Das Regietheater, eine etablierte Kunstform - wie geht es weiter?

  • Zitat

    Wie kann es sein, dass sich hier bei den Gegnern des Regietheaters eingebürgert hat, jede moderne Produktion zu verteufeln. Wie kann man sich dem verschließen, dass auch Neues Gutes sein kann.

    Lieber Klaus,


    ich habe nicht den Eindruck, dass hier jede moderne Produktion verteufelt wird. Verteufelt wird lediglich das, was man heute allgemein unter "Regietheater" versteht, nämlich die Verunstaltung der Werke, indem sich der Regisseur (der in meinen Augen nicht der Künstler ist) das Recht nimmt, ein fremdes Werk zu verschandeln, indem er Ort und Zeit des Werks verlegt und ihm vielfach eine völlig andere (oft verrückte) Handlung unterlegt. Das ist für mich wie wenn ich ein Bild eines älteren Künstlers mir Salzsäure bespritze oder mit Farbe bekleckere, und dann behaupte, nur so wäre es heute noch tragbar. Das Zerstören wäre also dann "Kunst" und ich wäre ein Künstler und das Ganze wir von einigen als Fortschritt bezeichnet!!!
    Ich habe deshalb auch immer wieder von "Verunstaltungstheater" oder "sogenanntem Regietheater" oder "modischen" Theater gesprochen, das aber inzwischen vielfach schon so abgeleiert und uniform ist, das der von Knusperhexe gebrauchte Ausdruck "Einheitsbrei" voll ins Schwarze trifft. Ich besitze auch einige moderne Produktionen, die sich aber in Rahmen des Libretttos halten. Man kann also "modern" nicht gleich "Regietheater" setzen. Denn die wenigen werksgetreuen Inszenierungen die in den letzten Jahren entstanden sind, sind ja wohl auch eine moderne Produktion. Leider aber sind heute die modernen Produktionen fast ausschließlich nur noch Verunstaltungen (und damit das, was unter den (fälschlichen) Begriff "Regietheater" fällt).
    Gerade die moderne Bühnentechnik hat doch weit mehr Möglichkeiten, ein Werk in seiner Originalform ausdrucksvoll und interessant zu gestalten. Wenn ein Regisseur das nicht mehr vermag, dann ziehen bei mir auch Ausreden wie altbacken, museal, notwendig zu entstauben usw. nicht. Er will "Künstler" genannt werden, beherrscht aber wohl nicht sein Handwerk oder hat sich garnicht mit dem Werk auseinandergesetzt, wenn er es nötig hat, in irre Phantasien auszuweichen und dafür die Musik und den oft nicht passenden Text eines Fremden mißbraucht. Aber Könner wie Zefirelli, Ponelle usw. werden wir wohl nicht mehr bekommen. Der Trend geht zu den Schmarren, wie sie die Privatsender täglich massenweise verbreiten.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • So sehr ich die exaltierten Seelenzustände derjenigen nachzuvollziehen vermag, die sich "ihrer" Opern beraubt sehen und auch darüber hinaus vieles an heutigen Zeit auszusetzen haben, so sehr würde ich es begrüßen, wenn wir die Spirale der verbalen Gewalt verlassen könnten und zurückfinden würden zu den eingangs gestellten Fragen:


    Wenn wir die Existenz und die weitgehende Dominanz des Regietheaters als gegeben ansehen:


    1) In wie weit können die Berichte langjähriger Opernkenner über positive Erfahrungen mit dem Regietheater für eine Opernpraxis der Zukunft genutzt werden?
    2) Welche Stilmittel des Regietheaters können das Opernerlebnis vertiefen? Beispiele?
    3) Welche Stilmittel des Regietheaters wären zu verwerfen und warum?


    Ich möchte diesen Beitrag des hochgeschätzten Forianers Operus gewinnbringend für diese Diskussion nutzen und danke ihm herzlich für die damit gegebene Anregung zu diesem Thread!


    :hello:

  • Das "klassische" Opernpublikum ist eine ganz spezifische Sorte Mensch ......


    Hallo Alfred,

    bei aller gebotenen Bescheidenheit und Höflichkeit : Darf ich darum bitten, die Be/Umschreibung "ganz spezifische Sorte Mensch" mit aussagekräftigem Inhalt zu füllen?


    Nicht nur die Bitte aussprechend, sondern auch auf Antwort wartend der


    zweitebass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler


  • O.k., ich verstehe was du meinst. Ich meinte damit aber eher, dass ich mich kaum jemals erinnern könnte eine gute Regietheater Inszenierung gesehen zu haben, und wenn es doch so war, dass ich diese wirklich an einer Hand abzählen kann. Mit Denkverboten hatte das aber nichts zu tun. Ich hoffe das hat mein Statement klargestellt.


    Es ist heute in der Tat so, dass ich eine regelrechte Allergie bzgl. des Regietheaters entwickelt habe. Glaubt es oder nicht, mir wird regelrecht körperlich unwohl, wenn ich nur schon Fotos der neuesten Verunstaltungen sehe, wenn ich Beschreibungen lese oder höre. Ich habe deswegen seit Januar die Extremposition eingenommen, dass ich mir NICHTS mehr anschaue, wenn es nicht in der vorgegebenen Zeit des Librettos spielt. Das ist für mich schon das erste ausschlaggebende Kriterium und damit fallen 99,9 Prozent der europäischen Operninszenierungen für mich untern Tisch. Warum soll ich mich selbst quälen? Warum mit wundem Herzen zusehen, wie meine Freunde massakriert werden? Ich lebe viel besser damit, Mitschnitte (sehr gerne auch auf deutsch) zu hören und dabei alte Szenenfotos oder Entwürfe zu betrachten. Zuweilen illustriere ich das in meiner Fantasie, es kann auch mal passieren, dass das Wohnzimmer zum Theater wird oder ich setze mich auch ab und an noch an den Zeichentisch.


