Seit im Jahre 1911 Richard Strauss seinen "Rosenkavalier" zur Uraufführung brachte, ist in Wien, oder besser gesagt im deutschsprachigen Raum, ein Name mit der Partie des Ochs auf ewige Zeiten verbunden: Richard Mayr. Dieser, im salzburgerischen Henndorf geboren, war für zwei Generationen schlechthin die Inkarnation dieses Landadeligen, der sich auf Grund seiner finanziellen Nöte mit einer "Pflichtheirat" sanieren will und letztlich auf dem glitschigen Wiener Parkett auf die Nase fällt. Doch: "Ein Lerchenauer war doch nie ein Spielverderber nicht" - Getreu diesem Motto konnte man dem Ochs wie auch Richard Mayr nie gram sein - im Gegenteil, trotz versuchter Erbschleicherei und vorehelichem Ehebruch hatte er stets die Lacher auf seiner Seite und die Herzen der Zuschauer gewonnen. Das war das Geheimnis der Rolleninterpretation von Richard Mayr - abgesehen, dass er die von Strauss so gewünschte kernige Bass-Stimme besass.
Nach dem Tod dieses großen Künstlers entstand, auch bedingt durch den 2. Weltkrieg, ein gewisses Vakuum, und jeder Opernfreund, dem dieses Strauss-Hofmannsthal-Meisterwerk ans Herz gewachsen war, musste sich ernstlich fragen, wie nun die Mayr - Nachfolge in der Person des Ochs gelöst werden würde.
Und hier war es nunmehr ein, 1924 geborenener, oberösterreichischer Sänger, der entgegen oder besser gesagt aus Trotz gegenüber der Familie die Sängerlaufbahn ergriffen hatte, der 1947 in Graz debütierte, um nach einigen erfolgreichen Gastspielen (Einspringereien) 1951 fix nach Wien engagiert zu werden: Oskar Czerwenka.
Als ich ein Jahr vor seiner Pensionierung diesem populären (Volks-)Kammersänger gegenübersaß, so erinnerte mich viel an die Mayr Nachfolge: in einer Ecke des Raumes stand, von dessen Witwe geschenkt, der voluminöse, aber doch auch schlichte Garderobenstuhl des ersten Lerchenauers, und über dem Piano befand sich das berühmte Ochsportrait, das sicherlich wie ein Leitbild die Karriere Oskar Czerwenkas begleitet hat.
Wenn man nun meinte, auch im realen Leben einem verschmitzten Landedelmann gegenüberzusitzen so irrte man sich gewaltig. Ernst, ja fast philosophisch trat einem der der gebürtige Vöcklabrucker entgegen. Hat man sich aber von dieser Fehleinschätzuung erholt, so befand man sich in einem seriösen Fachgespräch über die Baßstimme im speziellem und die einzelnen Rollen im allgemeinen.
1951, in seinem Debütjahr, galt er für die Wiener Oper zunächst noch als Nachwuchskraft - LP Aufnahmen der damaligen Zeit geben da ein beredtes Bild: Professor Martini in "Giuditta", sowie Kleinstrollen in der "Frau ohne Schatten", "Freischütz" und "Tiefland".
1954 sein echter Wiener Durchbruch: eben der Lerchenauer - fast von allem Anfang an eine getreue Kopie des legendären Richard Mayr, denn er betonte auch im Spiel die naturverbundene Liebenswürdigkeit wie Schlauheit dieses Ochs, der am Schluss auch deshalb resignieren muss, weil er eben dieser "wienerischen Farce" nicht gewachsen ist. Diese Rolle sollte ihm durch drei Jahrzehnte treu bleiben. Gemeinsam mit seinem Karajanpendant Edelmann schrieb er in dieser Zeit wahre Wiener Operngeschichte, die ihm 1959 auch an die Met, New York, berief.
Aber noch eine zweite Rolle sollte ebenfalls (meiner Meinung nach sogar noch viel mehr) eine Prägung Czerwenkas erhalten: der Heiratschwindler Kezal in Smetanas "Verkaufter Braut". Hier auf diesem altösterreichischen Bauernboden blühte die urwüchsige Komödiantik und die saftige Stimme Czerwenkas voll auf. Sein Kezal wahrhaft ein schlauer, mit allen Wassern gewaschener Landmensch, der mit der Macht des Geldes versuchte, Schicksal zu spielen. Dass er am Ende selbst der betrogene Betrüger wird, macht ihn im Grunde nicht unsympathischer - und darin liegt vielleicht das Geheimnis der Gestaltungskraft dieses Sängers.
Er selbst (und das ist wohl ein seltenes Beispiel an Künstlertreue) fühlte sich immer als Wiener Ensemblemitglied und war im Grunde seines Herzens tieftraurig, das es diesen Begriff schon damals, bis heute, nicht mehr gibt.
Wenn man die vielen unzähligen Rollen dieses Künstlers im Geiste Revue passieren lässt, so möchte ich doch zwei hervorheben, mit denen er wirklich (auch intenational bei Festspielen) Triumphe gefeiert hat:
das ist vor allem sein dümmlich aufgeblasener Bürgermeister van Bett in Lortzings "Zar und Zimmermann", und wirklich unvergesslich hauptsächlich durch die großartige deutschsprachige Rennertinszenierung von Rossinis "Barbier von Sevilla" sein komödiantisch durchtriebener Basilio. Jeder, der damals dieses vielleicht letzte deutsche Buffoweltkunstwerk erlebte, wird die Besetzung nie vergessen können: der viel zu früh verstorbene Fritz Wunderlich als schmachtender Almaviva, Eberhard Wächter als Tausendsassa Figaro, die bis zur Selbstverleugnung umwerfend komische Exheroin Hilde Konetzni als Haushälterin Bertha - ja und neben Oskar Czerwenka, der köstlichstse aller Quacksalber und betrogenen Alten: Erich Kunz als Dr. Bartolo. Was diese beiden miteinander damals auf die Bühne stellten - das war Wiener Buffostil in höchster Vollendung!
Am Ende seiner Karriere wechselte Czerwenka speziell in Graz ins Musicalfach ("Anatevka") und auch ins italienische Buffofach ("Viva la mamma") sowie in Wien mit dem heruntergekommenen Graf Waldner in "Arabella" und der Inkarnation eines Theatermenschen, den La Roche in "Capriccio" ins Strauss'sche Charakterfach.
Alles in allem also eine lange erfüllte Karriere, aber auch bereichert durch Liederabende (so z.B. eine außergewöhnliche "Winterreise" von Schubert sowie die Uraufführung von Salmhofers "Heiterem Herbarium" nach Waggerl) und dem zusätzlichen künstlerischem Hobby, dem Malen, von dem es auch bis zu seinem Ableben im Jahr 2000, Ausstellungen gab, zumeist in seiner Heimadtstadt, Vöcklabruck.