Der Drache
in Schauspiel und Oper
Mythen, Legenden, Märchen
Von Drachen und Drachentötern
Ein Drache ist ein schlangenartiges Mischwesen der Mythologie, in dem sich Eigenschaften von Reptilien, Vögeln und Raubtieren in unterschiedlichen Variationen verbinden. Das Fabelwesen ist in vielen Kulturen in Sagen, Legenden und Märchen bekannt und wurde bis in die Neuzeit als real existierendes Tier angesehen. In der Mythologie kommen auch mehrköpfige Drachen vor bzw. Drachen, die man nicht durch Enthauptung töten kann, da ihre Köpfe sofort nachwachsen.
Im orientalischen und westlichen Kulturkreis ist der Drache ein Sinnbild des Chaos, ein menschenfeindliches Ungeheuer, dagegen ist der ostasiatische Drache meist ein zwiespältiges Wesen mit überwiegend positiven Eigenschaften, das Regen bringt und somit die Fruchtbarkeit der Felder garantiert. Die antiken Drachen sind häufig Meeresungeheuer. In Märchen und Sagen bewachen sie oft die einzige Quelle oder einen Fluss, der als Nahrungsgrundlage dient, in Höhlen hausende Erd-Drachen bewachen Schätze und im Märchen fordern sie regelmäßig Menschenopfer. Die Rettung des Opfers, meist ist es eine Jungfrau oder Königstochter, sichert dem Drachentöter die Hand der Jungfrau oder sogar ein Königreich. Der mutige Drachentöter von hohem Stand, der den Drachen im Zweikampf erschlägt, verfügt zwar oft über Stärke, Mut und hohe Moral, muss jedoch aufgrund der körperlichen Überlegenheit des Drachen auch auf eine List zurückgreifen. Mit dem Mythos und der Heldensage ist das Märchen eng verwandt. Im bürgerlich-bäuerlichen Bereich der Märchen und Sagen werden die bedrohlichen Untiere manchmal überlistet, vergiftet oder verzaubert. Wichtig ist nur das Resultat. Das bedrohliche Untier muss beseitigt werden, die Eigenschaften des Drachentöters sind nebensächlich. Als Helfer treten auch wohlgesinnte Tiere oder kluge Menschen auf. Die Drachenzunge muß herausgeschnitten werden, damit der Held einen Beweis erhält, dass er selbst und nicht ein Nebenbuhler das Untier erlegt hat.
Bekannte Drachentöter der Antike sind Apollon, Herakles, Kadmos und Perseus, in der germanischen Mythologie ist Siegfried der bekannteste Held. Der Erzengel Michael wird im Alten Testament des Christentums und Judentums erwähnt. Drei Drachenheilige gehören seit dem Hochmittelalter zu den Vierzehn Nothelfern: Margareta von Antiochia, die den Drachen mit dem Kreuzzeichen abwehrte, Cyriakus, der einer Kaisertochter den Teufel in Gestalt eines Drachen austrieb. Der Hl. Georg wird der populärste aller heiligen Drachentöter, sein Kampf mit einer Lanze gegen die Bestie wird auch in der Gegenwart in zahllosen Darstellungen verbreitet.
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Wieviele Opern zum Thema Drachen gibt es wohl? Bei der Recherche zu Opern rund um Drachen und Drachentöter fand ich allein durch Querverweise und Links bisher 54 Opernkompositionen. Es gibt dabei alle Genres von der „Tragédie lyrique“ wie Persée und Cadmus et Hermione von Lully bis zur Komödie. In John Frederick Lampes Opernburleske (frei nach dem Motto „Monty Python meets Händel“) The Dragon of Wantley aus dem Jahr 1737 gelingt es dem meist betrunkenen aber tapferen und listigen Ritter Moore of Moore-Hall sogar, einen Drachen, der den Leuten gerne das Essen vom Frühstückstisch klaut, mit einem Fußtritt in dessen Hintern ins Jenseits zu befördern.
Bildtafel von John June im gedruckten Libretto
Über den Drachen fand ich den Weg zu Lanzelot. Bis 1900 wurden erstaunlich viele Lanzelot-Opern komponiert, die sich aber hauptsächlich mit dem Liebesleben und der Treue des Ritters zu König Arthus beschäftigen, in der Oper von Paul Dessau tritt Lanzelot jedoch als Drachentöter auf. Dazu nochfolgend mehr.
Überblick zum Thema Lanzelot in der Oper
Lanzelot vom See - Adolf Emil Büchner, 1856
Lancelot du Lac - Augusta Mary Anne Holmes, 1875
Lancelot - Theodor Hentschel, 1878
Guenever - Charles Hubert Hastings Parry, 1884-1886,
Eliane - Ödon Mihalovich, 1887
Guinevere, or Love Laughs at Law - Harry Thomas Pringuer, 1889
Lanzelot - Reinhold Ludwig Herrran, 1891;
Elaine - Herman Bemberg, 1892 (UA in London mit Nellie Melba
Lancelot du Lac - Victorin de Joncieres, 1900
Launcelot - Isaac Manuel Francisco Albeniz, 1903
Lancelot’s Spiegel - Friedrich Burkhard, 1962
Le Chevalier de Neige - Georges Delerue, 1957
Francesco Malipero und Roger Sessions haben sich ebenfalls mit dem Thema beschäftigt.
Auf das Schauspiel von Jevgeni Schwartz und die Oper von Paul Dessau wiil ich hier näher eingehen.
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Der Drache (Дракон)
Schauspiel von Jevgeni Schwartz
"Der Drache“ (Дракон) ist ein Theaterstück in drei Akten des sowjetischen Dramatikers Jevgeni Schwartz. Geschrieben hat er es in den Jahren 1942–1944, während der Evakuierung aus dem belagerten Leningrad nach Stalinabad in Tadschikistan. Versuche, das Stück während der Herrschaft Stalins und danach Chruschtschows auf der Theaterbühne aufzuführen, endeten jeweils mit einem Verbot durch die Zensur. Seine erste offizielle Uraufführung erfuhr das Stück erst 1961 in Nowa Huta in Polen.
Die Handlung basiert auf einer Märchengeschichte der Völker Südostasiens über einen Drachen, der nicht besiegt werden kann, weil sich der Sieger selbst in einen Drachen verwandelt und nur ein junger Mann mit reinen Gedanken das Monster töten kann. Schwartz untersucht das Thema der Tyrannei aus der Perspektive der vom Tyrannen Unterdrückten. Im Stück empfinden die durch einen Helden geretteten Menschen das Leben unter der Herrschaft des Drachen größtenteils als recht erträglich. Sie haben sich an Grausamkeit und Unterdrückung gewöhnt und denken, dass es noch schlimmer sein könnte, denn der Kampf gegen den tyrannischen Drachen bedeutet den sicheren Tod. Diese Menschen wollen gar nicht um jeden Preis gerettet werden, sie brauchen keine Freiheit, denn sie haben sich arrangiert in ihrer Unfreiheit. Nachdem der langjährige Tyrann besiegt ist, begeben sie sich gerne unter die Herrschaft eines anderen. Der Held Lanzelot, der schon mehrere Drachen getötet hat, stellt überrascht fest, dass es nicht ausreicht, den Drachen zu töten, um die Menschen zu befreien, vielmehr müssen die Menschen ihre Einstellung ändern.
Der erste Produktionsversuch wurde von Nikolai Akimow am Leningrader Komödientheater während des Krieges unternommen. Das Stück wurde bei Voraufführungen genehmigt, aber nach der ersten öffentlichen Aufführung in Moskau am 4. August 1944 wurde die Märchenkomödie vom Vorsitzenden der staatlichen Zulassungsstelle für Bühnenstücke in der UdSSR verboten, da sie nicht nur als „Auseinandersetzung mit dem Faschismus“ (O-Ton DDR 1972) sondern auch als auch als Auseinandersetzung mit dem Stalinismus verstanden werden konnte. Erst nach dem Tod des Autors, wurde die Produktion von „Dragon“ von Nikolai Akimow im Leningrader Komödientheater 1962 neu inszeniert . Die Hauptrollen spielten: Dragon – Lev Kolesov und Georgy Teich , Lancelot – Gennady Voropaev und Lev Milinder , Elsa – Nelly Korneva, Bürgermeister – Pavel Sukhanov , Heinrich – Joseph Hansel , Karl der Große – Gleb Florinsky . Die Aufführung blieb zwei Spielzeiten lang im Repertoire.
Einen besonderen Platz unter den ausländischen Produktionen nimmt die legendäre Aufführung des Deutschen Theaters in Berlin ein, Regisseur war Benno Besson. “Der Drache“ wurde im März 1965 erstmals im deutschen Sprachraum aufgeführt und blieb bis zum Ende der Saison 1981 mit 580 Vorstellungen im Repertoire . Die Aufführung wurde in vielen Ländern Ost- und Westeuropas erfolgreich gezeigt, erhielt von Publikum und Kritik einhellig großes Lob und wurde international zu einem Ereignis.
https://www.staatsschauspiel-d…lan/archive/d/der_drache/
Das ursprüngliche Programmheft beinhaltete einige liebevoll gestaltete Illustrationen von Horst Hussel. Da die Texte dazu jedoch mit Zuständen in der DDR in Verbindung gebracht werden konnten, erhob die SED-Führung ihren Einspruch gegen das Programmheft.
Quelle: https://www.chronos-verlag.ch/…zug_978-3-0340-1279-9.pdf
Sehr lesenswert ist der Text der frei zugänglichen ersten Szene des Schauspiels in der Übersetzung aus dem Russischen von Günter Jäniche:
https://docplayer.org/62215558…i-schwarz-der-drache.html
Den gesamten Text des Schauspiels gibt es leider nicht in deutscher Sprache im Internet, aber es gibt eine englische Fassung: https://a7sharp9.com/dragon.html
und die originale russische Version https://plantuml.com/drakon.pdf
Handlung
Eine Stadt ist vor hunderten von Jahren durch einen Drachen von der Cholera befreit worden, indem er mit seinem feurigen Atem das Wasser des nahen Sees zum Kochen brachte. Die Bewohner sind ihm dafür sehr dankbar und halten ihn für einen guten Drachen, da er ihnen zusichert, auch in Zukunft gegen andere bösartige Drachen beizustehen, ihnen also Sicherheit verspricht. Aber der Schutz hat seinen Preis, denn er presst den Bewohnern dafür hohen Tribut ab. Er wird zum Präsidenten ernannt und bestimmt die Regeln des täglichen Lebens. Ständiges Lächeln ist Pflicht, totale Überwachung ist normal und einmal im Jahr muss ihm außerdem eine Jungfrau geopfert werden. Die Bewohner haben sich mit der Situation arrangiert, denn auch ein ungerechtes Willkürregime kann funktionieren, solange es den Menschen vermeintliche Sicherheit und Stabilität bietet. Doch dann kommt ein junger Fremder namens Lanzelot in die Stadt, stellt diese zweifelhafte Ordnung in Frage, besiegt den tyrannischen Drachen um danach festzustellen, dass das Volk sich flugs einen neuen Drachen sucht, dem es sich unterordnen kann.
In vorgeblicher Naivität erzählt Jewgeni Schwarz seine Geschichte vom Drachen, verpackt in eine Erzählung im Gewand eines Märchens – und liefert in Wahrheit ein hochbrisantes, zeitkritisches Stück, das die Diktatur des deutschen Nazi-Regimes an den Pranger stellt. Doch auch die Diktaturen Osteuropas sahen sich rasch im „Drachen“ gespiegelt. Heute ist die Thematik dieses Stückes nicht weniger beängstigend geworden. Denn Schwarz zeigt in seiner Theaterparabel, dass nur eines schlimmer ist als Unterdrückung und Willkürherrschaft: nämlich die Verinnerlichung der Mechanismen und Werte eines solchen Herrschaftssystems.
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Lanzelot
Oper von Paul Dessau
Es gibt einige Meisterwerke in der Musikgeschichte, die einfach vergessen wurden. Die Gründe dafür sind vielfältig – im Fall von Dessaus Märchenoper Lanzelot sind es eindeutig politische gewesen. Der Komponist war bis zu seinem Tod ein politisch loyaler, aber durchaus regimekritischer Zeitgenosse der DDR. Zweimal hat er Texte von Brecht vertont, bis er in seiner dritten Oper auf das Märchen "Der Drache" des sowjetischen Autors Jevgeni Schwartz zurückgriff, das der Dramatiker Heiner Müller zusammen mit Ginka Tscholakowa zu einem Libretto verarbeitete. Heiner Müller übernahm die Idee von Schwartz, Geschichte im Zeitraffer ablaufen zu lassen. So funktioniert der Gewaltmechanismus der Drachenherrschaft ebenso auf feudaler wie auf monarchischer, kolonialer, imperialer, faschistischer und stalinistischer Basis. Die alte Herrschaft entsteht nach dem Tod des Ungeheuers aufs Neue – der abgeschlagene Drachenkopf wächst nach und ragt in die Zukunft hinein. Müller verschärft dies in seinem Libretto, indem er die Drachenherrschaft in der Steinzeit beginnen lässt und zwischen ihr und der Moderne die zeitliche Distanz aufhebt.
Die Geschichte war, wie ich oben geschrieben habe, also durchaus brisant. Erstaunlicherweise stieß der Stoff bei der Uraufführung an der Berliner Staatsoper im Dezember 1969 nicht auf Widerstand der DDR-Behörden, denn Dessau widmete die Oper anlässlich des 20. Jahrestages der Gründung der DDR „allen, die in unserer Republik für den Sozialismus kämpfen und arbeiten“. Vielleicht war da auch ein dialektischer Hintergedanke im Spiel, den auch die verantwortlichen Funktionäre um Partei- und Staatschef Walter Ulbricht, der seinerzeit noch im Amt war, verstanden. Wurden die Opern Paul Dessaus sonst regelmäßig mitgeschnitten und auf Schallplatten verewigt, so blieb dies nun aus. Aus gutem Grund hatte Eterna wohl von einem Mitschnitt abgesehen. Erst 2021 wurde auf Youtube ein klanglich halbwegs akzeptabler Mitschnitt der Generalprobe des Jahres 1969 veröffentlicht. (Siehe weiter unten)
Die Inszenierung von Dessaus Ehefrau Ruth Berghaus hielt sich in ihrer direkten politischen Aussage durchaus zurück. Dabei gehört Dessaus Musik zum Modernsten und Provokantesten, was damals in der DDR erlaubt war. Opern sind eher selten humorvoll, die Oper Lanzelot bildet hier eine Ausnahme. Das liegt zum einen an der Musik von Paul Dessau (der Gesang des erschöpften Lanzelot nach dem Kampf mit dem Drachen wird über drei Minuten nur vom Solo-Cello begleitet, wohingegen an anderen Stellen Donnerblech und Windmaschine lärmen und Lautsprecherdurchsagen und Maschinengewehrgeratter ertönen). Zum anderen liegt es an Heiner Müller. Der bedeutende Dramatiker, Regisseur und Intendant schrieb ein einfach wunderbares Libretto zu Lanzelot, das einer märchenhaften Komödie mehr als gerecht wird. Heiner Müllers Libretto verknüpfte darin Märchenhandlung, Politsatire und Geschichtsdrama.
Ich fand die Oper „Lanzelot“ zwar in vier Opernführern erwähnt, aber die Beschreibungen vermeiden, auf den politischen Aspekt einzugehen, sind fast immer oberflächlich und teilweise sogar inhaltlich falsch. Ulrich Schreiber geht in seinem Opernführer für Fortgeschrittene, Bd3/II, Kassel 2010, Seiten 63-66 weniger auf die Handlung sondern vor allem ausführlich auf die musikalische Seite der Oper ein.
Man sollte, um eine Vorstellung von der Oper zu bekommen, das von Suhrkamp im Internet veröffentlichte relativ kurze Libretto unbedingt selber lesen:
https://audite.de/media/file/0…kamp-verlag-aud-23448.pdf
Forenrestaurierung und Moderation: Mod 001 Alfred - Seit 8. März 2024 gibt es im Tamino Opernführer eine Inhaltbeschreibung:
Verlinkt von: https://www.concerti.de/verlos…ung-paul-dessau-lanzelot/
Die Geschichte um den tapferen Ritter wird in 15 Bildern überaus humorvoll und spannend erzählt. Der Prolog beginnt während eines Ausbruchs der Cholera in einer Steinzeitsiedlung an einem See. Der Lateinisch radebrechende Medizinmann sieht den einzigen Weg zur Rettung darin, dass “der Herr Drache vom Goldenen Pfuhl … mit seinem feurigen Atem für uns etwas tut/Und unser Wasser, den See, gnädigst abzukochen geruht“. Im 3. Bild wird der in der Gegenwart zum Präsidenten aufgestiegene Drache als jovialer, eitler und skrupelloser Mensch dargestellt, der seinen Sekretär mit einem einzigen Fingerzeig, der sich als Flammenwerfer entpuppt, aus dem Weg räumt. Erst in der folgenden vierten Szene betritt Lanzelot die Bühne. Er unterhält sich in einer Küche mit dem Kater des Hausherrn und erfährt durch das sprechende Haustier einiges über das Leben der Bevölkerung unter der Herrschaft des Drachen. Dessen jährliche Heirat steht an, wie üblich mit einer Jungfrau, deren Lebenserwartung sehr begrenzt ist, und diese Jungfrau ist Elsa, die Tochter des Hausherrn, die am nächsten Tag den Drachen heiraten soll. Spontan beschließt Lanzelot, den Menschen in ihrer vermeintlichen Not beizustehen, muss aber zu seinem Erstaunen feststellen, dass die seinem Hilfsangebot eher ablehnend gegenübersteht. Warum etwas ändern, wenn man sich doch seit ewigen Zeiten mit den Umständen arrangiert hat. Prompt verliebt sich Lanzelot in Elsa. Unterstützung findet Lanzelot nur beim sprechenden Kater und einem Esel, bei einigen Angehörigen der Unterschicht, einem Künstler und endlich bei Elsa. Die Arbeiter statten Lanzelot, der keinerlei Waffe besitzt, schließlich mit verschiedenen nützlichen Dingen aus, neben einer Tarnkappe “Ein Schützenpanzer, neuwertig,/Und ein gebrauchtes/U-Boot“ was schließlich den knappen Sieg über den Drachen sichern soll.
Lanzelot fordert den Drachen zu einem Kampf heraus, den er auch gewinnt. Obwohl Lanzelot nur leicht verwundet ist, lässt der Bürgermeister, der sich schnellstens zum Nachfolger des Drachens erklärt hat, ihn für tot erklären. Lanzelot kehrt jedoch zurück, er öffnet die Gefängnisse und zusammen mit dem Volk stürzt er schließlich den Diktator und seine Entourage. Aber kommt das Volk in Zukunft ohne den totalitären Staat zurecht und welche Rolle übernimmt Lanzelot dabei? Der fragt sich auch gegen Ende der Oper nämlich “Wie mach ich Menschen jetzt aus diesen Puppen?“
Wir verdanken Ivo Zöllner das einzig existierende und leider teilweise schlechte Tondokument der ersten Produktion der Oper, aufgenommen bei der Generalprobe der Oper im Dezember 1969 in der Staatsoper Berlin mit Siegfried Vogel, Reiner Süß, Renate Kramer, Dirigent: Herbert Kegel).
Ein Live Mitschnitt aus dem Deutschen Nationaltheater Weimar vom 13.11.2019
Die Ansprache des neuen Präsidenten
Das Finale erinnert in seiner dramaturgischen Anlage an Mozarts Zauberflöte: ein letzter verzweifelter Vorstoß der Bösewichter, die Vernichtung des Bösen, glanzvoller, hymnischer Schlussgesang der Befreiten „Der Rest ist Freude. Freude der Rest“. Dem Finale ist in der ursprünglichen Fassung noch ein Epilog angefügt. In einem großen Diminuendo entfernen sich die Menschen von der Bühne, bis ein Kind übrig bleibt, das noch einmal die Schlussworte wiederholt, die „Freude“ aber gleichsam in Frage stellt. Nach der Uraufführung entzündete sich Kritik an diesem Schluss. Dessau selbst scheint mit dieser dramaturgischen Lösung auch nicht zufrieden gewesen zu sein, denn für nachfolgende Produktionen schrieb er wenige Wochen nach den Berliner Aufführungen die letzten Takte neu, so dass Lanzelot mit einem großen Chor- und Ensemblegesang optimistisch endet.
»Der Drache« und »Lanzelot« gelten als zeitlose Parabel auf jede Art von Tyrannei. Die Herrschaft von Diktatoren, die Sogkraft des Geldes oder die Kunst zu manipulieren – der Wirkstoff Macht ist immer allgegenwärtig und oft kaum zu erkennen.