    Als das Regietheater seine Anfänge nahm, fand ich das manchmal ganz interessant. In Köln wurde da eine gute Mischung angeboten. Gleichwohl galt meine Liebe nach wie vor den Inszenierungen, die das Libretto genau umsetzten. Allein, dieses Gefühl, wenn der Vorhang aufging und man in eine andere Welt gesogen wurde. Das hat mir das Regietheater kein einziges Mal bieten können - und das, obwohl ich es in den folgenden Jahren bis zum o.g. Überdruss goutiert habe bzw. goutieren musste. Was mich von Anfang an abgestoßen hat, das war dieser Fanatismus der plötzlich durch die Foyers wehte. Dieser laute Jubel. Diese abgrenzende Wortwahl. Dieses elitäre Gehabe. Ich höre heute noch, wie eine angehende Regisseuse nach einer Premiere jubelte über die "starken Bilder". Gezeigt worden war eine überdimensionale Lady mit gespreizten Beinen und dazwischen tummelten sich blutige Elfen.


    Auf einmal gehörte ich zur sogenannten Opafraktion. Verdutzt nahm ich das zur Kenntnis - und mit mir viele andere. Doch überwiegend haben wir geschwiegen. Ich fand das auch unfein, so zurückzuballern. Habe nur manchmal Fragen gestellt, z.B. der o.g. starken Bilderfrau, die meinte, Dvorak habe sich genauso seine Rusalka gedacht. Leider konnte sie mir nicht beantworten, wieso der gute Antonin die Stille der Natur für seine Komposition gesucht hat. Das gab mir dann manchmal ein kurzes Überlegenheitsgefühl, doch irgendwie, ja, wir Werktreuen waren wohl damals bereits alle schon leicht verunsichert. Die Presse stimmte von jetzt auf gleich in das hohe Lied mit ein und suggerierte uns, dass wir uns schämen sollten. Und dieses Gift hat bei vielen gewirkt. Ich kenne seitdem auch dieses Gefühl der leisen Scham, dass ich gerne in der Oper träume. Bis dahin war das völlig legitim bzw. es wurde doch gar nicht drüber gesprochen. Soll doch jeder die Oper so erleben wie er möchte. Aber damit war dann Schluss und so langsam wurde ich immer wütender.


    Ich weiß jetzt gar nicht, warum ich das hier alles ausbreite. Also, gutes Regietheater? Was es ausmacht? Keine Ahnung. Es gibt kein Patentrezept dafür. Und wenn es das geben würde, so interessiert es doch kaum einen Regisseur. Da stehen andere Sachen im Vordergrund. Stichwort: Selbstverwirklichung. Auch so ein ätzendes Schlagwort heute. Immerhin gibt es unter den Regietheaterregisseuren zumindest einige, die ihr Handwerk verstehen. Hilsdorf z.B., der mit zunehmenden Alter handzahmer wird und dafür prompt von den Fanatikern abgestraft wird. Aber er weiß zumindest, wie man Sängern entgegenkommt und wenn er gerade nicht wieder auf dem Egotrip ist und meint, er müsse in die Partitur eingreifen, s. Wildschütz, kann man sich das noch anschauen. Aber richtig begeistern tut mich auch von ihm leider nichts und seine frühen Werke (man beachte meine Wortwahl: Ich spreche ja schon gar nicht mehr von der Oper als solche sondern von seinem Regiewerk), ich sage nur: Troubadour in Essen...: Nein, Danke!


    Sehr gefallen haben mir Brittens "Sommernachtstraum" in Köln. Ich glaube, Harry Kupfer hat inszeniert. Das Bühnenbild und die Kostüme waren auf jeden Fall von dem begnadeten Hans Schavernoch. Da wurde eine ganz eigene Welt geschaffen. Die Elfen hatten Rituale, die man gar nicht verstand, aber das war gerade das faszinierende.


    Dann: "Hoffmanns Erzählungen" in Salzburg: http://www.youtube.com/watch?v=7mKJDiZWJZU Das waren teilweise sehr verstörende Bilder, doch sie wahrten das fantasische Element dieser Oper und zertrümmerten es nicht, wie es heute eigentlich jede Inszenierung tut. Vor allem, ließen sie mir Raum, für eigene Gedanken.


    Wenn es denn ein Patentrezept gibt für gutes Regietheater, dann ist es wohl das: Ich möchte mir meine eigenen Gedanken machen und nicht in eine bestimmte Richtung gedrängt werden oder irgendwelche Botschaften mit auf den Weg bekommen. Und ich verlange, dass das Stück in der Zeit spielt, die im Libretto angegeben ist.

  • Danke für den schönen Beitrag!
    Ich gehöre der Generation an, die sozusagen schon im Kindesalter aus senilen Ewiggestrigen bestand - oder vielleicht erst noch zu dumm und dann gleich senil (Übergang in der Pubertät?)
    Ich habe also bereits im Alter unter 10 die radikal negative Regietheater-Erfahrung gemacht (1980er), wahrscheinlich bei meinem ersten Opernbesuch. Im Laufe der Jahre hat sich an meiner Bevorzugung der werktreuen Inszenierungen nie etwas geändert, Freude hatte ich mit den verfremdenden Inszenierungen nie.
    Die zugehörige Gehirnwäsche habe ich erst vor ein paar Jahren (im Zuge des Foren-Betriebes?) kennengelernt, da ich vorher kaum Zeitungskritiken gelesen habe. Zum regelmäßigen Operngänger werde ich gerade erst in letzter Zeit (nachdem ich eigentlich resigniert hatte), da ich merke, dass es in Wien noch eine ganze Reihe werktreuer Inszenierungen gibt. Dabei habe ich vor, konsequent das Verunstaltungstheater zu meiden, auch wenn Stücke kommen, die mich besonders interessieren (z.B. Moses und Aron - die Staatsoperniszenierung ist scheußlich) - mit den Opern, die in den letzten 30 Jahren komponiert wurden, bleiben mir ohnehin genug Gelegenheiten, in denen ich moderne Regie sehe (und im Kino natürlich).


    Momentan kann man ja nur hoffen, dass die "etablierte Kunstform" deetabliert wird :D also zu Wolframs drei Punkten:

    Zitat

    1) In wie weit können die Berichte langjähriger Opernkenner über positive Erfahrungen mit dem Regietheater für eine Opernpraxis der Zukunft genutzt werden?

    Als abschreckendes Beispiel.



    Zitat

    2) Welche Stilmittel des Regietheaters können das Opernerlebnis vertiefen? Beispiele?

    Keine.



    Zitat

    3) Welche Stilmittel des Regietheaters wären zu verwerfen und warum?

    Alle, weil sie nicht zur Oper hin- sondern von der Oper wegführen.

