Wer war denn eigentlich dieser Joseph Haydn?

  • Haydn war auch nicht abgeneigt eine Komposition an ZWEI Auftraggeber zuverkaufen....
    Vom Geschäft verstand er was, der Herr Haydn..


    Haydn hat ja sogar ein Klaviertrio von Pleyel unter seinem Namen verkauft. Ein bisserl geldgierig war er also vielleicht, aber hätte Haydn gar keine menschlichen Schwächen gehabt, könnte man ihm das ja auch als Schwäche auslegen.


    Der Prinz von Wales und andere blaublütige Profiteure tun mir jedenfalls nicht leid.....

  • Haydn hat ja sogar ein Klaviertrio von Pleyel unter seinem Namen verkauft. Ein bisserl geldgierig war er also vielleicht, aber hätte Haydn gar keine menschlichen Schwächen gehabt, könnte man ihm das ja auch als Schwäche auslegen.

    Wenn ersteres stimmt, ist "ein bisserl geldgierig" für den Tatbestand des Betrugs etwas euphemistisch formuliert...


    ;)

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Welches Trio wäre das denn gewesen und war das wirklich Haydns Schuld oder nicht die eines Verlegers?


    Für Hob. XV:3 und 4 steht in meinem Verzeichnis: "wahrscheinlich von Pleyel, obwohl in Haydns Kontrakt mit Forster (1786) erwähnt und eine Abschrift von Haydn signiert, urspr. ohne Vc. [...]"
    (in der Brilliant-Aufnahme der Trios fehlen diese Werke)


    Haydn hat als alter Mann auch nicht widersprochen als die Quartette "op.3" in einer Gesamtausgabe unter seinem Namen erschienen. Aber in diesem Falle kann man vermuten, dass er tatsächlich keinen rechten Überblick mehr über alle frühen Werke hatte.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Welches Trio wäre das denn gewesen und war das wirklich Haydns Schuld oder nicht die eines Verlegers?

    Claudia Maria Knispel schreibt in ihrer Haydn-Biographie (erschienen bei rororo):


    "Er [Anm.: Haydn] schickte mit seinem G-Dur-Trio (Hob. XV:5) noch zwei Klaviertrios seines Schülers Ignaz Pleyel als eigene Werke - möglicherweise, da ihm selbst die Zeit zur Komposition fehlte. Noch bei seinem zweiten London-Aufenthalt 1794 wurde wegen dieser Angelegenheit gegen Haydn eine Klage geführt".



    Wenn ersteres stimmt, ist "ein bisserl geldgierig" für den Tatbestand des Betrugs etwas euphemistisch formuliert...

    Es gibt aber auch eine Gegendarstellung in der Haydn-Biographie von Karl Geiringer:


    "Schließlich übermittelte er an Forster irrtümlich zwei Trios seines früheren Schülers I. Pleyel, wobei er sogar eigenhändig auf der Titelseite vermerkte: Di me Giuseppe Haydn".


    Da also aus erstem Zitat nicht hervorgeht, dass die Causa vor Gericht zu einem Ende gebracht wurde, möchte ich darauf hinweisen, dass nach österreichischem Recht für Haydn in diesem Fall die Unschuldsvermutung zu gelten hat! So wie für die vielen anderen Unschuldslamperln bei uns auch......

