Tonqualität - Ab wann ist sie für euch ausreichend ?

  • vielleicht hilft es, wenn wir die Aussagen dieses Threads mit denen unter "Genusshörer" verknüpfen.


    wer geniessen will, den kann die mangelnde Tonqualität einer alten Aufnahme durchaus stören und ihm den Genuss verderben.
    das erklärt auch umgekehrt, worauf jene Menschen achten, bzw. was sie erleben wollen.
    Wer geniessen will, möchte jeden Moment des Hörens perfekt erleben, eine Aufnahme wird an der eigenen Vorstellung von einem schönen Klang gemessen und entsprechend kritisiert.


    wer sich auf Inhalte der Musik konzentriert, der kann das Rauschen und den unvollkommenen Klang ausblenden bzw. sich zurechthören.
    (natürlich ist zB. eine übersteuerte Aufnahme Schrott... aber so etwas kommt ja nicht in den Handel.)
    die Caruso (bzw.die alten Gesangs-) Aufnahmen sind eine Ausnahme, da man der Melodiestimme gut folgen kann, jedoch der Orchesterklang ist sehr verstümmelt.


    plötzlich zeigt sich ganz klar, dass es neben dem Genusshörer noch einen weiteren Typus gibt. Ich zögere, den Typus zu benennen.


    ist ein Vergleich mit der Haute Cuisine möglich?
    man kann raffiniert zubereitete Speisen einfach geniessen und sich daran erfreuen.


    und man kann überlegen, wie es zubereitet wurde, welche Zutaten, welche Gewürze verwendet wurden etc. Falls man selbst gerne kocht, kann man versuchen, das Rezept zu erraten bzw. nachzumachen...
    das ändert aber nichts am Genuss des Essens, ist bloss eine zusätzliche Option.


    und so würde ich das auch bei der Musik sehen:
    man kann darüber reflektieren, was man gehört hat - über die Momente nachdenken, die einem gefallen haben: warum sie einem gefallen haben (siehe: Musik, die emotional stark bewegt);
    wenn man selbst musizieren kann, ist ein Versuch, die Interpretation zu imitieren, möglich
    Analytiker suchen nach formalen oder satztechnischen Besonderheiten;
    Komponisten finden vielleicht Details, die sie noch nie probiert haben, oder die sie nicht ganz verstehen...
    da gibt es noch viele Möglichkeiten...aber nochmals, das ändert nichts am Genuss


    darf ich abschliessend sagen:
    grundsätzlich sind fast alle Hörer Genusshörer,
    wenn man allerdings beim reinen Genuss stehenbleibt, verpasst man die Chance, dem Denkvermögen (oder einfach: dem Gehirn) neue Anregungen zu geben.
    Es ist weder ein Problem, noch eine minderwertige Einstellung, wenn man stimmungsvolle Musik zum reinen Vergnügen hören will. (man stelle sich Weihnachten ohne Musik vor...) [persönlich denke ich: wie herrlich...:stumm: ]
    Bedenklich finde ich lediglich, wenn man Musik auf die Berieselung reduziert und die Merkmale der handelsüblichen Dinnermusik auf den ganzen Musikbetrieb ausdehnt...

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • wer geniessen will, den kann die mangelnde Tonqualität einer alten Aufnahme durchaus stören und ihm den Genuss verderben.


    Werden wir doch mal konkret: Von Svjatolav Richter gibt es die "Bilder einer Ausstellung" in diversen Mitschnitten und auch als Studioaufnahme. Der mit Abstand beste ist jedoch ein Mono-Mitschnitt in eher bescheidener Tonqualität aus Sofia 1953. Das ist schlichtweg ein irres Konzert - sensationell. Mein Genuß ist da weit höher trotz minderer Tonqualität als bei allen anderen tontechnisch "besseren" Aufnahmen, die es von Richter gibt.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Es ist wirklich sensationell, was die Aufnahmetechnik in den letzten 60 Jahren für Sprünge bezüglich der Klassik Aufnahmen gemacht hat. Mir ist erinnerlich, als ich noch im Alter von ca. 8 Jahren unser altes Grammophon hörte (ein eigenes Möbel, das noch mit einer Kurbel seitlich gespannt bzw. aufgedreht wurde) Die Schellackplatten waren teilweise nur einseitig berillt und ich fand, das sich das "grauenhaft" anhörte (aus der Sicht und Unerfahrenheit eines Kindes.)


    Erst später kam ich auch zu den Aufnahmen, die wir heute eher als aufnahmetechnisch "mangelhaft" bezeichnen würden. Doch auch da hilft man uns mit der Remaster-Technik. Erst kürzlich erwarb ich eine CD von Joseph Schmidt und Richard Tauber, die wirklich für mich wieder ein Hörerlebnis waren. Es ist die Stimme die sich als einzigartig erweist und die auch nach heutigen Maßstäben der Aufnahmetechnik durchaus aus früherer Zeit stammen kann.


    Anders ist mein Empfinden in der Hörtechnik bei Orchestern. Ich besitze von Verdi eine ältere Otello Aufnahme und natürlich mehrere neue Aufnahmen. Wenn ich z.B. die Karajan Aufnahme mit Vickers und Freni und den Berliner Philharmonikern gegen diese ältere Aufnahme nehme, denke ich, ich würde in die Steinzeit zurückkehren.
    Ich selbst würde für mich den Zeitpunkt der Callas Aufnahmen als "hörbar" bezeichnen, die ja noch durchaus in Mono aufgenommen wurden.


    Konzertaufnahmen ab Beginn der Stereo-Zeit.


    Euch Allen einen schönen Abend


    Gruß


    Bernard :hello:

    Keine Kunst wirkt auf den Menschen so unmittelbar, so tief wie die MUSIK,
    eben weil keine uns das wahre Wesen der Welt so tief und unmittelbar erkennen lässt



    Arthur Schopenhauer

  • Hallo Tastenwolf,


    das mit der Haute Cuisine ist sicherlich ein guter Vergleich - da ich auch beim Essen selten "analysiere", trifft er auf mich jedenfalls zu.


    Im Grunde wehre ich mich ja auch nur gegen die meiner Meinung nach bornierte Haltung, die den analytischen Zugang für den allein seligmachenden hält. Deine ausgewogenen und kenntnisreichen Beiträge sind da vergleichsweise sehr wohltuend.


    @ JR: Auch "diesseits" des Barock suche ich vor allem wohlklingende Aufnahmen - nach Harnoncourts Requiem wird es wohl kein anderes Requiem mehr für mich geben, insbesondere kein älteres. Die Aufnahme ist in jeder Hinsicht perfekt, nicht zuletzt auch klanglich.


