Komponisten- und Künstlerrankings - boulevardhafte Marotte oder menschliches Ordnungsbedürfnis?

  • Das wird OT, aber die "Fremdkörper" in der verlinkten Liste sind wohl Adenauer, Geschwister Scholl und auch Brandt. Keiner von denen hat auch nur annähernd die historische Bedeutung (um die es ja irgendwie gehen soll) von Marx, Bach, Luther, Goethe, Einstein usw.

    Absolut richtig! Hätte ich das geschrieben (und ich wollte es), wären gleich wieder die Aasgeier erschienen ... :)

  • Also ich bin ja nun wirklich alles andere als ein Adenauer-Fan, aber eine "historische Bedeutug" kann man ihm nun wirklich nicht absprechen.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Das wird OT, aber die "Fremdkörper" in der verlinkten Liste sind wohl Adenauer, Geschwister Scholl und auch Brandt. Keiner von denen hat auch nur annähernd die historische Bedeutung (um die es ja irgendwie gehen soll) von Marx, Bach, Luther, Goethe, Einstein usw.


    Wer entscheidet aber letztendlich über die historische Bedeutung? Das Kultusministerium mittels des Lehrplans für die Oberstufe?
    Menschliche Größe ist da erfahrungsmäßig wenig gefragt, sonst könnte nicht Adenauer über die Geschwister Scholl gewinnen.


    Durchschlagende historische Bedeutung haben in der Mehrzahl die berüchtigsten Massenmörder der Geschichte.


    Attila, Dschingis Khan, Alexander, Pizarro, Napoleon, Cäsar, Bismarck, Stalin und Hitler.


    Da bleiben eben Größen wie Robert Koch oder Louis Pasteur ungenannt, auch wenn sie tausendmal mehr zum Wohl der Menschheit beiragen haben als unsere teuren Helden.


    Allerdings, solange Holywood das nicht begreift, begreifen wir es ebenfalls nicht.

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  • Bismarck ein Massenmörder??? Jetzt ist aber mal gut!!! Geschichtsklitterung werde ich nicht dulden!!!

    Massenmörder geht vielleicht zu weit, aber Kriegstreiber (deutsch-dänischer, deutscher=preußisch-österreichischer Krieg und deutsch-französischer Krieg) war er ganz gewiss. Er betrachtetete Krieg als ein ganz selbstverständliches Mittel, um seine politischen Ziele durchzusetzen. Da dabei und dadurch tausende Menschen ihr Leben ließen, ist der "Massenmörder Bismarck" also gar nicht mal so abwegig wie manches, was Yorick hier schon so rausgehauen hat...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Bismarck ein Massenmörder??? Jetzt ist aber mal gut!!! Geschichtsklitterung werde ich nicht dulden!!!


    Offenbar fiel das nicht nur mir auf, dass der Fürst von Bismarck in der Liste deplaciert ist, und ich bin beileibe kein Bismarck-Fan (Habsburger Fraktion), erkenne aber an, dass seine historische Bedeutung unleugbar ist.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Bismarck ein Massenmörder??? Jetzt ist aber mal gut!!! Geschichtsklitterung werde ich nicht dulden!!!


    Gewiss, aus preußischer Sicht sicherlich nicht. Es gibt aber da noch Franzosen, Bayern, Österreicher, den Trick mit der Emser Depesche und die Übergriffe der Preußen gegen die französische Zivilbevölkerung.


    Doch da es in meiner Heimatstadt eine Bismarckschule gibt und ich dortselbst ein nicht allzufleißiger Schüler war, kann ich Deinen Helden um einige Sprossen aufstufen.

  • Offenbar fiel das nicht nur mir auf, dass der Fürst von Bismarck in der Liste deplaciert ist, und ich bin beileibe kein Bismarck-Fan (Habsburger Fraktion), erkenne aber an, dass seine historische Bedeutung unleugbar ist.

    Einer der größten Staatsmänner der Geschichte, von dem sich heute so mancher eine Scheibe abschneiden könnte! Ein Mann mit Stärken und Schwächen; aber insgesamt zeichnet die seriöse Geschichtswissenschaft ein positives Bild des Kanzlers.

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  • Gewiss, aus preußischer Sicht sicherlich nicht. Es gibt aber da noch Franzosen, Bayern, Österreicher, den Trick mit der Emser Depesche und die Übergriffe der Preußen gegen die französische Zivilbevölkerung.


    Doch da es in meiner Heimatstadt eine Bismarckschule gibt und ich dortselbst ein nicht allzufleißiger Schüler war, kann ich Deinen Helden um einige Sprossen aufstufen.

