ZitatOriginal von bubba
Ich sage ja nicht, daß Chopin schlecht ist, noch, daß er nur Salonmusik komponierte. Aber die Kunst, die Struktur in den Hintergrund treten zu lassen, hat er entweder zur absoluten Perfektion getrieben (denn ich sehe keine großartige Struktur), oder sie war ihm fremd (dann hat seine Musik meist tatsächlich keine).
Was mich ebenso wie SMOB stört, ist die Tonredundanz bei Chopin. Bei Bach z.B. wird man diese nicht antreffen bzw. sehr lange suchen müssen. (Komischerweise stört mich diese bei den extrem tonreduntanten ungarischen Rhapsodien von Liszt meist(also bis auf zu ausgedehnte Oktavtonleitern) nicht.)
Musik ohne Struktur gibt es nicht, was sollte das denn sein, vielleicht einige experimentell-aleatorische Stücke von Cage oder so. Chopin komponierte überhaupt keine Salonmusik. Was soll denn "Tonredundanz" heißen? In praktisch jedem Stück der Wiener Klassik wird man mehr "Füllmaterial" (Skalen, Sequenzen, Standardmotive und Abschluß- oder Überleitungsphrasen) finden als in Stücken von Chopin. Das zeigt hauptsächlich, dass das überhaupt kein Qualitätskriterium ist (eine der redundantesten Musikformen ist BTW offensichtlich ein strenger Kanon). Entweder hast Du Dich nicht mit Chopin befaßt (wenn Dir eine Chopin-Ballade als eine beliebige Abfolge von Tönen erscheint oder wenn Du nicht hörst, dass das wesentlich konzentriertere und dichtere Musik ist als z.B. eine Liszt-Rhapsodie liegt das sehr nahe) oder Du magst die Musik einfach nicht besonders, beides sei Dir unbenommen. Falls Du eine gut sortierte Bibliothek in der Nähe hast, schau mal in die Chopin gewidmeten Kapitel (knapp 200 Seiten mit sehr viel Material und etlichen Analysen, cih kann das unmöglich zusammenfassen, zumal es an oder jenseits der Oberkante meines musiktheoretischen Wissens angesiedelt ist ) von Ch. Rosens "The Romantic Generation" (vielleicht inzwischen auch übersetzt).
Wenn Chopin "unstrukturiert" ist (er ist m.E. neben Mendelssohn wohl derjenige seiner Zeit, der die am strengsten strukturierte Msuik geschrieben hat) was sollen dann Berlioz, Schumann, Liszt, R. Strauss, Rachmaninoff, Tschaikowsky usw. sein?
Zitat
"Struktur und Kunstfertigkeit im Satz werden dem Hörer nicht um die Ohren gehauen"
Wo findet man denn sowas?
Beethoven: Große Fuge, Hammerklaviersonate u.v.a., etliches von Brahms z.B. 4. Sinfonie, Bruckner 5. Sinfonie, Bach Musikalisches Opfer, praktisch alles von Reger :D, wenn man sich auf explizit kontrapunktische Demonstrationen beschränkt, natürlich ist Komplexität oder Struktur nicht gleich oder ungleich Polyphonie.
Wenn Bachs Musik hauptsächlich deshalb so großartig wäre weil sie so schöne polyphon und strukturiert ist, müßte Reger der zweitgrößte Komponist der Musikgeschichte sein. Das scheint mir indes eher eine Mindermeinung zu sein...
viele Grüße
JR