    Das gilt auch für Liszt, La Campanella, gespielt von Baldaszti oder Liszt h-moll, gespielt von Demidenko (auch hier glaube ich nicht, daß mich ältere Versionen mehr begeistern könnten, egal, wer spielt.


    Natürlich kenne ich auch ältere Aufnahmen (aus den 70ern und 80ern, Weissenberg und Gould z.B.), die klangtechnisch neueren Aufnahmen weit unterlegen sind, deren Interpretation aber unerreicht ist - nun gut, dann müssen es halt Weissenberg und Gould sein. Aber z. B. gibt es für Gould Goldberg 55 eine (exakte) Simulation auf einem modernen Flügel (Zenph, Reperformance), die ich mit besonderem Genuß (!!) gehört habe.


    Wie üblich wird man am Ende des Tages differenzieren müssen:
    - leichte bis mittlere klangliche Einschränkungen kann man bei singulären Interpretationen hinnehmen
    - aber irgendwann ist Schluß, bei Gigli und Caruso sowieso, und bei den meisten Stücken eben vor den 60ern

  • Mittlerweile habe ich auch meinen Hörhorizont in Richtung (gutes!) Mono erweitert. Beethovens Achte mit Scherchen (Doppel-CD, Tahra), Schumanns Vierte mit Furtwängler (DG 1953) oder Brahms Erste ebenfalls mit Furtwängler (1951, Tahra) sind für mich klanglich befriedigende Aufnahmen, die ich durchaus genießen kann.
    Grenzwertig hingegen finde ich Furtwänglers berühmt-berüchtigte Neunte vom März 42. Eine wahrhaftig brachiale und äußerst intensive Interpretation, die mich eigentlich in den Wahnsinn treiben würde, wäre da nicht die - für meine Ohren - schon unakzeptable Tonqualität. Meine akustische Toleranz hält sich somit sehr in Grenzen. Der positive Eindruck einer tollen Interpretation wird bei mir recht schnell durch klangliche Einbußen zunichte gemacht. Ich habe auch nicht das Bedürfnis, eine für mich akustisch unbefriedigende Aufnahme zu ertragen, nur um mitreden zu können.
    Ansonsten denke ich, dass mir das Stereo-Zeitalter genügend hochkarätige Aufnahmen bieten kann. Ein leichtes Rauschen im Hintergrund und kleinere akustische Artefakte (Z.B. im 1.Satz aus Beethovens Neunter mit Fricsay, DG 1958) sind für mich kaum ein Problem.
    Übrigens höre ich nur über Kopfhörer. Klangliche Unzulänglichkeiten sind somit noch direkter und feiner hörbar.

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Es gibt einige nicht gut aufgenommene Einspielungen aus den 70er-Jahren mit dem Concentus musicus Wien und Nikolaus Harnoncourt, die trotzdem aus musikalischen Gründen zu meinen grossen Favoriten zählen, z.B. "Concentus in Concert" mit Rameau, Vivaldi und Biber und auch Handel "Water musick".


    Aufnahmetechnisch klingt es gerade im ersten Fall zu hell, ohne wirkliches Bassfundament und in beiden Fällen unaufgelöst, unnatürlich, nach technischer Reproduktion (was ja immer der Fall ist, aber je eher man das vergisst, umso besser) und dicht. Trotzdem höre ich diese CDs sehr gerne, allerdings immer mit dem unrealistischen Wunsch in die Vergangenheit, dass sie es besser hätten aufnehmen sollen.
    Auch die legendären "Vier Jahreszeiten" mit dem selben Ensemble kommen aufnahmetechnisch eher dicht und unaufgelöst daher. Ich habe den Concentus ja mehrfach live und aus guter "Stereoposition" her gehört und kann bezeugen, dass dieser harsche Klang mit dem wesentlich wärmeren Liveklang wenig zu tun hat. Dahingegen ist das 6. Brandenburgische Konzert in der Aufnahme aus den 80ern und die Kantate "Der zufriedengestellte Äolus" aufnahmetechnisch (und musikalisch!) richtig gut gelungen.


    Die Ausgangsfrage "ab wann" ist vielleicht im Sinne von Jahreszahlen schwer zu beantworten, weil es ja auch heute problemlos möglich ist, mit eigentlich gutem Equipment eine schlechte Aufnahme zu machen.
    "Ab welcher Stufe des schlechten Klangs hört es für Euch auf?" wäre ggf. leichter zu beantworten.


    Zur Frage der persönlichen Wichtigkeit der Aufnahmetechnik:
    Für mich ist sie sehr sehr wichtig!
    Warum? Es ist einfach eine viel grössere Freude, wenn es so gut und natürlich wie möglich klingt. Man sieht die Musiker holografisch vor sich, fühlt sich in den Aufnahmesaal (oder Kirche etc.) hineinversetzt, es gibt Luft zwischen den Instrumenten/Stimmen, die Schönheit des Timbres eines Barockcellos, eines Streichensembles uvm. ist damit viel eindrücklicher zu erleben.
    Und dann noch ein Punkt: Bei einer richtig guten Aufnahme höre ich mehr musikalische Details, die ich für wichtig halte. Bei den Brahmssymphonien mit Rattle gibt es ein Fülle von kammermusikalischen Details der Bläser zu hören. Sie haben es musikalisch ausgearbeitet und die Technik mit heutigem Equipment (vielleicht Mikrofone von Schoeps, Neumann oder Bruel & Kjær) kann es vermitteln. Dadurch verstehe ich die Intentionen der Musiker und des Dirigenten besser, und sowohl der Kopf, der etwas lernen will, als auch die reine Lust auf Klanggenuss kommt nicht zu kurz. Was ist denn daran falsch, wenn man den warmen Luxusklang der Berliner Philharmoniker derart gut mittels einer Aufnahme nacherleben kann? Die Wärme, die Klangqualität des Orchesters entsteht doch aus dieser - m.E. sehr guten- Brahms-Sicht heraus, aus der Faktur der Musik selbst. Je mehr ich davon also nacherleben kann, umso besser. Ich höre nicht CDs um von vornherein den Eindruck einer mangelhaften technischen Reproduktion zu haben, sondern um den Umstand, dass das BPO und Rattle rein zufällig eben nicht eine private Live-Aufführung für mich gestalten, zu vergessen. Das gelingt bei einer bestmöglichen Aufnahmequalität am ehesten. Wer kann schon jedes Wochenende ins Live-Konzert gehen und die besten Plätze bezahlen? Ich nicht...


