ZitatIn der römisch-katholischen Kirche bedeutet Exkommunikation nicht den Ausschluss aus der Kirche (der rechtlich unmöglich ist), sondern den Verlust der Kirchengemeinschaft und damit gewisser Rechte innerhalb der Kirche. Der Exkommunizierte ist nicht berechtigt die Sakramente oder Sakramentalien zu empfangen, außerdem darf er kein kirchliches Amt ausüben.
Die Frage ist spannend. Besonders unter Hinzuziehung obskurer Literatur. Ausgangspunkt der Fragestellung ist folgende Überlieferung von Sophie Haibel geb. Weber [jüngste Schwester von Constance]:
[…] Die arme Schwester [gemeint ist Constance] ging mir nach und bat mich um Gotteswillen, zu den Geistlichen von St. Peter zu gehen und einen zu bitten, er möge kommen so wie von Ungefähr. Das tat ich auch; allein (die Sankt Peters… wollte ich schreiben) … selbige weigerten sich lange, und ich hatte viele Mühe, einen solchen geistlichen Unmenschen dazu zu bewegen.
Mozartbiograph Nissen [zweiter Ehemann von Constanze] ersetzte an dieser Stelle den Punkt durch ein Komma und ergänzte „der aber nicht kam!“. An anderer Stelle ergänzt er „Die Geistlichen weigerten sich zu kommen, da der Kranke sie nicht selbst rufen ließ“ und eine dritte Notiz vermeldet: „[…] ward er [Mozart] nicht [mit dem kirchlichen Viatikum] versehen, so bekam er doch [als Toter] die letzte Ölung“.
Die Grundsatzfrage ist ja, welche Gründe überhaupt für eine mögliche Exkommunikation, die wiederum selbst als Grund für das Ausbleiben der Sterbesakramente verantwortlich gemacht wird, sprechen würden. Dabei kann man sich lediglich auf sumpfige Mutmaßungen oder schlammige Unterstellungen - mitunter auch Legenden genannt – stützen: es stütze sich aber jemand im Sumpf einmal erfolgreich ab.
Faktisch herauslesen und glauben kann man aus Sophie Haibels Bericht, dass Constanze nicht Herrin der Lage war, denn sie spricht u.a. von ihrer armen Schwester und wie sie erschrak, als sie die halbverzweifelnde und doch sich moderieren wollende Schwester erblickte. Constanze erfasst richtig: Heute Nacht ist er so schlecht gewesen, daß ich schon dachte, er erlebe diesen Tag nicht mehr. Bleibe doch heute bei mir; denn wenn er heute wieder so wird, so stirbt er diese Nacht. Sie ist aber unfähig, irgendetwas zu unternehmen und hofft darauf, dass dieser Alptraum bald ein Ende hat. Geistesgegenwärtig entsendet sie ihre Schwester Sophie in die Pfarre St. Peter, um dort um die letzte Ölung zu bitten. Sie selbst hätte das vermutlich niemals fertig gebracht, wollte sie doch jede Sekunde bei ihrem sterbenskranken Mann bleiben.
Guy Wagner schreibt in „Bruder Mozart, V. Ein ungelöstes Rätsel, Mythen und Legenden, S. 216“:
Fest steht, dass Mozart ohne Sterbesakramente verschied und keiner jener „Geistligen Unmenschen“ – nach Sophies Worten – erschien, als er noch lebte. […] Warum „wie von ungefähr?“ – Damit Mozart nicht nein sagen konnte. Und warum der Widerstand der Geistlichen? Wegen nichts anderem, als Mozarts Zugehörigkeit zur Freimaurerei.
Nichts steht fest und die Zugehörigkeit zur Freimaurerei war mit Sicherheit kein Grund für eine Exkommunikation, da die Freimaurerei weder eine Religion noch eine Sekte war oder sein wollte:
I. Hauptstück
Von Gott und der Religion
Der Maurer ist durch seinen Beruf verbunden, dem Sittengesetz zu gehorchen, und wenn er seine Kunst recht versteht, wird er weder ein dummer Gottesleugner noch ein Wüstling ohne Religion sein. Aber obgleich in alten Zeiten die Maurer verpflichtet waren, in jedem Lande von der jedesmaligen Religion des Landes oder Nation zu sein, so hält man doch jetzt für ratsam, sie bloß zu der Religion zu verpflichten, in welcher alle Menschen übereinstimmen […]
[zitiert nach Horst Kischke: Die Freimaurer]
Interessant wäre die Frage, ob Vater Leopold Mozart und Joseph Haydn, die ebenfalls beide Freimaurer waren, die Sterbesakramente erhielten?
Fest steht jedenfalls, dass Mozart von der hiesigen Hauptpfarre zum heil. Stephan aus, nach christ[lich]-katholischem Gebrauche auf dem St. Marxer Friedhof zur Erde bestattet sey.
Diesen Text aus dem Totenschein hat jedenfalls Vinc. Barfuß [F. e. Consistorial-Rath, Cur- und Chormeister] eigenhändig unterschrieben und das Pfarrsiegel beygedrückt.
Und aus Sophie Haibels Text ist doch herauszulesen, dass sie lediglich „viele Mühe“ hatte, an einem fortgeschrittenen Sonntage, den 4. Dezember 1791, einen Geistlichen in die relativ nah gelegene Rauhensteingasse zu bewegen. Ob er nun kam oder nicht, kann anhand der Quellen nicht eindeutig nachgewiesen werden. Komisch erscheinen nur v. Nissens Zusätze. Diese aber entbehren jeder Glaubwürdigkeit und sind rein der Phantasie entsprungen oder sollten – wie auch diverse Streichungen – der Verdeckung von Tatsachen dienen, die für die Wittwe und die Kinder von Schaden hätten sein können. Ist ja verständlich. Was aber könnte v. Nissen zu diesem Zusatz „der aber nicht kam!“ veranlasst haben? Es gibt nur eine Erklärung: Für Gläubige bedeutete es, ohne Sterbesakramente [Beichte, inkl. Buße und Absolution und Kommunion] zu sterben, viel höhere Qualen im Fegfeuer für die nicht vergebenen Sünden erleiden zu müssen. Constance hat die rechtzeitige Bestellung der Feuerwehr „verschlafen“ [sie hat nicht wirklich damit gerechnet, dass es so schnell gehen würde]. Sie fühlte sich schuldig und wollte sich nicht den Angriffen Fremder ausgesetzt wissen – also schob man die Schuld auf die Geistlichen, die beim Erscheinen der Mozartbiographie 1828 [rund 2 Jahre nach v. Nissens Tod] sicher nicht mehr lebten, und fertig war der Lack… und die Tür stand [ungewollt] offen für Legenden!
Viele Grüße
Ulli