Liebe Musikfreunde,
schon die ruhigen einsam-verträumten ersten Einführungstakte, von jeweils zwei Klarinetten und Fagotten im piano tief intoniert, nehmen mich gefangen. Die tiefen Streicher breiten die Atmosphäre behutsam aus, gefolgt von einem lang anhaltenden Ton zweier unisonospielender Hörner, der den Gesamtklang des Akkords einerseits beruhigt, durch die Klangfarbenerweiterung gleichzeitig das Interesse nach weiterer Entwicklung stärkt. Bis zum Ende des Stückes bin ich fasziniert vom musikalischen Geschehen und Spannungsaufbau, sodass ich Takt für Takt mitgehen und miterleben kann. Dies gelingt wohl insbesondere deshalb, weil es der Komponist nicht allzu schwer macht, an der Entwicklung teilzuhaben; das Stück ist meines Erachtens gut nachzuvollziehen, dabei aber keinesfalls banal oder stumpf. So kann man sich anhand dieses Stückes gut im Partitur(mit)lesen üben, da diese äußerlich ziemlich übersichtlich und einfach gestaltet wirkt. Ich besitze dafür die abgebildete Eulenburg Partitur.
Ich liebe die Tschaikowskys Fantasieouverture „Romeo und Julia“ schon seit vielen Jahren; es gehört zu den Musikstücken, die ich von meiner Jugend bis ins fortgeschrittene Alter von einigen Jahrzehnten mit gleichbleibendem Gefühl und Intensität genieße. Der Komponist schrieb die Ouverture 1869, also noch ziemlich am Anfang seiner Schaffenszeit. Er wurde dabei von seinem wenige Jahre älteren russischen Komponistenkollegen Milij Balakirev einerseits erheblich angespornt und beeinflusst, gleichzeitig von dessen Kritiken und Aufforderungen zu Änderungen etwas bedrängt, was allmählich dazu führte, sich dem zu widersetzen und sich selber zu behaupten. So ist u.A. auch das Entstehen zweier überarbeiteter Fassungen zu erklären. Die Ursprungsfassung wurde am 4. März 1870 unter Nikolaj Rubinstein in Moskau uraufgeführt, die zweite Fassung ebenfalls in Moskau am 5. Februar 1872 unter Eduard Napravnik und die dritte Fassung, 10 Jahre später umgeschrieben, am 19. April 1886 in Tiflis unter Mihail Ippolitov-Ivanov. (Über den Einfluss Balakirevs bzw. des „mächtigen Häufleins“ auf das Musikleben in Russland in dieser Zeit lohnt sich vielleicht irgendwann mal ein eigener Faden).
Tschaikowskys „Romeo und Julia“ orientiert sich natürlich an Shakespeares Werk, kann aber auch gut als vom Inhalt des Dramas losgelöste Musik genossen werden und eigene Fantasien entfalten, zumindest bei mir. Die Aufführung des Stücks dauert etwa 20 Minuten; es wird durch ein nicht sonderlich erweitertes Orchester mit Harfe gespielt.
Ich gebe zu, nicht der große Tschaikowskyfan zu sein, aber irgendetwas gefällt mir an seiner Sprache, an seinem Ausdruck sehr gut, zumindest bei einigen Orchestertücken. Gehört das hier Vorgestellte ebenfalls zu Eurem Repertoire oder eher nicht?
Gruß,
Uwe