War Beethoven ein Genie?

  • Ich mache morgen abend nochmal den ultimativen Genietest und höre mir das Klavierkonzert Nr 4 und die Chorphantasie hier im Konzertsaal an. :D


    Dieser Thread ist jedenfalls bereits ein Genie- allein die Ausgangs-Frage kan man als genial bezeichnen :]


    F.Q.

  • Ich glaube, wir müssen in Beethovens Fall auch berücksichtigen, dass er den Großteil der Musik, die er geschaffen hat, gar nicht selbst hören konnte. Ich finde es schon sehr genial, dass er Werke wie die Neunte und die letzten Streichquartette, als er wirklich stocktaub war, nur in der Vorstellung "hörte".

  • Zitat

    Original von Aquarius
    ...
    "Leute schaut einmal auf diesen kleinen Mann aus Bonn am Klavier... Dieser wird einmal die Musikwelt nachhaltig beeinflussen".
    ...


    Ob der 1,50m "große" Mozart Beethoven wirklich als "kleinen Mann" bezeichnet hätte? :D

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von Gabi
    Ich glaube, wir müssen in Beethovens Fall auch berücksichtigen, dass er den Großteil der Musik, die er geschaffen hat, gar nicht selbst hören konnte. Ich finde es schon sehr genial, dass er Werke wie die Neunte und die letzten Streichquartette, als er wirklich stocktaub war, nur in der Vorstellung "hörte".


    So unverständlich das für mich ebenfalls ist, es scheint, daß Beethoven, nach dem ersten Schock, die fortschreitende Taubheit eher als soziales denn als musikalisches Handicap empfunden hat. Und da er bis 1810-12 noch als Pianist aufgetreten ist, erst ab ca. 1818 Konversationshefte führen mußte, scheint er relativ lange noch halbwegs gehört zu haben.
    Wir haben schon mal darüber diskutiert, ich halte die Auswirkungen der Taubheit auf seine Musik für eher gering


    Beethovens Taubheit...


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ich habe da noch eine Frage an diejenigen, die sich gut mit Beethovens Werk
    auskennen (im Gegensatz zu mir :untertauch: ):


    War Beethoven immer ein Genie, oder nur zu bestimmten Zeiten?


    Der nicht unumstrittene Beethoveninterpret Glenn Gould kritisierte insbesondere
    seine mittlere Phase (banale Themen usw.; ich muss die Stelle noch mal
    heraussuchen).


    :hello:

    "Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten" Gustav Mahler

  • Naja, er wandelte sich vom Genialen zum Genie und letztlich zum Dschinny...


    Und wo liegt der Unterschied zwischen genial und banal? In der Person des Betrachters...


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Ich finde, diesen Taubheits-Bonus, den Loge schon versucht hat anzuführen, um gewisse Verhältnisse gerade zu rücken, hat Beethoven gar nicht nötig.


    Noch einmal - und Johannes weist nicht ganz zu Unrecht auf Beethovens eigenes Empfinden hin - wir wissen doch gar nicht, inwiefern diese Taubheit ein Handicap darstellt. Nicht zu vergessen, Smetanas Gehör erlosch auch zum Ende seines nicht allzu langen Lebens und er schrieb einen Großteil eines seiner besten Werke: Ma vlast.


    :hello:
    Wulf

  • Zitat

    Original von Wulf
    Ich finde, diesen Taubheits-Bonus, den Loge schon versucht hat anzuführen, um gewisse Verhältnisse gerade zu rücken, hat Beethoven gar nicht nötig.


    Lieber Wulf,


    den hat Beethoven gewiss nicht nötig. Ich wüsste aber auch nicht, wo ich derlei je angeführt haben sollte.


    Loge


  • Als es darum ging, den armen Edvard bzw. seine verrückten Anhänger in die Schranken zu weisen. Sogar in groß und in Fettdruck. :lips:


    :hello:
    Wulf

  • Ich meinte das weniger in dem Sinne, dass Beethoven es "nötig" hätte, diesen "Bonus" zu beanspruchen.


    Es kann doch aber nicht sein, dass ihn dieser Umstand nicht auch musikalisch beeinflusst hätte. Und durchaus auch gehandicapt, wenn denn die Erzählung um sein missglücktes Dirigat bei der "Fidelio"-Wiederaufnahme auch nur halbwegs stimmt.


    Natürlich gilt dasselbe auch für Smetana.


    Danke, Johannes Roehl, für den link. Da wurde ja wirklich alles schon gesagt. :]

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  • Das bestreite ich auch gar nicht. Ich habe nur in Frage gestellt, ob Taubheit automatisch ein Handicap für den Schaffensprozess ist. Wenn wir davon asgehen, daß Mozart angeblich innerhalb kurzer Zeit ganze Werke im Kopf konstruiert hat, ohne eine Note davon vernommen zu haben (ich weiß nicht, ob das wirklich historisch belegt ist --> Was sagt der Fachmann dazu? :hello: Ulli), dann frage ich mich schon, inwiefern die Taubheit ein Handicap beim Schaffen.


    Aber auch, wenn sich die Situation genau in andere Richtung herausstellen sollte, Beethoven oder Smetana tut dies sicher keinen Abbruch.


