ABM - Arturo Benedetti Michelangeli

  • Wenn's nur die Geschwindigkeit ist, gibt es keine unterschiedlichen Klangfarben je Lautstärke.

    Das ist doch offensichtlich. Klar kann der Hammer unterschiedlich befilzt sein und verschiedenes Gewicht haben. Aber bei einem Flügel während eines Spieles sind diese Parameter notwendigerweise fix ... Die Impulsübertragung ist hier wichtig, der bei gleichem Gewicht derselben anschlagenden Mechanik nur durch die Geschwindigkeit bestimmt ist.


    Ich habe hier eine lustige Diplomarbeit gefunden.


    Physikalische Modellierung des Klavierklanges


    und hier noch eine Examens-Hausarbeit


    Klangerzeugung am Klavier


    Ich habe sie natürlich noch nicht lesen können .... :)

  • Das bestreitet ja niemand. Die Frage ist nur, worauf diese Unterschiede beruhen, wenn man mal wirklich genau und im Detail beteachtet, wie der Klang am Klavier überhaupt erzeugt wird und welche Klangparameter der Spieler auf welche Weise beeinflussen kann.

    Eben. ich hatte ja ausdrücklich geschrieben, dass es enorme Klangunterschiede zwischen verschiedenen Pianisten gibt. Übrigens hatte ich diese Diskussion auch schon mit Profi-Kollegen, von denen der ein oder andere erstaunliche Probleme damit hatte, die physikalischen Gegebenheiten anzuerkennen. Einer behauptete sogar steif und fest, er können auf einem liegenden Ton ein cresc. spielen, was ihm, wenn es denn stimmte, mit Sicherheit den Nobelpreis für Physik eingebracht hätte, weil er die Voraussetzung dafür geschaffen hätte, sämtliche Energieprobleme der Menschheit für alle Zeiten zu lösen. Bei der praktischen Demonstration war er aber leider genausowenig in der Lage, das nachzuweisen, wie ein und denselben Ton in jeweils gleicher Lautstärke aber mit verschiedener Klangfarbe zu spielen. Die Sache ist psychologisch ja auch kompliziert: Es kann ja durchaus helfen, sich z.B. ein cresc. auf einem liegenden Ton vorzustellen (Beethoven schreibt das gelegentlich ausdrücklich in seine Partituren), aber ich finde, dass man doch besser damit fährt, wenn man auch die tatsächlichen Stellschrauben zur Klanggestaltung kennt, beherrscht und gezielt einsetzt.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Übrigens hatte ich noch einen Aspekt vergessen: Man kann natürlich zumindest theoretisch das Geräusch, dass der Finger beim Anschlag auf der Taste erzeugt als Bestandteil des Klangs betrachten und möglicherweise auch bewusst gestalterisch einsetzen. Das wäre dann tatsächlich unabhängig von der Lautstärke. Allerdings hat das in der Praxis so gut wie keine Bedeutung, weil dieses Geräusch nicht nur im Vergleich zum Ton sondern auch zur Klaviermechanik selbst vernachlässigbar leise ist. Allenfalls könnte man sich vorstellen, dass in Neuer Musik z.B. Tasten absichtlich mit Gegenständen, Ringen, Fingerhüten o.ä. angeschlagen werden, aber das wäre dann ein anderes Thema.

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    (Theodor W. Adorno)

  • Ich empfehle das Interviewbuch von Joseph Horowitz mit Claudio Arrau („Conversations with Arrau“) in der er ausführlich darüber spricht, wie er seinen sonoren Klang erzeugt. In dem Fall hat es auch nicht so viel mit dem Anschlag zu tun, sondern mit dem Einsatz des Körpers.

  • Allenfalls könnte man sich vorstellen, dass in Neuer Musik z.B. Tasten absichtlich mit Gegenständen, Ringen, Fingerhüten o.ä. angeschlagen werden, aber das wäre dann ein anderes Thema.

    Lustige Idee :)


    Jetzt beim ersten Lesen dieser Arbeiten scheint es so zu sein, dass die Klänge, die die MEchanik des Klavieres (ohne Saiten) erzeugt gerne mit in das Klangbild einbezogen werden. Dann scheint es so zu sein, dass mit höherer Geschwindikeit des Hammers nicht nur die Lautstärke, sondern auch der Obertonreichtum zunimmt.


