Am 20. Juni 1756 wurde in Miltenberg a. Main
JOSEPH MARTIN KRAUS
als Sohn von Joseph Bernhard Kraus [Stadtschreiber] und Anna Dorothea Schmidt geboren. Kraus hatte dreizehn Geschwister, von denen jedoch nur sechs überlebten! Die Familie zog 1761 nach Buchen, wo sich heute ein kleines Kraus-Museum befindet.
Hier lernte Kraus Violine und Klavier und erhielt Lateinunterricht. Bereits siebenjährig war der Knabe in der Lage, lateinische Aufsätze zu verfassen.
Seine Anlage zur Musik ware eben so ausnehmend, und wundervoll, daß er in der Stimme zum Diskant seine Weibliche neben Sopranistin in der höhe und Fertigkeit gleich im ersten Vierteljahr übertraf, und so auch auf seinem Kleinen geigchen /:dann eine große konnte er noch nicht erspannen:/ in einem Trio die erste, ich sein lehrer die zweite Violin mit Verwunderung aller auf der Orgel in der Kirch abspielte, und so nahme er Natürlicher Weiße bis ins 10te Jahr seines alters also zu, daß er fast überfähig auf Mannheim in das dortige Musik Siminarium und zur ersten Schule aufgenommen worden.
So erinnert sich sein Lehrer Georg Pfister im Jahre 1800.
Seit seinem zwölften Lebensjahr besuchte der junge Kraus das Internat des Jesuitengymnasiums und Musiksemniars in Mannheim. Dort lernte er durch Anton Klein die deutsche Literatur kennen, Christian Cannabich, Ignaz Fränzel und Cramer gehörten glaubhaften Überlieferungen zufolge zu seinen musikalischen Ausbildern und Vorbildern. Mit 17 Jahren begann Kraus Jura und Philosophie in Mainz zustudieren. Die Studien führten ihn auch nach Erfurt und Göttingen. Kraus präsentierte zunächst literarische Werke, u. a. ein Trauerspiel Tolon sowie Etwas von und über Musik fürs Jahr 1777. Diffizile Auseinandersetzungen mit Kraus Vater sowie die Anregung eines Studienfreundes veranlassten Kraus, 1778 nach Schweden zu übersiedeln, wo er „an fremden Ufern sein Glück“ zu suchen hoffte:
... - meinem Vaterland bin ich keinen Dank schuldig. Patriotismus ist Thorheit, und lange hat der lezte funke verglüt. An fremden Ufern soll das Glük mich erwarten. Tref ichs da nicht an : was thuts?
[Brief an die Eltern vom 20. Juni 1777, sein 21. Geburtstag]
Dies gelang ihm überaus erfolgreich, denn bereits am 21. November 1779 wurde juris licentiaten herr Joseph Kraus infrån Mannheim zum Mitglied der Musikakademie in Stockholm gewählt. Kraus gewann die Protektion des königlichen Sekretärs Zibet und des Theaterdirektors Graf Fersen und wurde zunächst zum 2. Hofkapellmeister, am 18. Februar 1788 zum 1. Hofkapellmeister ernannt. Zu dieser Zeit hatte sich Kraus bereits als Lieblingskomponist König Gustavs III. etabliert, der ihm seiner Bewunderung zufolge einige Auslandsreisen gönnte. So reiste Kraus u. a. zwischen 1782 und 1788 nach Rom, Florenz, Neapel, Paris und London, wo er 1785 an den Feierlichkeiten zu Händels 100. Geburtstag teilnahm. 1783 weilte er in Wien, wo er Bekanntschaft mit Joseph Haydn, Christoph Willibald Gluck und Johann Georg Albrechtsberger machte. Zurück in Stockholm betätigte sich Kraus überwiegend als Operndirigent im Drottningholm Slottsteater – ein erfüllender Job, da König Gustav III. wöchentlich eine neue Opernproduktion verlangte. Joseph Martin Kraus war einer der ersten „Dirigenten“ der Musikgeschchte, welcher den Violinbogen oder das gerollte Notenblatt gegen einen Stab eintauschte. In einem Brief an seine Eltern vom 31. März 1788 berichtet er über seine plagende Arbeit:
so ist mein übriger Tag reine Zuchthausarbeit - das ist eine Singerei und Pfeiferei und Taktschlagerei und Orgelumdudeldumdei von morgends bis Abends und vom Abend bis morgen in einem fort, so daß mit der Schweis nach Noten stinkt.