  • Lieber kurzstückmeister,


    auch mein Greisentum begann in den 80ern. Im zarten Alter von zwölf Jahren, doch hatte ich bis dahin ganz zauberhafte Inszenierungen sehen dürfen. Und auch danach noch stand ich mehrmals in der Woche an der Abendkasse. Haben wir uns doch gut gehalten als vermeintliche Waldorff und Stadtler;-)


    Viele Grüße,
    Knuspi

  • Hallo, liebe Knusperhexe,


    vielen Dank für deinen Beitrag (Posting Nr. 35).


    Ich habe mir gerade den von dir verlinkten Ausschnitt mit der "KleinZack"-Szene aus Salzburg angesehen und kann dir nur zustimmen, dass hier zwar eine Wandlung gegenüber den "traditionellen" Inszenierungen, wie z. B. der 1981er (John Schlesinger) mit Placido Domingo, zu erkenn ist, aber dennoch die Handlung klar zu erkennen ist.
    Vor einigen Jahren habe ich im Konzerttheater Coesfeld eine Inszenierung der Städtischen Bühnen Osnabrück gesehen, wo es in eine ähnliche Richtung ging, nicht mehr die opulente Ausstattung, aber die Handlung während des ganzen Stücks klar erkennbar, nichts, was den Zuhörer(Zuseher) vom Stück und von der Musik ablenken konnte, keine Verunstaltungen.
    So würde ich mir auch andere Inszenierungen gefallen lassen, aber ich befürchte, dass man die mit der Lupe suchen muss.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Zitat

    kurzstückmeister: Zum regelmäßigen Operngänger werde ich erst in letzter Zeit, (nachdem ich eigentlich resigniert hatte), da ich merke, dass es in Wien noch eine Reihe werktreuer Inszenierungen gibt. (


    Lieber kurzstückmeister,


    leider ist mir Wien zu weit, und wenn ich in Essen bin, gehe ich tapfer an der Oper vorbei zur Philharmonie, wo in den Konzerten Gottseidank dieses Problem nicht besteht. Und ausgerechnet von da kommt quasi eine Hilfe, da dort am 26. 01. 2013 zum 200. Geburtstag Richard Wagners der "Parsifal" konzertant aufgeführt wird. Da gibt es dann Musik pur (hoffentlich vom Feinsten). Diese Oper ist Bestandteil meines neuen Abos.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Kurzstückmeister,


    die drei Fragen hätte ich in gleicher Weise beantwortet. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen:


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Kann man nicht mal dieses "etabliert" aus der Überschrift löschen?


    Lieber Willi,


    Ja, die Aalto-Oper ist für mich auch tabu. Vor ein paar Monaten bot mir jemand an, ich könne für jede Aufführung dort eine Freikarte und jederzeit haben. Ich habe bis heute nicht eine in Anspruch genommen.


    Kannst Du mal Fotos von dem Osnabrücker Hoffmann reinstellen? Der Salzburger Hoffmann bot wohl auch Kulissenzauber, war also nicht so karg, wie z.B. die mich langweilenden Wieland Wagner-Inszenierungen. Die Kostüme waren sehr, sehr gut gearbeitet. Da hat einer richtig gut recherchiert!


    Die Inszenierung hat das Stück ernst genommen, ihm und dem Publikum vertraut. Auf das vertraut, was auch die alten Filmemacher wussten, dass es z.B. viel gruseliger, anregender, erotischer ist, die angedeuteten Fantasien im Kopf weiterzuspielen als vom Holzhammer zertrümmerte auf dem Tablett serviert zu bekommen. So störten mich hier die Nackedeis im Guilietta-Akt überhaupt nicht. Hier hatte das einen Sinn. Das wirkte alles brutal, morbide und saugefährlich, nicht als Mittel zum Zweck. Solche Aktionen, wie "Heute verschrecken wir mal das ublikum" sind für mich sowieso völlig indiskutabel.


    Es hat mich hier auch nicht gestört, dass die Muse nicht, wie in der legendären Covent Garden-Inszenierung, in Toga auftrat. Ich fand es sehr anrührend, dass sie als Hoffmanns Geliebte dargestellt wurde und es war schemrzhaft zu sehen, wie sie ihn am Ende auch verlässt.


    Viele Grüße,
    knuspi

  • Alle, weil sie nicht zur Oper hin- sondern von der Oper wegführen.


    Dazu passt doch Wolframs Zitat:

    Eine Interpretation würde ich „ästhetisierend“ nennen, wenn sie einem Werk eine Ästhetik aufpfropft, die der des Komponisten nachweislich fremd ist.

    Regietheater-Inszenierungen sind einfach zu stark "ästhetisierend" (in der Wortbedeutung von Wolfram).



    Klingt interessant, ist aber nicht den Werken gemäß.

    Also fürs Regietheater: Sieht interessant aus, ist aber nicht den Werken gemäß.

  • Kann man nicht mal dieses "etabliert" aus der Überschrift löschen?

    Warum bitteschön? Willst Du Zensur? Zutrauen tue ich das ja den meisten Vertretern der konservativen Richtung....


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    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
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  • Zitat

    knusperhexe: Lieber Willi, .....kannst du mal Photos vom Osnabrücker Hoffmann reinstellen?


    Liebe Knusperhexe,


    meine diesbezüglichen Recherchen haben zu keinem Erfolg geführt. Wohl aber habe ich erfahren, dass man den "Hoffmann" in Osnabrück nun jedoch neu inszeniert hat. Und zwar stammt die Heldentat von einem gewissen Lorenzo Fioroni:


    Zitat: Anfang:
    Lorenzo Fioroni inszeniert in Osnabrück „Les Contes d’Hoffmann“ als verwirrenden Traum


    Dichter im Delirium
    Osnabrück. Verwirrend ist Lorenzo Fioronis Inszenierung von Jacques Offenbachs „Contes d’Hoffmann“ am Theater Osnabrück. Wer Deutlichkeit sucht, muss – und kann! – sich an die Musik halten.

    Wo bin ich? Hoffmann (Bernardo Kim) ist fix und fertig und verliert gerade sein Spiegelbild.



