Um den allgemeinen Orgelthread etwas zu entlasten und weil Francks Orgelwerk einen eigenen Thread verdient, bin ich so frei, ein neuen Thread zu starten.
In Zusammenhang mit Jean Guillous Gesamtaufnahme der Franck'schen Orgelwerke wurde geschrieben:
ZitatAlles anzeigenOriginal von peet
Hallo Karsten,
ich bin mir völlig bewußt, daß Guillous Version eine "unorthodoxe" ist. Sie entspricht für mich aber vollkommen dem Geiste der Musik von Cesar Franck. Im Vergleich zu z.B. Widors Einspielungen ist es sehr deutlich für mich.
Was bemängelst du?
"Bemängeln" ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck. Ich bin nur der Ansicht, dass in Guillous Interpretationen eben sehr viel (und manchmal ZU viel) "Guillou" drinsteckt und man einerseits seine "Eigenheiten" und Ansichten (was Interpretation und Orgelbau betrifft) und andererseits das betreffende Werk in einer "klassischen" Interpretation (bzw. Notentext) kennen sollte, um in den vollen genuß seines Spiels zu kommen.
Vielleicht als kleine Einführung, für die, die nicht so sehr mit Franck vertraut sind:
Man muss wissen, dass Franck seine Orgelmusik für einen ganz bestimmten Orgeltyp mit bestimmten klanglichen und technischen Möglichkeiten schrieb (hier die französisch-symphonische Orgel des Orgelbauers Cavaillé-Colls). Franck geht sogar noch weiter, indem er (ähnlich wie später Messiaen) die Vortagsangaben einiger Orgelwerke auf "sein" Dienstinstrument in Ste Clotilde abstimmte, deren klanglichen Eigenheiten und Qualitäten damals einzigartig waren. Diese speziellen Vortragsangaben lassen sich somit nur bedingt auf anderen Instrumenten "1:1" übertragen. Der heutige Interpret muß also mit dem typischen Klangbild der betreffenden damaligen Orgeln vertraut sein, um - auch durch Kompromisse - den Klangbild auf anderen Instrumenten möglichst nahezukommen. Andere Orgelkomponisten sind da mit ihren Angaben pausachaler und "flexibler".
Was Guillous Franck angeht, so ignoriert er einmal sämtliche Interpretationstraditionen und setzt er sich - wie schon erwähnt - häufig über die Vortragsangaben Francks hinweg.
Ein gutes Beispiel hierfür ist Francks Pastorale. Der ganze erste ruhige Abschnitt spielt sich original auf nur zwei Klangebenen ab:
- die zweistimmige "Schalmeimelodie" (gespielt auf dem Récit) und
- die ruhigen "Akkordblöcke" (gespielt auf dem Positif mit Grundstimmen).
Guillou teilt nun die schalmeiartigen Abschnitte auf mehrere Manuale auf, erreicht durch Manualwechsel Echoeffekte mit Klangfarbenwechseln, wobei Franck Echoeffekte (wenn überhaupt) nicht durch Klangfarbe, sonderen durch Lautstärke errreicht haben will. Hinzukommt, dass diese Klangfarben der betreffenden Orgelbautradition in keinster Weise entsprechen.
Auch wünscht sich Franck (zB in dem Fugato-Abschnitt nach dem ersten unrihigen "Sturmabschnitt") den Vortrag "cantabile" - Bei Guillou wirkt das Tempo hingegen eher gehetzt als "sanglich".
Dies nur als ein paar Beispiele.
Dies soll Guillous Interpretation keineswegs "schlecht" machen, sie ist in sich "stimmig", aber ich höre da eben mehr Guillous Vorstellungen als die Francks verwirklicht.
Daher habe als "Einstieg" zu Franck eher andere Aufnahmen im Sinn...
Gruß
Karsten