2012 - Sergiu Celibidache und sein Brucknerbild

Zitat von Orfeo

Er wird sicherlich ein Bruckner-Bild gehabt haben.

Aber das hat sich wohl im Laufe der Jahre geändert. Man vergleiche die Dauer von Bruckners 4. im Jahr 1969 mit der aus dem Jahr 1983

Bruckners 4. 1969 in Stockholm 69 Minuten

Bruckners 4. 1983 in München 81 Minuten

Lieber orfeo. Vorab die Frage: Hast Du geprüft, ob es sich bei den beiden Aufnahmen um die gleiche Version/Fassung handelt? Ich noch nicht. Ist es jemand bekannt? Wenn beides Haas ist, dann zeigt es natürlich, dass Celi in seinen späteren Aufnahmen deutlich "breiter" war.

Zitat von Orfeo

Er wird sicherlich ein Bruckner-Bild gehabt haben.

Aber das hat sich wohl im Laufe der Jahre geändert. Man vergleiche die Dauer von Bruckners 4. im Jahr 1969 mit der aus dem Jahr 1983

Bruckners 4. 1969 in Stockholm 69 Minuten

Bruckners 4. 1983 in München 81 Minuten

----Bruckners 4. 1989 in Wien------82:18

Lieber Orfeo,

höre Dir bitte mal dieses Finale an! Da ist Celibidache bei der Vierten Bruckner noch langsamer. Da "steht" er förmlich. Bei der von Dir zitierten Aufnahme von 1983 in München braucht er 4 Minuten für das Finale, die Coda, nachfolgend in Wien 1989 ganze 4:47! Gleicher Komponist, gleiches Orchester, gleicher Dirigent - sechs Jahre zwischen München und Wien: Ich finde dieses Finale phänomenal und von einer Transparenz, die ihresgleichen sucht. Kannst die Augen zu machen, denn es ist kein bewegtes Bild.

Liebe Grüße Bernd

Bruckner 4. 1993 Tokio

# 61 und # 62

...und es geht noch "breiter" bei der Coda - in Tokio schaffte es Celi, das Finale in 5:26-Zeitlupe zu z e l e b r i e r e n.

Gestern, 1989 in Wien, waren wir bei 4:47

Munich Philharmonic Orchestra SERGIU CELIBIDACHE, cond. Recording: Suntory Hall, Tokyo, April 24, 1993.

Lieber Bernd,

ich habe mir die beiden Aufführungen von Celi angehört und im Vergleich Blomstedts Konzert mit den Wiener Philharmonikern. Blomstedt ist in vergleich mit Celi einfach nur glatt. Celi schafft es, eine sich mehr und mehr verdichtende Spannung aufzubauen - das verschlägt einem wirklich den Atem. Das liegt finde ich aber nicht am langsamen Tempo allein, sondern dass er den rhythmischen Motiven eine bohrend-insistierende Wirkung gibt, welche die Stille in dieser Langsamkeit gleichsam aufladen mit sich ständig steigernder Spannung. Bei Blomstedt dagegen rauscht die Musik an einem vorüber und man behält hinterher nichts im Kopf - diese Motive hört man bezeichnend nicht, sie verschwinden im Klanggewebe eines großen Klangteppichs.

Schöne Grüße

Holger

Zitat von Dr. Holger Kaletha

Lieber Bernd,

ich habe mir die beiden Aufführungen von Celi angehört und im Vergleich Blomstedts Konzert mit den Wiener Philharmonikern. Blomstedt ist in vergleich mit Celi einfach nur glatt. Celi schafft es, eine sich mehr und mehr verdichtende Spannung aufzubauen - das verschlägt einem wirklich den Atem. Das liegt finde ich aber nicht am langsamen Tempo allein, sondern dass er den rhythmischen Motiven eine bohrend-insistierende Wirkung gibt, welche die Stille in dieser Langsamkeit gleichsam aufladen mit sich ständig steigernder Spannung. Bei Blomstedt dagegen rauscht die Musik an einem vorüber und man behält hinterher nichts im Kopf - diese Motive hört man bezeichnend nicht, sie verschwinden im Klanggewebe eines großen Klangteppichs.