  • Es spricht schon für die Qualität der Werke von Pleyel, wenn nicht mal Haydn selbst auf Anhieb den Unterschied feststellen konnte.
    Dies ist nämlich kein Einzelfall. Gegen Ende von Haydns Leben wurde er gebeten gewisse Stücke zuzuordnen. zu autorisieren oder zu verwerfen. Haydn war nicht besonders interessiert. Er autorisierte Werke, bei denen später eindeutig festgestellt wurde, dass sie NICHT von Haydn stammen. Umgekehrt erklärte er einige Werke als NICHT authentisch, deren Authentizität im Rahmen späterer Forschungen bestätigt wurde. Haydn war das alles egal - er hatte von diesen Werken insgesamt keine Einnahmen mehr zu erwarten...
    Umgekehrt wurde ihm auf dem Gipfel seines Ruhms oft übel mitgespielt. Werke anderer Komponisten wurden - beispielsweise in Paris - unter seinem prestigeträchtigen Namen verkauft - und er hatte keinen Vorteil davon.
    Vermutlich zum Ausgleich liess sich Haydn einiges einfallen um das auszugleichen....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Man darf nicht vergessen, dass es damals keinerlei "Copyright" gab und gerade erfolgreiche Komponisten darunter zu leiden hatten, dass man unter ihren Namen irgendwelche fremden Werke druckte oder im Gegenzug Raubkopien von ihren Werken vertrieb. Schon Händel kämpfte sehr mit diesen Praktiken, die sogar rufschädigend sein konnten. So waren Cembalostücke zweifelhafter Qualität unter Händels Namen im Umlauf, sodass er sich gezwungen sah, seine tatsächlichen Cembalowerke - die meisten vor seiner Englandzeit entstanden - gesammelt in Druck zu geben. Von Händels Kammermusik dürfte sogar die Mehrzahl der Werke nicht wirklich von ihm selbst stammen. Haydn wiederum hatte ein unglaubliches Arbeitspensum zu leisten. Schon die weit über hundert Barytontrios, die er für den Fürsten schreiben musste, waren eine gewaltige Last. Es kann daher tatsächlich sein, dass er nicht immer genau wusste, ob er ein älteres Stück geschrieben hatte oder nicht. Pleyels Kammermusik ist allerdings zugegeben auf einem Niveau, das mit einigen von Haydns Werken, wie etwa Hob. XV:5, schritthalten kann.

  • Die Triogeschichte kommt mir schon etwas eigenartig vor. Diese Trios müssten die ersten Werke dieser Gattung gewesen, die Haydn überhaupt (ca. 1784) veröffentlicht hat. Es gibt natürlich noch eine ganze Reihe früher Trios, teils noch aus den 1760ern, inklusive einiger unterschobener Werke, aber die wurden anscheinend nicht offiziell gedruckt. Dass beim ersten gedruckten Trio-Opus 2 von 3 Werken nicht vom Autor stammen, ist sehr seltsam.


    Soviel ich weiß, gibt es hunderte von unterschobenen Werken, die, nachdem Haydn seit Mitte der 1770er sehr berühmt geworden war, unter seinem Namen veröffentlicht wurden. Ich meine, mal gelesen zu haben, dass es noch einmal soviel "Haydn"-Sinfonien wie echte Sinfonien gibt. Insofern ist beinahe erstaunlich, dass schon in Mandyczewskis Ausgabe Ende des 19. Jhds. fast nur authentische Sinfonien drin sind.


    Händel und Bach bieten nochmal andere Probleme. Bei Händel ist es insofern ähnlich wie bei Haydn, dass aufgrund der Popularität des Komponisten unterschobene Werke, oft auch Bearbeitungen authentischer Werke von fremder Hand, sowie nie zur Veröffentlichung vorbereitete Jugendwerke (die Cembalomusik außer den 8 1720-Suiten stammt wohl zum größten Teil aus der Zeit in Hamburg oder Halle, auch wenn sie erst viel später, teils posthum veröffentlicht wurde) gedruckt wurden.
    Bei Bach (in einem Orgelthread behauptet jemand, dass bei einem erheblichen Teil des Orgelwerks die (alleinige) Urheberschaft fraglich sei), ist es die Praxis der Bearbeitung fremder Werke für Orgel/Clavier usw., sowie ein großer Anteil von Kompositionen aus dem Schülerkreis (inkl. der Söhne) oder mutmaßliche Gemeinschaftskompositionen (das betrifft eine Reihe Kammermusikwerke). Außer der Clavierübung, einigen Orgelwerken, dem Musikalischen Opfer und der Kunst der Fuge wurde von Bach ja sehr wenig gedruckt.


