Wolfgang Amadé Mozart: Klavierkonzert Nr 19 in F-Dur KV 459

  • (auf besonderen Wunsch von Herrn Sakieri)


    Ein Werk, das Schubert offenbar nicht kannte:


    "Kennen Sie lustige Musik? - - - Ich nicht...!"


    Eines der frischesten und freundlichsten, dabei dennoch bestimmenden Klavierkonzerte ist das im Dezember 1784 fertiggestellte Konzert F-Dur KV 459, welches in Mozarts eigenem Verzeichnis am 11. Dezember wie folgt eingetragen ist:


    Ein Klavier Konzert. Begleitung: 2 Violini, 2 Viole, 1 flauto, 2 oboe, 2 fagotti, 2 Corni, 2 Clarini, Timpany e Baßo.


    Wer das Konzert schätzt und kennt, wird gleich Merkwürdiges feststellen: ja, die Trompeten- und Paukenstimmen sind leider verlorengegangen. Wie das sein kann? Nun, das Autograph ist existent und befindet sich derzeit in der Preußischen Staatsbibliothek zu Berlin. Mozart hatte allerdings die Eigenart, aus Platzmangel verschiedene Bläserstimmen in einer separaten Partitur zu notieren - in diesem Fall waren es (wenn man den eigenhändigen Eintragungen Mozarts Glauben schenkt) die Stimmen der Trompeten und Pauken, wie es sich aus Mozarts Eintragung ein eig. Verz. ergibt. Diese Extrapartitur ist leider unauffindbar. Bekräftigt wird deren einstige Existenz dadurch, daß der Erstdruck bei André (1794) folgenden Untertitel enthält: Ce concerto a été exécuté par l'auteur à Francfort sur le Mein à l'occasion du couronnement de l'Empereur Léopold II. (dieses Konzert wurde vom Komponisten zu Frankfurt a. M. anlässlich der Krönung Leopolds II. gespielt). Aus diesem Zusammenhang ergibt sich auch der Werkbeiname "2. Krönungskonzert" (neben dem sogenannten ersten KV 537). Beide Konzerte wurden am 15. Oktober 1790 in Frankfurt von Mozart präsentiert. Gegen die einstige Existens der Trompeten-/Paukenstimmen (und damit für einen Irrtum Mozarts) spricht hingegen, daß F-Dur bei Mozart nie eine Trompeten-/Pauken-Tonart ist (diese wären C-Dur, D-Dur, Es-Dur, c-moll, d-moll). Dennoch gibt es Versuche (und Einspielungen?) mit "rekonstruierten", d.h. hinzukomponierten Trompeten- und Paukenstimmen. Ich selbst fürchte, daß das Konzert durch Hinzunehmen dieser Stimmen etwas träger wird, was dem Werk schaden könnte (ich habe aber noch keine Extented-Version gehört).


    Das Konzert ist dreisätzig:


    I Allegro vivace
    II Allegretto
    III Allegro assai


    und von Mozart sind zu jedem Satz eigene Kadenzen überliefert. Zum zweiten Satz gibt es eine 37taktige - offenbar verworfene - Erstfassung (teilweise instrumentiert mit Flöte, 2 Oboen, 2 Fagotten, 2 Hörner und Streicher - Trompeten und Pauken fehlen!), welche unter KV 459a als "Konzertsatz für Klavier (Fragment)" in C-Dur eingetragen ist.


    KV 459 war das erste Klavierkonzert Mozarts, das ich (in einer Einspielung mit Christoph Eschenbach) kennenlernte. Die Leichtigkeit ist hoch ansteckend: Man kommt wohl kaum umhin, sich von der Unbeschwertheit der beiden Ecksätze anstecken zu lassen.


