Beethoven: Klaviersonate in C-dur Nr.21 op.53 "Waldstein" - CD-Rezensionen und Vergleiche (2013)

  • Zitat

    Das Presto ist wie die ganze Interpretation- überragend.

    ... sag' ich ja (siehe "Mondschein"-Sonate) - meine Vorfreude steigert sich weiter - auch die "Waldstein" hatte ich mit bestellt! :D :D :D

    Herzliche Grüße
    Uranus

  • Nach all den alten Männern, toten Männern und toten alten Männern sei an dieser Stelle ein wenig jugendliches Kontrastprogramm geboten, namentlich: Alice Sara Ott.


    AD: August 2010
    Spielzeiten: 11:16 - 3:29 - 9:59


    Ich sehe mich ja oft der Versuchung ausgesetzt, das junge Interpreten-Gemüse gerade der großen Labels mit dem gut-deutschen Etikett 'Hype' vorzuverurteilen. Und eine als schmollmundige Kindfrau im Samtlicht vorgeführte Protagonistin drängt auch nicht gerade zu der Annahme, die Musik stünde hier im Mittelpunkt - das waren Zeiten, als meinetwegen Alfred Brendel mit der tonnenschweren Hornbrille noch genug an Covermotiv hergab. Wie dem auch sei, nur das Gespielte zählt, und da sieht die Welt doch schon wieder recht erfreulich aus:


    mit schön vollem Klavierklang und auch deutlich 'kerniger' als es ihr Dasein als junge Frau vermuten ließe geht Ott das eröffnende Allegro con brio an. Dabei legt sie ein verhältnismäßig moderates Tempo an den Tag, die so erspielte Zeit nutzend, um jeden Einzelton sorgsam auszuformulieren: verwischt oder schludrig klingt da nichts. Manche Figur, insbesondere im Baß, ist mir so in bislang nicht gehörter Klarheit vorgeführt worden. Der zunächst positive Eindruck dieser scheinbar sehr auf Nüchternheit und Deutlichkeit fixierten Herangehensweise wird im weiteren Verlauf für meinen Geschmack allerdings relativiert: dem Fluß der Waldstein-typischen Läufe wird ein betontes Ton-für-Ton-Spiel einfach nicht ausreichend gerecht, sondern bringt die ganze Sache gefühlt leicht ins Stocken. Scheinbar widersinnigerweise trifft Otts Zugriff das Wesen des eigentlich reichlich kantablen Seitenthemas im Kopfsatz so wesentlich besser. Ansonsten spielt Ott eigentlich ohne große Auffälligkeiten (vielleicht abgesehen von der einen oder anderen zweifelhaften, dann aber minimal ausfallenden, rubatösen Freiheit), technisch natürlich perfekt, die dramatischen Tiefen des Kopfsatzes dabei allerdings nicht immer vollständig auslotend. Manchmal scheint gar ein Hauch des Unverbindlichen über ihrem Vortrag zu liegen.


    Wo diese Feststellung im Kopfsatz womöglich noch meiner Einbildung geschuldet sein konnte, so verfehlt Ott das abgründige Wesen der Introduzione ganz eindeutig: gefühlt deutlich zu schnell und ohne angemessene Betonung spielt sie gleichsam über die Beethoven'schen Untiefen hinweg, den Satz als Ruhe nach dem Sturm des Allegro con brio (ich behaupte: miss-)interpretierend - und nicht etwa als dessen auf's Innerste reduzierte Essenz (wie es meinem bescheidenen Verständnis entspräche) und Kernstück der Sonate. Kurz und gut: das war (fast) nichts.


    In berückend schönem dolce-Ton, temporal leider aber mit einigen kleinen Mätzchen (ich wiederhole mich hier: hört diese Stelle von Pollini!) spielt sich Ott ins abschließende Rondo, für das im weiteren Verlauf das schon zum Kopfsatz gesagte gilt: kurzgefasst unter dem Strich alles sehr schön und ohne große Aha-Erlebnisse.

    Daß die Kritik hier mehr Platz einnimmt als lobende Anmerkungen möge bitte nicht zu der Annahme verleiten, es handele sich hier nicht um eine gute Aufnahme - denn das ist sie sicherlich, auch ohne meinen Vorstellungen in jedem Detail zu entsprechen. Nur die Tiefe der Waldstein-Sonate vollständig zu erfassen, kann man Alice Sara Ott glaube ich nicht guten Gewissens attestieren. Aber womöglich wäre das für eine 22-Jährige auch einfach ein wenig viel verlangt…


    Prädikat: gut, aber mitnichten essentiell.

  • Zitat

    T con brio: Nach all den alten Männern, toten Männer und toten alten Männern sei an dieser Stelle ein enig jugendliches Kontrastprogramm geboten, namentlich: Alice Sara Ott.

    Lieber Tobias, zunächst einmal schönen Dank für deinen fundierten kritischen Bericht.
    Aber einige Bemerkungen zu deinem von mir zitierten einleitenden Satz seien mir gestattet. Ich habe zwar auch eine ganze Reihe toter alter Männer hier vorgestellt, aber auch etliche (noch) lebende Männer. Ich habe sie hier mal aufgelistet nach dem Alter, in dem sie (bis auf einen) ihre (erste) Gesamtaufnahmen eingespielt haben:


    Daniel Barenboim (24 – 27 Jahre),
    Alfredo Perl (27 – 31 Jahre),
    Radu Lupu* (28 Jahre),
    Alfred Brendel I (31 – 33 Jahre),
    Paul Lewis (27 – 31 Jahre),
    Michael Korstick (42 – 53 Jahre).


    Radu Lupu hat leider 1993 das Aufnehmen eingestellt und nur 3 Sonaten aufgenommen. Michael Korstick war schon relativ alt, als er begann, Beethoven-Sonaten aufzunehmen, aber er wurde schon im Studium aus gegebenem Anlass „Dr. Beethoven“ genannt.
    Was ich damit sagen will, ist, dass Alice Sara Ott nicht mehr allzu viel Zeit hat, wenn sie sich in diesen illustren Kreis einreihen will. Sie wäre dann, so weit ich weiß, die erste lebende Frau, der so etwas gelänge.


    Liebe Grüße


    Willi :D

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 21 C-dur op. 53 “Waldstein-Sonate”
    Wilhelm Kempff, Klavier
    AD: September 1964
    Spielzeiten: 10:55-3:06-9:47 – 23:48 min.;


    Wilhelm Kempff nimmt die Waldstein-Sonate in „normalem“ Tempo, aber mit viel Brio auf und ist dabei am oberen Ende des pp-Bereiches. Diese Stufe hält er aber konstant, d. h. er crescendiert erst dann, wenn es in den Noten steht.
    Anders als JLang komme ich aber nicht zu der Feststellung, dass Kempff in Takt 28 eine Decrescendo missachtet, sondern in meinen Noten steht das Crescendo ab Takt 27, das über f in Takt 28 von Kempff bis zum Ende des Taktes 30 gesteigert wird, und erst in Takt 31 beginnt das Decrescendo, das er sehr schön in das dolce e molto ligato überführt und das neuerliche Decrescendo ab Takt 38 bis fast zum pp führt. Auch die weiteren dynamischen Anweisung führt er m. E. gewissenhaft aus, wobei er wirklich herzhaft zupackt. Bei ihm ist ff wirklich ein Fortissimo, andererseits ist die Passage ab Takt 68 im p und pp wirklich hervorragend gespielt. Auch sein Legatospiel ist vorzüglich. Auch die f-Passage ab Takt 112 rauscht wunderbar dahin, und das Decrescendo in Takt 140, das zu den tief grummelnden Sechzehntel-Figuren ab Takt 142 führt, ist exquisit, ebenso wie das lange ab Takt 146 einsetzende Crescendo, das in Takt 155 das ff erreicht.
    In Takt 190/191 haben wir wieder die selbe Situation wie in Takt 29/30: er crescendiert die abstürzenden Vierer-Sechzehntel bis zum Schluss: eine starke Stelle. Der große dolce-Legatobogen ab Takt 203 ist ganz überragend.
    Der Schluss ab Takt 252 jagt mir einen Schauer nach dem anderen über den Rücken.