    Olympia ist sturzbesoffen. Torkelt, stolpert, kotzt. Trotzdem singt sie ein beseeltes Liedchen, ein süßes Tralala von Vögeln und Mädchen, von Herz und Liebe. Einer der Hits aus Jacques Offenbachs künstlerischem Vermächtnis „Les Contes d’Hoffmann“.
    Ursprünglich war diese Olympia mal ein Musikautomat. Ani Taniguchi hingegen verbannt das Puppenhafte, Mechanische aus dem Gesangspart zugunsten eines lebendigen, atmenden Bogens: intonationssicher bis in die höchsten Höhen, beweglich in den Koloraturen, lebendig. Jacques Offenbachs Intention rückt damit in den Hintergrund – aber es fügt sich in die Vorstellung des Regisseurs Lorenzo Fioroni. Hoffmann sitzt keinem Trick auf, sondern einer jungen Frau aus Fleisch und Blut. Seelenlos ist sie allenfalls, weil sie voll ist wie ein Eimer. Am Ende ersticht Coppelius die Tochter des Spalanzani (Hans Hermann Ehrich) aus Eifersucht. Der Chor (perfekt einstudiert von Holger Krause) singt trotzdem von einem Automaten – da knirscht es im dramaturgischen Gebälk.
    Hoffmann hat jeden Kontakt zu seinem sozialen Umfeld verloren. Er singt nicht in Luthers Kneipe von „Klein Zack“ und von seinen drei ruinösen Liebesbeziehungen, sondern verliert sich in seiner schäbigen Hochhauswohnung, die sich um ein Treppenhaus windet (Bühne: Paul Zoller), in wirren Tagträumen. Statt einer Wirtshausmeute schickt Fioroni die Männer einer Umzugsfirma los, um Hoffmanns Wohnung leer zu räumen, und da wird ja auch mal gern ein Bier getrunken; trotzdem driften Libretto und Szene auseinander: Im Text ist ja nach wie vor von Luthers Lokal die Rede.
    Aber ist im Kopf eines delirierenden Dichters nicht alles möglich? Deshalb tauchen ja manche Figuren in mehrerlei Gestalt auf. Hoffmanns Gegenspieler Lindorf mutiert zu Coppelius, Doktor Mirakel, Dapertutto: eine Vierfachrolle, deren Facetten Genadijus Bergorulko stimmlich und darstellerisch schön auslotet, vom schlurfenden Nachbarn bis zum Teufel. Cochenille-Franz-Pitichinaccio ist Clown, Rotlicht-Ganove und zwischenzeitlich Spiegelbild Hoffmanns, das sich wiederum in einen Clown verwandelt – was Mark Hamman spielfreudig darstellt. Und schließlich begleitet Hoffmann eine vielgestaltige Muse: Eva Schneidereit ist Bibliothekarin, Haushälterin, Nachbarin, Prostituierte und, im Epilog der Oper, Bestattungsunternehmerin. Und singt sie innig und mit vollem Timbre.
    Wo das wuselige Bühnengeschehen nicht reicht, schafft Fioroni per Video (Xavier Ballester) und Klangregie zusätzliche Ebenen. Schön ist das meist nicht, ja, Fioroni versagt sich geradezu jede Kulinarik: Die Auftrittsarie der Antonia singt Natalia Atamanchuk ganz bezaubernd, aber aus dem Off. Und wenig später zeigt ein Film zur Barcarole, wie Notärzte die tote Antonia bergen. Die Party im Puff des Schlemihl (Daniel Moon) mit Höllenqualm, Zuhältern und einer herrlich singenden Sabine Ritterbusch als Giulietta geht trotzdem weiter.
    Den Hoffmann nun lässt Bernardo Kim mit Jackett und Trainingshose wie einen Zuschauer durch seine eigenen bizarren Träume stolpern und den drei Frauen hinterherhecheln. Den anstrengenden Gesangspart bewältigt er dabei mit angenehm rundem Tenor. Verwirrend bleibt dennoch vieles an diesem Abend. Aber so sind Träume nun einmal: Da lacht auch eine Trauergemeinschaft, die Hoffmann am Ende aufsucht, noch vergnügt.
    Keine Zweifel hingegen lassen Hermann Bäumer und das Osnabrücker Symphonieorchester. Sie erzeugen einen zutiefst sinnlichen Sog, voller feiner Nuancen, lassen es mitunter höllisch krachen – und setzen Fioronis hässlicher Welt Wohlklang entgegen. Allein das lohnt den Besuch im Theater Osnabrück.
    Zitat: Ende (Osnabrücker Zeitung)


    Leider konnte ich das Foto nicht importieren, weil ich nicht weiß, wie das geht. Aber so wie dieser "neue, revolutionäre" Hoffmann war der, den ich gesehen habe, nicht. Aber dafür konnte man ihn eindeutig erkennen.


    Liebe Grüße


    Willi ?(X(

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Warum bitteschön? Willst Du Zensur? Zutrauen tue ich das ja den meisten Vertretern der konservativen Richtung....


    Nur fürs Merken und Einprägen: Für die Threadtitel sind die Threadersteller verantwortlich. Solange die Titel mit den Regeln des Forums konform gehen, wird da kein Jota dran geändert.


    Wer wem was zutraut, sollte doch wohl außen vor bleiben.


    Ich möchte keine Zensur, sondern Objektivität: Das Regietheater ist nicht etabliert, sonst würde hier und anderenorts wohl kaum so leidenschaftlich debattiert.


    Lieber wolfram, würdst Du es ändern wollen in "die derzeit regierende Theaterform"?


    Ohweiha, lieber Willi, das klingt übel. Erfreulich, dass die Rezension das auch so sieht. Dem Verfasser sollte man gleich einen Dankbrief schreiben!

  • Habe mal "etablieren" ins Web geworfen. Heraus kam z.B.: "eine sozial sichere Position einnehmen". Das haben die RT-Regisseure momentan schon, die Konkurrenz haben sie in ihrem Marktsegment vertrieben - allerdings auch die Kunden ...

  • Ich möchte keine Zensur, sondern Objektivität: Das Regietheater ist nicht etabliert, sonst würde hier und anderenorts wohl kaum so leidenschaftlich debattiert.