    In vier Konzerten hintereinander weg beginnt Mozart mit dem gleichen (Marsch-) Rhythmus, wie die folgenden Incipits zeigen:


    klako.jpg


    Umso erstaunlicher, daß sich die Werke selbst so grundverschieden weiterentwickeln. Dieser Rhythmus begenet auch (in abgewandelter Form) z.B. beim Konzert C-Dur KV 415, dem Fragment für Klavier und Violine D-Dur KV 315f, dem Konzert für 2 (3) Klaviere F-Dur KV 242, dem Violinkonzert D-Dur KV 218, der Concertone C-Dur KV 190, dem Flötenkonzert G-Dur KV 313, (nicht gleich zu Beginn der) Titus-Ouvertüre KV 621, u.v.a.


    ~ ~ ~


    Ich selbst besitze das Werk derzeit in 2 Einspielungen:


    Einmal unHIP aus der Philips Complete Mozart Edition



    Alfred Brendel, Klavier
    Academy of St. Martin-in-the Fields
    Sir Neville Marriner


    ...und (natürlich) einmal HIP:



    Jos van Immerseel, Fortepiano
    Anima Eterna
    Jos van Immerseel


    :hello:


    Ulli

    „Wir sind nie einer Meinung!“ - „Das seh' ich anders ...“

  • Guten Tag


    habe diese



    HIP-Einspielung von KV 459
    mit Andreas Staier an einem Hammerklavier nach Anton Walter und dem Concerto Köln .


    Andreas Staier hat ein unvergleichliches Mozartspiel
    und das Ensemble Concerto Köln ist ein ebenbürdiger Spielpartner.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Huray, liebsten Dank Ulli! :lips:


    Dieses Klavierkonzert ist mir richtig ans Herz gewachsen, da ich es unnötigerweise längere Zeit gar nicht wahrgenommen habe (ich weiß nichtmal warum) und vor einigen Wochen hab ich die Einspielung die Ulli besitzt (Natürlich die unHIPsche :D) auch erworben.
    Dieses simple, marschige Thema, welches so simpel, locker flockisch anfänglich plätschert reißt einen von der ersten Sekunde an in diese Stimmung mit. Ich denke gerade das ist es, was ich an dem Konzert so liebe. Ebenso im Finalsatz. Auch sehr simpel, auch sehr ansteckend.


    Besonders angetan bin ich von der Durchführung im Finalsatz, wo Mozart grandios die Verbindung zwischen homophonie und polyphonie herstellt, und Klavier, Streicher und Bläser ständig sich abwechseln. Sehr hörenswert! :yes:


    Zitat

    In vier Konzerten hintereinander weg beginnt Mozart mit dem gleichen (Marsch-) Rhythmus


    Lustigerweise ist mir erst jetzt durch den Thread aufgefallen, dass Mozart 4x hintereinander diesen Marsch benutzte. Ich bin echt verbllüfft, denn ich hab es wirklich nicht wahrgenommen. Das spricht für die Vielfalt in den Konzerten. :pfeif:



    C.

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von Ulli
    In vier Konzerten hintereinander weg beginnt Mozart mit dem gleichen (Marsch-) Rhythmus, wie die folgenden Incipits zeigen:


    Ulli


    Kommt von diesem Marschrhythmus der bei einigen Mozart-Sinfonien gebräuchliche Ausdruck „Militärkonzert“ ?


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Nun, ein großer Komponist wie Schubert wird mit seiner von Ulli zitierten Frage wohl mehr auf die Kunst an sich, als auf ihre Wirkung abgeziehlt haben. Und da Musik als Kunst für sich genommen (wie jede andere Kunst auch) meiner Ansicht nach nicht lustig sein kann, stimme ich dem "Ich nicht" Schuberts vollends zu. In der Wirkung kann, wie vllt. andere Werke auch, dieses Klavierkonzert von Mozart bei oberflächlichem Hören "lustig" erschdeinen. Aber da würde ich einwenden das Leichtigkeit wohl kaum pauschal mit lustig gleichzusetzrn sei. Dies sei zumindest angemerkt, auch wenn das wohl keineswegs Ullis Absicht war. Denn ein gewisser geitreicher Witz geht von diesem Werk natürlich durchaus aus! Aber ich erachte es keinesfalls als lustig!


