Rafael Frühbeck de Burgos,

  • oder wie ich lernte ein Orchester zu lieben.


    Bevor nun also der Feuilleton die Feder spitzt, möchte ich meine davon unbeeinflussten Eindrücke
    über das gestrige Konzert der Dresdner Philharmonie in Linz kundtun.


    Der erste Eindruck des Orchesters ist meist der wichtigste, und so fiel mir der nur sehr kurze Zeitraum zwischen dem Auftreten der ersten Musiker auf der Bühne bis zum Einnehmen der Sitzpositionen und dem Eintreffen des Maestros auf.
    Kein langes Einstimmen und Sesselgerücke, Frühbeck de Burgos und der Chellist erschienen, ein kurzes Erheben des Orchesters, und kaum saßen alle, ging es auch schon los, der Einsatz zu Strauss' Don Quixote kam auf der Eins und beinahe überfallsartig.


    Das solistische Spiel des asiatischen Chellisten war eines der kräftigeren Sorte, recht harte Bogenstriche und stets hohe Dynamik, jedoch souveräne Flageolett Einlagen ohne unangenehm zu werden.
    Die Solobratischistin hatte dennoch keine Mühe, ihm Paroli zu bieten, erschien mir aber ausgewogener und wenn man möchte eben femininer.
    Die anfänglichen Intonationsprobleme des Konzertmeisters beim Violinsolo in dem komplexen Werk waren dann aber auch schon der einzige Kritikpunkt, doch ich eile vor.
    Wohlklang aller Orten, spontane Reaktionen auf ein für mich sehr klares und verständliches (auswendiges!) Dirigat, und wohl am Auffälligsten die dynamischen Differenzierungen. Da kamen Einsätze aus dem Nichts, fantastisch die Hornsektion, die Flötisten, nie aufdringliche, aber omnipräsente Trompeten, welche vor allem durch perfekte Intonation und lyrische Gestaltung der oft hohen Pianissimostellen bestachen.
    Selten habe ich darüber hinaus eine so energiegeladene Kontrabassabteilung erleben dürfen, dies gilt für den gesamten Konzertabend.
    Beinahe lustig der Abstieg der Tuba in tiefste Lagen, um darauf vom Kontrafagott um eine geschätze Oktave "unterboten" zu werden.
    Strauss' Werk eröffnete sich infolge des präzisen und oft federleichten Zusammenspiels und der akkuraten Einsätze auch mir, wo ich mich mit diesem Werk vorher nicht bewusst vertraut gemacht habe.
    Spontan aufbrandender Applaus nach dem Schlussakkord, vielleicht - wieder einmal - einen Deut zu früh.


    Abermals kam der Einsatz zu Beethovens Eroica nach der Pause auf der Eins, und vom ersten Takt an war klar, dass sich hier zwei Meister gefunden hatten.
    Der wie in Trance durch die Symphonie leitende, wenig ausufernde und die linke Hand sparsam einsetzende Frühbeck de Burgos, und ein unvermittelt wie am Gummiband gezogen auf seine Instruktionen reagierender Klangkörper.
    Spätestens jetzt entpuppte sich die meisterliche Klasse der Hörner, der junge erste Hornist blies die diffizilen, schnellen und vor allem hohen Einsätze mit einer Leichtigkeit, welche so manchen gelernten seines Faches die Schamesröte ins Gesicht treiben könnte.
    Majestätisch ist wohl der beste Ausdruck für das Trompetenspiel, ich möchte sagen dass wenn es heute noch eine Dresdner Schule und ein Klangideal gibt, dieses gestern auf eindrucksvolle Weise vermittelt wurde!
    Dass man sowohl dunkel und satt in der unteren Lage, und prachtvoll brillant in den hohen Lagen spielen kann, ohne jemals enervierend aufzufallen, ist wahre Kunst und nicht nur in Österreich selten zu erleben.
    Abermals und vielleicht noch eine Spur deutlicher kamen die dynamischen Wechsel zu Tage, im Fortissimo wurde augenscheinlich dass es einer wohl sehr guten HiFi Anlage bedarf, um diese Wucht in den eigenen vier Wänden nachzuvollziehen - falls man das überhaupt möchte.
    Und das Alles geschah immer in Wohlklang und ohne dass ein Register zu aufdringlich wurde.


    Lange anhaltender Applaus, vereinzelte Bravorufe, leider blieb das Publikum in den Sitzen, das Orchester hätte sich nach diesen vermittelten Emotionen mehr verdient.


    Die Ankündigung der Encore vermochte ich nicht zur Gänze zu verstehen, so nahm ich nur "Aus der Spanischen Oper...spielen wir das Intermezzo!" wahr.


    Davon kann man nun halten was man will und es ist in der Tat starker Tobak auf Beethoven folgend, doch, mit welchem Feuer musiziert!
    Flirrende Bögen, fetziges, dennoch dafür exakt passendes Blech, perlende Flötenläufe, ein Hauch von Vibrato beim Trompetensolo, jedoch hier angebracht und passend.
    Diesmal Bravorufe mit größerer Vehemenz, nach der zweiten, abermals "spanischen" Draufgabe dann auch andauerndes Getrampel auf der Empore.