    Es wird hier vor allem einseitig diskutiert. Klar, wenn sich hier weitestgehend Leute zusammenfinden, die sich in der Sache unverrückbar einig sind. Und alles wegbeißen, was nicht ihrer Meinung ist. Es ist schon beschämend, dass in den diversen Threads über das Theater die immerselben Leute die immer selben Statements ablassen, ge-oder verwürtzt mit den entsprechenden Prisen oder Dosen Polemik. Man kann die Sache ganz einfach zusammenfassen: das Theater, das Du sehen möchtest, möchte ich nicht sehen. Und das ewige Argument von der Treue zum Libretto - pardon, zu den szenischen Anweisungen im Libretto - ist ein persönlicher Standpunkt, mehr nicht. Und er wird auch nicht durch permanente Widerholungen und das herausholen der Verurteilungskeule wahrhaftiger. Und wie unsere reiche Theaterlandschaft zeigt, sind andere Standpunkte möglich. Das mag Dich ärgern, mich freut's. Threads wie die über das sogen. Regietheater dienen bestenfalls dem Ablassen persönlicher Befindlichkeiten, quasi eine Art Shitstorm auf abgesichertem Gebiet. Nichts gegen das Aufschreiben persönlicher Meinungen, die sind hochwertvoll. Aber immer wieder dasselbe? Das wird dann langweilig. Immer wieder bewundernswert, wie tapfer Wolfram hier entgegenhält. Ich würde da ja eher sagen: zetert so laut Ihr wollt aber macht die Tür zu. Bitte.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Ich möchte keine Zensur, sondern Objektivität: Das Regietheater ist nicht etabliert, sonst würde hier und anderenorts wohl kaum so leidenschaftlich debattiert.


    Lieber Knuspi,


    gerne stimme ich Dir in Deinem Wunsch nach mehr Objektivität zu - gerade in den Regietheaterthreads würde ich dies sehr begrüßen!


    Zu "etabliert": Sind es nicht gerade die Äußerungen der Regietheatergegner, aus denen hervorgeht, dass man eigentlich nur noch Regietheater-Inszenierungen zu sehen bekommt? Wie hoch soll der Anteil denn noch werden, bis Du geneigt wärest, das etabliert-Sein zu bejahen?


    Wiktionary sagt zu "etablieren" unter anderem:


    Bedeutungen:
    [ ... ]
    [4] reflexiv: sich in der Gesellschaft oder in einer bestimmten Ordnung erfolgreich einfügen und ausbreiten


    Synonyme:
    [ ... ]
    [4] Fuß fassen, sich ausbreiten, sich behaupten, sich durchsetzen


    In diesem Sinne habe ich das "etabliert" behauptet. Das Regietheater hat sich in die vorher bestehende Landschaft eingefügt und ausgebreitet, es hat sich gegen alle Widersacher behauptet und numerisch durchgesetzt. Willst Du das bestreiten?


    Egal, wie man dazu steht - das Regietheater ist sowas von etabliert, das übertrifft sogar noch iPhones und iPads. Objektiv gesehen kann es daran gar keinen Zweifel geben.


    Eine Partei würde man bspw. schon etabliert nennen, wenn sie ein paar Jahre hintereinander in den Wahlen zwischen 5% und 10% liegt. Von einer Mehrheit, wie sie das Regietheater hat, können Politiker nur träumen. Die würde zur Verfassungsänderung berechtigen. -


    Ich würde beispielsweise auch sagen, dass die avantgardistische Chormusik etabliert ist - mit Clustern, gesprochenen Abschnitten, Aleatorik, Glissandi, Aktionen/Bewegungen usw. usw. (Für avantgardistische Opern oder Sinfonien sage ich das nicht!) Jeder ambitionierte Chor hat ein paar solche Stücke im Repertoire und führt sie auch auf. Der absolute Prozentsatz in den Konzertprogrammen ist sicher einstellig (außer bei einschlägigen Festivals), aber diese Musik ist tägliche Praxis.



    Lieber wolfram, würdst Du es ändern wollen in "die derzeit regierende Theaterform"?


    Ich will nicht bestreiten, dass das Regietheater die derzeit dominierende Theaterform ist. Mit "regieren" würde ich auch das Innehaben bestimmter Gewalten wie Jurisdiktion, Legislative usw. verbinden, zumindest eine gewisse Richtlinienkompetenz und Weisungsbefugnis, das scheint mir weniger genau passend, obwohl man trotz des unscharf gewählten Begriffs die dahinter stehende Mitteilungsabsicht bei gutem Willen erraten kann. Allerdings hat "regierend" in meiner Wahrnehmung durchaus einen tendenziösen Beigeschmack. Das ist aber subjektiv.


    Darum erscheint mir "etabliert" immer noch sehr genau das auszudrücken, was ich meinte. Trotzdem danke für die Anregung, darüber noch einmal nachzudenken!


    :hello:

  • So Thomas? Wir beißen was weg? Und die Theaterlandschaft ist reich? Würde mich wirklich auch sehr freuen, wenn es denn so noch wäre. Doch mein Blick ist da ein anderer auf das einseitige Vielerlei jenseits Deiner Logentür.



    In diesem Sinne habe ich das "etabliert" behauptet. Das Regietheater hat sich in die vorher bestehende Landschaft eingefügt und ausgebreitet, es hat sich gegen alle Widersacher behauptet und numerisch durchgesetzt. Willst Du das bestreiten?


    Eine Partei würde man bspw. schon etabliert nennen, wenn sie ein paar Jahre hintereinander in den Wahlen zwischen 5% und 10% liegt. Von einer Mehrheit, wie sie das Regietheater hat, können Politiker nur träumen. Die würde zur Verfassungsänderung berechtigen. -


    Ja, ich bestreite das, lieber wolfram. Sogar entschieden. Ich gehe sogar noch weiter und greife Deinen Vergleich mit den Parteien auf und verweise in diesem Zusammenhang auf diverse Politiker, die sich auch nur durch bestimmte Mechanismen an der Macht halten (konnten). Entschuldige, ich muss lachen und ich weiß, dass Du das nicht beabsichtigt hast, aber es klingt wirklich wie eine Reichsparteitag-Rede oder wie eine von Honnecker;-) "gegen alle Widerrrrrrrrsacher behauptet und numerrrrrrisch durrrchgesetzt". Bitte, ich unterstelle Dir sowas nicht, aber es drängte sich mir direkt auf.

  • Bei mir ist die Hoffnung nicht gestorben, daß eine Abstimmung mit den Füßen erfolgt. In der Oper Leipzig sind zu Konwitschnys Zeiten die Anrechtszahlen drastisch zurückgegangen, mitunter waren 300-400 Mann auf und hinter der Bühne und im Zuschauerraum saßen keine 500 Leute (selbst erlebt in Rienzi, von Studienkollegen geschildert in den Meistersingern und auch der neue Generalintendant und GMD Ulf Schirmer hat sich so ausgedrückt). In Gera sind früher alle Premieren ausverkauft gewesen, aber jetzt bleiben oft der 1. und 2. Rang leer. Und aus anderen Theatern hört man Ähnliches, im Forum wird ja darüber berichtet, daß Karten verschenkt werden, um den Eindruck hoher Auslastung vorzutäuschen.


