Jaromír Weinberger (1896-1967):
ŠVANDA DUDÁK
(SCHWANDA, DER DUDELSACKPFEIFER)
Volksoper in zwei Akten (5 Bildern) - Libretto von Milos Kares
Uraufführung am 27. April 1927 in Prag
Deutsche Erstaufführung 1928 in Breslau - Text von Max Brod
PERSONEN DER HANDLUNG
Schwanda (Bariton)
Dorota, seine Frau (Sopran)
Babinsky, Räuber (Tenor)
Königin (Mezzosopran)
Magier (Baß)
Richter (Tenor)
Scharfrichter (Tenor)
Teufel (Baß)
Teufels Famulus (Tenor)
Höllenhauptmann (Tenor)
Zwei Landsknechte (Tenor und Baß)
Chor: Volk, Gefährtinnen der Königin, Soldaten und Höllengeister
Die Handlung spielt in Böhmen zu märchenhafter Zeit
INHALTSANGABE
ERSTER AKT
Erstes Bild: Schwandas Hütte abseits eines Dorfes.
An Schwandas Tür pochen zwei Soldaten, die auf der Suche nach dem Räuber Babinsky sind. Schwandas Frau Dorota behauptet, nichts zu wissen. Kaum sind jedoch die beiden Soldaten verschwunden, schwingt sich der Gesuchte aus der Krone der Linde herab und macht der schönen Frau Avancen. Als er erfährt, daß Dorota die Ehefrau des Dudelsackpfeiers Schwanda ist, kann er seine Enttäuschung nicht verbergen.
In diesem Moment kommt Schwanda auf die Szene und Babinsky versucht, in ihm die Lust auf die große weite Welt zu wecken, die er sich mit seiner Musik erobern müsse. Dann preist er sein Räuberleben, dessen einziger Sinn doch sei, den Reichen zu nehmen, um es den Armen zu geben. Als nächstes erzählt er von der Königin mit dem Eisherzen, die sich seit langer Zeit in der Gewalt eines Magiers befinde und seither kein Lachen mehr gezeigt habe. Als Dorota mit dem Essen aus der Hütte tritt, sind die beiden längst verschwunden. Dorota beschließt, beiden zu folgen; sie will ihren Mann auf keinen Fall verlieren.
Zweites Bild: Gemach der Königin im Palast.
Die Königin beschwört den Magier, ihr die Heiterkeit und das warmfühlende Herz zurückzugeben, der Magier denkt jedoch nicht daran. Plötzlich hört man von draußen die Töne eines Dudelsacks und sofort stellt sich Fröhlichkeit ein. Dann tritt Schwanda ins Gemach, von der Königin aufgeregt begrüßt. Sie bittet ihn, zu bleiben und verspricht ihm sogar, seine Frau zu werden, weil sie von ihm die Befreiung aus magischer Gefangenschaft erhofft. Wütend entfernt sich der Zauberer. Umgehend wird auf Anordnung der Königin die Vermählung mit dem Dudelsackspieler vorbereitet. Gerade in dem Augenblick, da Schwanda die Königin küßt, kommt der Magier mit Dorota ins Gemach. Als die Königin die Wahrheit über Schwanda und Dorota erfährt, ordnet sie aufgebracht die Einkerung und den Tod des böhmischen Musikanten an.
Drittes Bild: Vorhof des Palastes.
Schwanda wird zum Schafott geführt und erbittet als letzte Gunst von der Königin sein Instrument aus, das der Magier jedoch, wissend um die ihm innewohnende Zauberkraft, an sich genommen und versteckt hat. Babinsky hat inzwischen das Henkerschwert mit einem Strohbesen vertauscht, der zum Gelächter der umstehenden Menge auf Schwandas Nacken niederfährt. Der Räuber hat auch das Instrument gefunden und kann es dem Musiker zukommen lassen, der es sofort spielt und dadurch das Volk aus dem Palasttor drängt, das Babinsky sofort verschließt.
Dorota tritt auf Schwanda zu und macht ihm bittere Vorwürfe wegen seiner Untreue. Doch der behauptet, er habe die Königin nicht geküßt und wenn ihn - der Teufel hole! Das Wort ist kaum ausgesprochen, da schlägt eine Flamme aus dem Boden und Schwanda versinkt im Boden. Babinsky verspricht der verzweifelten Dorota, ihren Mann aus der Hölle zurückzuholen.
ZWEITER AKT
Viertes Bild: Die Hölle.
Der Teufel ist wütend, weil er keinen Partner für sein geliebtes Kartenspiel hat. Aus lauter Langeweile bittet er Schwanda, ihm seinen Dudelsack zu leihen; es gelingt ihm aber nicht, dem Instrument einen richtigen Ton zu entlocken. Schwanda wiederum weigert sich beharrlich, zu spielen. Da er noch nicht unter das Höllengesetzt fällt, kann Teufel nichts ausrichten. Darauhin spielt der seine Zauberkünste aus und läßt Dorota als ein lockendes Phantom erscheinen; er sagt dem Musikanten, sie gehöre ihm, wenn er das „Gesetze der Hölle“ unterschreibe. Weil Schwanda seine Frau liebt und für sie alles tun würde, unterschreibt er das Papier ohne Bedenken. Als er den Betrug merkt, ist es zu spät: Der Teufel hat ihm seine unsterbliche Seele abgegaunert. Und jetzt ruft er alle Höllengeister herbei, um Schwanda zum Spielen zu zwingen.
