Sicher eine der meistgelobten und meistempfohlenen Aufnahmen des Werkes. Aus gutem Grund. Für viele ist wohl vor allem der Jahrhundert-Tamino von Fritz Wunderlich das größte Plus der Aufnahme. Ganz vorne ist auch der Sarastro von Franz Crass zu nennen. Die beiden Geharnischten sind luxuriös besetzt: James King und Martti Talvela scheinen einer Wagneroper entsprungen.
Karl Böhm liefert eine perfekte Darstellung ab. Das muss ich präzisieren: Ich finde seine ästhetisches Konzept sehr wohl anfechtbar. Aus den Mozart-Briefen erhalten wir das Bild eines recht kantigen, eigenwilligen Menschen. Liest man die Partituren genauer, so findet man dies dort wieder, die Überraschungen, die unerwarteten Wendungen, die Raffinesse. Viele Musiker haben in den vergangenen Jahrzehnten die Partituren neu gelesen und uns auch musikalisch neue Mozart-Bilder beschert. Man kann Böhm nicht zum Vorwurf machen, in einer anderen Generation geboren und aufgewachsen zu sein. Ich meine, er hat sehr wohl ein ästhetisches Konzept und setzt dieses perfekt um. Über das Konzept selbst kann man natürlich trefflich streiten, aber wie gut Böhm dieses Konzept musikhandwerklich umsetzt, das macht schon staunen. Er wird bestens unterstützt von den Berliner Philharmonikern, wenngleich ich deren Klang in Böhms Aufnahmen der Sinfonien Mozarts leuchtender, freier, innerlich vibrierender in Erinnerung habe.
Auch die eventuellen Schwächen der Aufnahme sind bekannt: Fischer-Dieskau bemüht sich redlich um Naivität bei der Darstellung des Papageno. Roberta Peters (Königin der Nacht) hat etwas Scharfes in ihrer Stimme, muss in der Rachearie rhythmisch vom Notentext abweichen, die Intonation ist nicht makellos. Da muss man gar nicht erst mit Edita Gruberova vergleichen, um die offensichtlichen Defizite zu hören. Weder Evelyn Lear (Pamina) noch Lisa Otto (Papagena) genügen höchsten Ansprüchen. Fischer-Dieskau finde ich allerdings nach wiederholtem Anhören übrigens sehr wohl genießbar – eine so detaillierte Darstellung wird man suchen müssen.
Ferner ist eine geglückte Dialogregie zu bewundern. Wer das Werk kennenlernen will, bekommt hier also tatsächlich eine komplette Aufnahme.
Ist die (zweite) Böhm-Aufnahme der Zauberflöte also zu recht eine Legende?
Ja und nein. Wunderlich und Crass sollte man gehört haben. Um deretwillen ist diese Zauberflöte legendär. Wer allerdings eine konventionelle Zauberflöte sucht, bei der zumal die Frauenstimmen besser besetzt sind, ist mit der fast zeitgleich entstandenen Aufnahme unter Klemperer vermutlich besser bedient – muss dabei allerdings auf die Dialoge verzichten.
Die größte Stärke der Böhm-Aufnahme ist die größte Schwäche der Klemperer-Einspielung: Nicolai Gedda kann Fritz Wunderlich das Tamino-Wasser leider, leider nicht ganz reichen. Ich beeile mich, hinzuzufügen, dass ich den schwedisch-russischen Tenor sehr wohl verehre (Faust, Wilhelm Tell, Hoffmann u. v. a. m.). Ob man nun Franz Crass oder Gottlob Frick als Sarastro bevorzugt, ist vielleicht vor allem Geschmackssache (ich bevorzuge Crass um ein Weniges). Bei Walter Berry hört man, mit wieviel Natürlichkeit der Papageno gestaltet werden kann.
Bei den Frauenrollen ist die Sache aus meiner Sicht klar: Lucia Popp ist eine grandiose Königin der Nacht. Auch Gundula Janowitz ziehe ich Evelyn Lear als Pamina ist bei weitem vor. Klemperer hat auch ein grandioses Damentrio: Elisabeth Schwarzkopf, Christa Ludwig und Marga Höffgen. Hier ist die Klemperer-Aufnahme sans pareil.
Klemperer dirigiert die Zauberflöte längst nicht so behäbig, wie ihm manchmal nachgesagt wird. Das Philharmonia Orchestra spielt evenfalls hervorragend.
Legenden müssen sich messen lassen. Das Puls der Böhm-Aufnahme sind Fritz Wunderlich und die Dialoge. Wer alle Rollen auf höchstem Niveau besetzt hören will, greife zu Klemperer, wenn es eine konventionelle Aufnahme sein soll.