    In meinen Augen ist das eine deutliche Entwicklung. Wolfram wird sicher fragen, was das mit der Opernregie zu tun hat. Ja, hat es!! In Gera gehen die Leute im Moment in Frau Luna, Anatevka, und das wars schon fast. Ausgesprochen klassische Inszenierungen. Selbst unser vor Kurzem zum Thüringer Staatsballett befördertes Tanztheater spielt nicht mehr automatisch vor vollem Haus, da das klassische Reportoire vernachlässigt wird.


    Der Zusammenhang ist eindeutig. Die Preise steigen, und der Großteil des Publikums ist mit der Auswahl der Stücke und der Umsetzung durch die Regie unzufrieden. In Gera/Altenburg sind mind. 1/4 der Anrechtsbesucher weggebrochen, und im Besucherbuch ist zu lesen, was viele Zuschauer von Carmen mit Kalaschnikows (natürlich nicht die Carmen, sondern die in NATO-Uniformen auftretenden Soldaten) halten - nichts. Übrigens bleiben solche kritischen Einträge nicht lange Zeit im Buch. Und von der Presse wird der größte Käse als "erfolgreiche Inszenierung" beschrieben. Sicher auch, um Leute vom Theaterbesuch nicht abzuhalten. Wer geht schon hin, wenn geschrieben wird "erfolglose Inszenierung" oder "ausgebuhte Aufführung."


    Wenn im Denken der Theaterschaffenden keine Wende eintritt, werden viele kleine Bühnen schließen müssen. Diese leben nicht von Touristen, die man schnell noch in die Oper schicken kann, damit sie z.B. mal in der Semperoper gewesen sind. Die Provinztheater leben vom heimischen Stammpublikum, und das bleibt zunehmend weg. Bei steigenden Kartenpreisen uns steigenden Lebenshaltungkosten sowie gleichzeitig sinkendem Einkommen muß man entscheiden, wofür man sein Geld ausgibt. Und ich gebe kein Geld aus für eine Kulturveranstaltung, vor deren Besuch mir schon vorher graut und aus der ich schlecht gelaunt wieder herauskomme. Und staatliche Zuschüsse sinken weiter, wenn der Eigenanteil der Mittelerwirtschaftung immer geringer wird!


    Es werden sich wahrscheinlich Tourneeensembles bilden und die Theater bespielen. Dann wird man sehen, was das Publikum bevorzugt. Damit geht aber gleichzeitig unsere jahrhundertealte Kultur zugrunde. Armes Deutschland. Denk ich ab Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht!


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Das Regietheater hat sich in die vorher bestehende Landschaft eingefügt und ausgebreitet, es hat sich gegen alle Widersacher behauptet und numerisch durchgesetzt. Willst Du das bestreiten?


    Ja, lieber Wolfram, das bestreite ich!!!!! Das ist schlicht nicht wahr!!


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • So Thomas? Wir beißen was weg? Und die Theaterlandschaft ist reich? Würde mich wirklich auch sehr freuen, wenn es denn so noch wäre. Doch mein Blick ist da ein anderer auf das einseitige Vielerlei jenseits Deiner Logentür.


    Logentür? Gott bewahre, da säße der Richtige bei den Falschen. Neeee, in Logen wirst Du mich nie finden.

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Abgesehen von den üblichen Beißreflexen und Maulkorbanordnungen finde ich die Diskussion momentan interessant - die Frage zu stellen, ob das RT überhaupt etabliert IST, ist doch mal etwas Neues.

  • Logentür? Gott bewahre, da säße der Richtige bei den Falschen. Neeee, in Logen wirst Du mich nie finden.


    Finden werden wir uns sowieso nicht, wie Du ja selbst sagst: Du verkehrst schließlich bei den Richtigen. Und zu denen möchte ich im Leben nicht, da mufft es mir zu sehr...

  • Dann treffen wir uns halt beim Sion auf ein Kölsch; wir können uns ja immerhin noch über Grammos, Sänger oder Architektur (btw: warst Du in Sachen Grammo und Orchestrion mittlerweile erfolgreich?) unterhalten.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:


    Passend zur aktuellen Debatte ein facebook-Fundstück, das der Journalist Thomas Knüwer gerade gepostet hat:



    :baeh01: :hahahaha:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.


  • Ja, lieber Wolfram, das bestreite ich!!!!! Das ist schlicht nicht wahr!!


    Lieber La Roche,


    mir drängt sich wegen der vielen Ausrufezeichen die Vermutung auf, dass meine Äußerung Dein Blut in Wallung gebracht haben könnte. Falls dies so sein sollte: bitte entschuldige dies! Das lag nicht in meiner Absicht.


    Wie schätzst Du denn das Verhältnis von konventionellen Inszenierungen zu Regietheater-Inszenierungen ein? 30:70? 50:50? 70:30? Vielleicht könnten wir auf dieser Grundlage erfolgreicher über "etabliert" oder "nicht etabliert" diskutieren. Ich würde übrigens bei jedem der vorgenannten Verhältnisse das Regietheater als "etabliert" bezeichnen.


    Ich bitte auch einfach mal, Wunsch und Wirklichkeit zu trennen und objektiv zu betrachten, was wir heute an deutschen Bühnen vorfinden.


    In Gera sind früher alle Premieren ausverkauft gewesen, aber jetzt bleiben oft der 1. und 2. Rang leer. Und aus anderen Theatern hört man Ähnliches, im Forum wird ja darüber berichtet, daß Karten verschenkt werden, um den Eindruck hoher Auslastung vorzutäuschen.


    In meinen Augen ist das eine deutliche Entwicklung. Wolfram wird sicher fragen, was das mit der Opernregie zu tun hat.


    Ja sicher fragt Wolfram, was das mit Opernregie zu tun hat. Denn die von Dir aufgezeigte Entwicklung betrifft alle Bereiche der klassischen Musik.


    Im Jahre 2000 wurden 17,8 Millionen Klassik-Alben verkauft. Im Jahre 2008 12,6 Millionen. Das ist ein Rückgang von über 29%.


