Haydn schrieb seine 84. Sinfonie in Es-Dur, manchmal mit dem Beinamen "In nomine Domini" (dies schrieb Haydn, der gläubiger Katholik war, auf sehr viele seiner Partituren - warum es hier gerade als Beiname verwendet wird, ist mir nicht bekannt) versehen, im Jahre 1786. Damit zählt sie trotz der Nummerierung zu den späten der Pariser Gruppe, womöglich entstand sie kurz vor der Nummer 86 und wäre damit die 4. im Bunde.
Die Sinfonie kommt relativ unspektakulär daher und fällt im Bekanntheitsgrad hinter den meisten anderen Pariser Sinfonien etwas zurück. Da scheint auch der Beiname nicht helfen zu können, der ohnehin nur selten Verwendung findet. Dennoch ist sie, so empfinde ich es jedenfalls, ein sehr hörenswertes Werk, welches durch geistreiche Einfälle, Kompaktheit, Strahlkraft und subtile Instrumentation besticht. Auffällig ist eine prominente Bläserbesetzung, die sehr gut zur Geltung kommt (die gängigen Bläser Flöte, Oboe, Fagott und Horn doppelt besetzt).
Die Sinfonie besteht aus vier Sätzen in gewohnter Reihenfolge.
1. Largo - allegro
Der erste Satz beginnt mit pompös mit einem Es-Dur-Akkord des kompletten Orchesters. Die Streicher führen die Einleitung in kleinschrittiger Melodik fort. Zwischendurch werden sie von den Bläsern abgelöst. Immer wieder platzen im Forte Akkord hinein. Mit sechs hintereinander folgenden Bs schließt Haydn die Einleitung in der Dominante ab. Motivische Verwandtschaft zum darauf folgenden Sonatensatz scheint mir hier zu weit hergeholt.
Das Allegro, im alla breve-Takt, wird nun von einem charmanten, achttaktigen Thema in den ersten Violinen eröffnet. Ein tänzerischer, motorisch vorwärtstreibender Gestus zeigt sich, der den ganzen ersten Satz bestimmen wird. Einem Dreiklangsmotiv im Forte folgt zunächst die Wiederholung das Themas, anschließend führt es uns durch Sequenzierung in die Dominante. Nun geschieht etwas Außergewöhnliches: Statt eines neuen zweiten Themas beginnen die Bläser alleine mit dem Themenkopf des ersten Themas - die Geigen antworten mit dazu zupfenden Bässen mit dem zuvor erwähnten Dreiklangsmotiv aus der Überleitung. Es wird abkadenziert, doch nicht nach B-Dur: über die Molltonika wird kurzzeitig nach Ges-Dur ausgewichen. Die Exposition endet dann allerdings brav in entschlossenen Forte-Akkorden auf der Dominante.
Weiter geht's in der Durchführung mit dem Hauptthema, wobei Haydn uns zunächst nach Moll und dann in weit entfernte Tonarten (z. B. Des-Dur) führt. Fragende (u.a.) verminderte Akkorde im piano enden in einer Generalpause, die den Hörer nun f-Moll erwarten lässt. Stattdessen dröhnt das Hauptthema nun, erstmals im forte, in F-Dur hinein.
Haydn hält die Spannung bis zum Schluss der Durchführung, spielt viel mit dem Dreiklangsmotiv der Überleitung. Auf fragende Sekundschritte (g-as) der Geigen antworten dieselbigen nun wieder mit dem Hauptthema, wir sind wieder in Es-Dur, also in der Reprise angelangt. Der Satz wird getreu den Regeln der Form zu Ende geführt.
2. Andante
Der zweite Satz steht in B-Dur und ist ein Variationssatz im 6/8-Takt. Eine ruhig dahin fließende Melodie ertönt in den Geigen, deren Ruhe gelegentlich durch Sforzati auf unbetonte Taktzeiten gestört wird. Die Melodie wird von der Bassstimme frei imitiert. Ein achttaktiger A-Teil endet fragend in der Dominante und wird wiederholt. Die ebenfalls zu wiederholende und 8-taktige Antwort führt zurück zur Tonika. Das erinnert von der Form und vom Gestus stark an ein (langsames - barockes?) Menuett. Nur folgt nun kein Trio, sondern eine erste Variation. Haydn vermollt die Melodie, die tieferen Streicher spielen laute Tremoli.
In der dritten Variation wird das Thema figurativ umspielt und eine tänzerische Begleitung kommt hinzu. Hier wechseln sich im zweiten Teil der Variation Bassstimme und Oberstimme in der Melodieführung ab.
Die vierte Variation erscheint laut und triumphierend. Sie ist die letzte und gedehnteste, ein kleines Intermezzo bilden die Bläser, wobei die Flöten mit dem Thema alleine anfangen und nach und nach weitere Bläser und zupfende Streicher hinzutreten. Ganz zum Schluss ertönt das Thema noch einmal zur Hälfte in Originalgestalt und es wird abkadenziert.
3. Menuett, allegretto
Das Menuett ist recht kurz und unscheinbar. Das Trio besteht aus abwärts geführten Skalen und dauert kaum mehr als eine halbe Minute.
4. Finale, vivace
Das lebhafte Finale übernimmt den tänzerischen, vorwärtstreibenden Gestus des 1. Satzes. Zwar handelt sich es um offensichtlich um einen Sonatenhauptsatz, aber ein wirkliches zweites Thema konnte ich nicht finden. Auf der Dominante angelangt wird wieder mit dem Material des Hauptthemas herumgespielt, allerdings nicht als abgeschlossener Abschnitt wie im 1. Satz, eher wird die Spannung der Überleitung gehalten und anschließend in lauten und virtuosen Läufen die Exposition zum Ende gebracht. Die Durchführung beginnt ebenfalls analog zum Kopfsatz mit dem Hauptthema auf der vorher erreichten Dominant, welches in Moll mündet. Dann moduliert Haydn in die Subdominante As-Dur und das Thema erscheint erneut. Es dauert noch ein wenig, bis Haydn fertig ist mit seinem Material, er spielt mit Motiven herum, weicht in diverse (Moll-)Tonarten aus und beendet die Durchführung schließlich mit einem chromatischen Gang abwärts. Turbulent wird die Sinfonie zu Ende geführt, bis zum Schluss verarbeitet Haydn weiter das Material - erneut erstaunt Haydn dadurch, dass er es schafft, über 6 Minuten hinweg allein mit dem Material eines simplen Kehraus-Themas den Hörer immer wieder zu überraschen.
Bezüglich der Aufnahmen muss ich gestehen, dass ich nur diejenige aus der Fischer-Box besitze. Ich empfinde sie aber als sehr lebendig und frisch, was vielleicht auch daran liegen könnte, dass sie etwas später aufgenommen wurde als die übrigen, bekannteren Pariser Sinfonien.