    Oder nehmen wir die Bratschenstimme bei der 2. Orchestersuite h-moll von Bach, 2. Harnoncourt-Aufnahme 80er-Jahre: Wegen der Aufnahmetechnik höre ich, wie musikalisch eigenständig und intelligent der Musiker seinen Part gestaltet, wann und wie er wo Vibrato spielt, wann nicht, welche Detaildynamik und Artikulation er macht und so vieles mehr.


    Ich mag es auch, wenn man das Mitatmen der Musiker mit der Musik mithören kann. Zu Musizieren ist ein sehr menschlicher Prozess und da gehören diese Dinge für mich klar dazu. Bei den hervorragenden Aufnahmen Jordi Savalls auf seinem eigenen Label ist das oft der Fall, oder auch bei Einspielungen der Lautensuiten Bachs mit Stubbs, oder der Cellosuiten Bachs mit Jaap ter Linden.....oder, oder....


    Dass Mikrofone und die analoge Bandtechnik aus den 50er-oder 60er-Jahren bis aufs Rauschen eigentlich genauso gut wie bei Aufnahmen aus 2013 sei, wird durch meine Hörerfahrungen nicht gedeckt.
    Zwar höre ich z.B. die h-moll-Symphonie von Schubert in der Aufnahme mit den Berliner Philhamonikern unter Karl Böhm aus musikalischen Gründen am liebsten, doch ich vernehme auch deutlich, dass etwa die Streicher weniger entspannt, luftig und breitbandig klingen, wie es bei einer guten späteren Aufnahme (vom analogen Rauschen will ich gar nicht reden) möglich sein kann. Ich wünschte, es wäre anders...


    Auch die in gewissen Hifikreisen immer noch vorhandene nostalgische Ansicht, dass LPs immer noch besser als CDs klängen, kann ich nicht bestätigen.


    Zu den Mehrkanalaufnahmen (egal jetzt ob Multichannel SACD, DVD-A oder DTS Master-Audio, Dolby TrueHD) :
    Wenn es normgerecht aufgestellt ist, die Anlage hohen Qualitätsanforderungen genügt und die Raumreflektionen minimiert wurden, dann kann es schon eine ganz tolle Sache sein.
    Bei der Matthäuspassion auf DVD-A (Harnoncourt) bekomme ich ob des Eindrucks, dass ich tatsächlich dabei bin, oder dass da "einer steht" immer wieder einen (angenehmen) Schrecken. Es liegt an den glaubhaften Grössendarstellungen, an der "Luft" zwischen den Musikern. Wenn es mit so einer Interpretation zusammenkommt, dann ist das doch einfach wunderbar!

    Nicht so gut finde ich das Tacet-Konzept, bei dem man mitten im Orchester sitzt und gewisse Instrumente von hinten kommen. Live wäre das für mich auch kein idealer Hörplatz. Die klassische Anordnung, also trinaurales Hören von vorne und Raumakustik von hinten, finde ich da wesentlich besser.
    Es ist schon so, dass bei solchen SACDs die hinteren Kanäle etwas mehr Hall abliefern, als man in Wirklichkeit im Konzrtsaal hört - jedenfalls habe ich das gelesen.
    Für meinen akustisch nahezu toten Hörraum finde ich das dennoch gut. Wenn man das nicht mag, kann man ja auch den Pegel der Rückkanäle am AV-Receiver nach Geschmack hoch- oder `runterregeln.


    Gegen die m.E. schon etwas unverschämte Einschätzung, dass derjenige, der auf guten Klang grossen Wert legt, sich für das Forum disqualifiziere, verwahre ich mich deutlich.


    Da es hier um das Beurteilen der Klangqualität von Aufnahmen geht, gebe ich eine kurze Einlassung zu meiner Hörsituation: Ich habe in diesem Sommer den gesamten Hörraum (der auf als Homerecording-Studio und Heimkino dient) komplett mit selbstgebauten 10cm dicken Absorbern aus Mineralwolle ausgestattet, auch die Decke nahezu mit abgehängten und genauso dicken Deckensegeln und die Raumecken bis zur Decke hoch mit ca. 50 X 50 cm dicken Bassfallen. Wenn ich nicht den Bildschirm brauche, wird dieser ebenfalls durch einen grossen mobilen Absorber akustisch eliminiert (hätte nicht gedacht, was für einen Einfluss so ein Flachbildschirm doch haben kann)


    Als Lautsprecher höre ich mit den ziemlich neutralen Nubert Nuvero 4, Nuvero 5 (Center), Nuvero 3 (Rear) und den zwei Subwoofern AW 1100 und AW 1000. Der Hörabstand von den Ohren zu den halbwegs angewinkelten und millimetergenau ausgerichteten Hauptlautsprechern beträgt trotz der akustischen Massnahmen nur ca. 1.10 m, also schon bald Nahfeldhören. Die erzielten klanglichen Fortschritte zu früher kann ich schon als dramatisch beschreiben. Die minimalen Unterschiede zwischen guten CD-Playern oder Verstärkern sind wirklich nichts dagegen. Wenn ich die Wiedergabe eines neutralen Lautsprechers früher als harsch empfand, so war das Empfinden richtig. Allein, es lag nicht am Schallwandler, sondern an den "early reflections" und Kammfiltereffekten des Hörraums. Jetzt bin ich also so weit, dass ich sozusagen einem riesigen Kopfhörer mit holografischer Vorneortung und bei Bedarf fühlbaren Tiefbässen sitze. Von "überdämpft" oder " zu dumpf" kann überhaupt keine Rede sein. Ich kann jetzt viel höhere Pegel fahren, ohne dass es anstrengend wird. Wie laut es ist, merkt man wirklich nicht mehr so stark.
    Einmessungen des AV-Receivers brauchte ich früher, als der Raum noch mitmusizierte. Jetzt klingt es am besten ohne solche Dinge.


    Hauptgrund für diese Massnahmen war mein Wunsch, der Sauberkeit des von störenden Raumeinflüssen befreiten Kopfhörererlebnisses über Sennheiser HD800 und AKG K701 + Violectric V200 so nahe wie möglich zu kommen und mit den Vorzügen der Lautsprecherwiedergabe zu kombinieren. Nach monatelangen Vergleichen und auch nach Mikrofonaufnahmen der Lautsprecherwiedergabe über Cubase und dem Vergleich mit der Original-CD kann ich sagen, dass ich einen solchen, an das Original heranreichenden Klang bisher nicht erlebt habe, schon gar nicht bei Hifi-Händlern. Es klingt eher so wie man es braucht, wenn man eine Aufnahme abmischen oder mastern will.
    Inspiriert wurde ich hierzu übrigens von den Schriften des "AH", der früher ja auch in diesem Forum und an anderen Stellen im Netz schrieb. So wie ich es höre, hat der Mann mit seinen von Wenigen geteilten Ansichten dennoch tatsächlich sehr viel Richtiges gesagt.
    Die Lautsprecherwiedergabe ist jetzt tonal und von der Auflösung her -meinem Eindruck nach- etwas besser als beim sehr neutralen K701 und erreicht fast die Entspanntheit und Schnelligkeit des HD800, der allerdings eine gewisse Mittensenke aufweist, was natürlich immer gut für die Durchhörbarkeit ist.
    Um es klanglich noch besser zu haben, würde ich ggf. an die Anschaffung von 3x Neumann KH 310 denken, was jedoch finanziell nicht in mittelfristiger Reichweite ist. Zudem müssten eingehende Hörtests den Zugewinn auch bestätigen (es gäbe auch noch Geithain, aber das wird dann noch schwieriger zu realisieren).