    Wenn die Anzahl der Menschen, die Geld für eine Opernkarte ausgeben, in erster Näherung proportional zur Anzahl der Menschen, die Geld für eine Klassik-CD ausgeben, ist, dann kann der Rückgang des Opernpublikums nicht durch Regietheater erklärt werden.


    Auch, wenn jeder hier jemanden kennt, der wegen Regietheater sein Abonnement gekündigt hat: Wahrscheinlich kennt auch jeder hier jemanden, der tausende von Klassik-Platten und -CDs zuhause hatte, in den letzten Jahren gestorben ist und dem Markt nicht mehr als Käufer zur Verfügung steht.


    :hello:


    P. S.: Entschuldigung, ich vergaß meine Quelle zu benennen. Die Zahlen über verkaufte Klassik-Alben stammen vom "Bundesverband Musikindustrie e. V.".


    P. P. S: Norman Lebrecht erwähnt in seinem lesenswerten Buch "Ausgespielt - Aufstieg und Fall der Klassikindustrie" (Schott 2007, aus dem Englischen übersetzt von Ingeborg Hagedorn und Katja Neumann) auf Seite 170: "Die Klassikindustrie nahm immer mehr ab. 2001 produzierten DG, Decca und Philips zusammen weniger Tonaufnahmen als ein einziges dieser Labels ein Jahrzehnt vorher."


    Der Rückgang dauert also schon erheblich länger an.

  • Das ist doch mal eine Idee. Wie sagte schon Hiller: Die Kölner und die Wiener verbindet die Theaterlieb, nur dass der Kölner sie beim Kölsch direkt wieder ausschwitzt und das eben noch bei Tosca gezückte und von Tränen benetzte Taschentuch nun vor lauter Lachen an den Mund presst. Lasst uns doch wirklich noch mal nach den Ferien ein treffen arrangieren.



    Bzgl. Polyphon: Ich spare noch. Falls einer eines mit Doppelkamm verkaufen möchte: Ich halte mich empfohlen.


    Oh, sehe gerade Dein Tonfilm-Inserat. Das ist nun aber wirklich etwas ganz anderes. Die Ausgangsposition ist eine völlig unterschiedliche, s. "The Artist" oder zumindest die rezensionen auf amazon dazu.

  • mir drängt sich wegen der vielen Ausrufezeichen die Vermutung auf, dass meine Äußerung Dein Blut in Wallung gebracht haben könnte. Falls dies so sein sollte: bitte entschuldige dies! Das lag nicht in meiner Absicht.


    Lieber Wolfram,


    ich habs überlebt. Viel mehr Sorgen macht mir der nachtschwarze Himmel jetzt gegen 15.00 Uhr, der nichts Gutes ankündigt. Werde die Alpensimfonie auflegen, mal sehen, ob das Gewitter paßt!


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Zitat

    Zitat von Knusperhexe: Kann man nicht mal dieses "etabliert" aus der Überschrift löschen?

    Ja, lieber Knuspi, ob wir es zugeben wollen oder nicht, wir müssen zu unserem Bedauern tatsächlich feststellen, dass sich das Verunstaltungstheater tatsächlich etabliert hat (sprich: eingenistet wie ein Krebsgeschwür, das laufend neue Metastasen treibt). Auch wenn es dein Wunsch wäre, dass das Wort verschwände, so ändert das leider nichts an der derzeitigen Tatsache. Es ist so ähnlich, wie sich die Schmuddelshows und Albernheiten im Privatfernsehen etabliert haben. Aber der Opernliebhaber wird wohl kaum mit dem Zuschauer zu vergleichen sein, der sich den Schwachsinn im Privatfernsehen "reinzeiht" (um hier einmal den Gossenausdruck eines unserer ehemaligen Mitglieder zu gebrauchen). Umgekehrt wird auch ein Zuschauer, der sich an diesem Mumpitz im Privatfernsehen delektiert, kaum in die Oper gehen. Wenn sich die Subventionen nach Besucherquote ähnlich wie die Werbung nach Einschaltquoten richten würde, ginge der Spuk sicher schneller zuende.
    Uns bleibt nur die Hoffnung, dass sich bald wieder die Vernunft etabliert.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Ich gestehe, daß ich diesen Thread anfangs unterschätzt und ihn nicht oft aufgesucht habe.
    Er behandelt zum zigsten Mal mein Lieblingsthema "Regietheater" - allerdings kommt bei jedem Thread etwas anderes heraus - das alleine ist schon beachtenswert. Ich hätte das Thema nun schon für ein wenig "erschöpft" beurteilt - aber das ist offenbar nicht der Fall - Das Interesse ist ungebrochen - auch von Seiten der Mitleser her - und das obwohl (Achtung Verschwörungstheorie :hahahaha: ) Google die Threads des Tamino Forums -zu diesem Thema gerne unterschlägt ....


    Wolfram hat uns einen Threadtitel geliefert, der in seiner Art einfach genial ist, der alle Parameter eines erfolgreichen Eyecatchers in sich trägt - und den sollen wir ändern?


    Ist das Regietheater "etabliert"? - Ich würde meinen "derzeit schon"
    Sind Proleten und Dummköpfe in Schlüsselstellungen von Politik, Kunst und Kultur "etabliert"? - Ich würde meinen - derzeit schon. Und das noch überproportional ausgeprägt !!!
    Wie man aus diesem zugegebenermaßen sehr drastischen, und vielleicht auch ein wenig unappetitlichen Vergleich unschwer erkennen kann - ist "etabliert" lediglich eine Zustandsbeschreibung, welche nichts über den Wert des etablierten Objekts oder Subjekts aussagt. Und das sie an vielen Schlüsselpositionen hocken und die ganze Opernwelt mit ihren ungeliebten Elaboraten beglücken ist ja wohl unbestreitbar ? Also doch: "etabliert"


    Nun folgt ein Kunstkniff Wolframs, der von mir sein könnte (ist es in diesem Falle aber leider nicht) - Er nennt diese elenden Machwerke mit schon an Tollkühnheit grenzender Todesverachtung schlicht und einfach "Kunstform". Ein ungeübter Leser mag sich durch die Kombination von "etabliert" und "Kunstform" vermutlich täuschen lassen und etwas "Wertvolles" dahinter vermuten - Bei mir zieht in des der Kunstkniff nicht. "Regietheater" ist ebensowenig eine "Kunstform" wie "Kindergekritzel".
    "Wie geht es weiter" ist ein kluge Wendung, denn sie lässt so ziemlich alles offen - von der Revolution des "Klassischen Operntheater" bis hin zum Ende von Operninszenierungen überhaupt.