    Was an diesem Werk, bzw. am Thema des dritten Satzes weiter auffällt, ist eine gewisse Vorwegnahme der nur allzu bekannten "Papageno, Papagena" Arie aus der Zauberflöte. Und noch auffälliger ist es, dass auch der dritte Satz des vorvergehenden Konzertes KV 456 in F-Dur die selbe Arie thematisch vorrausahnt! Mich erfreuen solcherlei Stellen immer sehr :-)


    Lustiger Weise habe ich diese beiden Konzerte erst spät vollends entdeckt, bzw. ihre Schönheit voll erkannt. Zuvor endeckte ich mich wieder und wieder die Schönheit der anderen Konzerte, doch KV 456 und KV 459 blieben etwas außen vor. Ich schaltete gerne weiter wenn sie im CD Spieler an der Reihe waren, obgleich sie mir nicht missfielen.


    Inzwischen mag ich kaum noch Präferenzen über Mozarst einzelne Klavierkonzerte oder einzelne Sätze daraus äußern. So lieb und gleichwertig erscheinen sie mir alle. Allerdings glaube ich inzwischen (wenn man auch auf spätere Zeiten schaut), dass KV 467 in C-Dur sein großartigstes Konzert ist (nicht unbedingt das schönste und auch nicht unbedingt das genialste - aber sein großartigstes) :jubel: :jubel: :jubel:


    Nun ja, um beim Thema zu bleiben, nochmals meine These:


    KV 459 - geistreicher Witz: JA! - lustig: NEIN!


    :hello:

  • Auch Mozarts Klavierkonzert Nr. 19 F-Dur, KV 459 führt seit 2009, also seit über 14 Jahren, hier im Forum ein Schattendasein. Ich will versuchen, es wieder einmal in den Vordergrund des Interesses zu rücken. Ermuntert dazu haben mich die lebhaften Diskussionen in Threads zu anderen Konzerten des Salzburger Meisters.


    Obwohl Mozarts Konzert Nr. 26 KV 537 die Titel "Krönungskonzert" trägt, wird auch das Konzert Nr. 19 gelegentlich als solches bezeichnet. Nicht ganz zu Unrecht, wurde es doch im Jahr 1790 aus Anlaß der Krönung des Habsburgers Leopold II. zum römisch-deutschen Kaiser in Frankfurt am Main öffentlich aufgeführt. Irreführend ist die Bezeichnung aber deshalb, weil Mozart das Konzert nicht zu diesem Anlaß, sondern bereits sechs Jahre früher, 1784, komponiert hat.


    Kennengelernt habe ich das Werk in den frühen 1960er Jahren mit dieser - inzwischen legendären - Aufnahme:

    Mozart: Piano Concertos No 19 & 27 / Haskil, Fricsay Edition by Mozart, W.A. (1996)

    Clara Haskil (Klavier) und die Berliner Philharmoniker, Dirigent: Ferenc Fricsay (Aufnahme: 9/1955, Jesus-Christus-Kirche, Berlin).


    Clara Haskil (1895-1960) war bereits zu Lebzeiten zu einer Legende herangereift. Man nannte sie gelegentlich die "Heilige am Klavier" und beschrieb sie als "eine Zauberin des Anschlags, der Nuance, dessen, was man in der Malerei 'Valeurs' nennt."

    Häufig arbeiteten der ungarische Dirigent Ferenc Fricsay und die rumänische Pianistin zusammen, aber es sind nur wenige Aufnahmen überliefert, und die sind leider noch in Monotechnik entstanden. Der vorliegenden Aufnahme waren gemeinsame Konzerte der beiden bei den Berliner Festwochen vorausgegangen, was ja eine gute Voraussetzung für die nachfolgende Studio-Produktion war.


    Für die obige Aufzeichnung verschlankte Fricsay die Berliner Philharmoniker erheblich, es kamen nur 40 Musiker zum Einsatz. Insofern griff er seiner Zeit weit voraus, waren doch in den 50er Jahren großsinfonische Besetzungen für klassische Konzerte noch die Regel. Entstanden ist so eine trotz Mono sehr klare, durchsichtige Aufnahme, die noch heute den Hörer zu erfreuen vermag, wenn er bereit ist, wegen der überragenden künstlerischen Leistung die technischen Nachteile zu vernachlässigen.


