


    Ein Besuch dürfte sich gerade im Sommer wirklich lohnen.

  • Zitat

    Original von Alviano

    Auf dieses Stichwort möchte ich doch noch mal eingehen. Mir hat Erfurt sehr gut gefallen, die Stadt hat viel Charme und das frühlingshafte Wetter hat die Menschen auf die zahlreichen Plätze der Stadt getrieben, kleinstädtisch wirkte das nicht.
    [..]
    Ein Besuch dürfte sich gerade im Sommer wirklich lohnen.


    Ach..das ist Balsam auf die Seele eine geborenen Erfurters :yes: Zwar bin ich natürlich befangen, aber ich halte Erfurt für eine der schönsten Städte (neben Dresen oder Weimar) Ostdeutschlands. Und übrigens auch eine der ältesten mit fast 1300 Jahren. Schön dass es Dir so gut gefallen hat :yes: Aber natürlich noch viel sind wir alle daran interessiert, was Du von der Premiere des Maskenballs zu berichten hast?


    Liebe grüße, der Thomas. :hello:


    P.S.: Beim nächsten theater-besich in Erfurt schlage ich ein Mini-Tamino-Treffen vor und biete mch als stadtführer an :)


    P.P.S.: Zum Thema "Theater" auf den Stufen des Domes: Das ganze nennt sich "Domstufenfestspiele" und zieht mittlerweile ein Publikum aus ganz Deutschland an.. Wenn man sich die Bilder (von den Festspielen des letzten Jahres: Cavalleria Rusticana) betrachtet, kann man erahnen, warum..



    Quelle: http://www.domstufen.de

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  • Hallo!


    Nicht nur Verdi wird ausgezogen - auch Mozart durfte sich des beliebten Spiels erfreuen.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Um diesem Thread einen Abschluss zu geben, hier die Kritik aus wichtigsten lokalen Zeitung, der Thüringer Allgemeinen. Einhellige Meinung: Ein Skandal, der keiner ist.


    Zum Artikel geht es hier lang. (aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur ein Link und kein Zitat des Artikels).


    Liebe Grüße,der Thomas. :hello:

  • Zitat

    Original von Barbirolli
    Nein, im Ernst. Die Mona Lisa oder der Lawrence von Arabien sind unumstößliche Artefakte, auf Leinwand und Zelluloid gebannt. Daran gibt es nichts zu rütteln.
    Eine Oper aber, die durch nachschöpferische Künstler immer wieder neu geformt und gegriffen werden muss, da es sie sonst nur auf dem Papier gäbe, ist für mich etwas anderes. Da besteht Spielraum, und zwar in meinen Augen ein erheblicher, für dich und andere eben nur ein kleiner.


    LG
    B.


    Und selbst die Urheber solcher Opern-Kunstwerke haben, wenn sie sie selbst aufgeführt haben, sich nicht immer an Ihre eigenen Libretti gehalten (siehe meine Hinweise zum Parsifal in Darmstadt, dort steht es sogar im Programmheft). Oder haben Ihre Werke mehrfach umgeschrieben (weil sich die Technik während ihres Lebens weiterentwickelt hatte, und damit neue Möglichkeiten geschaffen hatte!). Wir haben ja heute auch keine dusteren Bühnen (denn da mußten die Theater die Kerzen für bezahlen) und hell erleuchtete Zuschauerräume (denn da zahlte die "Höflichkeit", um gesehen zu werden), sondern freuen uns über elektrisches Licht...


    OK, ich möchte aber hier keine neue Diskussion zu diesem Thema anstoßen...


    Matthias