Da kürzlich die Frage CD oder SACD in einem anderen Thread auftauchte, stelle ich hier nochmals einen älteren Erfahrungsbericht von mir ein. Vor zwei Jahren hatte ich die Gelegenheit, einer doch sehr aufschlussreichen Vorführung beizuwohnen, die der ehemalige Chefredakteur der Zeitschrift Stereo, Matthias Böde, leitete. Es ging um einen Klangvergleich der unterschiedlichen Formate: LP, SACD und Hifi vom PC in den verschiedenen Flac-Formaten: MP3 64kbyte, CD 16bit 44kHz, 24bit/96 kHz, 24bit/192 kHz. Das Vorführmaterial war das folgende Paket, dass Stereoplay in Zusammenarbeit mit dem hervorragenden Label Acousence herausbrachte:
http://www.acousence.de/index.…g&id=68&Itemid=83&lang=de
Acousence hat die Original-Masterbänder verwendet und die technischen Voraussetzungen geschaffen für einen reellen Vergleich. Bei Acousence befindet sich von der Aufnahme, der Bearbeitung bis hin zum Verkauf der verschiedenen Formate – man kann wahlweise ja nach Wunsch jedes auch erwerben – alles sozusagen in einer Hand. Das sorgfältig gemachte Paket ist käuflich zu erwerben für 49 Euro. So kann jeder den Test wiederholen im Selbstversuch – und die Ergebnisse des Workshops für sich ganz persönlich nachvollziehen, wenn er möchte.
Ich persönlich werde bei der CD bleiben – ich gehöre zu denjenigen altmodischen Hörern, die gerne etwas Materielles in der Hand haben mit Textbuch usw. und den flüchtigen Daten nur auf der Festplatte, die sich auch mal plötzlich in Luft auflösen können, misstraue. Ich habe aber erfahren, dass die über den Streamer verfügbaren hochauflösenden Formate deutlich besser sind. Das ist sicher ein starkes Argument – leider bietet die Industrie im Klassik-Bereich zumeist nur schnödes MP3 an – was ein Argument mehr ist, doch bei der CD zu bleiben. Auf die Zukunft darf man also gespannt sein - bislang hat immer noch die CD mit Abstand die höchsten Verkaufszahlen. Auch die SACD hat mir klanglich sehr gut gefallen – sie „soundet“ allerdings etwas. Man hört einen typischen SACD-Klang – sehr schön ist das, aber auch eine gewisse schönfärberische Note der Hifi-Realität gegenüber. Das kann man sehr gut nachvollziehen, denn die Originalformate der Acousence-Aufnahmen sind 96 kHz bzw. 192 kHz, also der absolute Maßstab – für die SACD und CD werden sie dann jeweils „heruntergerechnet“. Der verwendete SACD-Player war einer der anerkannt besten auf dem Markt, der Audionet VIP G3 (spielt SACD, CD und DVD). Würde ich morgen im Lotto gewinnen, dann wäre der Kauf (Preis 9000 Euro derzeit) sofort perfekt:
Die Vorführgeräte: Lautsprecher B&W 802 D, Plattenspieler Clearaudio Ovation (mit Tangentialtonarm), Lyra-Tonabnehmersystem, SACD-Player Audionet VIP G3, Musik-Streamer Linn Accurate DTM.
Die Vorführung begann ein sehr freundlicher und lockerer Matthias Böde mit einer Klavieraufnahme, ein Chopin-Impromptu, gespielt von Boris Bloch:
Nacheinander wurden zunächst die Formate MP3, dann 44 kHz, 96 kHz und dann 192 kHz vom Musik-Streamer gehört – dann in umgekehrter Reihenfolge. Die Eindrücke bestätigten meine eigenen Erfahrung mit verschiedenen Formaten, etwa CDs derselben Aufnahme, überspielt mit 16bit oder 20bit Technik. Das 44 kHz-Format wirkt im Vergleich deutlich „strahlender“ und im ersten Moment „einnehmender“ in den Höhen. Dagegen nimmt bei 96 kHz und 192 kHz die Körperlichkeit zu: Mitten und Bässe sind deutlich substanzreicher und die Höhen treten vornehm zurück, verlieren etwas an Glanz. MP3 wirkt flach und dünn, im Vergleich mit dem CD-Format 44 kHz unausgewogen. Präzision und Bassgenauigkeit sind eindeutig bei 192 kHz am besten. Ebenso deutlich ist, dass die Tiefenräumlichkeit bei den hochauflösenden Formaten deutlich besser ist, zudem die Sinnlichkeit und Farbigkeit zunimmt. (Die Speicherkapazitäten zum Vergleich: MP3: 2,1 Megabyte; 44 kHz: 46 Megabyte; 96 kHz: 81 Megabyte; 192 kHz: 164 Megabyte.)