    Er ist nicht mein Held! Meine Helden gehören alle der Geistesgeschichte an! Und weder die Bayern noch die Österreicher und erst recht nicht die Franzosen haben Bismarck irgendetwas vorzuwerfen! Das Schulwissen um die Depesche reicht eben nicht aus für tiefere historische Zusammenhänge, und das mit den Übergriffen kannst du steckenlassen, die gab es von allen Seiten!


    Wer hier mitreden will, sollte wie ich folgende Biografien gelesen haben:





  • Natürlich hat Adenauer eine historische Bedeutung, ebenso Brandt. Aber doch wohl kaum mit Bismarck zu vergleichen. Und so schwierig es sein mag, Politiker mit Künstlern oder Wissenschaftlern zu vergleichen, hat selbst Bismarck als Politiker wohl nicht die historische Bedeutung von Luther, Goethe oder Bach. Die sind eher in der Napoleon-Liga ;) (Beethoven soll während der napoleonischen Kriege gesagt haben: Wenn ich von der Kriegskunst so viel verstünde wie von der Tonkunst, würde ich ihn besiegen.)


    Wer entscheidet das? Das ist heute keine ernsthafte Forschungsfrage, insofern gibt es vermutlich kein Gremium von Geschichts- oder Musikprofessoren, das das entscheiden könnte oder wollte. Wie in einem anderen thread schon angesprochen, kann man aber zB die Anzahl und das Niveau der wissenschaftlichen (oder auch populären) Veröffentlichungen als eine gewisse Richtlinie nehmen.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Sind wir eigentlich noch beim THEMA ?


    Irgendwie fühle ich mich peinlich an eine Frage eines Klassikliebhabers erinnert, der, als ich ihn für das Tamino-Klassikforum
    anwerben wollte, mit der Frage konterte:

    Zitat

    "IST DAS AUCH SO EIN FORUM WO ÜBER GOTT UND DIE WELT GESTRITTEN, UND SO NEBENBEI ÜBER KLASSISCHE MUSIK GESCHRIEBEN WIRD ?"


    BINGO !!


    mfg aus Wien
    Alfred MOD 001

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ja bitte, zum Thema zurück. Man erkennt daran doch nur, wie untauglich solche Rankings sind, und zu welchen unsäglichen Diskussionen sie letzten Endes führen.


    Ich halte solche Rankings für überflüssig. Sie sind zeitgesteuert. Damals war Schumacher noch ein wichtiger Sportler, heute würde er nur noch von seinem Nachruhm zehren, von Vettel in der Spitzenposition verdrängt, und vielleicht noch etwas bekannter als Becker und Graf, deren Glanzzeiten noch weiter zurück liegen.


    Und wie will man nun Beethoven mit Bach, Haydn oder Mozart vergleichen? Beethovens Musik mag uns vielleicht sympathischer sein, der Mensch aber im persönlichen Umgang aber vielleicht eher weniger? Und wer ist wichtiger, der, der die Grundlagen erarbeitet, oder der sich von dieser Stufe zu nächsten aufschwingt, und sich von diesen Grundlagen wieder löst? Und wie vergleicht man Wagner mit Gluck? Keine Ahnung.


    Aus meiner Sicht sind solche Rankings alles nur Popularitätsbarometer, ähnlich wie Hitparaden. Und für wen macht man die? Wer zieht daraus nutzen? Ich nicht. Ne, mir sind solche Rankings total schleierhaft.


    Gruß enkidu2

    Nach Schlaganfall zurück im Leben.

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  • Sind wir eigentlich noch beim THEMA ?


    Teilweise schon. Um eine Frage gründlich zu beleuchten, müsste es gestattet sein, zu Analogien zu greifen und auch etwas weiter auszuholen.


    Eine vertiefte Debatte um Bismarck gehört allerdings nicht hierher.

  • Man kann aber auch würfeln.
    Wie soll sich denn ein Arzt bei einer kritischen Entbindung entscheiden? Für das Leben des Kindes oder das der Mutter? Hat man zwischen Pest und Cholera zu wählen, braucht man den menschlichen Verstand nicht mehr zu bemühen.


    Gott sei Dank sind nicht alle unsere Entscheidungen von gleich fataler Tragweite und Komponisten nach ihrer Größe einzuordnen ist keine Forderung des kategorischen Imperativs.


    Man kann Hanslick, Alfred Einstein und Adorno zwar mit Vergnügen lesen, einschüchtern lassen von deren bisweilen allzu intellektuellen Ergüssen sollte man sich dagegen nicht.