    Den Spaziergang zum Auto in der 7°C warmen Föhnluft brauchte ich zum Durchatmen, nachdem es mir einige Male den Atem verschlug ob dieser Darbietungen.
    Das Wissen, dass ich einem einzigartigen Konzerterlebnis mit einem Weltklasseorchester beiwohnen durfte, und dass es nicht immer ein Fehler sein muss, einen Chefdirigenten zu haben und diesen zu kennen, trat spontan ein.

  • Hallo,
    danke für Deinen Bericht, der sehr aufschlußreich ist.
    Mich würden die Namen des asiatischen Chellisten und der femininen Bratischistin interessieren.


    Vielen Dank,
    Michael

  • Zitat

    Original von Wiener Klang
    Christina Biwank | Viola


    Mit dieser Dame (und Dirigent und Orchester) gibt es eine CD mit ähnlichem Programm - vielleicht ein blasser Ersatz für dieses Konzerterlebnis. (Sie spielt mit, auch wenn es nicht vorne deraufsteht.)



    ... und hier noch der jpc-link (das große Bild ist eindeutig besser, auch wenn man da nur den schönen anderen Cellisten sehen kann):


  • Jian Wang ist in der Tat ein außergewöhnlich toller Cellist.

    Zitat

    Habe es ergoogelt, da es keine Folder mehr gab:


    Gab es kein Programmheft? ?(


    Danke für die impfo,


    Michael


    P.S. kann es sein, daß Prof. Wolfgang Hentrich die Solo-Violine spielte?
    Den kenne ich nämlich, er ist ein herausragender Geiger und äußerst symphatisch.

  • Zitat

    Original von Michael Schlechtriem
    ...
    Gab es kein Programmheft? ?(
    .


    Naja, wenn man infolge Verkehrschaos am letzten Drücker eintrifft...


    Zitat

    Original von Michael Schlechtriem
    P.S. kann es sein, daß Prof. Wolfgang Hentrich die Solo-Violine spielte?
    Den kenne ich nämlich, er ist ein herausragender Geiger und äußerst symphatisch.


    Konzertmeister bei Strauss war wohl Prof. Ralf-Carsten Brömsel, wie ich dem Foto der Musikhochschule gerade entnehme.

  • Zitat

    Original von Wiener Klang
    oder wie ich lernte ein Orchester zu lieben.


    Das Wissen, dass ich einem einzigartigen Konzerterlebnis mit einem Weltklasseorchester beiwohnen durfte, und dass es nicht immer ein Fehler sein muss, einen Chefdirigenten zu haben und diesen zu kennen, trat spontan ein.


    Hallo "Wiener Klang"


    auch von mir ein herzliches Dankeschön für Deinen Beitrag! Ich habe in den letzen Jahren ein gutes Dutzend an Konzerten mit diesem Orchester gehört- viele davon natürlich unter de Burgos (und leider auch einige schöne versäumt)- und ich teile Deine Meinung zu Orchester und Dirigent. Hier in Dresden steht die Philharmonie ja immer etwas im Schatten der Staatskapelle, die hier (völlig zurecht), die unumstrittene" Nr.1" ist. Schwer zu sagen, ob das eher Fluch oder Segen ist, denn sicher ist die "Konkurenz" auch Ansporn für hervorragende Leistung ebenso wie für interessante Programme. Und auch, wenn die Streicher der Staatskapelle immer doch deutlich überlegen waren, so sind (und waren), gerade die Bläser doch immer (fast) auf Augenhöhe (und genauso, wie Du es beschreiben hast, habe ich es auch schon oft im Konzert gehört). Meiner Meinung hat auch die Philharmonie, seit R. de Burgos 2004 Chefdirigent wurde, nocheinmal deutlich ihre Leistung steigern können, und so verdanke ich diesem Orchester seitdem auchviele außergewöhnliche Konzerterlebnisse. Übrigends hatte ich öfters den Eindruck, das die Leistung dieses Orchester stärker vom Dirigenten abhängig ist, als bei anderen Klangkörpern. Steht ein mittlermäßiger Dirigent am Pult spielen sie solide, steht aber ein großartiger Dirigent am Pult, dann spielen sie auch "weltklasse" (im Vergelich dazu kann die Staka z.B. auch ein Konzert notfalls "selber dirigieren").
    Einige Konzerte der letzen Jahre wurden übrigends als Mitschnitt auf CD herausgebracht (z.B. STRAUSS Alpensinfonie). Diese CDs scheint es aber nicht offiziel im Handel zu geben (amazon oder jpc), haben mir aber-soweit ich sie kenne- auch nicht immer gefallen, besonders auch wegen der eher schlechten Akustik im eigenen Haus ("Dresdner Kulturpalast").