    Später "landeten" u.a. noch folgende Aufnahmen in meiner Sammlung:

    Piano Concerti 19 & 26 by Mozart, Anda (1989-07-14) The Originals - Klavierkonzerte Nr. 19 & 23


    und, nicht zu vergessen:


    Piano Concertos 19 & 23 (Perahia) by Wolfgang Amadeus Mozart (1984-11-27)

    Sie alle haben ihre unbestreitbaren Qualitäten, doch Clara Haskils alte Aufnahme wird für mich immer etwas ganz Besonderes bleiben. Von den genannten Stereo-Produktionen möchte ich die von Pollini/Böhm (DGG) der erstgenannten an die Seite stellen.


    Über das Werk selbst ist weiter oben schon einiges gesagt worden. Im Beiheft einer meiner CDs wird auf den "entschlossenen Marschrhythmus" im Hauptthema des Kopfsatzes (Allegro) aufmerksam gemacht. Weiter heißt es: "Dieses rhythmisch profilierte Thema beherrscht den ganzen Satz und läßt den Seitengedanken nur geringfügige Entfaltungsmöglichkeiten."

    Der zweite Satz, "Allegretto" überschrieben, steht in C-dur und stellt, neben dem Klavier, die Klangfarben der Holzbläser in den Mittelpunkt und überrascht mit feiner Verarbeitungstechnik.

    Humor und Heiterkeit zeichnen den lebhaften Finalsatz "Allegro assai" aus, der mit seiner Einfallsfülle dem Werk einen krönenden Abschluß verleiht.

    Zum ersten und dritten Satz hat Mozart eigene Kadenzen geschrieben.


    Ich hoffe nun, daß sich an dem "entschlossenen Marschrhythmus" nicht wieder die Geister scheiden, obwohl die leidenschaftlich geführte Diskussion den Thread zu Nr. 17 KV 453 beinahe zu einem "Highlight" im Tamino-Forum gemacht hat:).


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Hinzufügen möchte ich meiner Aufstellung noch folgende CD:



    Klavierkonzerte 18&19

    Mitsuko Uchida (Klavier) und das English Chamber Orchestra, Dir.: Jeffrey Tate (Aufnahme: 5/1988).


    Nicht nur klangtechnisch, sondern auch interpretatorisch eine fantastische Leistung. Wie konnte ich die nur vergessen? Ich würde sie rangmäßig (von Haskils Mono-Aufnahme abgesehen) gleichwertig neben Pollini/Böhm ansiedeln.


    Ich muß gestehen, daß ich am Samstag den Eingangsbeitrag nicht beachtet habe, sonst hätte ich mich kürzer fassen können und vor allem diese beiden Notizen früher bemerkt:

    In vier Konzerten hintereinander weg beginnt Mozart mit dem gleichen (Marsch-) Rhythmus, wie die folgenden Incipits zeigen:

    Nebeneinander zeigt das inaktive Mitglied "Ulli" die Anfangstakte der Konzerte KV 451, 453, 456 und 459 (siehe oben #1). Und in Beitrag 3 antwortet Sakow (ebenfalls nicht mehr dabei):

    Lustigerweise ist mir erst jetzt durch den Thread aufgefallen, dass Mozart 4x hintereinander diesen Marsch benutzte.

    Interessant finde ich, daß hier nicht zwei Experten zu Wort kommen, sondern ganz "normale" Musikliebhaber. Es liegt mir nicht daran, die leidenschaftlich geführte Kontroverse aus dem Thread von KV 453 wieder neu zu entfachen, ich fand aber diese alten Einträge immerhin bemerkenswert.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Clara Haskil (Klavier) und die Berliner Philharmoniker, Dirigent: Ferenc Fricsay (Aufnahme: 9/1955, Jesus-Christus-Kirche, Berlin).