Schöne Grüße

Holger

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Lieber Holger!

Danke Dir für Deine Nachricht. Du beschreibst (auch) meine Empfindungen über diesen Bruckner so eindrucksvoll (deshalb auch Dein gesamtes Zitat hier), dass ich dem eigentlich nichts hinzufügen will. Nur soviel: Ich stimme Dir auch da zu, dass die Wirkung, die Celibidache erzielt, nicht am langsamen Tempo allein liegt. Alles weitere sagst Du oben sehr eindrucksvoll! Ja, das verschlägt einem wirklich den Atem!

Liebe Grüße

Bernd

Zitat von Dr. Holger Kaletha

dass er den rhythmischen Motiven eine bohrend-insistierende Wirkung gibt, welche die Stille in dieser Langsamkeit gleichsam aufladen mit sich ständig steigernder Spannung.

Und noch einmal Dr. Kaletha - mit von mir in Fett-Schrift gesetztem Teil seines Zitats! Genau so ist es. Dass Du Dir zwischen all den Diskussionen im besagten anderen Thread die Zeit nimmst, Dir das anzuhören und den Gehalt dieser Bruckner-Deutung mit klarem Bruckner-Bild (!) so erkennst, wie Du das beschreibst und auch ich es empfinde, halte ich für bemerkenswert. Ähnlich intensiv war die Wirkung bei der Dritten unter Celi, die ich 1991 über dem Grab Bruckners in St. Florian erleben durfte...

"Ich glaube nicht, dass man Bruckner verstehen kann. Man kann Bruckner erleben."

Sergiu Celibidache im Gespräch mit Augustinus Franz Kropfreiter, 1936-2003 (Komponist, Stiftsorganist und Regens Chori) - 1987 im Zimmer Anton Bruckners im Stift St.Florian

Habe das Video Dank der Hilfe von Klaus Laczika (Wien) nun endlich auf meinem PC (ab 43:05):

Zitat von Bernd

Sergiu Celibidache im Gespräch mit Augustinus Franz Kropfreiter, 1936-2003 (Komponist, Stiftsorganist und Regens Chori) - 1987 im Zimmer Anton Bruckners im Stift St.Florian

Habe das Video Dank der Hilfe von Klaus Laczika (Wien) nun endlich auf meinem PC (ab 43:05):

Hallo Bernd, dieses Video mit Probe von Bruckner 9 und Klosterbesuch ist in noch deutlich besserer Bildqualität seit mindesten sieben Jahren auf YouTube zu finden.

Zitat von Rheingold1876

Hallo Bernd, dieses Video mit Probe von Bruckner 9 und Klosterbesuch ist in noch deutlich besserer Bildqualität seit mindesten sieben Jahren auf YouTube zu finden.

Hallo Rheingold, danke für den Hinweis. Hatte es auch vor Jahren schon auf YouTube gesehen, nun aber beim besten Willen nicht mehr gefunden bzw. nicht unter dem Probe-Video der Neunten zugeordnet. Deshalb mein "Hilferuf" nach Wien. Kropfreiter war übrigens einer der Lehrer von Laczika.

Nachfolgend noch diese Information von Klaus Laczika:

"Augo" (so sein Kurzname) konnte sich mit den Tempi von "Celi" überhaupt nicht anfreunden (niemand in Österreich außer mir konnte das damals...) , daher ist das Gespräch in eher kühler Atmosphäre verlaufen.

Das Brucknerzimmer wurde leider in ein Gästezimmer des Stiftsgästehauses umgewandelt und wird sozusagen als Hotelzimmer benützt. Ich könnte mich stundenlang darüber ärgern, diese Pietätlosigkeit. Bruckner hat in diesem Zimmer große Teile von IV, VII & dem Te Deum geschrieben...."