    PS. Allerdings bedeutet für mich Dein schöner Beitrag auch einen kleinen "Wermuthstropfen". Ich habe ja im Thread zu Konzerterlebnissen bereits einige Beiträge zu Konzerten der Philharmonie geschrieben, die ich demnächst- wofür ich hier ja bereits geworben hatte- in einem eigenen "Philharmonie-Thread" zusammenfassen wollte. Dabei hätte ich ja immer auch mal auf einen Beitrag eines Auswärtigen gehofft, die dann das Bild diese Orchesters noch besser abrunden. da ist wohl die erste Chance vertan...
    ;(


    Gruß pt_concours

    Hören, hören und nochmals hören: sich vertraut machen, lieben, schätzen.
    Keine Gefahr der Langeweile, im Gegensatz zu dem, was viele glauben, sondern vielmehr Seelenfrieden.
    Das ist mein bescheidener Rat. (S. Richter, 1978)

  • Zitat

    Original von pt_concours
    ...
    Einige Konzerte der letzen Jahre wurden übrigends als Mitschnitt auf CD herausgebracht (z.B. STRAUSS Alpensinfonie). Diese CDs scheint es aber nicht offiziel im Handel zu geben (amazon oder jpc), haben mir aber-soweit ich sie kenne- auch nicht immer gefallen, besonders auch wegen der eher schlechten Akustik im eigenen Haus ("Dresdner Kulturpalast").
    ...
    Gruß pt_concours


    http://www.genuin.de/de/04_d.php?k=65


    http://www.genuin.de/de/04_d.php?k=53


    Tipp: in mp3 - Samples renhören!


    :yes:

    Einmal editiert, zuletzt von Wiener Klang ()

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  • Hallo,


    vielen Dank für den Hinweis! Das war mir bisher wirklich entgangen.
    :untertauch:
    Jetzt bin ich auch unsicher, ob die CDs wirklich als Live-Miitschnitt im Kulturpalast entstanden sind. Wer es besser weiss, korrigiere mich bitte.
    Ich hoffe, Du wirst über die Box berichten. (und ich müsste die CDs nochmal aus der Bibo ausleihen)


    Gruß pt_concours

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  • Für die Alpensinfonie kann ich's zufälligerweise grade bestätigen, dass die Aufnahme ein Live-Mitschnitt aus dem Kulturpalast ist, weil ich's gerade letzte Woche erst aus berufenem (d.h. Philharmoniker-)Mund gehört habe.


    Das muss aber deswegen durchaus nicht für die übrigen Aufnahmen gelten. Offenbar macht auch für die Philharmonie oft Aufnahmen in der Lukaskirche (das ist hier in Dresden der übliche Aufnahmeort für CD-Produktionen, wenn ich mich nicht irre - korrigiere mich bitte, pt_concours, wenn ich da falsch liege).


    Viele Grüße,


    bachiana
    (ebenfalls ein leidenschaftlicher Philharmoniefan) :lips:


  • Hallo bachiana,


    Danke für Deine Informationen! Kennst Du die CDs? (Du kannst einige in Dresden in den Bibliotheken ausleihen).
    Ja, in der Dresdner Lukaskirche dürften wohl wirkliich ca. 90% der Dresdner Aufnahmen entstehen- und wahrscheinlich nicht nur der Dresdner...
    Schön, dass Du auch Philharmonie-Fan bist, vielleicht sieht man sich mal im Konzert...


    :hello:


    Gruß pt_concours


    @Michael: ich fand Deinen Beitrag nicht so schlecht, dass man ihn komplett löschen musste...Das Du mit Deiner Vermutung falsch lagst war auch nicht tragisch. Zumal ich gar nicht weiß- ob man nicht in einem Saal der für die Zuhörer weniger schön klingt, nicht durch eine geschickte Mikrofonierung noch einiges "herausholen" kann... (optimal, bleibt natürlich ein Saal der immer gut klingt...)

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  • Hallo pt_concours,

    Zitat

    ob man nicht in einem Saal der für die Zuhörer weniger schön klingt, nicht durch eine geschickte Mikrofonierung noch einiges "herausholen" kann...


    aber natürlich, ich hatte selber mal mit einem Freund ein Tonstudio und weiß, daß man da tricksen kann.


    Genuin nimmt normalerweise im Gewandhaus, in der Oekter-Halle Bielefeld und anderen sehr gut klingenden Sälen auf, deshalb war ich mir sicher.


    War wohl nicht notwendig, alles löschen zu lassen, aber mir war es ein wenig peinlich.........


    Der Tonmeister von Genuin, den ich persönlich kenne, ist jedenfalls spitzenmäßig, die Firma hat aufnahmetechnisch einen äußerst hohen Anspruch.


    :D :hello:


    Michael

  • SO 25.03. in der Kölner Philharmonie


    Dresdner Philharmonie
    Dirigent: Rafael Frühbeck de Burgos


    C.M. von Weber: Ouvertüre zur Oper "Oberon"
    J. Brahms: Variationen über ein Thema von Joseph Haydn B-Dur op. 56a
    L. v. Beethoven: 3. Sinfonie Es-Dur op. 55 "Eroica"