    Das interessante daran sollte eigentlich weniger die Detektivarbeit der Musikhistoriker (selbst wenn die spannend sein kann) sein, als der Einblick in ein Musikverständnis, das viel stärker von der Praxis, den konkreten Aufführungen, sei es in der Oper oder in der Kirche, geprägt ist, als unsere heutige Auffassung eines "ewigen Werks", das ein für allemal festgelegt wird und von dem es nur in Einzelheiten abweichende, im wesentlichen gleich bleibende Aufführungen gibt.

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  • An der Treffsicherheit der stilkritischen Zuordnungsarbeit der Wissenschaft sollte man ohnehin Zweifel hegen, wenn man bedenkt, dass das Aufdecken von Kunstfälschungen in der Malerei mit naturwissenschaftlichen Methoden manchmal die gutgläubigen Experten verblüfft hat.

  • Ich wage nicht zu beurteilen, wie exakt "Stilkritik" funktioniert.
    Aber es gibt ja viele "harte" philologische Argumente wie Papiersorten usw.
    Bei Haydns/Hofstetters op.3 hat man wohl auch Stichplatten mit ausgekratztem Namen des eigentlich Komponisten gefunden.
    Die Werke selber würde ich wohl kaum gegenüber opp.1+2 als unecht einsortiert haben, obwohl zB hier (und nur hier) bei Haydn zwei- und dreisätzige Werke vorkommen, während die echten Divertimenti alle fünfsätzig und ab op.9 alle viersätzig sind.
    Was einen aber schon lange hätte stutzig machen können (obwohl es auch dafür andere Gründe geben könnte), ist die Veröffentlichung NACH opp.9,17,20. Das wäre ein sehr bemerkenswerter Rückschritt gewesen, der kaum zur Entwicklung der Quartettkomposition bei Haydn passt.


    Bei der reinen Stilkritik treibt es schon manchmal seltsame Blüten. (Man nehme zB die relativen Mozart/Süssmayr-Anteile am Requiem, aber das ist auch ein sehr komplexer Fall).
    Der Reclam-Kammermusikführer (in der Neuauflage eigentlich sehr solide und sorgfältig) ergießt sich in Lobeshymnen über die C-Dur-Triosonate Bachs, die tatsächlich von Goldberg komponiert wurde. Er ist sehr sicher bei der Abweisung einer Reihe umstrittener Händel-Kammermusik, obwohl das anscheinend in der Forschung gar nicht so eindeutig gesehen wird, zumal viele dieser Werke ohnehin dem Teenager in Halle zugeschrieben werden (dafür sind sie lt. Reclam anscheinend zu "modern")
    Eine g-moll-Trio-Sonate ("Dresdner") lobt ein DDR-Musikführer als eine der besten, während der Reclam-Führer sich hier nicht recht entscheiden mag, eine Autorschaft aufgrund der "mangelnden Erfindung" (oder so) eher unwahrscheinlich findet.

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  • Ich denke schon, dass es einen Unterschied macht, ob wir uns Werke ansehen, die zur Veröffentlichung gedacht waren, oder nicht. Dass Bach mit seine Söhnen zusammen komponiert hat, ist unbestritten und war von seiner Sicht aus auch sinnvoll. Wir haben hingegen keine Hinweise, dass er solche Werke zur Publikation brachte. Die Haydn-Pleyel Geschichte ist und bleibt jedenfalls dubios. Dass solch ein Vorgehen nicht konventionell war, zeigt schon, dass es eine Klage gab und somit eine Authentizitätsdebatte. Das heißt natürlich nicht, dass sich Haydn und Pleyel nicht schon vorher diesbezüglich geeinigt hätten. Rein theoretisch hätte Pleyel seine Trios sogar beim Kartenspiel an Haydn verloren haben können....Es ist unbestreitbar, dass noch im 18.ten Jahrhundert Musikstücke auch als Handwerksarbeit begriffen wurden. Weiters wurden Praktiken, die heute als quasi kriminell angesehen werden, z.B. Plagiieren, nicht nur geduldet sondern sogar als Reverenz gesehen. So zitierte Händel gerne aus Telemanns Tafelmusik - eben um Telemann zu ehren.