    Mal eine ganz blöde Frage: .... Wenn ich zwei Wellen mit fester Frequenz habe, von denen die eine um eine halbe Wellenlänge phasenverschoben ist, müssten die sich doch auslöschen, zumindestens von der Amplitude vermindern können. (könnte ja durch die Obertöne bei mindestens zwei Tasten grundsätzlich möglich sein.) Kann sowas zufällig passieren? Das hätte ja massiven Einfluss auf den Klang? :stumm:

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  • Ich empfehle das Interviewbuch von Joseph Horowitz mit Claudio Arrau („Conversations with Arrau“) in der er ausführlich darüber spricht, wie er seinen sonoren Klang erzeugt. In dem Fall hat es auch nicht so viel mit dem Anschlag zu tun, sondern mit dem Einsatz des Körpers.

    "J.H.: Gibt es einen bestimmten Klang, den Sie auf dem Klavier hervorzubringen suchen?


    C.A.: Den Klang, den man erreicht, ohne auf das Klavier einzuschlagen. Ohne zu hämmern, denn das ist hässlich. Das bedeutet, dass der Körper entspannt sein muss und dass man das Gewicht des ganzen Oberkörpers einsetzt.

    (...)


    C.A.: (...) Es kommt darauf an, eins mit dem Instrument zu werden. Das Klavier nicht als totes Ding vor sich stehen zu haben, das man attackieren muss."


    (S. 160)


    Wenn es beim Anschlag nur um die Lautstärke ginge, wäre alles, was Arrau hier schreibt, purer Nonsense.


    Bei Emil Gilels kann man auch schön sehen, warum er diesen tollen Klang aus dem Flügel herausbekommt, weil das komplette Körpergewicht, das er einsetzt, wirklich in der Fingerkuppe landet. Auch er "attackiert" den Flügel nicht. ;) :hello:

  • Mal eine ganz blöde Frage: .... Wenn ich zwei Wellen mit fester Frequenz habe, von denen die eine um eine halbe Wellenlänge phasenverschoben ist, müssten die sich doch auslöschen, zumindestens von der Amplitude vermindern können. (könnte ja durch die Obertöne bei mindestens zwei Tasten grundsätzlich möglich sein.) Kann sowas zufällig passieren? Das hätte ja massiven Einfluss auf den Klang? :stumm:

    Ich bin da kein Fachmann, aber soweit ich weiß, schwingen Klaviersaiten wegen der nötigen Zugfestigkeit nicht "ideal" sondern mit leicht gespreizten Obertönen ("Inharmonizität"). Außerdem werden Oktaven vor allem in der oberen Hälfte üblicherweise beim Stimmen ebenfalls gespreizt. Ich vermute, dass deshalb solche negativen Interferenzen in der Praxis kaum auftreten. Ich habe sie jedenfalls noch nicht bemerkt ;).

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  • Die Frage ist halt, welche unterschiedliche Möglichkeiten der Bewegung des Hämmerchens nach Kontrollverlust durch die Taste es gibt. Wenn's nur die Geschwindigkeit ist, gibt es keine unterschiedlichen Klangfarben je Lautstärke.

    Mein Erlebnis auf der Musikmesse in Frankfurt - in Begleitung eines der besten Klavierbauer in Deutschland, der uns alles erklärt hat: Schlägt man ein Billiginstrument aus Fernost an, gibt es wirklich nur verschiedene Lautstärken. Ein Fazioli-Flügel dagegen ändert mit jeder Gewichtsveränderung der Finger seine Klangfarbe.

  • Wenn es beim Anschlag nur um die Lautstärke ginge, wäre alles, was Arrau hier schreibt, purer Nonsense.


    Du schreibst am Punkt vorbei. ChKöhn hat erklärt, dass es physikalisch unmöglich ist, ein und denselben Ton bei gleicher Lautstärke (!) und ohne Pedal (!) mit verschiedenen Klangfarben zu spielen. In der Praxis spielen Pianisten aber Kombinationen von Tönen in unterschiedlichen Lautstärken und meist auch mit Pedal (mal mehr, mal weniger). Somit ist in der Realität des Klavierspiels die Klangfarbe natürlich umfangreich gestaltbar, und sicherlich kann der körperliche Habitus beim Klavierspielen das diesbezügliche Ergebnis beeinflussen. Das ändert aber nichts daran, dass man den nackten, isolierten Einzelton bezüglich seiner Klangfarbe unter den genannten Bedingungen nicht variieren kann.