    Clara Haskil (1895-1960) war bereits zu Lebzeiten zu einer Legende herangereift. Man nannte sie gelegentlich die "Heilige am Klavier" und beschrieb sie als "eine Zauberin des Anschlags, der Nuance, dessen, was man in der Malerei 'Valeurs' nennt."

    Lieber Nemorino,


    eine Besprechung der Mozart-Konzerte ohne Clara Haskil wäre wirklich undenkbar. Die Lauterkeit, mit der sie Mozart insbesondere spielt, ist unvergleichlich. Und sie hat mit ihrem Stil Generationen von Pianisten geprägt. Es gibt ihre Mozart-Aufnahmen gesammelt in dieser Box. Die sollte man haben:



    Schöne Grüße

    Holger

  • Es gibt ihre Mozart-Aufnahmen gesammelt in dieser Box. Die sollte man haben

    Lieber Holger,


    ich habe die Box zwar nicht, aber wahrscheinlich den ganzen Inhalt in Einzelausgaben. Von Mozart die Konzerte Nr. 9, 13, 19, 20 (2x, mit Markevitch u. Fricsay), 23, 24, 27 und das Rondo KV 386. Dazu etliche Klaviersonaten, die Violinsonaten mit Grumiaux und ein paar kleine Stücke.


    Die Boxen haben den Vorteil, daß man alles auf einen Griff bereit hat, dafür sind Einzel-CDs leichter zu greifen. Mit den Papphüllen habe ich immer Probleme.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Beim Stöbern nach meinen Haskil/Mozart-CDs bin ich noch auf eine Rarität gestoßen, die ebenfalls seit Jahren ungehört in meinem Regal stand:

    Klavierkonzerte 22+19/Suite 5

    Alicia de Larrocha (Klavier) und die Wiener Symphoniker, Dirigent: Uri Segal

    (Aufnahme: 10/1981, Sofiensaal, Wien).


    Die 2009 verstorbene spanische Pianistin bringt man hierzulande mehr mit Granados, Albeniz oder Manuel de Falla in Verbindung. International war sie aber auch besonders für ihre Mozart- und Schumann-Interpretationen bekannt.


    Ich habe die CD gleich in den Player gegeben und mir zunächst einmal das Konzert KV 459, das hier zur Debatte steht, angehört. Zunächst war ich über das frische Spiel der Wiener Symphoniker unter dem israelischen Dirigenten Uri Segal erfreut. Segal studierte an der Rubinstein Academy of Music in Jerusalem und ist bei uns kein Unbekannter. 15 Jahre lang, von 1972 bis 1987, war er Chefdirigent des (ehemaligen) RSO Stuttgart beim Süddeutschen Rundfunk.

    Die Solistin, Alicia de Larrocha, ist eine erfahrene Mozart-Interpretin, und so läßt ihre Darstellung keine Wünsche offen. Besonders gut gefällt sie mir im Mittelsatz (Allegretto), den sie sehr plastisch gestaltet. Vielleicht keine Spitzenaufnahme, aber eine einvernehmliche Zusammenarbeit mit dem Orchester, das seinen Part unter Segal engagiert und mit hörbarer Spielfreude ausfüllt.


    Die CD enthält außerdem noch das Konzert Nr. 22 KV 482 sowie von Georg Friedrich Händel die unter dem Namen "Harmonious Blacksmith" (deutsch: Grobschmied) bekannte Suite Nr. 5, als willkommene Zugabe.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

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  • Lieber Nemorino,
    da kann ich Dir nur beipflichten, ich habe sie tatsächlich vor allem als Referenz im spanischen Repertoire wahrgenommen, habe dann aber auch nach und nach ihre Mozart-Interpretationen wahrgenommen, die mir sehr gefallen. Einige Einspielungen konnte ich sogar im Radio mitschneiden, so hat sie sogar mal hier in Saarbrücken mit unserem hiesigen Orchester Mozart und Falla eingespielt, ebenfalls eine sehr hörenswerte und schöne Aufnahme, die leider nie auf CD erschienen ist. Hier die genauen Daten, verzeichnet auf ihrer Homepage:


    19/01/1986

    Ciudad:
    Saarbrücken

    País:
    Deutschland / Alemania / Germany

    Sala de conciertos:
    Kongresshalle Saarbrücken Grosser Saal

    Organizadores:
    RSO

    Programa:
    "Concierto para piano n.22 en Mi bemol Mayor K.482" / MOZART / "Noches en los jardines de España" FALLA

    Orquesta:
    Rundfunk-Sinfonieorchester Saabrücken

    Director:
    Hanns-Martin Schneidt

    Leider war ich zu der Zeit erst 12 Jahre alt - wie gerne hätte ich sie live im Saarland erlebt! (Zumindest bei José Carreras und Teresa Berganza ist mir das gelungen, die beiden hier im kleinen Saarland singen zu hören, unvergessliche Auftritte).

  • Die 2009 verstorbene spanische Pianistin bringt man hierzulande mehr mit Granados, Albeniz oder Manuel de Falla in Verbindung. International war sie aber auch besonders für ihre Mozart- und Schumann-Interpretationen bekannt.

    Lieber Nemorino,


    ganz genau, Alicia de Larrocha wurde nicht nur wegen der spanischen Klaviermusik gerühmt - sie galt immer als eine große Mozart-Spielerin. Überhaupt spielt sie einen ganz wunderbaren Bach und das klassische und romantische Repertoire bis Ravel. Rubinstein hatte sie entdeckt und gefördert. Zu ihren Konzerten kamen alle die "Großen" - Rubinstein, Horowitz, Arrau. Sie wurde sehr verehrt. Mit ihren viel zu kleinen Händen spielte sie auf überragende Weise das 3. Klavierkonzert von Rachmaninow oder die Liszt-Sonate h-moll. Sie hatte eine besondere Technik, extra für ihre Hände entwickelt. Diesen Mitschnitt habe ich leider nicht - aber die Aufnahme mit Colin Davis. Von Mozart hat sie die Konzerte immer wieder gespielt und auch die Klaviersonaten aufgenommen. Die Aufnahme mit Uri Segal gibt es auch in dieser Auflage:



    Die folgenden CDs besitze ich alle:







    :hello:


    da kann ich Dir nur beipflichten, ich habe sie tatsächlich vor allem als Referenz im spanischen Repertoire wahrgenommen, habe dann aber auch nach und nach ihre Mozart-Interpretationen wahrgenommen, die mir sehr gefallen. Einige Einspielungen konnte ich sogar im Radio mitschneiden, so hat sie sogar mal hier in Saarbrücken mit unserem hiesigen Orchester Mozart und Falla eingespielt, ebenfalls eine sehr hörenswerte und schöne Aufnahme, die leider nie auf CD erschienen ist. Hier die genauen Daten, verzeichnet auf ihrer Homepage:

    Lieber Boris,


    toll! Ich habe sie nur einmal aber zum Glück doch wenigstens dieses eine Mal erlebt mit dem Schumann-Klavierkonzert in der Düsseldorfer Tonhalle. :)


    Schöne Grüße

    Holger

  • Das Konzert F-Dur KV 459 sehe ich durchaus als Schwesterwerk des bekannteren d-moll Konzertes 466; tonartlich sind sie dur-moll-parallel, aber es gibt ein weiterens, beinahe unbemerktes Bindeglied zwischen beiden Werken: den jeweiligen moll-Ausbruch:


    253-kv459

    [Konzert F-Dur KV 459, 1. Satz T. 239ff.]


    254-kv466

    [Konzert d-moll KV 466, 2. Satz, T 83ff.]