    Die oft enormen technischen Unterschiede zwischen Aufnahmen werden so sehr deutlich. Natürlich hört man auch gut, wenn mit Stützmikros gearbeitet wurde und damit z.B. ein Oboist eines Symphonieorchesters merkwürdigerweise vorne in der ersten Reihe neben den 2. Violinen rechts sitzt.
    Ungeniessbar sind historische Monoaufnahmen übrigens keineswegs, dennoch bin ich froh, dass es heute sehr viel besser geht. Auf den genialen Input eines Giganten wie Furtwängler möchte ich natürlich nicht verzichten, aber länger mag ich dieses Klangbild nicht hören.


    Es geht bei mir aber nicht so weit, dass ich etwa nur noch wegen des Klangs Beethoven-Symphonien vom Tacetlabel in Stereo höre (die ich interpretatorisch eben nicht so wahnsinnig gut finde) oder nur noch die fantastischen Denon One-Points, deren Musikprogramm auch nicht immer mein Geschmack ist.
    Aber ich höre z.B. dass die Bernstein-Aufnahmen der Beethoven -Symphonien mit den Wienern klanglich in keiner Weise an die Einspielung Thielemanns heranreicht, was für mich auch wieder dafür spricht, dass es seit der Stereo-Einführung bis heute durchaus sehr klar hörbare Entwicklungen gegeben hat. Im genannten Fall der Symphonien ist es gut, dass ich auch musikalisch oft zur neueren Aufnahme neige.


    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Vielen Dank an Glockenton für den schönen Beitrag!

    Wer kann schon jedes Wochenende ins Live-Konzert gehen und die besten Plätze bezahlen? Ich nicht...

    meinst du damit die teuersten Plätze? das sind doch kaum die besten...


    beeindruckend, wie du deinen Hörraum ausgestattet hast... darf ich fragen, wie viel du ungefähr investiert hast?


    @ m-mueller:
    Danke für die netten Worte. ich habe recht lange gebraucht, um zu der ausgewogenen Haltung zu finden...bzw. sie immer wieder zu suchen (seelisches Gleichgewicht?)
    Meine Anfangsbeiträge hier im Forum waren anders im Umgangston...
    vielleicht liegt es auch an der Zufriedenheit mit meiner jetzigen Situation.

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

    Einmal editiert, zuletzt von tastenwolf ()

  • Hallo tastenwolf,


    es war gar nicht so teuer. Als ich im Frühjahr las, wie teuer fertige Absorber sind, war für mich klar, dass ich es selber machen muss, weil ich davon viel hätte kaufen müssen. So konnte ich zudem genauer und flexibel auf meine Hörraumsituation eingehen. Es ist schon interessant, wenn man sprechend vom anderen Raum in den Hörbereich geht. Plötzlich ist jegliche Akustik weg und die eigene Stimme hört sich leise an.


    Ich habe bald 8 Wochen daran herumgebaut und viel Material verbraucht. Allerdings baute ich keine Diffusoren, weil ich nicht daran interessiert war, Reflexionen gleichmässiger zu machen, sondern sie so gut es geht zu eliminieren (um den vom Raumthema unbeeinflussten Kopfhörerideal näher zu kommen).
    Leider kann ich Dir nicht genau sagen, wieviel es kostete, weil ich dann langwierig die ganzen Einzelposten des Sommers auf meinem Konto zusammensuchen müsste. Es war aber noch unter 800,- Eur, meine ich behaupten zu können. Ich kann mich erinnern, dass ich einmal zu mir selbst sagte, dass es ca. soviel kostet, wie ein guter AVR.
    Wenn man gute Angebote aus den Baumärkten etc. bekommt, kann man viel Geld am Material sparen. Bei mir muss man dann auch noch mit norwegischen Baumarktpreisen rechnen - in Deutschland könnte es ja ggf. noch günstiger sein.
    Wer einen Boden mit Parkett- oder Fliesen hat und ähnliche Ziele wie ich verfolgt, muss sich natürlich auch noch um das Thema Auslegeware etc. kümmern und diese Kosten hinzurechnen, was bei mir schon in den Vorjahren erledigt wurde.
    Wie gesagt, es hat eigentlich weniger Geld als vor allem Arbeit gekostet, und ich bin froh, dass ich nächstes Jahr wieder im Sommer Wellenreiten gehen kann, statt so eine verhältnismässig langweiliges Arbeitsprojekt durchzuziehen. Jetzt aber beginnt die Ernte, und das ist ja etwas Schönes!


    Hier noch ein Gedanke zum Thema des Verhältnisses von Klangverbesserung und Geld:
    Die Kombination aus starker und breitbandiger Bedämpfung und relativen Nahfeld hat bei mir einen echten Sprung nach vorne für relativ wenig Geld bewirkt. Ich habe ja z.B. einen Marantz CD 6005 -CDP, dessen eingebauter DAC im Umschaltvergleich Analogausgang vs. Digitalausgang gegenüber meinem alten Yamaha-Receiver RX-V 1700 hauchdünn die Nase vorn hatte. Nachdem ich mir nun einen neuen Yamaha Rx-V 675 im Sommer (wegen dem neueren HDMI-Standard etc.) zulegte, kann ich nun weder mit Kopfhörern noch Lautsprechern einen greifbaren Unterschied beim Umschalten benennen. Ich vermute fast, dass es im Blindtest auch nicht viel anders mit so einem unbezahlbarem Highest-End-Teil (etwa von Solution) wäre (den habe ich beim Hifi-Händler mit Piega-LS gehört, ohne irgendwie beeindruckt gewesen zu sein, weil er mir vorher an einem "normalen" CDP und einem guten KHV mit derselben CD den HD800 vorführte, was einfach viel besser klang....).
    Und wenn so ein superteurer CDP dann doch wieder Erwarten ein wenig besser klänge, so würde es wohl kaum dem exorbitanten Preisunterschied entsprechen. Viel richtiger als richtig kann es ja irgendwann nicht mehr klingen, denke ich mir.
    Mit verhältnismässig wenig Geld aber durchaus nenneswerter Arbeit habe ich aber nun mit den genannten Akustikmassnahmen eine Klangverbesserung hin zu dem klaren und sauberen Kopfhörerklangideal erzielen können, die mit neuen, noch besseren Hifi-Teilen oder gar sehr teuren Chinch-Kabeln in diesem Umfang wohl kaum möglich gewesen wäre. Auch zusätzlich herangehängte Endstufen sind wegen des geringen Hörabstandes m.E. gar nicht nötig - laut genug ist es auf jeden Fall.