Die zweite Testsequenz war der zweite Satz aus Claude Debussys impressionistisch-farbenfrohem Orchesterstück „La Mer“ , das Spiel von Wind und Wellen:
Besonders hier konnte man die qualitative Verbesserung in der Wiedergabe des Raumes nachvollziehen. 192 kHz klingt besonders weiträumig und atmosphärisch, bringt die impressionistischen Klangreize voll zur Geltung. MP3 wirkt regelrecht gedrückt. Spannend war die Vorstellung der LP: Sehr natürlich und sehr atmosphärisch. Besonders gefällt die dynamische Spielweise. Dazu die aufschlussreiche Erläuterung von Herrn Böde – die ihm Steve Johnson gab: Die „dynamische“ Spielweise der LP rührt vom Schneidstichel her: Im Messprotokoll sind die langen Striche dünn, an den Kehrpunkten dick. Die Nadel macht also eine Bewegung, die im Aufnahme-Format so nicht enthalten ist.
Und die SACD? Saftig, weiträumig, sehr sinnlich und zugleich körperlich. Im Vergleich dazu klingen die Formate über den Streamer „nüchterner“, aber auch etwas schlanker und luftiger. Die Aufnahmequalität von Acousence ist wirklich ganz ausgezeichnet, etwas für audiophile Hörer! Beim Klavier hörte sich die SACD sogar musikalischer und „saftiger“ als der Streamer (192 kHz) an, der dagegen etwas unnatürlich stumpf und trocken um Bass wirkte.
Sehr demonstrativ auch das folgende Orchesterstück von Chabrier „Espana“:
44 kHz: Im Forte die Bässe verschwommen, ein etwas dumpfes und konturloses Klangbild.
96 kHz: Mehr Luft, mehr Raum, die Bässe deutlich präziser und ein mehr atmosphärisches Klangbild.
192 kHz: Noch einmal deutlich präziser, die Streicher straffer und der Klang insgesamt dynamisch differenzierter.
SACD: Es zeigte sich, dass die SACD doch wohl etwas „hinzudichtet“. Es klingt immer etwas zu wohlig rund, zu schön, die Bässe etwas voluminöser, als sie sind. Obwohl die SACD etwas „aufbläht“, ist die Abbildung der einzelnen Instrumente aber kleiner und weniger präsent als in der Wiedergabe über den Streamer (192 khz).
LP: Sie liegt irgendwo zwischen der SACD und der Streamer-Wiedergabe. Insgesamt wirkten die Bässe flacher, es fehlte an Körperlichkeit. Herr Böde meinte, das könnte auch mit dem verwendeten Tonabnehmer von Lyra zu tun haben.
Auf den Vergleich Streamer und CD-Player wurde verzichtet, da keine annähernd baugleichen Geräte vorhanden waren.
Der Bericht erschien in der Juni-Ausgabe 2012 von „Stereo“.
Mein Fazit: Ich vergleiche die Zunahme an Klangqualität bei digitalen Formaten und digitaler Übertragung immer gerne mit einem Menschen, der wohlgenährt durchs Leben spaziert, und einem anderen, den man drei Wochen lang hat hungern lassen und der nichts mehr auf den Knochen hat. Es klingt um so flacher, dünner, substanzloser, verengter und gepresster in der räumlichen Wiedergabe, je geringer die Auflösung. Bei der in den Mitten und Bässen weniger substanzreichen Wiedergabe der geringer auflösenden Formate drängt sich der Hochtonbereich etwas vor mit Brillanz und Strahlkraft. Diese Helligkeit betört zwar spontan, wird aber erkauft durch ein insgesamt deutlich flacheres und weniger perspektivenreiches und in seiner Räumlichkeit und Dynamik eingeschränktes Klangbild.
Schöne Grüße
Holger