Da erscheint Babinsky und Schwanda muß feststellen, daß man den Räuber dort ganz gut kennt, denn er wird mit großem Hallo begrüßt. Und der listige Babinsky schafft es sogar, den Teufel zur einer Kartenpartie zu überreden, in der Schwandas Seele als Preis dient. Beide einigen sich auf ein ehrliches Spiel (das der Teufel aber keinesfalls zu spielen bereit ist!) und Babinsky gelingt es, Satan als Falschspieler zu entlarven; die gewinnbringenden Karten waren nämlich im Stiefelschaft des Teufels versteckt. Widerstrebend gibt der Höllenfürst Schwanda frei und der spielt zum Dank dem Teufel zum Tanz auf (Weinberger schreibt eine wahre Teufelsfuge), die das ganze Höllenpersonal in immer wilderen Taumel versetzt.
Fünftes Bild: Schwandas Hütte, wie im ersten Bild.
Schwanda eilt mit Babinsky auf seine Hütte zu und freut sich auf das Wiedersehen mit Dorota. Babinsky vermag dem Musikanten aber einzureden, daß seine Frau während seines Höllenaufenthaltes eine steinalte Frau geworden sei. Außerdem, dabei zeigt er auf Schwandas schneeweißen Bart, sei er selbst schon ein alter Mann. Der erschrockene und ungläubige Dudelsackpfeifer will schon mit dem Räuber wieder umkehren, da tritt Dorota, jung und schön wie immer, aus der Hütte und beide Eheleute fallen sich in die Arme. Babinsky muß sich damit abfinden, keine ausreichenden Zauberkünste und in der Liebe kein Glück zu haben. Die Dorfbewohner eilen herbei und Dorotas Heimatlied beendet die Oper.
INFOMATIONEN ZU KOMPONIST UND WERK
Jaromir Weinberger ist ein amerikanischer Komponist tschechischer Herkunft; geboren wurde er am 8. Januar 1896 in Prag, gestorben ist er am 8. August 1967 in St. Petersburg, Florida.
Als der Knabe fünf Jahre alt war, kam ein Klavier in die Wohnung und seine Eltern sorgten trotz mancher finanziellen Engpässe für eine gute musikalische Ausbildung. Mit neun Jahren bekam Jaromir Stunden bei Jaroslav Křička; als der jedoch bald darauf Prag verließ, traten Václav Talich und Rudolf Karel als Nachfolger hinzu. Seinen ersten öffentlichen Auftritt hatte Jaromir Weinberger 1906 in Prag: bei dieser Gelegenheit leitete er einen Kinderchor, der eine Chorbearbeitung eines seiner Lieder sang; 1907 folgte dann ein Auftritt im Prager Rudolfinum.
Nach Grundschule und anschließendem Gymnasium bestand Weinberger mit 14 Jahren die Aufnahmeprüfung am Prager Konservatorium und wurde in die Kompositionsklasse von Vítězslav Novák und die Klavierklasse von Karel Hoffmeister aufgenommen. 1913 schloß er sein Kompositionsstudium mit der Aufführung einer Klaviersonate sowie einer „Lustspiel-Ouvertüre“ im Rudolfinum ab; 1915 erfolgte dann das Examen im Fach Klavier. Im gleichen Jahr ging er zu Max Reger nach Leipzig, bei dem er bis zu dessen Tod 1916 studierte. Nach Prag zurückgekehrt, arbeitete Weinberger als Komponist, Pianist und Dirigent. Es entstanden Bühnenmusiken für verschiedene Theater und Lieder für das Kabarett „Rote Sieben“.
1922 entschloß sich Weinberger, ein Angebot als Kompositions- und Theorielehrer nach Ithaka (New York) anzunehmen. Wegen seiner schlechten Sprachkenntnisse kehrte er aber nach nur einem Jahr in die Heimat zurück. Am Slowakischen Nationaltheater in Bratislava erhielt er eine Anstellung als Dramaturg und schrieb für den befreundeten Dramatiker Arne Dvořák Bühnenmusiken. Zudem entstand seine erste Oper „Kocourkov“ (Schilda), die in Wien aufgeführt wurde. Kurze Zeit war er danach Lehrer am Konservatorium in Cheb/Eger.