    Voraussetzung war natürlich der eigene Raum und eine sehr tolerante Ehefrau, die dafür ja ihr Wohnzimmer eine Etage höher gänzlich "ohne technischen Kram" geniessen kann.


    Um zum Threadthema zurückzufinden:
    Die Beurteilung von aufnahmetechnischen Unterschieden ergibt sich bei den mir wichtigeren Interpretationsvergleichen nahezu zwangsläufig, ist für mich jedoch kein Selbstzweck. Ein wirklich berauschendes Gefühl kann vor allem dann aufkommen, wenn beides stimmt, also die musikalische und die technische Seite. Wenn die Einspielung bei schlechter Aufnahmequalität dennoch sehr gut ist, dann "geniesse...." ich sie immer noch viel mehr als eine maue Interpretation oder gar Komposition, die aufnahmetechnisch fantastisch eingefangen wurde. Das hilft dann auch nicht ( habe mir auch schon aufnahmetechnisch wahnsinnig gute, ja exemplarische Aufnahmen von 2L-ausgeliehen, die ich mir dennoch nicht kaufen würde, weil ich es von den Werken oder der Ausführung her nicht als zwingend ansah, mir ausgerechnet das zuzulegen).


    Wie gesagt wäre ich sehr froh, wenn die Technik schon sehr lange so weit gewesen wäre, wie sie heute ist, aber das ist ja leider nicht so.
    Furtwängler war ja bekanntermassen grundsätzlich kein Freund von Aufnahmen. Ich frage mich manchmal, wie die Interpretationsgeschichte und auch der Verkauf von Aufnahmen gelaufen wäre, wenn es das, was wir technisch heute haben, schon damals alles gegeben hätte und jemand wie er anders eingestellt gewesen wäre. Dann gäbe es von ihm ebenfalls die 9 Beethoven- Symphonien in DTS-Master-Audio in HD-Ton und Bild auf Blue-ray, wie es heute z.B. bei Thielemann oder Järvi (bei ihm nur DVD, dafür aber ansonsten HD-Ton mit SACD) ja der Fall ist.
    Jedenfalls würde man wohl noch besser als auch bei den historischen Mitschnitten heraushören, dass man damals bei den musikalischen Parametern wie Zusammenspiel, Intonation, Fehlerfreiheit etc. nicht derart perfektionistisch war, wie man es heute schon gewohnt ist und auch um der Werke willen so hören will.
    Die Entwicklung hin zur absoluten musikerhandwerklichen Perfektionierung hat sicher viel mit dem Siegeszug der Stereo-LPs, der damit verbundenen Eigenkontrollmöglichkeit und auch mit dem Namen Karajan zu tun, wage ich einmal anzunehmen.
    Seitdem müssen die Musiker im Konzert gegen ihre eigenen Aufnahmen (oder die der Kollegen) mehr oder weniger anspielen. Das ist nicht immer angenehm, aber man kann wohl annehmen, dass es zu einer durchschnittlichen Anhebung des manuellen Niveaus geführt hat, was ja schon gut ist.
    Dass Publikum bekommt also im heutigen Konzert vielleicht etwas weniger Perfektion als auf den Konserven, dabei aber, qualitativ je nach Sitzplatz variierend, immer ein wirklich originales Klangerlebnis - und natürlich den magischen Zauber des besonderen Moments, der manchmal stärker, manchmal schwächer oder manchmal ganz ausfällt.


    Noch zur gestellten Frage mit den Sitzplätzen: Ich kenne mich da mit der Bepreisung nicht so aus, aber in Kirchenkonzerten mit Orchester und Chor würde ich wohl am liebsten in der 3. Reihe und direkt am Gang in der Mitte sitzen. Es wäre dann wohl gegenüber meiner Zuhause-Situation am ähnlichsten.
    Den Klang, den ein Hörer zu Bachs Zeiten in der Thomaskirche hatte, also unten sitzend während Chor und Orchester + grosse Continuoorgel von der Empore kamen, würde ich als Zeitreisender (wenn es so etwas denn gäbe) vielleicht enttäuschend leise und undetailiert finden. So können die Tonkonserven also auch den Hörergeschmack und die Wahl des Sitzplatzes von Teilen des Publikums bei Live-Konzerten beeinflussen. Bei mir ist es wohl so, wenn Geld keine Rolle spielt.


    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Lieber Glocken ton. Danke für Deine ausführliche Stellungnahme, die ich mit Interesse und Vergügen gelesen habe, Allerdings befinden wir uns hier schon auf einem sehr hohen Level.


    Zitat

    Zwar höre ich z.B. die h-moll-Symphonie von Schubert in der Aufnahme mit den Berliner Philhamonikern unter Karl Böhm aus musikalischen Gründen am liebsten, doch ich vernehme auch deutlich, dass etwa die Streicher weniger entspannt, luftig und breitbandig klingen, wie es bei einer guten späteren Aufnahme (vom analogen Rauschen will ich gar nicht reden) möglich sein kann. Ich wünschte, es wäre anders...


    Ich pflichte Dir - allerdings nur bedingt - bei. Die Aufnahmen sind tontechnisch schon bei ihrem Entstehen nicht am Stand der Zeit gewesen - vergleich nur die Beethoven Sinfonien von 1962 (mit dem gleichen Tontechniker) _Böse Stimmen haben aber schon damals gesagt Karajans Faible für Jürgen Herrmanns beruhe vor allem darauf, daß er den Maestro bei den Proben selst an die Regler des Mischpultes lasse.


    Und von Decca- Aufnahmen brauchen wir gar nicht reden - die waren schon damals perfekt - räumlich und dynamisch...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Ich habe jetzt versucht, den Thread durchzulesen, der interessante Diskussionsbeiträge enthält. Allerdings kann ich Zahlen wichtig finden und vor allem auch statistische Argumente und mir fehlt trotz einer gewissen Verehrung für ein paar Musiker jeglicher Hang zum Kult. Bei mir zuhause gibt es keinen einzigen Schrein für einen Musiker .... eigentlich überhaupt keinen Schrein.