    Im Adagio molto bin ich teilweise auch anderer Meinung als JLang. Meines Erachtens spielt er das Adagio molto zu schnell (3:06 min.) . Emil Gilels spielt es in 4:38 min., John Lill in 4:32 min. Claudio Arrau 86 in 4:25 und Michael Korstick. Da uns Metronomangaben fehlen, halte ich eine Zeit von über 4 Minuten für angemessener. Was die Ausführung betrifft, muss ich JLang wiederum Recht geben, das ist schon großartig, vor allem dieser große Crescendobogen ab Takt 21 bis 24 mit dem ebenso ergreifenden anschließenden Decrescendo (diese Stelle ist zu Recht vielen Pianisten ein Herzensanliegen.


    Zu Beginn des Allegretto moderato, das er relativ zügig nimmt, kommt mir das Hauptthema im sempre pp etwas zu laut vor. Immerhin geht das bis Takt 25 und dann wieder ab Takt 31 bis 46. Und da höre ich in Takt 39-41 ein deutliches Crescendo, das da nicht steht. Und sich in Takt 44 bis 46 wiederholt, aber erst ab Takt 47 in den Noten steht. Da bin ich dann doch etwas irritiert. Ich bin andererseits wohl der Meinung, dass Kempff auch im Schlusssatz dynamisch genügend Spannweite produziert, auch seine Sforzandi, z. B. in Takt 103 auf eins und Takt 107 auf eins kommen noch deutlich nach voraufgegangenem f.
    In der Wiederholung des Hauptthemas ab Takt 114 ist sein sempre pp dann tadellos. auch der tolle Bogen ab Takt 136 pp-cresc.-decresc., allerdings setzt er dann im erneuten sempre pp m.E. zu laut ein und crescendiert wieder in Takt 153. Der ff-Teil ist wieder in Ordnung. Im folgenden Durchführungsteil ist Wilhelm Kempff in seinem Element. Da lässt er das sempre ligato-sempre staccato, das zwar nicht angegeben ist, das es aber dennoch ist, wunderbar nebeneinander her laufen. Ich bin der Meinung, dass hier durchaus genügend ff vorhanden ist. Die anschließende Wiegestelle ist auch vorzüglich, und die dann folgenden Sechzehntelfiguren fließen schön dahin.
    Nach der Wiederholung des Hauptthemas fließen die die Dreier-Sechzehntel im sempre f munter dahin, dann aber, im folgenden sempre piu f, etwa zwischen Takt 355 und 358, ereignet sich plötzlich eine dynamische Anhebung, die auch aufnahmebedingt sein könnte.?-
    Die Prestissimo-Coda ist natürlich ein letzter Achttausender-Gipfel, den es zu erklimmen gilt, und ich finde, das hat Wilhelm Kempff trotz manchen Ausrutschers geschafft. Jedenfalls geht seine Interpretation in die Tiefe und ist emotional sehr bewegend.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup:

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  • Was ich damit sagen will, ist, dass Alice Sara Ott nicht mehr allzu viel Zeit hat, wenn sie sich in diesen illustren Kreis einreihen will. Sie wäre dann, so weit ich weiß, die erste lebende Frau, der so etwas gelänge.


    Ja. lieber Willi. Man macht doch die Beobachtung: Wer bestimmte Dinge schon in ganz jungen Jahren nicht gelernt hat, der lernt es auch später nimmer. Die wirklich ganz "Großen" haben erstaunlich frühreife Aufnahmen hinterlassen, muß man doch immer wieder sagen. Von Alice Sara Ott habe ich die Liszt-Etüden - auch das ist technisch souverän, aber ansonsten ziemlich "grün". Da fehlt vieles. Ebenso das Ravel-Konzert G-Dur, das ich von ihr im Fernsehen sah, machte auf mich diesen Eindruck.


    Schöne Grüße
    Holger

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  • Beethoven, Sonate Nr. 21 C-dur op. 53 “Waldstein-Sonate”
    Claudio Arrau, Klavier
    AD: September 1963
    Spielzeiten: 11:53-4:35-10:29 – 26:57 min.;


    Claudio Arrau beginnt in dieser 6 Jahre nach der ersten bei EMI entstandenen Stereo-Aufnahme der Waldstein-Sonate ähnlich moderat wie zuvor in London, nun auch in der in Amsterdam entstandenen Aufnahme recht moderat (11:53 zu 12:10), aber ebenso fest in der Behandlung der unteren dynamischen Regionen (pp). Aber auch die Crescendi/Decrescendi und die Forti und Fortissimi kommen mit jener schlafwandlerischen Sicherheit und Präzision, wie ich sie seit jeher von Arrau kenne. Traumhaft hören sich dann solche Passagen wie die Takte 68 bis 71 an, vor dem Triller-Crescendo und den schnelleren Crescendo-Piano-Wechseln, bevor die Wiederholung der Exposition einsetzt. Das dolce e molto ligato ist auch in der Weiderholung sehr eindringlich, das Decrescendo ab Takt 56 ebenso faszinierend wie das darauf folgende Crescendo ab Takt 58, sehr schön auch die Achtel-Sexten in Takt 90/91 in der linken Hand, dann etwas später die vielen Forte-Legatobögen ab Takt 113, da taucht er sehr geheimnisvoll mit den Sechzehnteln ab Takt 142 wieder aus dem Pianissimo-Keller auf. Die Vierer-Sechzehntel in der linken Hand speilt Arrau sehr dunkel und sehr bestechend. Auch die neuerliche Wiederholung des Hauptthemas kommt wieder in sehr schönem pp, wunderbar hingetupft auch die Dreier-Sechzehntel mit den von der linken Hand synkopierten Achteln, das ist ganz große Pianistik. Wieso kann Arrau so gut Pianissimo, wieso können andere das nicht so gut? In diesem Fall ist doch die Partiturtreue m. E. gleichbedeutend mit der Fähigkeit, sich in die Musik, in Beethoven vollends hinein zu versetzen. Ich brauche jetzt die ganzen hier noch folgenden Stellen gar nicht mehr besonders hervorzuheben, weil sie mit der gleichen Sorgfalt und Intensität von Arrau gespielt werden, auch schon im zarten Mittelalter von 60 Jahren. Nur eine Stelle noch: die Triller in Takt 229 (p), 230, 231 (decresc.) und 232 (pp) sind einfach überragend gespielt, und ich schreibe so gerne auf, was ich höre, vor allem, wenn es so gut ist.
    Ich glaube nicht, dass man das noch besser spielen kann.


