Selten hörte ich das Walkürenoktett so prächtig mit den Hojotohos zu Beginn des dritten Aufzugs. Da sie alle gleich gekleidet waren, ließen sie sich aus der Ferne schwer unterscheiden, mir blieben allerdings die Gesichter und Stimmen von Hellen Kwon (Gerhilde), Gabriele Rossmanith (Ortlinde) sowie von Katja Pieweck (Siegrune) in Erinnerung, aber auch die fünf anderen klangen ausgezeichnet: Julia Maria Dan (Helmwige), Nadezhda Karyazina (Waltraute), Dorottya Lang (Rossweiße), Ann-Beth Solvang (Grimgerde) und Marta Swiderska (Schwertleite). Besonders der mehr getragen als im Forte gesungene Part „Zu uns floh die Verfolgte“ gelang zum unter die Haut gehend. Im Grunde hätte man schon aus diesem Stimmreservoir die weiblichen Hauptrollen besetzen können, zumal sich die neunte Walküre Lise Lindstrom (Brünnhilde) über die hell klingenden, jauchzenden Hojotohos am Anfang des zweiten Aufzugs hinaus nicht wirklich steigerte. Vor allem vermisste ich eine klingende, hinreichend farbige und kräftige Mittellage, die bei der Todesverkündung gegen Ende des zweiten Aufzugs sowie ihrer Verteidigungsrede vor Wotan „War es so schmählich, was ich verbrach“ von Nöten ist. Frau Lindstroms Stimme war deshalb nicht recht in der Lage, die so wichtigen Gefühlsregungen der Wotanstochter stimmlich zum Ausdruck zu bringen. Ich hatte fast den Eindruck, heute eine andere Sängerin als vor zwei Jahren Lise Lindstrom als herausragende Elektra erlebt zu haben.
Vielleicht fällt das weitgehende Fehlen einer klingenden Mittellage bei der Elektra wegen des sehr lauten Orchesters auch einfach nicht so auf. Denn bei der heutigen Vorstellung spielte das Philharmonische Staatsorchester unter der Leitung von Kent Nagano in meinen Ohren fast kammermusikalisch leise und bot damit den Sängerinnen und Sängern auch bei nicht so ausgeprägter Sangeskraft (Robert Dean Smith als eher lyrischer Siegmund mit fehlendem Heldendurchschlag bei den Wälse-Rufen) oder bei den nicht im Hochtonforte liegenden Passagen der Brünnhilde eine musikalische Basis, auf der beide noch ausreichend zu hören waren. Darunter litt allerdings die Dramatik in dieser meisterlichen Wagneroper. Vor allem auch im ersten Aufzug, wenn die schallstarke Jennifer Holloway mit ihrem schön grundierten, auch im tieferen Bereich klingenden Sopran ihren Siegmund übertönte. Leider scheint der Sieglindenschrei, den man regelhaft von Leonie Rysanek hörte, von den Dirigenten nicht mehr gewollt zu sein. Auch wenn er wohl bei Wagner nicht vorkommt, entspräche dieser eruptive vokale Ausbruch genau dem Gefühlszustand der Sieglinde, wenn Siegmund das Schwert Nothung aus dem Stamm zieht. Heute auf der Bühne wurde Frau Holloway nur ein offener Mund zugestanden. Da fehlt schon was an musikalischer Interpretation. Der chinesische Bass Liang Li war als Hunding ausgezeichnet. Matthias Goerne sang den Wotan zufrieden stellend, etwas mehr stimmlicher Glanz wäre schön gewesen, auch darstellerisch könnte er sich in das Herrische und gleichzeitig Liebevolle der Wotansrolle noch etwas mehr aneignen. Zeitweilig hatte man schon den Eindruck, er würde sein Imperium wie ein Buchhalter verwalten und nicht als mächtiger Gott die Geschicke der Welt lenken. Seine auf die Konvention der Liebesbeziehungen pochende Ehefrau Fricka wurde sehr gut von Mihoko Fujimura gesungen.
Leider tragen die unterkühlte Inszenierung von Claus Guth und das Bühnenbild von Christian Schmidt nicht zur dramatischen Stimmung in dieser Oper bei. Sie konterkarieren geradezu die Gefühlswelt des singenden Personals, abgesehen von der zum Teil geradezu abstoßenden Szenerie (dritter Aufzug: die offenbar verlausten Walküren hausen im schmutzigen Keller eines zerbombten Hauses). Zum Schluss gab es zwar einen echten (in der Höhe allerdings begrenzten) Feuerrahmen um Brünnhildes Schlafstätte herum, das reichte allerdings nicht mehr, um die Emotionen des Publikums im vollbesetzten Haus stärker in Wallung zu bringen. Der Beifall war zwar herzlich, für eine Walküre allerdings schon recht kurz.