Aber vielleicht ist das auch schon bekannt. Für mich war diese Info neu. Ein Jammer, dass es dieses Bruckner-Zimmer nicht mehr gibt.

Zitat von Alfred_Schmidt

Warum er eines Tages fernblieb ist mir nicht wirklich bekannt. Aber vermutlich war sein Beruf im Spital, sein Brucknerprojekt und sein Auftritt als Solist einfach zuviel....

Oder seine Liebe zum Forum hat einfach nachgelassen...

Die erste Annahme trifft wohl zu; die zweite eher nicht. Laczika hat mich in unserer Mail-Korrespondenz auf seine frühere Mitgliedschaft hingewiesen und sich sehr positiv über unser Forum geäußert.

Zu seinem Nachruf und Reaktionen darauf hat er mir u.a. dies geschrieben:

"Wenn ein langjähriger Intensivmediziner plötzlich sein eigenes musikalisches Herzblut niederschreibt, ist dies natürlich ungewöhnlich, doch es war auch mein eigenes inneres Bedürfnis, meine Dankbarkeit auszudrücken. Nüchterne Reaktionen im Forum sind systemimmanent, das soll auch so bleiben. Vielfalt ist wichtig, ich war lange Mitglied bei Tamino."

Zum PS.: Wusste gar nicht, dass es Wiener Taminos gibt. Dachte seither, es gibt nur einen einzigen

Nur für die Wiener Taminos und Alfred

Musik und Medizin Wien/St.Florian (ORF-Sendung 2008)

Also ich sehe nicht, was dieses Video mit dem Bruckner-Bild von Calibidache zu haben könnte.

Zitat von Rheingold1876

Also ich sehe nicht, was dieses Video mit dem Bruckner-Bild von Calibidache zu haben könnte.

Guten Morgen. Deshalb schrieb ich ja auch, dass es nur für die Wiener Taminos und für Alfred gedacht sei , weil er und ich uns vorher über Laczika ausgetauscht hatten.

Zitat von Rheingold1876

Also ich sehe nicht, was dieses Video mit dem Bruckner-Bild von Calibidache zu haben könnte.

Zitat von Bernd

Guten Morgen. Deshalb schrieb ich ja auch, dass es nur für die Wiener Taminos und für Alfred gedacht sei , weil er und und ich uns vorher über Laczika ausgetauscht hatten.

Vielleicht wäre der Beitrag hier gut platziert

Musik als "Medizin" und Schmerztherapie

Zitat von astewes

Vielleicht wäre der Beitrag hier gut platziert

Guten Morgen lieber astewes. Womit wir wieder beim Thema von gestern wären. Den von Dir nun erwähnten Thread kannte ich gar nicht. Und Rheingold hat ja Recht! Aber wenn Alfred im "Celi"-Thread auf Laczika eingeht, nachdem ich zuvor zum Thema Brucknerbild einen Beitrag eingestellt hatte, was soll ich denn dann machen? Schreiben "Alfred, ich kann Dir hier nicht antworten, das gehört nicht zum Thema"?

Du hast es ja gestern schon versucht, mir das zu erklären. Danke Dir dafür. Aber ich finde keine praktikable Antwort. Vielleicht bin ich zu "blöd dafür"...

Zitat von Bernd

Aber wenn Alfred im "Celi"-Thread auf Laczika eingeht, nachdem ich zuvor zum Thema Brucknerbild einen Beitrag eingestellt hatte, was soll ich denn dann machen? Schreiben "Alfred, ich kann Dir hier nicht antworten, das gehört nicht zum Thema"?

Das scheint ein wenig Dein Problem zu sein. Du kannst die relevanten Stellen bei Alfred, auf die Du Dich beziehen möchtest, mit der Maus markieren, dann erscheinen über der Maus zwei schwarze Felder (Zitat speichern | Zitat einfügen) Du wählst speichern. Du siehst unten rechts im Browserfenster einen Zitatezähler, der jetzt mindestens den Wert 1 haben sollte.

