Diese Argumentationen kenne ich zu Genüge aus Hifi-Foren. Die Frage ist, was "Objektivität" bedeutet. Wissenschaftliche Objektivität und Alltagsevidenz sind einfach zwei verschiedene Dinge. Genauso wenig, wie ich wissenschaftlich beweisen muß, dass es richtig ist, meine Frau zu lieben, gilt das für solche Hörerfahrungen. Es gibt auch "Objektivität" ohne wissenschaftliche Sanktionierung. Ganz formal ist das Kriterium das der Reproduzierbarkeit. Bei meinen Hörtests bemühe ich mich immer darum, dass die Ergebnisse für mich selbst reproduzierbar sind - da nehme ich mir schon sehr viel Zeit. Und sie sind das auch für andere - die Familienmitglieder, Freunde und viele andere die ich von meiner Forenaktivität her kenne, haben ganz ähnliche Erfahrungen gemacht und bestätigen meine Ergebnisse. Meine Erfahrungen sind also intersubjektiv vielfach bewährt. Wenn Du mit diesen speziellen Erfahrungen nichts anfangen kannst, dann ist das eben durchaus nicht repräsentativ.
Evidenz bleibt Evidenz, ob im Alltag oder in der Wissenschaft. Ich will Dir nicht Deine persönlichen Hörerfahrungen absprechen und auch nicht die Schlüsse in Frage stellen, die Du daraus gezogen hast. Aber den Erfahrungen von Dir und Deinen Freunden stehen ebenso viele Erfahrungen anderer gegenüber (von mir rede ich da gar nicht), die keinen Einfluss von Kabeln auf den Klang feststellen, dazu muss man nur in die erwähnten HiFi-Foren schauen. Somit beweisen solche Erfahrungen weder das eine noch das andere. Das Kriterium der Reproduzierbarkeit ist schön und gut, aber dabei geht es darum, dass die Ergebnisse auch für jeden anderen unter kontrollierten Bedingungen reproduzierbar sein müssen. Und das sind sie ganz offensichtlich nicht. Und selbst wenn die überwiegende Mehrzahl der HiFi-Nutzer bekunden würde, dass ein Einfluss von Kabeln auf den Klang wahrnehmbar ist, wäre das kein Beweis, solange nicht ausgeschlossen ist, dass Faktoren wie Vor-Erwartungen, gegenseitige Beeinflussung etc. die Ursache der vermeintlichen Wahrnehmung sind. Und dies lässt sich eben nur durch Blindtests ausschließen. Im übrigen müssten sich hörbare Unterschiede auch durch Ergebisse von Messungen nachweisen lassen, und zwar durch Messergebnisse, die im hörbaren Bereich liegen.
Du hast eine Behauptung aufgestellt, dass hier jegliche physikalische Begründung fehlen würde. Das ist eine dogmatische Aussage, die man begründen können sollte, sonst ist sie eben nicht mehr als eine bloß unverbindliche Meinung, der Spiegel eines subjektiven Selbstverständnisses - und nicht mehr wert als subjektive Hörerfahrungen. Ich kenne genügend naturwissenschaftlich gebildete, technisch versierte Leute, die sich mit solchen Fragen intensiv auseinandergesetzt haben und der gegenteiligen Ansicht sind. Man sollte also nicht den falschen Eindruck erwecken, dass die eigene Positition alternativlos ist und so sicher wie das Amen in der Kirche.
Stimmt, ich müsste diese Aussage begründen, aber ebenso müsstest Du Deine gegenteilige Behauptung begründen, die ansonsten genauso dogmatisch ist wie meine. Die subjektiven Hörerfahrungen von Dir und anderen sind eben keine Begründung, s.o.
Sie ist erst einmal ein Hinweis darauf, dass es hier Literatur gibt, die man zurate ziehen kann. Solange man die nicht kennt, sollte man sich mit dogmatischen Gewißheiten doch zurückhalten und vielleicht etwas mehr skeptische Berscheidenheit in eigener Sache üben.
Noch einmal: der Hinweis darauf, dass irgendwo irgendwer irgendwas zu einem Thema geschrieben hat, hat keine argumentative Kraft.
Ich habe einen Doktor in Philosophie, würde mich deshalb aber nicht in Fachdiskussionen von Mediävisten über arabischen Aristotelismus einmischen, weil ich davon so gut wie gar nichts verstehe. Nur philosophisches Grundverständnis reicht da bei weitem nicht, um mitreden zu können. Nicht jeder studierte Arzt ist befähigt, sich in Diagnosen über spezielle Therapien von Herzpatienten einzumischen, von der nur die erfahrenen und ausgewiesenen Fachleute - Kardiologen - etwas verstehen. Warum ist es nur so schwer, technisch gebildeten Menschen klar zu machen, dass es auch auf diesem Gebiet Spezialistentum gibt, wo die Beherrschung nur der physikalischen "Grundrechenarten" nicht ausreicht, um sich ein wirklich fundiertes Urteil zu erlauben.
Ich ziehe einmal einen vergleichbaren Fall zur Erläuterung heran: Viele Menschen sind davon überzeugt, dass Homöopathie eine wirksame Form medizinischer Behandlung ist. Ich würde jederzeit und jedem gegenüber die These vertreten, dass es für die Wirkung homöopathischer Arzneimittel keinerlei wissenschaftliche Grundlage gibt. Demgegenüber würden dann viele Anhänger dieser Schule argumentieren, dass derartige Mittel bei Ihnen geholfen haben. Dies würde ich nie in Frage stellen, würde aber abstreiten, dass diese Fälle eine hinreichende Evidenz darstellen, solange die Wirkungen nicht in einer methodisch einwandfreien klinischen Studie nachgewiesen wurden. Und wenn mir jemand entgegnen würde, dass ich kein Experte in diesem Bereich bin, würde ich antworten, dass mein naturwissenschaftliches Wissen sehr wohl ausreicht um zu erkennen, dass es für die behauptete Wirkungsweise homöopathischer Mittel keine Grundlage gibt.
Mehr werde ich zu dem Thema hier nicht schreiben, denn Joachim hat Recht: eine Weiterführung dieser Diskussion ist nicht sinnvoll (abgesehen davon, dass sie hier off topic ist).