    LG :hello:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Mein Erlebnis auf der Musikmesse in Frankfurt - in Begleitung eines der besten Klavierbauer in Deutschland, der uns alles erklärt hat: Schlägt man ein Billiginstrument aus Fernost an, gibt es wirklich nur verschiedene Lautstärken. Ein Fazioli-Flügel dagegen ändert mit jeder Gewichtsveränderung der Finger seine Klangfarbe.


    Und das wurde anhand eines Einzeltons demonstriert, der mit immer gleicher Lautstärke angeschlagen worden ist?


    LG :hello:

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  • Wenn es beim Anschlag nur um die Lautstärke ginge, wäre alles, was Arrau hier schreibt, purer Nonsense.

    Nein, das wäre es nicht, denn Arrau redet hier nicht von einzelnen Tönen ohne Pedal sondern von seiner eigenen, speziellen Klaviertechnik. Die von Horowitz war diametral entgegengesetzt, und in der französischen Tradition wird bis heute fast nur aus den Fingern gespielt. Deine Autoritätsbeweise laufen also leider wieder mal ins Leere. Der Versuch, damit die Gesetze der Physik zu widerlegen, ist natürlich ohnehin zum Scheitern verurteilt. Wenn Dir dergleichen nicht grundsätzlich unmöglich wäre, könntest Du einfach zugeben, hier etwas nicht gewusst zu haben. Aber das geht natürlich nicht.


    Und das wurde anhand eines Einzeltons demonstriert, der mit immer gleicher Lautstärke angeschlagen worden ist?

    Angenommen, der Fazioli würde tatsächlich bei jeder Gewichtsveränderung seine Klangfarbe ändern, dann wäre er ein lausiges Instrument, denn dann wäre es kaum möglich, beim Spielen Dynamik und Klang unabhängig voneinander zu gestalten. Zum Glück ist das natürlich hanebüchener Unsinn. Der Klangreichtum des Faziolis resultiert gerade aus seiner breiten dynamischen Spannweite (im Vergleich zu anderen Flügeln vor allem im Diskant), die dank der hervorragenden Mechanik präzise und sicher steuerbar ist. Das ermöglicht die oben beschriebene präzise Binnendifferenzierung und damit die gezielte Klanggestaltung. Es gibt kaum einen Flügel, bei dem man so sehr den Klang bei gleicher Lautstärke variieren kann, aber eben nicht bei einzelnen Tönen! Ich habe erst vor ein paar Wochen einen (den bisher fünften) Fazioli für unsere Hochschule bestellt und ausgesucht, ich weiß wovon ich rede...

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  • Du weißt sicher wovon Du redest, aber wenn es Dir hier nur darum geht, zu beweisen, dass man beim Anschlag einzelner Töne keine unterschiedliche Klänge erzeugen kann, dann ist das doch eine völlig lebensferne Laborsituation, die ganz weit weg vom Thema ist und die offenbar nur in den Raum gestellt wurde, um einen theoretischen Kleinkrieg zu führen. Das ist für mich langweilig. Ich staune, wie wenig aufeinander gehört wird, wie sophistisch argumentiert, wie anderen völlig irrelevante Aspekte vor die Nase gehalten werden, nur darauf lauernd, dass jemand in eine Falle tappt. Ich bin raus, hier lerne ich nichts.

    Viele Grüße, Christian

  • aber wenn es Dir hier nur darum geht, zu beweisen, dass man beim Anschlag einzelner Töne keine unterschiedliche Klänge erzeugen kann, dann ist das doch eine völlig lebensferne Laborsituation, die ganz weit weg vom Thema ist

    Für mich war das eine wunderbare Erklärung zum Entstehen der Klavierfarben. Es gibt einen längeren Beitrag dazu, der für mich weder eitel war, noch in den Raum gestellt wurde, um einen Kleinkrieg zu entfachen.


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    Ich gehöre zu den Menschen, denen ein Verständnis der Technik wichtig ist. Wem das egal ist, der hat doch die Möglichkeit, einfach nichts dazu zu sagen ... oder?


    Ich hatte mir das bisher mit dem Anschlag alles etwas poetischer, aber offensichtlich an den realen Problemen vorbei, vorgestellt.

  • Du weißt sicher wovon Du redest, aber wenn es Dir hier nur darum geht, zu beweisen, dass man beim Anschlag einzelner Töne keine unterschiedliche Klänge erzeugen kann, dann ist das doch eine völlig lebensferne Laborsituation, die ganz weit weg vom Thema ist und die offenbar nur in den Raum gestellt wurde, um einen theoretischen Kleinkrieg zu führen.

    Die Frage, wie beim Klavier Klangfarben enstehen, ist für mich aus naheliegenden Gründen alles andere als "lebensfern" und schon gar nicht "theoretisch". Ich hatte den Eindruck, dass hier nicht jeder weiß, wie das genau funktioniert und habe es deshalb erklärt. Wenn Dich das nicht interessiert, wäre die einfachste Lösung, es nicht zu lesen. Ehrlich gesagt verliere ich allmählich die Lust, mich hier mit Fachwissen einzubringen, wenn ich daraufhin in solcher Weise angegangen werde.

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  • Ehrlich gesagt verliere ich allmählich die Lust, mich hier mit Fachwissen einzubringen, wenn ich daraufhin in solcher Weise angegangen werde.

    Bitte nicht die Lust verlieren. Das ist für mich alles sehr interessant, die physikalisch/technischen Aspekte sind für mich logisch nachvollziehbar, auch wenn ich bisher noch nie darüber nachgedacht habe. Aber jetzt tue ich es, also mach bitte weiter.

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

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  • Hallo Christian (Köhn),


    um in der Sache weiterzukommen:


    Ist das Erzeugen von speziellen Klangfarben am Klavier also kein mechanischer Effekt (ausgelöst durch den individuellen Tastenanschlag) sondern eine akustische Folgereaktion?


    Habe ich dich da richtig verstanden?


    Es grüßt


    Karl

  • Ist das Erzeugen von speziellen Klangfarben am Klavier also kein mechanischer Effekt (ausgelöst durch den individuellen Tastenanschlag) sondern eine akustische Folgereaktion?


    Habe ich dich da richtig verstanden?

    Es ist schon ein mechanischer Effekt, aber eben einer der durch Balancierung von Lautstärken sowie Pedaleffekte erzielt wird. Nehmen wir ein konkretes Beispiel: Beethovens c-Moll-Violinsonate beginnt mit drei oktavierten, unbegleiteten Phrasen. Wenn ich das spiele, balanciere ich die erste ausgeglichen zwischen Unter- und Oberstimme, was zu einem eher weichen, "neutralen" Klang führt. Bei der zweiten spiele ich die Oberstimme etwas mehr und die Unterstimme etwas weniger (aus harmonischen und melodischen Gründen), was dem Klang mehr Brillanz aber in der Summe dieselbe Lautstärke verleiht. Die dritte, untere Phrase spiele ich umgekehrt mit leichem Übergewicht der Bassstimme, was das Dunkle der absteigenden chromatischen Linie unterstützt, aber wiederum an der Lautstärke nichts ändert. Das alles ist allein deshalb möglich, weil ich jeweils zwei Töne gleichzeitig anschlage. Beim ersten (einzelnen) Ton aus Brahms' Klavierstück op. 118 Nr. 6 ist die einzige klangfarbliche Gestaltungsmöglchkeit das Pedal, mit dem Anschlag kann man hingegen nichts anderes als die Lautstärke kontrollieren. Ob ich bei Beethoven nun mehr aus den Fingern, aus dem Handgelenk oder aus dem ganzen Arm spiele, ist nur insofern von Bedeutung, mit welcher Technik ich die gewünschte Balance am besten herstellen kann, es verändert aber die Klangfarbe in keiner Weise unmittelbar. Bei Oktaven, also zwei gleichzeitigen Tönen, sind die Möglichkeiten zwar schon reichhaltig aber doch begrenzt, aber je mehr Töne ein Akkord beinhaltet, desto mehr klangliche Gestaltungsmöglichkeiten bekommt der Pianist, weil er auf verschiedenste Weise dynamisch binnendifferenzieren kann. Den achtstimmigen Anfangsakkord von Beethovens viertem Klavierkonzert kann man deshalb auf unendlich viele Arten spielen, bei jeweils gleicher Gesamtlautstärke. Dass die Realisierung der dann gefundenen individuellen Balancierung technisch höchst anspruchsvoll ist, liegt ja auf der Hand, und an der Stelle kommen dann die ganzen Fragen von Finger-, Handgelenk- und Armeinsatz, der Sitz und so weiter ins Spiel, ebenso Bilder wie die vom "weichen" oder "harten" Anschlag, von angeschlagenen "Glocken" usw.. Das hat aber mit den physikalischen Vorgängen, durch die beim Klavier Klangfarben enstehen, nichts zu tun sondern ermöglicht bzw. erleichtert das Finden der richtigen muskulären Einstellung, um die gewünschte Balance auch tatsächlich hinzukriegen. Holger behauptet, man könne beim einzelnen Anschlag nicht nur die Geschwindigkeit (also die Lautstärke) steuern, mit der der Hammerkopf auf die Saite trifft, sondern auch die Art, in der er das (bei jeweils gleicher Geschwindigkeit) tut, also die Klangfarbe. Das ist aufgrund der Bauweise von Klaviaturen schlicht unmöglich. Wenn er meint, mich aufgrund der Feststellung dieser unbestreitbaren Tatsache hier beleidigen zu müssen, fällt das auf ihn zurück.

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  • Hallo Christian,


    vielen Dank für die klare Feststellung:


    Zitat

    Beim ersten (einzelnen) Ton aus Brahms' Klavierstück op. 118 Nr. 6 ist die einzige klangfarbliche Gestaltungsmöglchkeit das Pedal, mit dem Anschlag kann man hingegen nichts anderes als die Lautstärke kontrollieren.

  • Noch was zum Legato:


    Katechismus des Klavierspiels

    von Hugo Riemann (3. Auflage 1905)


    S.42:

    >>Zufolge der durch unsere Phantasie vermittelten Illusion sind wir also imstande, auch die ruckweisen Einsätze der Klaviertöne als ein gleichmäßiges Forttönen, als Legato zu verstehen<<

  • vielen Dank für die klare Feststellung:

    Übrigens ist dieser Beginn von Brahms' op. 118 Nr. 6 ein gutes Beispiel, mit welchen pianistisch-technischen Mitteln man arbeiten kann bzw. muss, wenn man außer einer unbegleiteten einstimmigen Linie nichts in der Hand hat: Beim Anfangston ist wie gesagt der einzige Parameter, der sich mit dem Anschlag steuern lässt, die Lautstärke. Umso wichtiger wird die Frage, wie man das Pedal einsetzt. Hier wäre z.B. zu überlegen, ob man es nicht gegen die übliche Gepflogenheit schon vor dem ersten Ton tritt, um so dem Ton durch die ungedämpften Saiten mehr Resonanz und damit eine Art Räumlichkeit zu verleihen, die man dann im Verlauf des Tons auch mit einem langsamen Aufheben des Pedals wieder reduzieren könnte usw.. Extrem wichtig ist aber vor allem die Art der Verbindung zum zweiten (und dann zu allen weiteren) Tönen: Der erste Ton wird ja in seinem Verlauf leiser, also muss der zweite, wenn er als verbunden gehört werden soll, entsprechend schwächer angeschlagen werden, aber wie schwach genau? Die Melodie geht ja schließlich noch weiter, alle Töne verklingen zu ihrem Ende hin, man kann aber nicht einfach immer leiser spielen. Und was geschieht genau an der Verbindungsstelle der beiden Töne? Soll der erste exakt in dem Moment enden, indem der zweite angeschlagen wird, oder sollen sie zunächst leicht überlappen (Überblendeffekt)? Oder soll man sogar so weit gehen, die ganze Phrase in eine Art Pedalnebel zu tauchen? Das hätte dann wieder Konsequenzen für die Grundlautstärke und auch für das Tempo. Welche Konsequenzen haben alle diese Fragen von Klang, Legato, Pedal usw. für die agogische Gestaltung der Phrase (und umgekehrt!)? Und so weiter: Schon bei diesen wenigen Tönen gibt es eine Vielzahl gestalterischer Möglichkeiten, die in der technischen Umsetzung aber nur auf der genauen Anwendung weniger pianistischer Mittel beruhen. Die besten Pianisten schaffen es dabei, dem Hörer die Illusion zu geben, er würde ein perfektes Legato, eine kantable Linie, ein cresc. auf liegenden Tönen, einen "weichen Anschlag" usw. hören. Der Hörer muss auch nichts über die tatsächlichen Mittel wissen, sollte dann aber vielleicht auch nicht behaupten, es besser zu wissen :).

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  • Du weißt sicher wovon Du redest, aber wenn es Dir hier nur darum geht, zu beweisen, dass man beim Anschlag einzelner Töne keine unterschiedliche Klänge erzeugen kann, dann ist das doch eine völlig lebensferne Laborsituation, die ganz weit weg vom Thema ist und die offenbar nur in den Raum gestellt wurde, um einen theoretischen Kleinkrieg zu führen.