Nach Prag zurückgekehrt entstand in Zusammenarbeit mit dem Librettisten Miloš Kareš die Oper „Schwanda, der Dudelsackpfeifer“, mit der er unter Rückgriff auf die romantische Volksoper des 19. Jahrhunderts eine neue tschechische Oper verwirklichen wollte. Die Uraufführung 1927 im Nationaltheater in Prag war ein sensationeller Erfolg. Nach einer Überarbeitung fand das Werk schnell internationale Verbreitung, so etwa in Breslau (1928), Prag (1929), München, Dresden, Bremen, Frankfurt am Main, Darmstadt, Leipzig, Berlin, Straßburg, Wien (1930 Staatsoper, Leitung Clemens Krauss), New York (1931 Met), London (1934 Covent Garden) und Buenos Aires (Teatro Colón). Bis 1931 wurde die Oper über 2000 Mal aufgeführt und in zahlreiche Sprachen übersetzt.
Die Münchner Aufführung von 1929 brachte Weinberger einen Kompositionsauftrag für eine Oper durch den Dirigenten Hans Knappertsbusch ein. So entstand „Die geliebte Stimme“, die 1931 uraufgeführt wurde, ohne jedoch viel Anerkennung zu finden. Ähnlich war es mit „Die Ausgestoßenen von Pokerflat“ (1932 Brünn) und „Wallenstein“ (1937 Wien).
1933 kam Weinbergers erste Operette „Frühlingsstürme“, auf einen Text von Gustav Beer in Berlin mit Richard Tauber und Jarmila Novotná erfolgreich heraus. Die Machtübernahme der Nazis in Deutschland setzte Weinbergers Erfolgen aber ein Ende. Er schrieb weitere Operetten, die zwar mit großem Erfolg in Prag aufgeführt wurden, sein eigentliches Interesse galt aber der Oper. Vor allem in seiner Heimat fühlte sich Weinberger nicht richtig beachtet. „Schwanda, der Dudelsackpfeifer“ wurde dort vergleichsweise selten aufgeführt, der Komponist führte dieses Desinteresse auf den Antisemitismus seiner Landsleute zurück.
Infolge der politischen Ereignisse floh Weinberger, der seit 1929 in Baden bei Wien, dann zeitweise im französischen Cagnes und schließlich in Modřany bei Prag gewohnt hatte, im Herbst 1938 mit seiner Frau Hansi zunächst nach Frankreich und von dort aus in die USA. In den Vereinigten Staaten hatte man an Weinbergers Werken jedoch kein Interesse. Einer der wenigen Erfolge war 1939 noch die Aufführung von „Under the Spreading Chestnut Tree, Variations and Fugue on an Old English Tune“ durch John Barbirolli und das New York Philharmonic Orchestra.
Das Problem für die Weinbergs waren die restriktiven Bestimmungen für Emigranten in den USA: Da ihm seine Tantiemen nicht ausgezahlt wurden und seine Frau keine Arbeitserlaubnis erhielt, gerieten sie in finanzielle Bedrängnis. In dieser Situation verstärkten sich Depressionen, die sich schon früher gezeigt hatten. Zunächst zogen die Weinbergers, dem ungünstigen New Yorker Klima zu entfliehend, im Sommer nach Far Rockaway (New York), später dann nach Fleischmans (NY).
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erfuhr Weinberger, daß seine Mutter und die Schwester Bedřiška von den Nazis ermordet worden waren. Auch die finanzielle Situation besserte sich nicht, da seine Tantiemen immer noch einbehalten wurden. Problematisch gestaltete sich zudem die Zusammenarbeit mit den Verlagen, da die Universal Edition seine Werke kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs an Boosey & Hawkes verkauft hatte. Nach einiger Zeit erhielten die Weinbergers jedoch einen regelmäßigen Scheck vom amerikanischen Vertreter der Universal Edition, den Associated Music Publishers, mit dem sie dann ihren Lebensunterhalt in Fleischmans bestreiten konnten.
1948 erhielten sie die US-amerikanische Staatsbürgerschaft und zogen nach Florida. Mit Hilfe einer Kompensation für nicht ausgezahlte Tantiemen konnten sie in St. Petersburg ein Fertighaus bauen und in den Jahren 1956-1963 jeweils im Sommer nach Europa reisen. In St. Petersburg entstanden eine Reihe von Kompositionen, darunter das „Préludes religieux et profanes“, das von Boosey & Hawkes verlegt wurde. Weitere Werke veröffentlichte Weinberger im Selbstverlag. Auch in seinen in den USA entstandenen Werken verarbeitete der Komponist weiterhin tschechische, österreichische, aber auch amerikanische Volksmusik. Bei seinen Kompositionen aus den späten 1940er und 1950er Jahren handelt es sich vorwiegend um geistliche Werke, daneben entstanden Stücke für den Unterricht. Aufgeführt wurden seine Werke nur selten.
Nach dem Mißerfolg seines „Ave“ gab Weinberger, der zuvor bereits einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte und sich stationär behandeln lassen mußte, das Komponieren endgültig auf. Es folgten ein vollständiger Rückzug aus der Öffentlichkeit, ein Herzinfarkt und Depressionen. Nach verschiedenen Klinikaufenthalten nahm sich Jaromir Weinberger 1967 mit Schlaftabletten das Leben.
© Manfred Rückert für TAMINO-Opernführer 2010
unter Verwendung von
Reclams Opernführer 1951
Brockhaus-Riemann Musiklexikon
Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit