Schönbergs Wandlung vom Paulus der Spätromantik zum Saulus der Zwölftonmusik ist ja allseits berüchtigt und wird in diesem Forum auch gerne beklagt. Wie sieht es aber mit dem frühen Schaffen eines weiteren "Titanen" des 20. Jahrhunderts aus, Béla Bartók?
In den letzten Monaten habe ich mich intensiv mit Bertók beschäftigt und mir auch sein Frühwerk weitgehend zugelegt und angehört. Im Vergleich zu Schönbergs Werken werden diese spätromantischen Zeugnisse ziemlich vernachlässigt und selten eingespielt. Diese Besprechung wird nicht die allerfrühesten Werke Bartóks auflisten, die zu Studienzwecken geschrieben wurden und sämtlich vor 1900 entstanden. Angeführt werden hier nur Werke, die Bartók bereits im Mannesalter geschrieben hat. Auffällig ist, dass Bartók bereits in seiner frühen Entwicklung alle Genres abzudecken versucht (außer der Oper) und neben intimen Kammermusikwerken auch großformatige Orchesterwerke zu finden sind.
Zu nennen wären:
Kossuth, symphonische Dichtung, Sz. 21 (1903)
Scherzo für Klavier und Orchester, Sz. 28 (1904)
Rhapsodie für Klavier und Orchester, Sz. 27 (1905)
Orchestersuite 1, Sz. 21 (1905, revidiert 1920)
Orchestersuite 2, Sz. 34 (1905, revidiert 1907 und 1943)
Klavierquintett c-Moll, Sz. 23 (1903-1904)
Violinsonate e-Moll, Sz. 20 (1903)
4 Klavierstücke (Négy zongoradarb), Sz. 21 (1903)
Völlig klar heraushörbar ist Bartóks Anlehnung an Brahms in seiner frühen Kammermusik und an Strauss in seiner frühen Orchestermusik. Der Ton ist noch wahrhaft spätromantisch und die Werke wurden deshalb im weitgehend konservativen Ungarn auch akzeptiert. Allerdings lugt schon dann und wann der spätere Bartók hervor und die Stücke sind meistens reichlich mit Dissonanzen gespickt - allerdings selbstverständlich nicht in dem Ausmaß wie in seinen Werken ab 1907. Die Qualität würde ich allgemein als hoch (Violinsonate) und fallweise als sehr hoch (Kossuth, Scherzo) einstufen. Interessanterweise hat sich Bartók später nie völlig von diesen Werken distanziert. Die Rhapsodie für Klavier und Orchester spielte er als Pianist sein ganzes Leben hindurch vor konservativerem Publikum und die Orchestersuiten hat er in späteren Jahren noch bearbeitet, ohne aber ihren spätromantischen Ton zu verändern. In der nächsten Zeit werde ich die meisten der hier aufgelisteten Werke samt Diskographie kurz vorstellen. Die Orchestersuiten liegen mir leider noch nicht vor (nur sehr teuer bei Hungaroton erhältlich) und die frühen Lieder, welche ich hier nicht angeführt habe, sind praktisch nicht erhältlich.