Dann gehst Du in den Thread Deiner Wahl ( ja hier muss man manchmal suchen - habe ich auch gemacht. Ich kannte den Thread vorher noch nicht, weiß aber, dass im Taminoforum zu allem etwas zu finden ist , und habe ihn über google gefunden)

In der Eingabemaske des jetzigen Threads drückst Du auf den Zitate-Button und wählst das Zitat, worauf Du Dich beziehen möchtest. Jetzt wendest Du noch Deine youtube-Integrationsfähigkeiten an und .... schwupps steht der Beitrag mit dem Zitat von Alfred an der richtigen Stelle.

Genauso geht eben auch das Verlegen von Diskussionen. Da musst Du keinen fragen ....

Zitat von Bernd

Munich Philharmonic Orchestra SERGIU CELIBIDACHE, cond. Recording: Suntory Hall, Tokyo, April 24, 1993.

Beachtlicher Langsamfahrabschnitt, Danke fürs "Teilen". Gibt es diesen Tokyo-Mitschnitt auf CD? Ich habe bei diesen neuen Sony-CDs den Durchblick verloren.

Die hier?

Zitat von Johannes Schlüter

Beachtlicher Langsamfahrabschnitt, Danke fürs "Teilen". Gibt es diesen Tokyo-Mitschnitt auf CD? Ich habe bei diesen neuen Sony-CDs den Durchblick verloren.

Hallo lieber Johannes! Ich kann Deine Frage im Moment nicht beantworten, werde aber versuchen, das zu klären. Ist Celi Dir zu langsam?

Ich fand das jetzt durchaus fesselnd und funktionierend. Für eine "normale" Interpretation der Sinfonie aber wahrscheinlich zu langsam.

Nebenbemerkung: Es gibt ja mittlerweile die Möglichkeit, Musik technisch zu verlangsamen, ohne dass die Tonhöhen dadurch absacken. Da gibt es ein paar tolle Sachen in Youtube, die mich faszinieren.

Zitat von Johannes Schlüter

Gibt es diesen Tokyo-Mitschnitt auf CD?

Laut abruckner.com gab es diesen Mitschnitt aus Japan vom 20. April 1993 (bei dem mir nicht ganz klar ist, ob das aus dem Rundfunk stammt oder ob es hochprofessionell "in house" gemacht wurde) auf ein paar obskuren "Labels" wie Eternities und Karna Music. Dabei dürfte es sich um japanische CD-R-Pressungen handeln. Die Aufnahme selbst, augenscheinlich Celibidaches letzter Konzertauftritt mit dem Werk, kursiert auch im Netz. Mit 86 Minuten Gesamtspielzeit (24:11 - 19:50 - 11:59 - 30:44) übertrifft sie auch seine eigenen, nur unwesentlich früheren Darbietungen recht deutlich: 1988 auf EMI benötigte er 78:28, 1989 auf Sony 82:30. Zum Vergleich: 1960 kam er mit dem RAI-Orchester in Rom noch mit 68:30 aus.

Zitat von Joseph II.

Mit 86 Minuten Gesamtspielzeit (24:11 - 19:50 - 11:59 - 30:44) übertrifft sie auch seine eigenen, nur unwesentlich früheren Darbietungen recht deutlich: 1988 auf EMI benötigte er 78:28, 1989 auf Sony 82:30. Zum Vergleich: 1960 kam er mit dem RAI-Orchester in Rom noch mit 68:30 aus.

Lieber Joseph II. Auf diese interessanten Details hat orfeo ebenfalls in seinem Beitrag (#60 und ff.) hingewiesen und damit meine Suche nach der Aufnahme 1993 ausgelöst. Bist Du Dir sicher, dass die Aufnahme in Tokio tatsächlich seine letzte Einspielung der 4.Bruckner ist? Fast nicht zu glauben, aber wahr: 1960 in Rom 68:30, und 1993 in Tokio 86. Sein Brucknerbild hat sich also in der Tat gewandelt. Schönen Sonntag und LG Bernd