oder wie ich lernte ein Orchester zu lieben.
Bevor nun also der Feuilleton die Feder spitzt, möchte ich meine davon unbeeinflussten Eindrücke
über das gestrige Konzert der Dresdner Philharmonie in Linz kundtun.
Der erste Eindruck des Orchesters ist meist der wichtigste, und so fiel mir der nur sehr kurze Zeitraum zwischen dem Auftreten der ersten Musiker auf der Bühne bis zum Einnehmen der Sitzpositionen und dem Eintreffen des Maestros auf.
Kein langes Einstimmen und Sesselgerücke, Frühbeck de Burgos und der Chellist erschienen, ein kurzes Erheben des Orchesters, und kaum saßen alle, ging es auch schon los, der Einsatz zu Strauss' Don Quixote kam auf der Eins und beinahe überfallsartig.
Das solistische Spiel des asiatischen Chellisten war eines der kräftigeren Sorte, recht harte Bogenstriche und stets hohe Dynamik, jedoch souveräne Flageolett Einlagen ohne unangenehm zu werden.
Die Solobratischistin hatte dennoch keine Mühe, ihm Paroli zu bieten, erschien mir aber ausgewogener und wenn man möchte eben femininer.
Die anfänglichen Intonationsprobleme des Konzertmeisters beim Violinsolo in dem komplexen Werk waren dann aber auch schon der einzige Kritikpunkt, doch ich eile vor.
Wohlklang aller Orten, spontane Reaktionen auf ein für mich sehr klares und verständliches (auswendiges!) Dirigat, und wohl am Auffälligsten die dynamischen Differenzierungen. Da kamen Einsätze aus dem Nichts, fantastisch die Hornsektion, die Flötisten, nie aufdringliche, aber omnipräsente Trompeten, welche vor allem durch perfekte Intonation und lyrische Gestaltung der oft hohen Pianissimostellen bestachen.
Selten habe ich darüber hinaus eine so energiegeladene Kontrabassabteilung erleben dürfen, dies gilt für den gesamten Konzertabend.
Beinahe lustig der Abstieg der Tuba in tiefste Lagen, um darauf vom Kontrafagott um eine geschätze Oktave "unterboten" zu werden.
Strauss' Werk eröffnete sich infolge des präzisen und oft federleichten Zusammenspiels und der akkuraten Einsätze auch mir, wo ich mich mit diesem Werk vorher nicht bewusst vertraut gemacht habe.
Spontan aufbrandender Applaus nach dem Schlussakkord, vielleicht - wieder einmal - einen Deut zu früh.
Abermals kam der Einsatz zu Beethovens Eroica nach der Pause auf der Eins, und vom ersten Takt an war klar, dass sich hier zwei Meister gefunden hatten.
Der wie in Trance durch die Symphonie leitende, wenig ausufernde und die linke Hand sparsam einsetzende Frühbeck de Burgos, und ein unvermittelt wie am Gummiband gezogen auf seine Instruktionen reagierender Klangkörper.
Spätestens jetzt entpuppte sich die meisterliche Klasse der Hörner, der junge erste Hornist blies die diffizilen, schnellen und vor allem hohen Einsätze mit einer Leichtigkeit, welche so manchen gelernten seines Faches die Schamesröte ins Gesicht treiben könnte.
Majestätisch ist wohl der beste Ausdruck für das Trompetenspiel, ich möchte sagen dass wenn es heute noch eine Dresdner Schule und ein Klangideal gibt, dieses gestern auf eindrucksvolle Weise vermittelt wurde!
Dass man sowohl dunkel und satt in der unteren Lage, und prachtvoll brillant in den hohen Lagen spielen kann, ohne jemals enervierend aufzufallen, ist wahre Kunst und nicht nur in Österreich selten zu erleben.
Abermals und vielleicht noch eine Spur deutlicher kamen die dynamischen Wechsel zu Tage, im Fortissimo wurde augenscheinlich dass es einer wohl sehr guten HiFi Anlage bedarf, um diese Wucht in den eigenen vier Wänden nachzuvollziehen - falls man das überhaupt möchte.
Und das Alles geschah immer in Wohlklang und ohne dass ein Register zu aufdringlich wurde.
Lange anhaltender Applaus, vereinzelte Bravorufe, leider blieb das Publikum in den Sitzen, das Orchester hätte sich nach diesen vermittelten Emotionen mehr verdient.
Die Ankündigung der Encore vermochte ich nicht zur Gänze zu verstehen, so nahm ich nur "Aus der Spanischen Oper...spielen wir das Intermezzo!" wahr.
Davon kann man nun halten was man will und es ist in der Tat starker Tobak auf Beethoven folgend, doch, mit welchem Feuer musiziert!
Flirrende Bögen, fetziges, dennoch dafür exakt passendes Blech, perlende Flötenläufe, ein Hauch von Vibrato beim Trompetensolo, jedoch hier angebracht und passend.
Diesmal Bravorufe mit größerer Vehemenz, nach der zweiten, abermals "spanischen" Draufgabe dann auch andauerndes Getrampel auf der Empore.
Den Spaziergang zum Auto in der 7°C warmen Föhnluft brauchte ich zum Durchatmen, nachdem es mir einige Male den Atem verschlug ob dieser Darbietungen.
Das Wissen, dass ich einem einzigartigen Konzerterlebnis mit einem Weltklasseorchester beiwohnen durfte, und dass es nicht immer ein Fehler sein muss, einen Chefdirigenten zu haben und diesen zu kennen, trat spontan ein.