    Wilms hat in seinem Es-Dur-Konzert op. 55 eine ähnlich lautende Stelle konzipiert, die mich an den „alten Hut“ wieder erinnert hat:


    „Wir sind nie einer Meinung!“ - „Das seh' ich anders ...“

  • Gegen die einstige Existens der Trompeten-/Paukenstimmen (und damit für einen Irrtum Mozarts) spricht hingegen, daß F-Dur bei Mozart nie eine Trompeten-/Pauken-Tonart ist (diese wären C-Dur, D-Dur, Es-Dur, c-moll, d-moll). Dennoch gibt es Versuche (und Einspielungen?) mit "rekonstruierten", d.h. hinzukomponierten Trompeten- und Paukenstimmen. Ich selbst fürchte, daß das Konzert durch Hinzunehmen dieser Stimmen etwas träger wird, was dem Werk schaden könnte (ich habe aber noch keine Extented-Version gehört).

    Inzwischen hat sich das geändert:



    Zu den Fakten:

    In Mozarts eigenem Verzeichnis ist unter dem Datum 11. Dezember 1784 eingetragen: Ein Clavier Konzert. Begleitung: 2 Violini, 2 Viole, 1 flauto, 2 oboe, 2 fagotti, 2 Corni, 2 Clarini, Timpany e Baßo. Außerdem hat Mozart in der Akademie zu Frankfurt neben dem D-Dur-Konzert KV 537 noch ein zweites Clavierkonzert zum besten gegeben. Welches, ist nicht belegt.


    Zu den Theorien:

    Ursprünglich ging man davon aus, daß es sich bei Mozarts Eintragung im eigenen Werkeverzeichnis bezüglich der "2 Clarini, Timpany" um einen Flüchtigkeitsfehler gehandelt hat, da bei Orchesterwerken in der Tonart F-Dur die Verwendung von Trompeten und Pauken bei Mozart und seinen Zeitgenossen eher unüblich und daher auch kaum zu finden war. Bei genauerer Betrachtung findet man allerdings Ausnahmen, z.B. den Mittelsatz der "Linzer"-Sinfonie C-Dur KV 425, die etwa ein Jahr zuvor entstanden ist: das Andante dieser Sinfonie steht in F-Dur und bedient sich an harmonisch passenden Stellen C-Trompeten und Pauken in C/G. Auch für die Missa Brevis F-Dur KV 192 existieren von Mozart (nachträglich) geschriebene Stimmen für 2 Trompeten in C (allerdings keine Paukenstimmen). Damit wäre die Verwendung von Trompeten und Pauken in F-Dur-Werken bei Mozart belegt und somit auch bei KV 459 durchaus im Bereich des Möglichen anzusiedeln. Es tritt der Umstand hinzu, daß Mozart oftmals aus Platzmangel Bläserstimmen zu größeren Orchesterwerken in einer separaten Partitur niederschrieb. Das F-Dur-Konzert ist auf 12zeiligem Notenpapier notiert, so daß hier für die fraglichen Stimmen kein Platz war: die 12 Systeme waren mit den Stimmen für die Violinen (2), Viola (1), Flöte (1), Oboen (2), 2 Hörner (obligatorisch in einem System zusammengefasst), Fagotte (2), Clavier (2) und Bässe (1) vollständig verwendet (2+1+1+2+1+2+2+1=12). Die (ggfs. nachträglich geschriebene?) Zusatzpartitur mit den fraglichen Trompeten- und Paukenstimmen kann also verloren gegangen sein. Es wäre natürlich möglich gewesen, auch die 2 Fagotte und die beiden Oboen in jeweils einem System zusammenzufassen, so daß für die Trompeten und Pauken je ein System zur Verfügung gestanden hätte; dies hätte allerdings zu einer eher unüblichen Komprimierung und Unübersichtlichkeit geführt, wie sie bei Mozart nie anzutreffen ist.