    Zur Anfangsfrage: Die technische Qualität sollte so gut sein, dass ich hören kann, was da musiziert wird, und zwar so, dass ich nicht nur die Stimme von Caruso alleine erleben kann und der Rest der Musik im Hintergrund herumbrummelt ... Ich weiß, dass es hier im Forum Kollegen gibt, die bei so einer Stimme ihren geistigen Halt zu verlieren drohen. Ich bin keiner davon, mir fehlt da sicher ein Gen ... :) Ich möchte hier keineswegs respektlos wirken, und die Begeisterung für die Stimme Carusos abwerten. Es ist nur nicht meine Welt von Musik.


    Was nun da akustisch geboten werden muss, um das Spiel mit Freude zu hören, zu genießen oder auch zu rezipieren ist von Rezipient zu Rezipient sehr verschieden. Wenn ich praktizierender Musiker bin, habe ich eine so ungeheure Hörerfahrung bei meinem Instrument, dass ich schon an den kleinsten Sequenzen gut heraushören kann, was da geschieht und mein Gehirn erlaubt es mir, den Klang zu komplettieren. Bin ich reiner "Konsum"-Hörer ist das viel schwieriger und ich freue mich natürlich, wenn die Aufnahme so gut ist, dass sie mir Gelegenheit gibt, das musikalische Geschehen im Detail zu verfolgen. Ein solcher Maßstab ist also sachlich bedingt subjektiv.


    Ich habe mich mit diesem Thread beschäftigt, weil ich gerade eine Aufnahme gehört habe, die sowohl vom musikalischen Anspruch, wie auch vom akustisch technischen IMO Höchstes erfüllt. Es ist das Belcea Quartett mit Janáčeks Streichquartetten



    So etwas kann es geben. Macht diese Aufnahme frühere obsolet? Natürlich nicht. Jede ernsthafte Aufnahme von Musikern erlaubt mir als Hörer, das Verständnis der Musik etwas zu vertiefen. Wenn ich aber mal Janacek nur einfach hören möchte, werde ich wahrscheinlich zur Aufnahme der Belceas greifen ....


    Ist die Musik vergangener Generationen besser musiziert und haben wir mit zeitlicher Progression eine Entwicklung zur musikalischen Mittelmäßigkeit? Das glaube ich nicht. Wir leben halt in einer Zeit, wo das Angebot so riesig zu sein scheint, wie man es sich früher vielleicht nur erträumen konnte. Selbstverständlich ist per definitionem dabei das Mittelmaß massiv vertreten. Das war aber früher nicht anders, wenn vielleicht auch nicht so gut dokumentiert.


    Zu den ewig erwähnten Namen, die offensichtlich alles andere zu überragen scheinen, habe ich ein gespaltenes Verhältnis. Tatsächlich kann ich mit Aufnahmen von Cortot viel beginnen, mit denen von Gieseking eher weniger ... so what?


    Ich hatte noch in der LP-Ära für mich aus Interesse ganz viele historische Einspielungen von Beethoven Sonaten eingekauft und versucht, mich durch diesen Berg durchzuhören. Das Ergebnis war ernüchternd, nicht weil die technische Qualität überraschend schlecht oder mono war, sondern weil mich viele Einspielungen einfach nicht fasziniert haben. Bei Solomon eingeschlafen, bei Fischer nicht wirklich aufgewacht, bei Backhaus bei allem Respekt manchmal am geistigen Verstehen gezweifelt (war Hammerklavier :no:, vielleicht unfair in seinem Alter) Einzig Artur Schnabel konnte mich durchgehend begeistern und das tut er noch heute ...,


    Casals ist auch häufig erwähnt worden. Für mich liegt seine Bedeutung im Erkennen der Qualität der Bachschen Cellosuiten, was alleine eine Großtat ist, aber muss ich mir deswegen seine Einspielung dauernd anhören? In Praxi tue ich es jedenfalls nicht. Der schon erwähnte Matt Haimovitz wird von mir klar vorgezogen, und zwar, weil mir seine Interpretation mehr zusagt.


    Letztes Beispiel: Bachs d-Moll Partita für Violine solo, ein großartiges Werk! Ich habe mir ein paar klassische Meister damit (meistens spielen die nur die Chaconne) angehört. Da hat mich eigentlich nichts begeistert. Für mich ist die bedeutendste Einspielung dieses Werkes ( keineswegs die einzige bereichernde) die von Jennifer Koh. Bei ihrer Chaconne kann ich weich werden ....


    Also es hat alles am Ende etwas mit Geschmack, mit Geschmackswandel, mit historischem Interesse und vielen anderen persönlichen Dingen zu tun. Für mich ist der modernen Zeit nicht die Seele verloren gegangen, sie hat bloß ihren Charakter geändert und wer will ihr das übelnehmen ;)?


    PS: Um eventuellen Missverständnissen vorzubeugen: Natürlich fand ich es damals interessant, diese historischen Aufnahmen einmal zu hören. Es spricht selbstverständlich ein anders ästhetisches Empfinden aus Ihnen! Nur Solomons Beethoveneinspielung vollständig zu hören, war nicht einfach. Das fiel mit mit Gulda und Gilels viel leichter ...

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  • Ein schwieriges Thema, das über die Lebensjahre immer anders bewertet wird. Generell ist zu sagen, daß von wenigen Ausnahmen ("Legendäre" Künstler) die Tonqualität eine bedeutende Rolle spielt, was schon dadurch belegt werden kann, daß "historische Aufnahmen" immer mehr vom Markt verschwinden.

    Sie hatten aber doch ihre Anhänger: Warum ist das so ?

    Die Antwort ist eigentlich recht einfach.

    Wenn jemand einen Interpreten live miterlebt hat, so speichert sien Gehirn gewissermaßen den Klang, das Timbre und sonstige Eigenheit einer Stimme oder die Klangfarbe des Instruments. Beim Abhören einer klanglich unzureichenden Aufnahme holt sich das Gehirn gewissermaßen wie ein Notizbuch den Originalklang zurück. Hat eine Generation beispielsweise einen Künstler niemals live hören können, so ist die auf die Konserve angewiesen und bekommt de facto einen akustischen Torso geliefert. Der kann nun von Personen unterschiedlichen Temperaments und unterschiedlichen Ansprüchen unterschiedlich empfunden und bewertet werden.


    Bleiben wir mal bei HEUTIGER Aufnahmetechnik:

    Wir versuchen sie uns schönzureden, aber in Wahrheit ist sie zwar - gemessen an jener der Vergangenheit - ein epochaler Fortschrit - gemessen am Original indes eher bescheiden.