    Ist das Besipiel mit der Entbindung nicht gerade ein Paradebeispiel dafür, dass der Mensch Prioritäten setzt? Hat das Kind oder die Mutter eine höhere Überlebenschance, etc..? Im Allgemeinfall wird natürlich heutzutage für die Mutter entschieden.



    In der Musik schleichen sich ja durch unsere Vorlieben Rankings in unser Denken ein. Wenn ich mir überlege, weshalb mir Komponist A besser gefällt als B, versuche ich das im Allgemeinfall für mich begründen zu können. Habe ich ein Schema erkannt, nutze ich es auch für Einordnungen usw. Allgemeine Rankings sind vor allem deshalb interessant, weil man seine eigenen Empfindungen und seine Denkweise mit anderen Menschen vergleichen kann. Die Orientierung des Individuums in der Gemeinschaft ist meiner Meinung nach ein Grundbedürfnis des Menschen (von mir aus auch nur der meisten Menschen).

  • Im Grunde ist die Eingangsfrage müßig: Natürlich gehört das Ordnen und Einordnen und Gewichten und Bewerten zum Menschen dazu! Jeder, der das leugnet und einen auf Objektivität und pausenloses Abwägen von Urteilen macht, lügt sich selbst in die Tasche. Die Angst vor dem Urteil verweist auf die Angst vor Inhalten und Überzeugungen! Schon, indem wir ins Regal greifen, betreiben wir ein Ranking! Jeden Tag, jede Stunde, jede Minute - immer in anderen Zusammenhängen. Dass man es nicht übertreiben soll in der Publizität, liegt in der Natur der Sache und des Menschseins; dass es doch übetrieben wird und sinnlos ausgehöhlt, ist notwendiger Ausfluss unserer auf Profit und Unterhaltung getrimmten Mediengesellschaft.

  • Im Grunde ist die Eingangsfrage müßig: Natürlich gehört das Ordnen und Einordnen und Gewichten und Bewerten zum Menschen dazu! Jeder, der das leugnet und einen auf Objektivität und pausenloses Abwägen von Urteilen macht, lügt sich selbst in die Tasche. Die Angst vor dem Urteil verweist auf die Angst vor Inhalten und Überzeugungen! Schon, indem wir ins Regal greifen, betreiben wir ein Ranking! Jeden Tag, jede Stunde, jede Minute - immer in anderen Zusammenhängen. Dass man es nicht übertreiben soll in der Publizität, liegt in der Natur der Sache und des Menschseins; dass es doch übetrieben wird und sinnlos ausgehöhlt, ist notwendiger Ausfluss unserer auf Profit und Unterhaltung getrimmten Mediengesellschaft.


    Andererseits stellt sich ntürlich die Frage, ob Rankings nicht vorgeben, uns das "pausenlose Abwägen und Urteilen" abnehmen zu können, indem sie uns eine Objektivität vorgaukeln, die aber so nicht gegeben ist. In der Wissenschaft werden Rankings herangezogen, um über Karrieren zu entscheiden. Da geht einiges in die falsche Richtung. Mir geht es darum zu zeigen, dass Rankings in einem gewissen Maße notwendig und oft unterhaltsam sind (deshalb "Boulevard"), aber grundsätzlich sehr vorsichtig genossen werden müssen.

  • Dass man es nicht übertreiben soll in der Publizität, liegt in der Natur der Sache und des Menschseins; dass es doch übetrieben wird und sinnlos ausgehöhlt, ist notwendiger Ausfluss unserer auf Profit und Unterhaltung getrimmten Mediengesellschaft.


    Ja, wo lassen wir neuerdings denken?


    In Schweden beim Statistischen Centralbureau. Einundfünfzig Porzent, und du bist aus dem Schneider.


    Somit werden die Rasierwässerchen immer aggressiver, die Zeitungen immer dümmer und die Opernhäuser immer ärmer.

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  • Ich vermute mal, der größte Deutsche müßte Rübezahl gewesen sein, soll er doch über drei Meter gemessen haben.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Ich vermute mal, der größte Deutsche müßte Rübezahl gewesen sein, soll er doch über drei Meter gemessen haben.


    So genau lässt sich das heutzutage nicht mehr sagen, da zu Rübezahls Zeiten in Ellen gemessen wurde und deren Länge zwischen 0,5 und 0,8 Metern schwankte.


    Leider kann kein Computer mehr diesbezügliche Berechnungen anstellen, weil Elle nur noch als französisches Modejournal geführt wird.


  • Ja, wo lassen wir neuerdings denken?


    In Schweden beim Statistischen Centralbureau. Einundfünfzig Porzent, und du bist aus dem Schneider.


    Somit werden die Rasierwässerchen immer aggressiver, die Zeitungen immer dümmer und die Opernhäuser immer ärmer.


    Warum so harsch? Ich kann doch nichts dafür! Tötet nicht den Boten ... 8-)


  • Andererseits stellt sich ntürlich die Frage, ob Rankings nicht vorgeben, uns das "pausenlose Abwägen und Urteilen" abnehmen zu können, indem sie uns eine Objektivität vorgaukeln, die aber so nicht gegeben ist. In der Wissenschaft werden Rankings herangezogen, um über Karrieren zu entscheiden. Da geht einiges in die falsche Richtung. Mir geht es darum zu zeigen, dass Rankings in einem gewissen Maße notwendig und oft unterhaltsam sind (deshalb "Boulevard"), aber grundsätzlich sehr vorsichtig genossen werden müssen.


    Genau das meine ich ja: Einerseits ist es für uns Menschen notwendig zur Orientierung; andererseits lässt sich damit leicht Schindluder treiben. Im akademischen Bereich zählen heute neben Vitamin B endlos lange Publikationslisten, die nichts über die Qualität aussagen. Rankings verfolgen uns bei Krankenhäusern oder in der Pop-Literatur und nicht einem kann man trauen, so lange man sich nicht intensiv mit den Entstehungs- und Rahmenbedingungen auseinandergesetzt hat; aber wer könnte das schon. Denkt doch nur an die besten Orchester der Welt: http://www.welt.de/kultur/arti…n-Orchester-der-Welt.html! Wer hätte da nicht hier und da einen Einspruch! Und wichtiger noch: Wie um Himmels Willen soll man so etwas überhaupt einschätzen? Man müsste ja alle beteiligten Orchester permanent selbst gehört haben, ihr Repertoire in- und auswändig kennen und vieles andere mehr; illusorisch. Und doch lassen sich die Leute davon beeindrucken ...


    01. Concertgebouw-Orkest, Amsterdam
    02. Berliner Philharmoniker
    03. Wiener Philharmoniker
    04. London Symphony Orchestra
    05. Chicago Symphony Orchestra
    06. Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
    07. Cleveland Orchestra
    08. Los Angeles Philharmonic
    09. Budapest Festival Orchestra
    10. Sächsische Staatskapelle Dresden
    11. Boston Symphony Orchestra
    12. New York Philharmonic
    13. San Francisco Symphony
    14. Mariinsky Theater Orchestra
    15. Russian National Orchestra
    16. St. Petersburg Phillharmonic
    17. Gewandhausorchester Leipzig
    18. Metropolitan Opera Orchestra
    19. Saito Kinen Symphony Orchestra
    20. Tschechische Philharmonie

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  • Tötet nicht den Boten ... 8-)


    Gut, im Hinblick auf die ärgerlichen Konsequenzen werde ich notgedrungen davon absehen.


    Dagegen will ich auf eine Nebenerscheinung des Rangordnungswahnes aufmerksam machen: die künstlerische Richtigstellung.


    Darunter fallen sowohl die Entrussifizierungs-Eingriffe Rimskij-Korsakovs bei Mussorgskij wie auch die Entgermanisierungsversuche(???) Mahlers bei Schumann.


    Lasst also nicht nur die Boten leben, sondern auch die Urheber der Botschaft.

  • Genau das meine ich ja: Einerseits ist es für uns Menschen notwendig zur Orientierung; andererseits lässt sich damit leicht Schindluder treiben.


    Tut mir leid für das Missverständnis, bzw. die Redundanz. Der Thread war schon so zerfasert, dass es mir schwerfiel präzise herauszuarbeiten, wer was gesagt hat.

  • Rankings entsprechen der menschlichen Denkweise, der Orientierungssucht des Menschen, und lassen sich höchstens künstlich unterdrücken.