    Wie kommst Du auf diesen abwegigen Gedanken? Ich spiele seit langem Klavier, und habe nie verstanden, was ein "schöner Anschlag" sein soll. Dank ChKöhn weiß ich nun, dass damit dynamische Binnendifferenzierung gemeint ist und die sonst auftauchenden Assoziationen der Klangbeeinflussungen Humbug sein dürften. Ich nehme an, Du hast nie Klavier gespielt?

  • Zitat

    Extrem wichtig ist aber vor allem die Art der Verbindung zum zweiten (und dann zu allen weiteren) Tönen: Der erste Ton wird ja in seinem Verlauf leiser, also muss der zweite, wenn er als verbunden gehört werden soll, entsprechend schwächer angeschlagen werden, aber wie schwach genau?

    Ich muss gestehen, daß dies die Dinge sind, die man bei hochentwickelten Hifi-Anlagen heraushören kann und ich sehr schätze.

  • Dank ChKöhn weiß ich nun, dass damit dynamische Binnendifferenzierung gemeint ist und die sonst auftauchenden Assoziationen der Klangbeeinflussungen Humbug sein dürften.

    Ich würde nicht einmal behaupten, dass sie "Humbug" sind. Es kann durchaus hilfreich sein, sich einen "weichen" oder "harten" Anschlag vorzustellen, um die muskulären Verhältnisse innerhalb der Hand einzustellen. In der technischen Umsetzung geht es aber letzen Endes immer um Balance (und Pedal).

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  • Wie kommst Du auf diesen abwegigen Gedanken? Ich spiele seit langem Klavier, und habe nie verstanden, was ein "schöner Anschlag" sein soll. Dank ChKöhn weiß ich nun, dass damit dynamische Binnendifferenzierung gemeint ist und die sonst auftauchenden Assoziationen der Klangbeeinflussungen Humbug sein dürften. Ich nehme an, Du hast nie Klavier gespielt?

    Doch, schon, auch recht lange, aber natürlich nicht auf dem Niveau von ChKöhn und anderen. Ich war und bin frustriert über die Art, wie man sich hier gegenseitig vorführt. Wenn ich mich im Ton vergriffen habe sollte, bitte ich um Nachsicht.

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    Kennst Du wirklich nicht Lachenmanns "Guero" (1970)?

    =O

    https://de.wikipedia.org/wiki/Guero_(Lachenmann)

  • Kennst Du wirklich nicht Lachenmanns "Guero" (1970)?

    =O

    https://de.wikipedia.org/wiki/Guero_(Lachenmann)

    Wenn ich das noch richtig in Erinnerung habe, wird aber kein Ton normal angeschlagen, so dass das Dynamikargument von ChKöhn nicht zum tragen kommt. Aber schon witzig "Guero". Herbert Schuch hat dieses Stück auch eingespielt ....


    Bachopin schreibt da zu dem Buch


    hatte ich gelesen, dass es etwas esoterisch (den Klang nach Tastenanschlag verändern) angehaucht ist.

    Ich bin ja einer der Abstreiter, der gerne physikalische Grundlagen verstehen würde. Da wäre es schon interessant, ob das Buch die liefern könnte

  • Wenn ich das noch richtig in Erinnerung habe, wird aber kein Ton normal angeschlagen, so dass das Dynamikargument von ChKöhn nicht zum tragen kommt.

    Ich bezog mich darauf, dass er meinte, vielleicht könnte man bei moderner Musik die Geräusche, die beim Berühren der Taste durch den Finger entstehen, nutzen. Das geschieht ja bei diesem Klavier-Hauptwerk der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts ausgiebig.

  • Leider haben wir keinen Klavierbauer hier, der etwas darüber sagen könnte, welche Bewegungsabläufe die Hämmerchen haben können.

    Der Hammerkopf ist fest mit dem Hammerstiel verleimt, und dieser ist über ein Gelenk fest mit dem Tastaturrahmen verschraubt. Das Gelenk ist nur nach oben und unten beweglich. Das ganze System ist so aufgebaut, dass der Hammerkopf die Saite immer an exakt derselben Stelle trifft, diese Stelle wird vom Klavierbauer reguliert. Der Hammer bewegt sich somit immer auf derselben Bahn.


    Kennst Du wirklich nicht Lachenmanns "Guero" (1970)?

    Doch, das kenne ich, aber ich dachte eher an Geräusche als zusätzlichen Bestandteil von Tönen, nicht als deren Ersatz. Also so etwas wie das "Bartok-Pizzicato", aber eben auf dem Klavier.

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