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  • Ich würde auch gerne diese Pleyeltrios hören und mit Haydns Hob XV:5 vergleichen. Weiß jemand genaueres über Pleyels Klaviertrios? Wenn nicht, mache ich mich mal kundig....

  • Meine Nachforschungen haben ergeben, dass Pleyels erste beiden Klaviertrios (von insgesamt 50) ursprünglich als Hob. XV: 3 und 4 bekannt waren. Es handelt sich um zwei Klaviertrios (in C-Dur und F-Dur, jetzt mit den Benton-Nummern 428 und 429), die offensichtlich bisher nicht unter dem Namen Pleyel eingespielt wurden. Es gibt allerdings beim Henle-Verlag die Noten zu kaufen:


  • Ich hoffe, dass ich diesen Thread benutzen kann um daran zu erinnern, dass Joseph Haydn zu allererst geboren wurde, und zwar am 31. März 1732. Zu diesem Anlass habe ich eine meiner Lieblingsboxen mitgebracht, die ich schon oft gehört habe, und zwar alle CD's:


    Heute ist die 283. Wiederkehr von Joseph Haydns Geburtstag.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Heute möchte ich an den Todestag des großen Joseph Haydn erinnern, und zwar mit dieser Box:


    Heute ist sein 206. Todestag.



    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • ich weiss nicht wie oder wer dieser Joseph Haydn war.

    Ich mag seine Musik, zumindest vieles davon

    Momentan höre ich oft seine Streichquartette mit dem Kodaly Quartet (Naxos rel.); habe da einige CDs preiswert bei Ebay geschossen :-)


    Bei einer Facebook Gruppe der Heidelberger Sinfoniker habe ich eben dieses Zitat von Haydn gelesen


    Auf die Frage nach der Fröhlichkeit seiner Musik soll Haydn geantwortet haben:

    “Traurige Musik zu schreiben war nie meine Stärke. Wenn du traurig sein möchtest, mein lieber Freund, musst du einfach jemand anderes hören!”


    Eine schöne Antwort, wie ich finde.

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  • Dabei gibt es in seinen Sinfonien einige traurige Sachen, und die sind besonders schön!

    22 Der Philosoph, 44 Trauer, 45 Abschied, 49 La Passione.

    Canada is the US running by the Swiss (Richard Ford)

  • Wir wissen sehr viel über Joseph Haydn, und wir haben im Gegensatz zu Mozart - zahlreiche lebensnahe Gemälde.

    Wir wissen über seine Loyalität seinen Fürsten gegenüber, der Angst von seinem Schüler Pleyel überflügelt zu werden, seinem Verhältnis zu Gott

    „Wenn ich an Gott denke, ist mein Herz so voll Freude, daß mir die Noten wie von der Spule laufen.“

    seiner Einstellung zu Mozart:

    „Er ist das größte musikalische Genie, das je gelebt hat. Wäre er vor mir in London gewesen, hätte es mir nichts mehr gebracht, dorthin zu gehen, denn nichts kann gegen Mozarts Kompositionen bestehen.“Aber auch über die Einstellung zu Beethoven wissen wir viel - oder besser gesagt, es ist überliefert.


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Joseph Haydn hatte musikalischen Witz. Allerdings setzt er ihn nicht vordergründig ein, sondern ist eine subtile Eigenschaft seiner Kompositionen.


    Wie schafft er das? Mit einer unerwarteten Wendung, einem überraschenden Effekt regt er den Hörer an. Er unterläuft die Hörerwartungen mit leichten Abweichungen der Regeln. Beim Studium der Streichquartette fällt mir das auf.

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928