    Stimmt, aber sie lassen sich induktiv und qualitativ absichern und plausibel machen. Übrigens hat mich bei einem Naturwissenschaftler die Wortbildung "Zweiteres" vergnügt. Jetzt kommet Dritteres und Weiteres. Ich meine bei Bach Sebastian und seinen Söhnen ist der Rangunterschied keine Frage, und doch lohnt in Auswahl Carl Philipp Emanuel die Aufführung. Interessant ist aber das interne Ranking bei den Größten, wie eben Sebastian, Mozart oder Ludwig van. Wer sich über Jahrzehnte dilettierend durch die beiden Teile des Wohltemperierten Klaviers übt, der gewinnt immer, aber kommt um Bewertungen nicht herum. Höchstes handwerkliches Niveau so gut wie immer, ach was "so gut wie", Sebastian bleibt sich selbst da nie etwas schuldig, aber die Inspiration und Invention hat alle Grade auch bis zum nur noch Handwerklichen, und die Juwelen treten mit Sicherheit als einzelne in vielen Abschattierungen ans Licht. Schon das einleitende erste C-Dur-Präludium ist in sich vollkommen, einfacher geht es kaum. Dasselbe bei Mozarts sogenanter später "Sonata facile", die steht an Vollkommenheit auf der gleichen Stufe wie die Jupitersinfonie, "Selbstverständlicheres" gibt es auch bei Mozart selbst nichts. Da kommt in einem kaum 35 Jahre die Erde zierenden Einzelwesen die Welt und in ihr die Menschheit zu ihrer Vollendung, sozusagen "das Reich Gottes ist da", endlich, ewig und wirklich mitten im allgemeinen Unvollkommenen und Abbrechenden, ja durchaus auch mitten unter einer herrschenden Macht des Bösen. Da ist auch kein subjektives Urteil mehr, nur die Frage bleibt, ist man der Sache annähernd gewachsen, ja erreicht man sie in dem "Augenblick", zu dem "ich" sagt, "Verweile doch, du bist so schön". Daneben steht bei all den gleichen unbestreitbar Großen das mehr oder weniger nur noch "Angestrebte, Angestrengte und Anstrengende", das immer auch die Klaue des Löwen verrät, aber "es doch nicht ganz trifft", was man ja im ganzen späteren 19. Jahrhundert und noch mehr im 20. auf Schritt und Tritt antrifft.
    Vollkommen im höchst gekonnten Anstrengenden z.B. Brahms' so großartige Vierte Sinfonie, am meisten die Passacaglia. Und dann "Walküre" oder "Götterdämmerung" in ihrer angestrengten und auch nahezu erreichten Großartigkeit, erreicht oder erahnt aus ungeheurer "Arbeit" heraus.
    Und dann die neuklassische Wendung der "Neuen Musik" seit dem Weltkrieg , bei Hindemith beginnend etwa nach, oder schon mit dem "Mathis der Maler". Die Leere des gekonnten instrumentalen Geklingels in manchem der in den Vereinigten Staaten geschriebenen 0rchesterwerke, z.B. der Sinfonie in Es oder auch in den vielgespielten "Webermetamorphosen", deren Finale Furtwängler lieber weglassen wollte. Und, wie ungeschickt aber doch sprechend die ins Tagebuch vom selben Furtwängler um 1945 herum geschriebene Notiz: "Hindemith - erste Beispiel europäischen Chinesentums in der Musik". Wie unmöglich und unkorrekt, aber auch wie ehrlich und wie - auf seine Weise - "richtig". Ganz ähnlich wie Pfitzners Parodie der "Singebewegung" in der Eichendorffkantate mit dem so ehrlichen wie unmöglichen Titel "Von deutscher Seele" (Knabenchor im zweiten Teil).
    Und was soll man zu solcher aus ihrer Zeit gefallenen "gekonnten" Schönklangvirtuosität sagen wie den Violinkonzerten von William Walton oder, noch schlimmer, von dem einstigen gepriesenen Wunderkind Erich Wolfgang Korngold. Leer und nichtig, schnell bitte zu vergessen. Schlimmer als Busonis Violinkonzert, von dem er immerhin selbst nicht fand, daß es seinem Anspruch genüge. Also die ganze rückwärtsgewandte Musiziererei um den zweiten Weltkrieg herum im "Westen".
    Ich mache hier einfach mal Schluß. Aus Rußland kam immerhin Neues, von Schostakowitsch bis Schnittke, Ungarn mit Ligeti, und wie weit führen Stockhausen und (eher) Boulez mit seinem Ensemble contemporain?

    KVS

  • Stimmt, aber sie lassen sich induktiv und qualitativ absichern und plausibel machen. Übrigens hat mich bei einem Naturwissenschaftler die Wortbildung "Zweiteres" vergnügt. Jetzt kommet Dritteres und Weiteres.

    Bezüglich "zweiteres" kannst Du gerne in diesem Thread schmökern: http://deutsche-sprak.blogspot.co.at/2011/04/zweiteres.html.


    Zu den übrigen Ausführungen kann ich nicht viel sagen, da ich nicht verstehe, inwiefern sie etwas mit dem Thema des Threads zu tun haben. Vielleicht hätte ich mich etwas mehr bemüht, wenn Du mir nicht so überheblich gekommen wärst......

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