    Daß KV 459 als heute sogenanntes 2. Krönungskonzert während der Frankfurter Akademie erklungen ist, wird rückschlüssig aus Mozarts Eintrag im eigenen Verzeichnis ermittelt, da man maßgeblich unterstellt, daß Trompeten und Pauken bei derlei imperialen Anlässen (Kaiserkrönung Leopolds II.) unabdingbar waren. Meines Erachtens besteht aber durchaus die Möglichkeit, daß entweder KV 459 ohne die fraglichen Stimmen erklungen ist, da bereits KV 537 dem Anlass entsprechend mit dem Glanz von Blech und Schlagwerk angereichert war, oder daß nicht KV 459, sondern ein anderes Clavierkonzert neben KV 537 erklungen ist (in Frage kämen hier u.a. KV 415 C-Dur, 451 D-Dur, 466 d-moll, 467 C-Dur, 482 Es-Dur, 491 c-moll und 503 C-Dur). Stellt man auf die oben angenommene Verwechslung Mozarts ab, kämen besonders KV 415 und 451 wegen des marschähnlichen Themas in die nähere Wahl, da dieser Rhythmus exakt jenem vom KV 459 entspricht. Doch, warum sollte Mozart diese älteren Werke aufführen, wenn ihm neuere (z.B. 482, 491 oder 503) zur Verfügung stehen? Gerade KV 491 passte wegen der feierlichen Tonart c-moll auch recht gut ins Bild...


    Ein wenig widerspricht sich die Tatsache, daß Mozart häufiger Bläser und ggfs. Paukenstimmen "ad libitum" komponierte: das heißt, die Konzerte können mit oder ohne diese Stimmen gespielt werden (z.B. KV 413, 414, 415, 449, und 537). Bei den genannten fünf Konzerten ist diese Möglichkeit vom Komponisten jedoch explizit vermerkt, bei KV 459 fehlt dieser Hinweis im Werkverzeichnis! Ist dies ein weiterer Flüchtigkeitsfehler, oder lässt dies den Rückschluß zu, daß diese Stimmen tatsächlich niemals existent waren?


    Je nun. Arthur Schoonderwoerd hat zusammen mit seinem Ensemble Cristofori eine rekonstruierte Fassung des Konzertes KV 459 eingespielt.


    Für die Rekonstruktion der angeblichen Trompeten und Paukenstimmen zeichnet der Pauker des Ensembles, Philip Tarr, verantwortlich. Über die "Mozärtlichkeit" dieser Stimmen kann man verhandeln (von mir persönlich hat es damals Kritik gehagelt, weshalb AS mich in sein nächstes Projekt einbezog). Der geneigte Hörer vermag sich nunmehr selbst einen akustischen Eindruck davon verschaffen, wie das F-Dur-Konzert mit Trompeten und Pauken klingt. Es hat für mein Empfinden nicht den Glanz von entsprechenden Werken, die in C- oder D-Dur stehen und auch nicht die Bodenständigkeit eines Es-Dur-Konzertes. Es klingt vielmehr wie "aus dem Karton" - es mag sein, daß diese Gefühle bei mir durch die Ungewohntheit hervorgerufen werden, aber ich täusche mich diesbezüglich eher selten (will es aber natürlich keinesfalls ausschließen).


    Es müssen also mehrere Zufälle resp. Umstände zusammengekommen sein, um die obige Einspielung glaubhaft hören zu können:

    • Ehemalige Existenz von Stimmen für ein Konzert, das in F-Dur steht (äußerst selten, aber möglich)
    • Die Stimmen wurden obligatorisch in einer separaten Partitur niedergeschrieben, wie dies bei M. sehr oft der Fall ist
    • Diese Partitur ist heute verschollen
    • Diese Partitur war auch bereits beim Erstdruck bei J. André 1794 zumindest nicht bekannt
    • Mozart muß KV 459 weitaus festlicheren Konzerten (e.g. 451, 467, 491 und 503) vorgezogen und in der Bedeutung höher gewichtet haben

    Gewissheit wird es letztlich erst dann geben, wenn die Existenz der Stimmen durch Wiederauftauchen verifiziert wird.

    Nichtsdestotrotz ist es ja schon toll, daß man das endlich mal hörbar gemacht hat, statt irgendwelchen papiernen Theorien nachzuhinken. So kann man sich eine eigene Hörmeinung davon bilden.

    „Wir sind nie einer Meinung!“ - „Das seh' ich anders ...“