    Im Laufe des Threads stellt Wolfram, dann drei Fragen, deren Beantwortung in der vorgegbenen Weise schon implizit eine persönliche Akzeptanz des Regietheaters voraussetzt (Wolfram ist hier gewissermaßen bereits mit dem Fuß in der einen Spalt geöffneten Tür (die indes von unserer Seite NIE geöffnet wurde)



    1) In wie weit können die Berichte langjähriger Opernkenner über positive Erfahrungen mit dem Regietheater für eine Opernpraxis der Zukunft genutzt werden?


    Die Frage ist suggestiv - und setzt bereits eine teilweise Akzeptanz des Regietheaters voraus - welche jedoch nicht gegeben ist.


    2) Welche Stilmittel des Regietheaters können das Opernerlebnis vertiefen? Beispiele?


    Da ich diese "Stilmittel" a priori ablehne ist diese Frage nicht beantwortbar. Ihre Beantwortung wäre ein
    Zeichen der Akzeptanz oder des Konsenses. Einen solchen wird es indes niemals geben.


    3) Welche Stilmittel des Regietheaters wären zu verwerfen und warum?


    Alle - weil sie die Kunstform Oper (und die gibt es in der Tat) mißbrauchen um eigene Ideen - die jedoch vom Publikum mehrheitlich abgelehnt werden - klammheimlich unter dem Namen der wirklichen Schöpfer des Werkes an den Mann zu bringen....



    Zitat

    Das Regietheater hat sich in die vorher bestehende Landschaft eingefügt und ausgebreitet, es hat sich gegen alle Widersacher behauptet und numerisch durchgesetzt.

    Das war nur durch einen Fehler der Gegenseite möglich, welche die Situation falsch eingeschätzt hat. Die einen meinten, solche Chaoten solle man nicht ernst nehmen, die anderen waren nicht bereit konsequente (= radikale) Maßnahmen gegen die Entwicklung einzusetzen, das sei "unmenschlich" Solch eine Strategie birgt den Mißerfolg schon in sich.
    "Durchgesetzt" ist wieder mal wertfrei - Es HAT SICH NICHT durchgesetzt . sondern es WURDE DURCHGESETZT.
    Gegen den Willen eines empörten Publikums - das von der Bühne aus von blöde grinsenden, sich verbeugenden Regisseuren verhöhnt wurde.



    Zitat

    Im Jahre 2000 wurden 17,8 Millionen Klassik-Alben verkauft. Im Jahre 2008 12,6 Millionen. Das ist ein Rückgang von über 29%.

    Zu diesem (interessanten) Seitenthema starte ich noch heute einen eigenen Thread .....



    Zitat

    Ich mag mich irren, aber das Problem der notwendigen Subventionierung der Kulturform Oper wird sich nicht dadurch lösen, dass ab morgen statt sog. Regietheater-Inszenierungen nur noch sog. konventionelles auf die Bühne kommt. Selbst, wenn dann die Häuser jeden Abend ausverkauft wären, kann sich ein Opernhaus mit laufendem Spielbetrieb nie und nimmer allein durch die Eintrittsgelder finanzieren (ich habe irgendwo hier im Forum mal versucht, das pauschal durchzukalkulieren) - dafür ist dieser "Spaß" einfach per se zu teuer. Will sagen: So oder so leisten wir, die wir mehr oder weniger regelmäßig in die Oper gehen, uns diesen Spaß bzw. Luxus immer auf Kosten der Allgemeinheit (vulgo: des Steuerzahlers). - Die Alternative wäre dann wohl massives Kultursponsering mit der Gefahr entsprechender Einflußnahme und/oder signifikant höhere Eintrittspreise. Insbesondere in letzterem Fall wäre ich als "Normalverdiener" wohl "raus aus dem Bus".

    Die Bemerkung, daß auch konventionelles Operntheater der Subventionierung bedürfe ist unbestritten, aber vermutlich ist es leichter durchzusetzen, daß "klassische" Opern subventioniert werden, die auch der "kleine Mann" als "Kulturgut" akzeptiert, als wilde Experimente, die ausser ihren Vertreten fast keine Anhänger mehr haben, und wo der Ruf nach "sparen" aus den verschiedenen Interessengruppen mit verschiedenen Motiven immer lauter wird. Eine Regierung unterstützt heut vorzugsweise das, was Wählerstimmen bringen könnte....


    Natürlich brächte ein privates Kultursponsering gewaltige - wie ich meine positive - Veränderungen mit sich. Regietheater wäre dann wohl kein Thema mehr. Privatwirtschaft hat andere Maßstäbe als Staatsunternehmen. die gigantischen Gagen für einige wenige gehörten dann wohl auch der Vergangenheit an. Auslastung heisst dann das Zauberwort - gespielt wird was gefällt. Ich glaube übrigens nicht, daß die Eintrittspreise unbedingt nach oben gegen müssten. Lediglich auf den Eintrittskarten und am Programmheft könnte in etwa stehen: "Diese regietheaterfreie Aufführung widmet J*cobs Monarch" allen Freunden guten Kaffes und guter Musik".........



    Zitat

    Das "klassische" Opernpublikum ist eine ganz spezifische Sorte Mensch ......

    Es wurde gewünscht, daß ich das erläutere.
    Es war eine Anspielung daruf was ein Opernpublikum imstande ist aufzuführen, wenn ein Sänger das hohe C verpasst hat (speziell in Italien) Eine gewisse Unbarmherzigkeit ist hier nicht zu leugnen. Ebenso empfindet das "klassische" Opernpublikum Verachtung fürs Regietheater und deren Vertreter, die sie als "Mob" betrachten.
    Dieses Publikum sitzt nun verbittert daheim und hat resigniert - Einmal aufgeweckt und Blut geleckt könnte es sich zur alles vernichtenden Bestie entwickeln....(?)


    Mich würde das nicht wundern.
    Wie Gott will - ich halt still.............


    mit aufmunternden Grüßen aus Wien
    Alfred

    POLITIKER wollen stets unser Bestes - ABER WIR GEBEN ES NICHT HER !!!