Trotz oder gerade wegen der Bekanntschaften mit den „Wiener Klassikern“ bleibt Kraus’ Werk weitestgehend davon provozierend distanziert. Wer klare Strukturen und formschöne Ausgewogenheit sucht, wird bei Kraus selten fündig, wobei gerade dieser Aspekt die Einzigartigkeit seines Musik- und Kompositionsstiles ausmacht.
Der akribischen Liebe von Frederik Samuel Silverstolpe haben wir den seltenen Umstand zu verdanken, dass das gesamte Werk von Joseph Martin Kraus in Abschriften oder Originalen in der Universitetsbibliotek zu Uppsala vollständig aufbewahrt wird.
Kraus Werk umfasst einige Opern: Proserpin, Oper in einem Akt, Libretto J. H. Kellgren, UA 1781 zu Ulriksdahl – Soliman II., Oper in einem Akt, Libretto J. G. Oxenstjerna, UA 1789 zu Stockholm – Aeneas i Carthago bzw. Dido och Aeneas, Oper in 5 Akten, Libretto J. H. Kellgren, UA in stark gekürzter Version 1799 zu Stockholm [die Oper bietet insgesamt nahezu sechs Stunden an Musik – vergesst Wagner!], daneben Chöre, Zwischenaktmusiken und Einlagearien zu Schauspielen Moliéres, Gustavs III., Holthusens, Kellgrens und anderen.
Des Weiteren komponierte Kraus eine Kantate zum Geburtstag König Gustavs III., ebenso eine Trauerkantate anlässlich dessen Ablebens [1792], ein Miserere, ein Requiem, eine Missa, ein Te Deum, Motetten, das Oratorium Der Tod Iesu, dessen Text er selbst verfasste.
An Orchesterwerken komponierte Kraus 4 Jugendsinfonien während der Studienzeit, die in Stockholm 1781 uraufgeführten Sinfonien c-moll und C-Dur, eine Sinfonie in cis-moll, eine weitere C-Dur-Sinfonie sowie eine c-moll-Sinfonie, welche 1783 in Wien uraufgeführt wurde. Es folgen als Spätwerke eine Es-Dur-Sinfonie, die Sinfonie funêbre [1792] sowie eine Sinfonia con fugato per la chiesa in D-Dur.
Kraus komponierte ein Violinkonzert, welches er in Stockholm nochmals überarbeitete und den dritten Satz völlig neu komponierte.
Sein Kammermusikalisches Œuvre ist ebenso umfangreich: Ein Quintett in D-Dur für Flöte und Streicher, 6 Streichquartette [A, B, g, D, C, G], 3 Quartette aus der Studienzeit stammend, Duos für Flöte und Viola, ein Trio für Klavier, Violine und Cello, vier Violinsonaten in C, D, Es und C, sowie zwei Klaviersonaten.
Obwohl seine Musik mit der Mozart’s recht wenig gemein hat, wird er oft wegen der nahezu identischen Lebensdaten als „der schwedische Mozart“ bezeichnet. Verwendet man „Mozart“ als Adjektiv für höchste musikalische Qualität, so erfolgt die Bezeichnung zu Recht:
Ich besitze von ihm eine seiner Sinfonien, die ich zur Erinnerung an eines der größten Genies, die ich gekannt habe, aufbewahre. Ich habe von ihm nur dieses einzige Werk, weiß aber, dass er noch anderes Vortreffliches geschrieben hat. [Joseph Haydn].
Joseph Martin Kraus litt seit frühester Kindheit an Lungenschwindsucht, die ihm am 15. Dezember 1792 den frühen Tod bescherte.
Joseph Martin Kraus wurde seinem Wunsch entsprechend in der Nähe von Brunnsviken auf der Halbinsel Tivoli im Norden Stockholms beigesetzt. Dort erinnert an ihn ein steinernes Denkmal mit folgender Aufschrift
HIER RUHT DAS IRDISCHE VON KRAUS -
DAS HIMMLISCHE LEBT IN SEINEN TÖNEN
[Quellen: MGG – Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Dt. Joseph-Martin-Ktaus-Gesellschaft in Buchen]