    Aber wir haben nichts besseres - und das wird IMO über einen langen Zeitraum so bleiben - oder in alle Ewigkeit. Zuimindest solangen wir bei den heutigen Aufnahmetechniken (auch in x-mal verfeinerter Form) bleiben

    Leuten, die das anders sehen, halte ich entgegen, daß auch der extremste Laie, die Sprechstimme eines im Raum befindlichen realen Menschen EINDEUTIG von einer Wiedergabe durch einen -noch so teuren Lautsprecher- unterscheiden kann. Völlig Logisch, daß das bei komplexeren Tonsignalen noch ausgeprägter ist.

    Ich habe mir immer die Frage gestellt, inwieweit man die Vorzüge eines Bösendorfer Flügels über Tonträger hören kann (IMO allenfalls ansatzweise !!) oder ob eine Stradivari - ebenfalls über Aufnahme - in der Tat besser klingt als ein modernes Instrument - ganz zu schweigen von den Einzelnen instrumenten desselben Herstellers. Darzu gabs immer wieder Untersuchungen - mit unterschiedlichen Ergebnissen


    Meine persönlichen "Bewertungen" - von heute - das war nicht immer so:

    Die Aufnahmequalität spielt je nach Komplexität des originalen Klangbilds und der Komposition eine unterschiedliche Rolle.

    Bei historischen Singstimmen bin ich relativ tolerant - weil jede Stimme einzigartig ist und nicht durchirgende eine "ähnlich klingende" ersetzwerden kann. Zudem ist der Geschmack der technischen Ausführung ein anderer. Siehe bei Richard Wagner wo die Stimmen dereinst wuchtiger waren, aber auch bei Mozarts, wo aus den Männern "Tamino" wieder schlanke Jünglinge wurden (wies eigentlich im Libretto vermerkt ist)

    Es gibt aber Toleranzgrenzen. In der "Akustischen Phase der Schallplatte" (gemeint ist hier die Autnahme per Trichter - bis etwa 1925) konnte lediglich besonders markante MÄNNLICHE Stimmen EINIGERMASSEN "tonfarbentreu dargestellt werden, Frauenstimmen (Altstimmen vielleicht ausgenommen) waren indes stets piepsig unf quiteschend. Sooo haben die (hoffentlich !!) mit Sicherheit im Original nie geklungen !!

    ERst in den 30erjahren konnte man Klavier "einigermaßen" naturnah aufnehmen, Männerstimmen befriedigend, Frauenstimmen (teilweise) passabel.

    Diese Aufahmen waren oft RELATIV naturnah - um den Preis einens sehr hohen Plattenrauschens. Diese Rauschen werde dann um 1960 von den damaligen Tontechnikern weggefiltert, was MO einen herben und markanten Verlust an Tonqualität bedeutete. Vor allen bei "S" lauten und höchsten Frequenzen bei Instrumenten - Scheinbar hat das damals niemand gestört.ORCHESTER konnte man IMO erst um 1950 in passabler Qualität (mono) aufnehmen, wobei das sehr von der Erfahrung des Tonmeisters abhing. Erst mit Einführung der Stereophonoie kann große Orchester eingermaßen Getreu aufgenommen werden -mit geringem Hintergrundrauschen. Der Umstieg auf DIGITALAUFNAHME bracht , war Klangfarben betrifft eigentlich keine Vergesserungen (vereinzelt sogar: im Gegenteil) ABER eine signifikante Verminderung des Grundrauschens. Der Klanmg war geringfügig anders, was sich bei verschiednen Instrumenten unterschiedlich auswirkte. So klingt ein Flügel in der Regel im Diskant härter (IMO ein Vorteil) eine Violine aber auch (IMO ein Nachteil) In der Steinzeit der Digitalaufnahme entstand dann eine bekannte Scherzfrage: "Was klingt schrecklicher eal eine digital aufgenommene Violine ?" - Richtige Antwort: ZWEI digital aufgenommene Violinen !!;)^^:hahahaha:

    Das hat sich inzwischen aber gebessert....

    Hier dürften die Ansprüche allerdings eher mittelmäßig sein, andernfalls hätte sich HDCD bzw (noch besser !) SACD allgemein durchsetzen müssen. Hat es aber nicht...

    Änliche leidvolle Erfahrungen musste schon (wenngleich auf anderem Level) Thomas Alva Edison, der mit 2 seiner (auf die Zeit gerechnet) klangbesten Tonträgerformate ("Blue Amberiol Zylinder" und "Diamond Disc")Schiffbruch erlitten hat.....

    mfg aus Wien

    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Ein schwieriges Thema, das über die Lebensjahre immer anders bewertet wird. Generell ist zu sagen, daß von wenigen Ausnahmen ("Legendäre" Künstler) die Tonqualität eine bedeutende Rolle spielt, was schon dadurch belegt werden kann, daß "historische Aufnahmen" immer mehr vom Markt verschwinden.

    Das stimmt doch einfach nicht, Alfred. Das Geschäft mit der Vermarktung historischer Aufnahmen boomt wie nie zuvor - Sammelboxen etc. von Pianisten aus der Mono-Ära, nicht nur die bekannten Titanen, sondern gerade auch solche, die kaum Jemand kennt und die so erst bekannt gemacht werden, dazu noch hervorragend remastert. Dazu kommen die digitalen Möglichkeiten von Download, Streaming, Youtube. Noch nie hat man so viele historische Aufnahmen frei verfügbar gehabt wie heute! ;)


    Schöne Grüße

    Holger

  • Es ist natürlich eine Frage was man unter "historisch" versteht. Ich denke hier vorzugsweise an die Serie "Lebendige Vergangenheit" oder auch an Studioaufnahmen der 50er und sechziger Jahre, nicht aber erstmalige Live- Veröffentlichungen vo 1950-1970, wo Livekonzerte mit bekannten Künstlern in schlechter Aufnahmequalität (die kann man 100 mal remastern - die bleibt einfach mies) auf den Markt geworfen werden, die zum Zeitpunkt ihres entstehens einfach aus Ausschussware gesehen wurden und nicht einer Veröffentlichung für würdig befunden worden waren....

    Zu meiner Behauptung, die Historischen Aufnahmen verschwänden vom Markt:

    Ein ganz klassische Beispiel ist hier Jürgen Schmidts Serie: Lebendige vergangenheit. Ich hab hier die Infos aus erster Hand, nämlich aus einem Gespräch mit ihm selbst vor einigen Jahren.Ich beklagte (damals) daß Preiser ausgelaufene Nummmern nicht wieder auflegte. Er erklärte mir, daß nicht zu erwarten sei, daß diese Nummern sich in ausreichender Stückzahl (ich glaube eine Mindestauflage wäre 500 gewesen - also eher bescheiden) verkaufen ließe. Durch seinen Status bei Preiser wurden damals aber vereinzelt noch neue Zusammenstellungen rausgegeben, das Archiv war groß. Mit seinem Tod endete diese Aktivität.