    :hello:
    Wulf

  • Ich habe mal gelesen, dass Schostakowitsch nicht einmal Lärm beim Komponieren gestört haben soll. Da drängt sich mir die interessante Frage auf, ob Komponisten (oder manche Komponisten) eher visuell komponieren als dabei die Töne im Kopf zu haben. Was sagen die Fachleute hier im Forum dazu?


    maticus

  • Zitat

    Original von Wulf
    Das bestreite ich auch gar nicht. Ich habe nur in Frage gestellt, ob Taubheit automatisch ein Handicap für den Schaffensprozess ist. Wenn wir davon asgehen, daß Mozart angeblich innerhalb kurzer Zeit ganze Werke im Kopf konstruiert hat, ohne eine Note davon vernommen zu haben (ich weiß nicht, ob das wirklich historisch belegt ist --> Was sagt der Fachmann dazu? :hello: Ulli), dann frage ich mich schon, inwiefern die Taubheit ein Handicap beim Schaffen.


    Was der Fachmann dazu sagt, weiß ich nicht. Ich schrieb einst an anderer Stelle:


    Die Kompositionsweise bei Mozart ist sehr interessant und würde den Rahmen dieses Threads hier eindeutig sprengen, doch einige wichtige Arbeitsweisen sollten im Zusammenhang mit Deiner Frage dargelegt werden. Dass Mozart ein „Kopfkomponist“ war, wird häufig als Märchen betrachtet. Als sicher kann jedoch gelten, dass Mozart viele seiner Kompositionen zunächst im Kopf erdacht [und die thematische Entwicklung weitergesponnen], dann auf dem "Clavier probiret" hat und sodann notierte er die wichtigste Partie [i. d. R. die Singstimme/n, Soloinstrumente oder die melodieführenden Instrumente] nebst dem Bass. Die „Instrumentierung“ [ich muss es hier in Anführungszeichen setzen, da sich die Bedeutung des Wortes vom 18. Jahrhundert bis heute geändert hat] führte er oft zu einem späteren Zeitpunkt aus, da die entsprechenden Werke, bei denen diese Arbeitsweise nachgewiesen werden kann, meist unter großem Zeitdruck entstanden, wie z.B. Opern, Klavierkonzerte und dergleichen. Die Bedeutung der „Instrumentierung“ bei Mozart war in jedem Falle das Ausfüllen der Fehlenden Stimmen, die ihm im Kopf bereits klar waren, wozu er jedoch wenig Zeit hatte. Ein gutes Beispiel ist das Particell des ersten Satzes des Konzertes für Bassetthorn und Orchester G-Dur KV 621b. Hier zeigt sich eben diese Arbeitsweise: Mozart hat hier von Beginn an lediglich die [melodieführende] erste Violine und den Bass notiert. Zwischendurch werden einzelne komplexere „Instrumentationen“ angedeutet, ab Einsatz des Bassetthornes gilt natürlich dies Soloinstrument als das wichtigste, die „Begleitung“ – außer natürlich dem fundamentalen Bass – tritt zurück. Wie das Ganze „fertig“ aussieht, zeigt uns dann das Klarinettenkonzert A-Dur KV 622, welches eine 1 : 1 – „Kopie“ dieses Entwurfes ist. Komplexere Phrasen, insbesondere kontrapunktische Themenkomplexe, hat Mozart auf separaten Blättern zumeist skizziert, bevor er sie in die Partitur übernommen hat. Diese Skizzen sind uns heute zum Glück erhalten geblieben, daraus lässt sich viel erfahren.


    Mozart beschreibt am 7. und 8. Oktober 1791, also kurz vor seinem Tode, dankenswerter Weise sein „Komponieren“ in einer Art, wie ich sie schöner nicht kenne:


    […]Nun meinen lebenslauf; - gleich nach Deiner Abseegelung Spielte ich mit Hr: von Mozart |: der die Oper beim Schickaneder geschrieben hat :| 2 Parthien Billard. – dann verkauffte ich um 14 duckaten meinen kleper. – dann liess ich mir durch Joseph den Primus rufen und schwarzen koffé hollen, wobey ich eine herrliche Pfeiffe toback schmauchte; dann Instrumentirte ich fast das ganze Rondó vom Stadler. […]


    Gemeint ist hier der 3. Satz [Rondo – Allegro] des Klarinettenkonzertes A-Dur KV 622.


    [...]


    Um es noch mal subsumierend darzustellen: Zu Anfang steht der musikalische Gedanke, die Idee [oder auch Ideen], Mozart entwickelte größtenteils im Kopf ein ganzes Werk, notierte sodann die wichtigsten Stimmen auf und komplettierte das Ganze in einer ruhigen Minute [nicht immer selbst], wobei es sich bei dieser Arbeit um eine Flächenfüllung handelte, deren Füllung allgemein bekannt war [was es uns heute erleichtert, so weit fortgeschrittene Fragmente, zielsicher zu ergänzen].


    Auch im w.o. verlinkten Thread [man kann das auch ruhig mal anklicken :pfeif: ] bin ich zu dem Thema bereits schriftlich tätig geworden...


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Monteverdi war ein Genie,
    Bach war ein Genie,
    Beethoven war ein Genie,
    doch der größte war Satie.


    Und sollte das nicht so sein - ich mag sie trotzdem.


    Grüße aus der Nacht Wiens.