RE: Brahms KK Nr.1 mit Rubinstein / Reiner (RCA, 1957)
Alles anzeigenHolger hat heute im Domingo-Thread an den großartigen Künstler Artur Rubinstein erinnert. Das hat mich auf den Gedanken gebracht, diesen Thread hier, der nun schon wieder über ein Jahr vor sich hin dümpelt, wieder zu beleben. Ob viel dabei herauskommt? Einen Versuch ist es jedenfalls wert, zumal es Künstler vom Range eines Rubinstein heute wohl kaum noch gibt.
Eine seiner herausragendsten Aufnahmen ist hier, wenn ich es richtig überblickt habe, noch gar nicht genannt worden:
BRAHMS: Klavierkonzert Nr. 1 d-moll, op. 15
mit dem Chicago Symphony Orchestra, Dirigent: Fritz Reiner (Aufnahme: Chicago, Orchestra Hall, 17.4.1954).
Es handelt sich nicht nur um die allererste STEREO-Aufnahme überhaupt, die jemals produziert wurde, auch künstlerisch ist diese Version m.E. weder früher noch später jemals getoppt worden.
Rubinstein und Reiner waren nicht unbedingt die besten Freunde, weil der Dirigent sich einmal abfällig über Chopin geäußert und ihn als schwul bezeichnet hatte, was zu einem heftigen Streit zwischen den beiden führte, weil Rubinstein sich durch diese Bemerkung persönlich beleidigt fühlte. Trotzdem (oder vielleicht gerade deshalb) ist hier eine Aufnahme wie aus einem Guß entstanden. Beide Musiker waren gestandene Profis, und sowohl Rubinstein als auch das CSO unter Reiner liefen zur Höchstform auf. Außerdem ist die Aufnahme technisch überraschend gut gelungen. Ich denke, daß die Produzenten John Pfeiffer und Richard Mohr ihren Ehrgeiz darein gesetzt haben, mit diesem technisch revolutionären Produkt nicht nur bei den Käufern, sondern vor allem auch bei den Konkurrenten, allen voran CBS, Eindruck zu schinden, was ihnen auch gelungen ist.
Doch nun zum wichtigeren musikalischen Teil: Der Kopfsatz setzt schon mit großer Leidenschaft ein, das CSO zeigt, daß es bereits damals zu den besten Orchestern der USA zählte, und der Präzisionsfanatiker Reiner holt aus den Musikern das Letzte heraus. Im Verlauf des gewaltigen Satzes kommt es zu wilden, eruptiven Ausbrüchen; am Satzende mit seinen wuchtigen Oktavgängen stockt einem unwillkürlich der Atem. Den 2. Satz "Adagio" trägt Rubinstein mit kontemplativer Ruhe vor, obwohl er, im Gegensatz zu seinen Kollegen Curzon (Decca) und Arrau (EMI), ein ziemlich bewegliches Tempo wählt. Er benötigt für den Satz, der meist 15-16 Minuten in Anspruch nimmt, nur 13 Minuten. Der Finalsatz wird mit großer Kraft gestaltet, man staunt Takt für Takt, über welche souveräne Virtuosität der große Pianist verfügt. Alles in allem eine überragende Leistung!
Die Aufnahme wurde übrigen zunächst nur in Monofassung auf den Markt gebracht, weil sich die Plattenhersteller lange nicht auf ein einheitliches Stereoformat einigen konnten. Die Stereoausgabe wurde erst 1958 erstmals veröffentlicht.
Für mich ist dies eine der größten Aufnahmen, die Rubinstein jemals gemacht hat. Sie übertrifft auch seinen späteren Remakes mit Leinsdorf (1964, RCA) und Mehta (1976, Decca), wobei man berücksichtigen muß, daß der Pianist bei der letztgenannten Aufnahme fast 90 und fast erblindet war. Doch selbst da konnte er noch eine Leistung hinlegen, die schier staunen macht.
LG Nemorino
Lieber nemorino,
ich war eine Woche im Spätsommerurlaub in Mittenwald - daher erst heute meine Antwort:
Der teleton ist immer mal "auf jück":
Es war mir ein wichtiges Anliegen diese wunderbare Aufnahme des KK Nr.1 auch auf CD zu besitzen, denn ich hatte schon bei meinen ersten LP´s die braune Doppel-LP-Box mit dem KK Nr.2 (hier unter Krips).
Solche Erstaufnahmen in dieser famosen Qualität haben mich als Klassikfreund auf ewig geprägt.
Im Jahre 2013 hatte ich mir dann die abgebildete CD gekauft, von der ich auch im entsprechenden Brahms-KK-Thread berichtet hatte.
Neben Serkin / Szell (SONY), Fleisher / Szell (SONY) und Pollini / WPO / Böhm (DG) ein MUSS für das KK Nr.1.
Da kommen dann auch neuere Aufnahmen, die ich getestet und nie behalten habe, einfach nicht mehr heran (bei allem Wohlwollen auch nicht die geschätzte und mir vorliegende mit Freire / Chailly (Decca, 2006) ...
RCA GOLD SEAL, 1957, ADD