    Ich hatte eine mündlichen Vertrag mit Preiser, wonach ich statt einer finanziellen Vergeltung für die Einstellung eine Werbebanners pro Monat 4 CDs aus besagter Serie bekam - die dann in den entsprechenden Threads verarbeitete werden konnte. Ich liss mir das jähreich liefern Nach einiger Ziet waren aber die meisten von mir auf diese Art angeforderten Titel gar nicht mehr lieferbar obwohl sie noch im Programm waren....

    Das Geschäft mit der Vermarktung historischer Aufnahmen boomt wie nie zuvor

    DA muss man sich allerdings die Frage stelle WARUM die gemacht wurden und WER die veröffentlicht: Weil die Rechte oft abgelaufen sind, kupfern sich die oft Firmen ab, die nicht Willens oder in der Lage sind Interpreten zu bezahlen....

    mfg aus Wien

    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • DA muss man sich allerdings die Frage stelle WARUM die gemacht wurden und WER die veröffentlicht: Weil die Rechte oft abgelaufen sind, kupfern sich die oft Firmen ab, die nicht Willens oder in der Lage sind Interpreten zu bezahlen....

    Das stimmt auch wieder nicht. Es gibt Labels, die haben sich genau auf solche Aufnahmen spezialisiert. Auch die kosten Geld - je älter die Aufnahme, desto aufwändiger das Remastering. Beispiel Appian (apr). Die Aufnahmen sind technisch hervorragend aufgearbeitet und haben einen geradezu liebevoll ausführlichen Klappentext mit allen historischen und aufnahmetechnischen Details mit Übersetzung. Auch das kostet Geld.


    Ein Beispiel:



    5024709160136.jpg


    Wie man sieht, sind die Aufnahmen teilweise sogar von 1924 und 1925. Selbst wenn man als Gieseking-Liebhaber auch spätere Aufnahmen aus den 1940iger und 1950iger Jahren hat, sind diese absolut faszinierend. Zwar ist der Rauschanteil natürlich höher, aber man kann sich sehr gut auf das Klavier fokussieren, das sehr "realistisch" und absolut natürlich aufgenommen ist. Die Farbigkeit und unglaubliche Leichtigkeit von Giesekings Spiel kann diese hervorragend remasterte Aufnahme ohne wesentliche Abstriche vermitteln. Nur darauf kommt es letztlich an. Ein Highlight in meiner Gieseking-Sammlung! :) :thumbup:


    Schöne Grüße

    Holger

  • Immerhin ein sehr interessante Antwort.

    Ich zweifle nicht daran, daß es weltweit gesehen Liebhaber gibt, die bedeutenden Label - von denen ja in der Regel die abgekupferten Originale stammen - hält sich indes wohlweislich zurück.

    ABER: So wie es bei Stimmen den Thread "Lebendige Vergangenheit gibt" wöre für enen gewissen (vernutlich eher kleinen?) Kreis ein Thread mit alten Aufnahmen von Klavier-soloauftritten interessant (Sinfonien in klassischer Aufnahmetechnik halte ich - von Furtwängler abgesehen - für eher ungünstig, weil sich die schlechte Tonqualität doch sehr auswirkt - und Käufer mehrheiltich abschreckt)

    Soeben wollte ich DIR vorschlagen einen solchen Thread zu eröffnen, aber ich hab glücklicherweise soben vorher recherchiert und eine solchen bereits existierenden gefunden. Der wurde am 14. Mai2019 durch nemorino gestartte - schaffte es in der Tat auf 67 (!!) Beiträge war aber am 22. Juni 2019 bereits "beendet" 9.800 Zugriffe ist nich schlecht für solch einen spezielen Thread. Du wärest durchaus geeignet und erwünsch ihn weiterzuführen, bzw den Anstoss zu geben, daß er weitergeführt wird. Die Moderation (nicht alle) möchte nämlich teileweise an alte Traditionen anknüpfen und die Koninuität des Tamino Klassikforums demonstrieren.

    Du könntest dann in Deinen Beiträgen - vorzugsweise nur EIN Pianist pro Beitrag - auf Deine oder andere Einzelthreads zum Thema hinweise, bzw- besser verlinken.

    ANFIXEN nennt man dies im Ganovenjargon, den ich ganz gut beherrsche - und stets eher Verwunderung als Bewunderung hervorrufe, wenn ich ihn einsetze :P

    Auch wenn das im Titel nicht gefordert war - und somit bislang nicht voll praktiziert, so sollten hier in HINKUNFT nur MONO oder SCHELLACK Aufnahmen erwähnt werden - eben "historisches"


    Mit besten Grüßen aus Wien

    Alfred

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  • Soeben wollte ich DIR vorschlagen einen solchen Thread zu eröffnen, aber ich hab glücklicherweise soben vorher recherchiert und eine solchen bereits existierenden gefunden. Der wurde am 14. Mai2019 durch nemorino gestartte - schaffte es in der Tat auf 67 (!!) Beiträge war aber am 22. Juni 2019 bereits "beendet" 9.800 Zugriffe ist nich schlecht für solch einen spezielen Thread. Du wärest durchaus geeignet und erwünsch ihn weiterzuführen, bzw den Anstoss zu geben, daß er weitergeführt wird. Die Moderation (nicht alle) möchte nämlich teileweise an alte Traditionen anknüpfen und die Koninuität des Tamino Klassikforums demonstrieren.

    Du könntest dann in Deinen Beiträgen - vorzugsweise nur EIN Pianist pro Beitrag - auf Deine oder andere Einzelthreads zum Thema hinweise, bzw- besser verlinken.

    ANFIXEN nennt man dies im Ganovenjargon, den ich ganz gut beherrsche - und stets eher Verwunderung als Bewunderung hervorrufe, wenn ich ihn einsetze :P

    Auch wenn das im Titel nicht gefordert war - und somit bislang nicht voll praktiziert, so sollten hier in HINKUNFT nur MONO oder SCHELLACK Aufnahmen erwähnt werden - eben "historisches"

    ^^ Lieber Alfred,


    angefixt gefragt: Welchen Thread von Nemorino meinst Du denn? :D Das kann ich mit Nemorino zusammen gerne machen, wenn er es möchte, natürlich. Das ist ein sehr reizvolles Thema! :hello:


    Schöne Grüße

    Holger