    Auch die ersten vier Takte des Adagio molto in ganz überragendem Pianissimo, auch im Weiteren sitzt jede dynamische Nuance. Bei so einer Musik gerät man ins Träumen. Auch sein Rinforzando wird durch das moderate Schreiten noch eindringlicher, und der dunkle Klang ist einmalig. Durch diesen auch in der Begleitung betonten Bogen bekommt dieser Crescendoteil ab Takt 21 direkt etwas Choralartiges- großartig! Im letzten Achtel setzt er dann nach dem ins ppp hinabgestiegenen Decrescendo im letzten Achtel bewusst ein kräftiges Sforzando.


    Auch das Rondo beginnt Arrau mit einem berückenden sempre pp. Der Boden mit Crescendo von Takt 24 bis 30, dann wieder ins sempre pp übergehend, gehört zum Zartesten, Gefühlvollsten, was ich je gehört habe. Dieses Finale erfüllt m. E. wirklich alle Vorgaben, die die Partitur verlangt, und abgesehen von den noch fehlenden Metronomangaben (die tauchen, wie ich glaube, erst in späteren Sonaten auf), sind vor allem sehr viele und genaue Angaben, die Beethoven bezüglich der von ihm gewünschten Dynamik macht, und die erfüllt Arrau genau.
    Er vertieft das Ganze m. E. noch dadurch und gestaltet den Klang noch lucider, indem er ab Takt 114 das sempre pp in ein sempre ppp verwandelt. Vielleicht hätte Beethoven das damals schon vorgeschrieben, wenn er geahnt hätte, dass jemals ein Pianist das so spielen könnte. Arrau konnte das, und er betonte damit eindeutig den Charakter des Schlussrondos nicht nur als virtuosen Kehraus, sondern m. E. mindestens genauso stark als lyrischen, gefühl- und fantasievollen Satz, was ja auch wohl Beethovens Naturell entsprach.
    Im durchführungsartigen Teil betont Arrau natürlich genau so souverän die andere Seite dieses Satzes, das kräftige, Vorwärtsdrängende. Im Auf und Ab der Sechzehntel nach dem Wiegeteil erklingt wieder das faszinierende sempre pp, das er streng durchhält bis zum kurzen f in Takt 295 bis 300 und dann zum ff ab Takt 313. Dann ertönen die drangvollen Dreier-Sechzehntel bis zum ff-Decrescendo-Übergang zur Prestissimo-Coda ab Takt 403. Auch die spielt er im Rahmen des temporalen Binnenverhältnis der einzelnen Sätze sehr bewegt und dynamisch.
    Eine der besten Aufnahmen, die ich bis jetzt gehört habe.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi, vielen Dank für Deinen ausführlichen Bericht! :)
    Arraus Waldstein-Sonate hatte ich gestern auch schon kurz auf dem Ohr - und auch ich war vom ersten Eindruck her ziemlich angetan. Ich hoffe, ich werde in Kürze noch die Gelegenheit zum ausführlichen Nachhören haben.



    Ganz kurz vielleicht dazu noch:

    fehlenden Metronomangaben (die tauch, wie ich glaube, erst in späteren Sonaten auf)

    Meines Wissens ist die einzige Klaviersonate, zu der Beethoven Metronomzahlen notiert hat, die Hammerklaviersonate op. 106 (daneben noch zu allen neun Sinfonien, den Streichquartetten Nr. 1-11 und ein paar Werken anderer Gattungen). Die allerdings wurden immer wieder gern, mit Leidenschaft und aus verschiedenerlei Gründen als viel zu schnell in Zweifel gezogen. Und angesichts der üblicherweise betont moderaten Gangart Arraus bin ich mir sehr sicher, daß man auch ihn auf der Seite der Zweifler gefunden hat / hätte.

  • Zitat

    T con brio: Meines Wissens ist die einzige Klaviersonate, zu der Beethoven Metronomangaben notiert hat, die Hammerklaviersonate.

    Da hatte ich es auch gesehen, lieber Tobias, und ein kurzes Nachschauen bei den späteren Sonaten ergab, dass es auch tatsächlich die Einzige war. Aber wie ich mich aus den diversen Sinfonien-Threads erinnere, haben andere Taminos schon öfter Metronomzahlen in die Debatte geworfen, und schließlich hat ja wohl ein gewisser Herr Mälzel das Metronom 1815 erstellt, mit dem Beethoven dann etwa um 1817 verschiedene Werke mit Metronomangaben ausgestattet hat.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Da hatte ich es auch gesehen, lieber Tobias, und ein kurzes Nachschauen bei den späteren Sonaten ergab, dass es auch tatsächlich die Einzige war. Aber wie ich mich aus den diversen Sinfonien-Threads erinnere, haben andere Taminos schon öfter Metronomzahlen in die Debatte geworfen, und schließlich hat ja wohl ein gewisser Herr Mälzel das Metronom 1815 erstellt, mit dem Beethoven dann etwa um 1817 verschiedene Werke mit Metronomangaben ausgestattet hat.


    So sees it out, wie der Brite sagen würde. :P


    Hier noch ein Link zu den kompletten von Beethoven mit Metronom-Zahlen ausgestatteten Werken: :)
    http://www.beethoven-haus-bonn…p/53104/glossar_detail_de

  • Zitat William B: A.

    Zitat

    komme ich aber nicht zu der Feststellung, dass Kempff in Takt 28 eine Decrescendo missachtet, sondern in meinen Noten steht das Crescendo ab Takt 27, das über f in Takt 28 von Kempff bis zum Ende des Taktes 30 gesteigert wird, und erst in Takt 31 beginnt das Decrescendo, das er sehr schön in das dolce e molto ligato überführt


    Lieber William B. A.,
    Du hast natürlich mit der Taktangabe recht, steht bei mir genauso. Was mich gestört hat (ich habe grade nochmal nachgehört), ist die Überführung in das dolce e molto ligato, die Stelle war in imO nicht rund und schön. Beim pp habe ich vielleicht immer zu sehr Brendel im Ohr, der ein traumhaftes pp spielt. Das mag aber immer auch an den Aufnahmebedingungen liegen. Das Adagio ist in der Tat zügig, aber mir nicht zu zügig, und bei der Dynamik im letzten Satz haben wir andere Vorstellungen, im meine, dem Satz hätte mehr Dynamik gut getan :) Man darf allerdings nicht vergessen, daß mein direkter Vergleich Gilels war, dessen Interpretation ich herausragend finde. Kempff geht die Sonate, aber auch Beethoven insgesamt ganz anders an als Gilels. Und ich bin mit Kempffs Beethoven einfach nie so recht warm geworden.


    Zu den Metronomangaben: ja, die Hammerklaviersonate ist die einzige Sonate, zu der Beethoven die Metronomzahlen angegeben hat. Aber: Worauf bezeigt sich denn eine solche Metronomangabe, die am Anfang des Stückes angegeben wird: Auf das erste Tempo (der Rest muß dann angeglichen werden)? Oder etwa auf das mittlere Tempo eines Satzes? Das ist m. W. auch und er musikwissenschaftlichen Forschung noch im Fluß. Aber vielleicht kann mir hier ein Kundiger weiterhelfen?


    Beste Grüße
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

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  • Das ist dovh völig o.k., lieber JLang, dass wir verschiedene Auffassungen haben können, und ich lasse mich auch im Finalsatz gerne von den leisen Passagen, deren es viele gibt, leiten. Nun gebe ich dir Recht, dass Gilels eine sehr hohe Richtschnur ist, allerdings habe ich auch von ihm eine Aufnahme gehört, die mich nicht so zufriedengestellt hat, und ich habe sie hier im Mondschein-Sonaten-Thread vorgestellt. Es handelt sich um eine Liveaufnahme von 1970, vermutlich aus Moskau, erschienen bei Brilliant Classics. Die Russen haben ja damals erbarmungslos alles aufgenommen, auch das Hustentrommelfeuer. Vielleicht lag es an den schlechten Aufnahmeverhältnissen, dass Gileles damals etliche Male vom Pfade des pp abgekommen ist?
    Wie dem auch sei, auch bei den drei bisher von mir vorgestellten Aufnahmen von Kempff war ich nicht mit jeder so zufrieden wie mit der Waldstein. Kempffs GA war übrigens meine erste auf CD, die zweite war die Beinahe-GA von Gilels. Meine erste und einzige GA auf LP war die von Friedrich Gulda.


    Was die Metronomzahlen angeht, so werden wir das ja früh genug merken, wenn wir bei der Hammerklaviersonate angelangt sind. Bis dahin werde ich mir auch ein Metronm angeschafft haben.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Zitat William B. A.

    Zitat

    Das ist dovh völig o.k., lieber JLang, dass wir verschiedene Auffassungen haben können, und ich lasse mich auch im Finalsatz gerne von den leisen Passagen, deren es viele gibt, leiten.


    Lieber Willi, ich finde auch, grade die unterschiedlichen Meinungen machen den Vergleich so wertvoll. Und es ist sehr gut, daß Du noch einmal nachgehört und meine Angaben zu den Takten berichtigt hast. Daß Du Dich im letzten Satz von den leisen Passagen leiten läßt, das kann ich sehr gut verstehen. Ich habe dagegen immer das Drängende so sehr geliebt, weil es so mitreißend ist. Das pp von Kempff klingt für mich auch beim Beethoven manchmal zu sehr sehr nach seinem pp bei Schumann, hier gefällt mir Brendels Art einfach besser. Aber das sicher v. a. damit zu tun, daß Brendel mich schon so lange begleitet und ich - auch wenn ich es nicht bewußt tue - bei Beethoven doch immer alles mit ihm vergleiche (Daher habe ich mich auch mit Besprechungen seiner Einspielungen etwas zurückgehalten). Mit der Gilels Aufnahme hast Du übrigens vollkommen richtig angesprochen, daß nicht immer nur der Pianist allein für das Gelingen einer Aufnahme verantwortlich zeichnet.
    Meine erste GA war Brendel der 1990er Jahre, dann kam Gilels "unvollendeter", dann Gulda, dann Brendel 1970er Jahre (ansonsten habe ich viele Einzelaufnahmen). Geplant sind als Zyklen noch Badura-Skoda und Arrau sowie – nicht zuletzt angeregt durch Deine Besprechungen :) – Korstick.
    Herzliche Grüße
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Zitat

    JLang: Das pp von Kempff klingt für mich auch beim Beethoven manchmal zu sehr nach seinem pp bei Schumann.

    Das wäre vielleicht eine weitere lohnende Sache, sich in fernen Zeiten auch mal mit den Kavierwerken Schumanns zu befassen, wo ja Wilhelm Kempff auch hoch im Kurs steht.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • :thumbsup:


    Beethoven, Sonate Nr. 21 C-dur „Waldstein-Sonate“
    Daniel Barenboim, Klavier
    AD: 1966-69
    Spielzeiten: 11-46-4:51-12:36 – 29:13


    Barenboim beginnt die Waldstein-Sonate an der gerade noch tolerierbaren Obergrenze des pp, schon ab Takt 14 aber schraubt er die Lautstärke etwas zurück, Seine Crescendi in Takt 9-11 und 27-30 sind kraftvoll und das folgende Decrescendo ab Takt 31 zum dolce ligato hin ist sehr zart und geht wohl bis zum pp. Auch die folgenden Bögen sind sehr schön musiziert, gefolgt von den Dreier-Achteln und Vierer-Sechzehnteln mit sehr schönen Decrescendi-Crescendi, auch dem Schlussdecrescendo vor der Wiederholung der Exposition (Takt 86).
    In der Wiederholung ist auch das eingehende pp in Ordnung. Auch weitere Exposition spielt er souverän unter Beachtung der dynamischen Vorzeichen.
    Die Bögen ab Takt 113 rauschen bei ihm besonders schön. Die tiefen Sechzehntel-Kaskaden grummeln dann in pp/ppp anfangs dahin, bevor das lange Crescendo anhebt, das Barenboim lange steigert bis zum veritablen ff, wo es fp weitergeht mit der Wiederholung des Hauptteils, die hier mit den zweimaligen absteigenden Staccato-Achteln überleitet zu einem kurzen Zwischenstück von Takt 171 bis 173 mit Dreier-Sechzehnteln in der rechten Hand und synkopierenden Staccato-Achteln in der linken Hand, bevor das Hauptthema erneut wiederholt wird, das sehr bewegt zum erneuten dolce führt mit sehr ausdrucksvoll ausgeführten Legatobögen, bevor es in den anmutigen Dreier-Achteln und dann Vierersechzehnteln langsam dem Satzende zugeht mit kräftigem Zugriff in den Takten 252-258 und einem erneuten dolce kurz vor dem Satzende mit einer Minicoda ab Takt 295.


    Das Adagio ist wohl das langsamste, das ich bisher dabei hatte, aber nur um einige Sekunden langsamer als Arrau, aber sicherlich genau so großartig und für mich ein weiterer Beweis dafür, dass langsames Adagio (eben Adagio „molto“ im Verein mit ausdrucksvollem Spiel durch nichts zu ersetzen ist. Es muss beides zusammen kommen, und wenn, wie hier bei Barenboim, noch eine Reduzierung der dynamischen Spannweite, selbst in dem herrlichen Bogen von Takt 21 bis 24 dazu kommt und er diesem Bogen durch ein Decrescendo in der fünften Viererfigur der rechten Hand in der zweiten Hälfte von Takt 23 ein leichte Wellenbewegung verleiht, steigert er den Ausdruck noch auf höchst ungewöhnliche Weise.


    Das Rondo (12:36 min.) nimmt er sehr moderato, fast schon ans Andantino grenzend, und er
    spiel t die ganze Passage m. E. ppp. Das habe ich so wirklich noch nie gehört. Der Bogen ab Takt 23 gewinnt durch dieses langsame Spiel ein ganz anderes Gewicht, und er bleibt selbstverständlich sempre pp.
    Das Triller-Crescendo ab Takt 51 wirkt auf diese Weise gigantisch, zumal er hier die dynamische Spannweite im Gegensatz zum Adagio ungeheuer ausweitet. Dieses langsame Tempo ist sicherlich nicht jedermanns Sache, aber auf diese Weise wird vielleicht ein letzter Vorhang vor den musikalischen Strukturen weggezogen. Wie gesagt, ohne vorgeschriebene Metronomzahlen kann man m. E. tatsächlich das Moderato so weit ausdehnen, und es ist ja nicht das langsame Moderato in der Musikgeschichte, wenn man z.B. an den Kopfsatz (Molto moderato) von Schuberts B-dur-Sonate D.960 denkt oder an den Kopfsatz der G-dur-Sonate D.894. Und Barenboim spielt das hier beinahe majestätisch. Vor allem der Forteteil dann ab Takt 176 klingt direkt ehrfurchtgebietend. Dynamisch ist das auf jeden Fall ohne Fehl und Tadel. Temporal kann natürlich nur derjenige etwa zu der Aufnahme sagen, der sie selbst auch hat. Die Wiegestelle zwischen Takt 231 und 241 bekommt natürlich auch eine andere, etwas geheimnisvollere Wirkung. Die auf- und ab steigenden Sechzehntel ab 251 gewinnen m. E. noch etwas an Spannung, und endlich löst sich diese in Takt 285 durch den Forteschlag, aber nur kurz, ab Takt 287 geht es in diesem „flüsternden“ moderato (fast „misterioso“ weiter. Die gegenläufigem Dreier-Sechzehntel ab Takt 344 erwecken fast den Eindruck, als ob es jetzt schneller ginge, auf jeden Fall ist die Musik jetzt in einer wellenartigen Bewegung, bis die mächtigen ff-Schläge ab Takt 377 im sempre ff mit dem nachfolgenden Crescendo zum ppp in die Prestissimo-Coda überleiten.
    In dieser zeigt er dann, dass er in der Tat auch Prestissimo kann, und jetzt bekommt das Ganze einen tieferen Sinn. Bei manchen Interpretationen kann man nämlich den Unterschied im Tempo zwischen dem Allegretto moderato des Hauptsatzes und dem Prestissimo der Coda nicht so richtig spüren: hier ist er frappant, mindestens um die mindestens vier Tempostufen, die normal dazwischen liegen (Allegretto, Allegro, Allegro vivace, Presto) schneller. Für alle, denen es im Finale der Waldstein-Sonate nicht schnell genug gehen kann, ist diese Aufnahme natürlich nichts, aber für alle, die denken, dass ein veritabler Unterschied zwischen den Tempostufen Allegretto moderato und Prestissimo „ohrenfällig“ sein muss, ist sie es vielleicht doch, zumal die dynamische Ausgestaltung überragend ist.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup: :thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 21 C-dur op. 53 Waldsteinsonate
    Eric Heidsieck, Klavier
    AD: 1968-1974
    Spielzeiten: 11:15-4:01-9:51 – 25:07 min.;


    Eric Heidsieck beginnt das Allegro con brio unter Beachtung der dynamischen Vorzeichen mit viel Schwung und kräftigen Crescendi sowie einem schönen dolce e molto ligato. Auch die folgenden Bögen ab Takt 43 perlen nur so dahin, das große Crescendo ab Takt 58 führt er moderat aus, nicht bis zum ff, dafür hat die Stelle sehr viel Drive, das Klangbild ist sehr lucide, und in dieser Spielweise vermisst man das ff eigentlich weder in den perlenden Sechzehnteln noch in den (moderat) hämmernden Achteln der Begleitung. Auch in dem nächsten Teil nach der Wh der Exposition hält das Brio unvermindert an, kommen die Crescendi, die nebeneinander liegenden Forti und Piani sehr klar uns schließen ich nach den Sechzehntel-Kaskaden die Legato-Bögen mit den Dreier-Achteln organisch an und fließen, fließen, abgelöst von den agil grummelnden Sechzehnteln ab Takt 142, mit dem großen Crescendo bis hin zu Takt 155. Auch hier kitzelt er nicht das Letzte an Dynamik heraus.
    Es sei auch angesichts der mustergültigen Wiederholung des Hauptthemas gesagt, dass mich sein pp-Spiel schon sehr beeindruckt. Auch die Überleitung zur Weiderholung des Hauptthemas ab Takt 171 gefällt mir in ihrer leicht dahin getupften Art sehr. Die zweite Dolce-Stelle ist traumhaft. Die nächste beeindruckende Stelle ist Takt 247/248, wo er in der zweiten Hälfte des Legatobogens ein nicht verzeichnetes aber in seiner Wirkung erstaunliches Ritartando spielt. In der letzten Wiederholung des Hauptthema greift er etwas kräftiger zu, durchaus im Takt 257 auch ff. Also hat er sich das ff wohl für die Coda aufgehoben, in der das einzige angegebene Ritartando schon ab Takt 288 beginnt, was auch etwas hat.


    Das Adagio beginnt er auch mit einem sehr schönen pp und spielt auch den Bogen in Takt 5/6 sehr ausdrucksvoll. Interessant und auch für mich überraschend ist, das er die beiden Achtel-Oktaven in Takt 8 und Takt 16 der linken Hand nur ganz kurz quasi staccato spielt, wegen der beiden folgenden Achtel-Pausen?? Die beiden Achtel-Akkorde und den Viertel-Akkord in Takt 26 und 27 hebt er leicht an, und die beiden Achtel-Oktaven und die beiden Achtel-Akkorde in Takt 28 spielt er auch staccato. Gleicher Grund?


    Das Allegretto moderato nimmt er sehr zügig, sozusagen als Gegenentwurf zur zuletzt von mir gehörten Lesart von Daniel Barenboim, der für den Satz fast drei Minuten länger gebraucht hatte. Übrigens könnten die beiden Aufnahmen nach den etwas ungenauen Daten ungefähr gleichzeitig entstanden sein. In diesem Tempo geht es natürlich auch, vor allem perlt der große Bogen von Takt 23 bis 30 wunderbar dahin. Am Ende der Trillersteigerung kommt auch jetzt das Fortissimo aufs Stichwort und den Dreiersehzehnteln bekommt dieses Tempo auch. Sie wirken halt anders, ebenso wie die darauf folgenden stampfenden Achtel-Läufe in der Begleitung. Wieder eine dynamische Eigenwilligkeit folgt in Takt 100 den ersten ff-Akkord höchstens mf spielt, den zweiten dann ff. In der Wiederholung der Exposition perlt dann auch bei diesem flotten Tempo der große Legatobogen von Takt 136 bis 143 wieder auf das Feinste dahin. aber auch die Begleitfiguren wieder. Auch so kann man die Struktur wahrnehmen. Auch im durchführungsartigen Teil „synkopisiert“ es munter und mit Verve voran. Eine andere Stell habe ich dreimal gehört, um einen vermeintlichen Fehler doch als richtig zu erkennen: die drei Doppeloktaven in der rechten und linken Hand werden in Takt 217 ff gespielt dann folgt in den beiden letzten ein Decrescendo, erste Doppeloktave etwa mf, zweite etwa mp. Das ist, ausgehend von ff, durchaus richtig. Wer ebenfalls diese Aufnahm hat, wird mir zustimmen. Im Folgenden nimmt Heidsieck, ab Takt 221, das Tempo etwas heraus, das gefällt mir, auch die Wiegestelle und die auf- und Abbewegunen in der rechten Hand fließen sehr schön. Die folgenden Sechzehntel setzen im sempre pp fort bis zur Wiederholung des Hauptthemas im ff. Die folgenden Dreier-Sechzehntel spielt er zuerst schön ab Takt 344 im sempre f reduziert dann ab Takt 352 zum sempre piu f. Im Decrescendo ab Takt 383 acceleriert er dann die Viertel-Akkorde. Ich glaube nicht, dass ich das schon einmal so gehört habe, klingt aber irgendwie schlüssig, dass es abwärts schneller geht, denn es wartet ja etwas noch Schnelleres: die Prestissimo-Coda, die er dann aber im Vergleich zum Allegretto moderato nicht um so viel schneller spielt, das geht gar nicht. Das geht nur, wenn man wie Barenboim dieses Allegretto moderato moderat spielt.


    So das war vorläufig meine letzte, 22. Rezension der Waldsteinsonate, und ich freue mich, dass ich am Schluss noch eine präsentieren konnte, die mir überraschender weise sehr gefallen hat, nachdem ich von Heidsiecks Mondschein-Sonate nicht so überzeugt war.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Cziffras Aufnahme von 1965 (CD 23) ist ein eindrucksvolles Beispiel für die Seriosität dieses Ausnahmepianisten. Der Über-Virtuose Cziffra zeigt sich hier von einer geradezu demütigen Bescheidenheit dem Klassiker Beethoven gegenüber im völligen Verzicht auf jede Art von virtuoser Artistik. Der Hauptsatz ist rhythmisch prägnant und präzise. Ein klassisch-entspanntes Spiel, das auf übermäßige dynamische Kontraste und jede Art von agogischer Übertreibung verzichtet. Lediglich in der Coda zeigt er ein wenig, welches Feuer in ihm steckt. Das Adagio ist poetisch eindringlich gespielt mit sehr schönem und fein abgestuftem Ton. Das Rondo-Finale ist für mich das stärkste: facettenreich, mit Wucht und rhythmischer Präzision wie auch feinen Klangschattierungen und Stimmungswechseln. Bezeichnend die Prestissimo-Coda: Gerade von Cziffra würde man eigentlich erwarten, daß er hier davonstürmt. Weit gefehlt! Auch hier sind ihm die feinen Abstufungen und filigranen Details wichtiger als alle Rasanz und pianistische Wirkungsrhetorik. :)


    Schöne Grüße
    Holger

  • Hier also wie angedroht noch kurz mein Senf zu Arraus Waldstein. Keineswegs überraschend geht Claudio Arrau die Waldstein-Sonate in einer ziemlich exklusiven Definition von 'Allegro' an, will natürlich sagen: in sehr moderatem Tempo. Das 'con brio' scheint ihm stellenweise gar ganz abzugehen: manchmal denkt man, der Spannungsbogen müsse Arrau reißen, der Fluß der Musik ins stocken geraten, sein Spiel eine Spur zu statisch werden - doch er schafft es jedes Mal, den geneigten Hörer bei der Stange zu halten und mittels seines ausdrucksvoll ausformulierten Vortrags dessen Aufmerksamkeit auf die jeweils nächste Schönheit des Beethoven'schen Notentextes zu lenken. Mit aller Sorgfalt und in seinem bekannten dunklen, vollen Klavierton arbeitet Arrau die Strukturen der Sonate heraus (gerade die Bässe liefern im Vergleich zu anderen Einspielungen teils bemerkenswerte Eindrücke), tönt feinfühlig ab und kreiert meisterhaft dynamische Nuancen. So gelingt ihm trotz der recht gewöhnungsbedürftigen Tempo-Wahl eine in Klang und Bedeutung tiefe, überzeugende, streckenweise fesselnde Interpretation des Kopfsatzes.


    Karg beginnt die Introduzione, in fast stockendem quasi andante, reich an echten wie gefühlten Pausen. Bemerkenswert ist hier, wie Arrau es trotz der immernoch vollen Bässe schafft, die Wärme in seinem Ton deutlich zu reduzieren. Überragend dann der Einstieg ins abschließende Rondo: eine wunderbar zart angeschlagene Melodie über einmal mehr prägnanten Bässen, die dem Ganzen eine tiefdunkle Wärme geben - und vor allem in natürlichster Schönheit dargeboten. Arrau lässt Beethoven hier für sich selbst sprechen, statt das zarte musikalische Pflänzchen mit pseudobedeutungsschwangerem Interpretationslametta zu behängen wie (leider) so manch anderer. Für meinen Geschmack ist das der einzige Weg, nicht nur aber auch gerade diese Stelle zu spielen. Ansonsten gilt für das Rondo sinngemäß dasselbe wie für den Kopfsatz: den großen Überschwang kann und will Arrau nicht bieten, denkt und spielt sein Konzept aber erstklassig aus.


    Unter dem Strich darf Arraus Interpretation sicherlich als eine gelten, die man mal gehört haben sollte. Sein gemessenes Spiel scheint allgemein von größtem Respekt gegenüber Beethovens Musik geprägt zu sein, überbordende eigene Emotionen verbietet er sich: so wohnt auch den ausdrucksvollsten Darstellungen Beethoven'schen Furors immer eine gewisse Kontrolliertheit inne. Den Anhänger einer romantischen Beethoven-Sicht wird diese Einspielung also womöglich nicht zufriedenstellen können - wer aber einem echten Diener am Werk lauschen will, der die Waldstein-Sonate in aller denkbaren Würde und Größe vorträgt, für den sollte Claudio Arrau mit die erste Wahl sein.


  • Alfredo Perl


    Ich möchte eine Einschätzung dieser Einspielung vornehmen, auch wenn sie bereits von William überaus kenntnisreich und treffend besprochen worden ist. Jedoch denke ich, dass es nicht schadet, noch einmal auf diese in meinen Augen überaus gelungene, hörenswerte Einspielung hinzuweisen.
    Ich habe auch die Sonate mit der Partitur in der Hand verfolgt, was ich sonst eher selten tue, um dem Geschehen besser folgen und mich dezidierter äußern zu können.


    Bereits im ersten Satz legt Alfredo Perl ein gehöriges Tempo für das allegro con brio vor, wobei unter seinen Händen diese rasanten Läufe dermaßen brilliant, mühelos und geschmeidig klingen, dass es eine wahre Freude ist. Fein ziseliert und konturscharf, dennoch immer fließend und große Bögen spannend, kontrastiert die Melodie mit den wummernden und hämmernden Bassfiguren, die immer wieder eingeworfen werden. Wie er trotz aller Virtuosität immer einen ungeheuer schönen, sanglichen Klang erzeugt, ist dabei einfach superb.


    Auch die sich anschließenden langsamen Passagen des dolce e molto legato werden unendlich sachte und behutsam zum Leben erweckt, Alfredo Perl liebkost jede Melodie, die er zu sanfter Blüte erweckt und zahllose kostbare Momente aneinanderreiht.


    Auch in den nachfolgenden, lebhafteren Teilen verliert Alfredo Perl nichts von seinem Schwung und seiner Spielfreude, seiner feinen Dosierung kraftvoller und verhaltener Momente.


    Alles in allem auch eine klangtechnisch hervorragende, sehr beglückende Aufnahme.

  • Da sind wir uns ja sehr einig, lieber Tobias. Ich habe dieser Aufnahme von allen meinen 22 "Waldsteinen" sogar die Krone aufgesetzt. Es ist schon eine ganz besondere Aufnahme, vielleicht die stärkste von allen dreien, aber das ist sicher Ansichtssache, vor allem aber stellt sie, wie auch die beiden anderen unter Beweis, welche unbeirrbare innere Uhr er hatte, und welche Werktreue ihn antrieb. Er spielte nicht die Noten nüchtern ab, sondern er hauchte ihnen eben durch die genaue Beachtung von Beethovens Angaben ein ganz besonderes, eben beethovensches Leben ein. Hier noch mal die erstaunliche Tabelle der Spielzeiten:


    Arrau 1956: 12:10-4:17-10:39 -- 27:06 min.;
    Arrau 1963: 11:53-4:35-10:29 -- 26:57 min.;
    Arrau 1986: 12:21-4:25-10:50 -- 27:36 min.;


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup:

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  • @ Don Gaiferos: Deinen Ausführungen, lieber Don Gaiferos, kann ich mich vorbehaltlos anschließen, mich sehr freuend, dass ich das nicht alleine so sehe.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup:

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  • Da sind wir uns ja sehr einig, lieber Tobias.


    Sind wir, lieber Willi! :) Umso gespannter wäre ich jetzt, auch Arraus Aufnahme aus den 80ern einmal zu hören - aber das kriege ich beizeiten sicher auch noch hin!


    Ich schätze aber, ich werde nach Euren Lobeshymnen erstmal Herrn Perl noch einen Durchlauf gönnen. Dessen Zyklus fiel mir kürzlich nämlich auch in die Finger...

  • Dieser Zyklus gefällt nicht erst uns, lieber Tobias, sondern er gefiel auch in den neunziger Jahren schon einem gewissen Herrn Kaiser so dermaßen, dass er Alfredo Perl auf Anhieb bei den zehn größten lebenden Beethoven-Pianisten aufnahm.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Dieser Zyklus gefällt nicht erst uns, lieber Tobias, sondern er gefiel auch in den neunziger Jahren schon einem gewissen Herrn Kaiser so dermaßen, dass er Alfredo Perl auf Anhieb bei den zehn größten lebenden Beethoven-Pianisten aufnahm.


    Öha, das ist ja schonmal eine Referenz! Allerdings: der Klavier-Papst mag JK sein, unfehlbar allerdings eher nicht. Seine Ausführungen z. B. zu Claudio Arraus Aufnahme von Beethovens op. 27/1 legen davon zumindest nach meinem Dafürhalten beredtes Zeugnis ab.


    Aber zu Herrn Perls Waldstein-Einspielung: vom ersten Ton an fällt hier Perls ungemein kultivierter, samtig-sanfter aber nicht kraftloser Anschlag positiv auf. Allerdings dauerte es bis zur ersten Ernüchterung bei mir leider nur unwesentlich länger. Zunächst fast unmerklich, in der ersten Wiederholung des eröffnenden C-dur-Klopfens dann aber unüberhörbar gerät Perls Tempo in schon ins Schwanken. Man nenne mich übertrieben spießig, aber gerade bei klassischen Stücken stoßen mir Ungenauigkeiten dieser Art immer reichlich unangenehm auf - und hier zumal dies auch nicht die einzige Stelle bleiben wird, wo dieses Phänomen auftaucht. Du wirst wissen, wovon ich rede, lieber Willi - Du hast es in Deiner Signatur stehen. :D


    Viele Pluspunkte kann Perl dann aber wieder im weiteren Verlauf sammeln; insbesondere die farbenprächtig abgetönten, mit relativ viel legato dargebotenen Läufe sind wunderbar anzuhören. Ebenso gelingen Perl die Tempo-Relationen und die dynamischen Abstufungen ganz ausgezeichnet, das 'große' Bild des Kopfsatzes so klassisch ausformend und mit Sinn erfüllend - wohl nicht zu allererst dem Drama, immer aber Klarheit und Schönheit verpflichtet.


    Der Introduzione fehlt es dann leider für meinen Geschmack ganz erheblich an Tiefe: per se ein (an-)gemessenes Tempo wählend verfehlt Perl leider allzuoft die richtige Betonung und Akzentuierung, so daß streckenweise fast der Eindruck des 'Runterspielens' entsteht. Und auch wenn der Satz gegen Ende ein bißchen weniger glattgebügelt wirkt, ist das hier ganz weit weg vom Optimum.


    In aller gebotenen Schönheit gelingt Perl dann wieder der Einstieg ins abschließende Rondo - zwar nicht perfekt, aber hier zu meckern wäre wirklich vermessen. Im folgenden spielt er dann wieder seine oben schon den Kopfsatz betreffend beschriebenen Stärken aus. Wie dort scheint er allerdings auch hier beim Ausloten der Beethoven'schen Seele die letzte Konsequenz zu scheuen, sich und den Hörer viel mehr an den ästhetischen Schönheiten der Sonate erquickend.


    Unter dem Strich ist Alfredo Perl mit dieser Einspielung sicherlich eine hochklassige Interpretation der Waldstein-Sonate gelungen - leider eben mit Ausnahme der Introduzione. Und so würde mich nur diese Aufnahme - um noch einmal auf den Einstieg zurückzukommen - mit Sicherheit nicht davon überzeugen können, Perl zu den 10 größten lebenden Beethoven-Interpreten zu zählen.


    Aber es gibt ja noch 31 andere Sonaten. :)




    P.S. Wer sich Perls Beethoven kostengünstig ins Haus holen möchte, dem sei die oben abgebildete ältere Auflage empfohlen, die aktuell zu einem Bruchteil der Oehms-Version zu haben ist, aber genau denselben Inhalt bietet.

  • Die nächsten beiden Einspielungen der Waldstein-Sonate kann ich mir erlauben, im Schnelldurchgang abzuhandeln, denke ich. Das liegt nicht nur daran, daß beide hier schon ausnehmend positiv erwähnt wurden, sondern vor allem auch an ihrer Qualität höchsten Grades wie auch der recht gleichartigen Herangehensweise der beiden Pianisten. Die Rede ist von Emil Gilels und Vladimir Ashkenazy:



    Gilels: 11:04 - 4:38 - 9:25
    Ashkenazy: 11:21 - 4:33 - 9:38


    In mittlerem Tempo geht Gilels die Sonate an und beeindruckt von Anfang an durch einen sauberen Anschlag und höchst akkurates Spiel, das - hie und da von einem zurückhaltenden Rubato veredelt - trotz aller Genauigkeit immer feinfühlig daherkommt. Brilliant und mit perlendem Legato, wo der Text es verlangt, aber auch mit ordentlich 'Pranke' wo nötig liefert Gilels eine mustergültige Interpretation des Kopfsatzes ab. Eine eigene Erwähnung verdient dabei auch noch sein ungemein edler, sehr angenehmer Klavierton.


    Sehr sanft gespielt, aber dennoch mit großer Tiefe und dem angemessener Langsamkeit bestreitet Gilels dann die zentrale Introduzione, die intimen Aspekte des Satzes nach außen kehrend. Dies setzt er sinnvollerweise bis in den Anfang des Finales fort, in dessen Verlauf er dann technisch und intellektuell virtuos all seine oben schon beschriebenen Künste wieder aus dem Hut zaubern kann - nie allerdings den Eindruck entstehen lassend, es könne sich dabei um Selbstzweck handeln. Wie sowieso einer der größten Vorzüge von Gilels' Aufnahme ist, daß er sich hörbar vollständig auf die dunklen Tiefen wie auch die (auf-)brausenden Stürme in Beethovens Sonate einlässt: zu keiner Sekunde kommt hier der Eindruck von vornehmer Distanz oder gar Unverbindlichkeit auf. Kurz und gut: hier handelt es sich um eine der besten Einspielungen, die ich von der Waldstein-Sonate kenne.


    Die Aufnahme von Vladimir Ashkenazy weist erfreulicherweise im wesentlichen dieselben Charakteristika auf wie die Interpretation von Emil Gilels, so daß ich mich hier darauf beschränken möchte, ein paar Unterschiede aufzuzählen. So gefällt mir Gilels' Klavierklang einen Tick besser (ich habe allerdings auch schon mehrfach lobende Worte über genau diesen Aspekt bei Ashkenazy gelesen, so daß ich in diesem Punkt evtl. keine Mehrheitsmeinung vertrete). Auch ist Ashkenazys Introduzione ein bißchen weniger verinnerlicht, sein 'Sonnenaufgang' am Beginn des Rondo einen Hauch weniger lieblich. Und mögen dies auch Marginalien sein, so sorgen sie in meinen Augen doch dafür, daß Gilels knapp als Punktsieger vom Platz geht. Unter dem Strich bleiben aber zwei absolut erstklassige Einspielungen ohne Fehl und Tadel.

  • Über Vladimir Ashkenazy habe ich nun schon so viel Lobenswertes gelesen, dass ich ihn doch mal auf meine Liste schreiben muss. Sich an Gilels messen zu können, will schon etwas heißen, und wenn zwei die gleiche innere Uhr haben, ist schon eine gehörige Strecke des Weges gegangen. Schönen Dank für den Vergleich, lieber Tobias.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • War mir ein Vergnügen, lieber Willi! :) Ich bin mir sehr sicher, daß Dich Ashkenazy nicht enttäuschen wird. Extravaganzen wirst Du von ihm eher nicht erwarten können, soweit ich seinen Zyklus halbwegs einschätzen kann, dafür aber hochklassige, werkgetreue und technisch hervorragend umgesetzte Einspielungen von Beethovens Sonaten.


    Wenn ich Dir dazu noch einen Einkaufstipp geben darf:
    bei Amazon UK gibt's die Kanada-Version des kompletten Zyklus neu und frei Haus für unter 25 €: Amazon UK
    Das Booklet dieser Ausgabe ist nur englisch und französisch, ansonsten dürfte sie aber der Standard-Ausgabe entsprechen - außer daß sie billiger ist und besser aussieht. :thumbup:

  • Schönen Dank für den Tipp, lieber Tobias. Dann schreibe ich die Box mal gleich auf meinen Weihnachtswunschzettel.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Zitat T con brio


    Zitat

    Ich bin mir sehr sicher, daß Dich Ashkenazy nicht enttäuschen wird. Extravaganzen wirst Du von ihm eher nicht erwarten können, soweit ich seinen Zyklus halbwegs einschätzen kann, dafür aber hochklassige, werkgetreue und technisch hervorragend umgesetzte Einspielungen von Beethovens Sonaten.


    Ich kenne zwar den Beethoven (noch) nicht, aber ich halte sehr viel von Ashkenazys Spiel, er genießt bei manchen einen etwas geringeren Ruf, Virtuose mit viel Musikalität, der alles sehr ernst nimmt, was er spielt. Also wird die Box wohl auch meinen nächsten Wunschzettel schmücken :)
    Beste Grüße
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Eigentlich hatte ich nicht vor zur Waldsteinsonate meinen Senf dazuzugeben, da hier WilliamBA schon hervorragendes geleistet hat, das kaum zu überbieten sein dürfte. Ein Zufall brachte mich dann aber dazu, die neue Buchbinder-Aufnahme in die Hand zu nehmen - ich verglich eine andere Sonate zwischen ihm und einer anderen Beethoven-Kapazität - und kam zu dem subjektiven Schluß, daß mir Buchbinders Spiel besser gefiel) So war es naheliegend mir seine Interpretation der Waldstein Sonate anzuhören - und - so mir etwas dazu einfiele - auch ein paar Zeilen zu schreiben.
    Im ersten Satz gehört Buchbinders Interpretation zu den schnelleren, nahe bei Gulda und Korstick. Allerdings wird diese Geschwindigkeit durch sein Stakkato-Spiel noch betont - es wirkt (auf mich) also noch schneller als es in Wirklichkeit ist. Das Spiel erscheint mir etwas härter zu sein, was durch den Wunsch nach Ausdruck erklärt werden kann. Denn das ist es, was mir zu jenen Aufnahmen, die ich im Kopf habe, die mich prägten, aufgefallen ist. Eine gewisse Eigenwilligkeit, ein Verzicht auf Legato um jeden Preis, eine sehr individuelle Ausgestaltung einzelner Passagen. Der sogenannte zweite Satz, der nahtlos ins Finale überleitet ist bewusst langsam, beinahe knapp vor dem Stillstehen gestaltet, was die Wirkung noch betont. Zeitmäßig ist der dritte Satz im Normalbereich, knapp unter 10 Minuten, jedoch ist das Aufblühen zögerlich und taktierend in Etappen gestaltet, anders als etwa bei Kempff oder (eigenartigerweise) Gulda, die hier dieses Aufblühen auskosten, erzeugt Buchbinder hier eine gewisse Spannung bis es soweit ist. Eine Lesart die in ähnlicher - aber doch anderer Form bereits Paul Badura-Skoda angeboten hat. Alles in allem eine Aufnahme die mit den großen Pianisten der Vergangenheit locker mithalten kann - Es ist gut, dass sich Buchbinder 30 Jahre nach seiner ersten Einspielung zu dieser Neuaufnahme entschlossen hat.
    Ein Wort zur Tontechnik. Man sollte nicht glauben, dass es sich um eine Live-Aufnahme handelt, der Flügel ist naturnah eingefangen plastisch, durchsichtig und grollend zugleich. Auch der Tontechniker war hier ein Künstler...

    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Schönen Dank für den aufschlussreichen Bericht, lieber Alfred, in dem mir Einiges bekannt vorkommt. Gerade, dass er auch zu denjenigen gehört, die langsame Sätze langsam spielen und schnelle Sätze schnell, was ich ja auch als Attribut des Speils Michael Korsticks genannt hatte, ist mir auch in einigen Live-Konzerten aufgefallen, in denen ich Buchbinder erlebt habe, ob es nun Schuberts B-dur-Sonate war oder Beethovens c-moll-Sonate mit der unvergleichlichen Arietta, stets spielte er diese Sätze sehr langsam, aber spannungsreich. Und so ist es auch erklärlich, dass er auch das Adagio molto aus der Waldstein-Sonate langsam spielt. Die Höreindrücke, die ich diesbezüglich gewonnen habe, waren sehr überzeugend, desgleichen sein Legato- und Staccatospiel. Diese GA ist auch schon seit einiger Zeit auf meinem Merkzettel und wird auch in absehbarer Zeit zu meinen Anschaffungen gehören.
    Ich habe ja bereits vor einigen Monaten seine DVD-Box mit Beethovens 5 Konzerten in meiner Sammlung, und da war auch ein Film enthalten, in dem er sich mit Prof. Kaiser über die Beethoven-Konzerte unterhält. Da fiel mir auch auf, für wie wichtig er es hält, dass die Quellenlage eindeutige und möglichst fehlerfrei ist.
    Da ja nicht jeder gleich viel Zeit hat hier mitzuarbeiten, ist jeder Bericht wichtig, der hier gepostet wird. Aber wem erzähle ich das. Insofern freue ich mich schon auf den Pathétique-Thread.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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