Das Bühnenbild war beeindruckend, keine Hütte mit nichts als einem Baumstamm, vielmehr ein festungsartiges Anwesen mit ca. 11 m hohem
Wachturm, großer Scheune und segeltuchüberdecktem Essplatz oberhalb eines Anbaus. Sieglinde (Anja Kampe) fütterte Truthähne in einer
Käfigbox, die sich später, wenn Johan Botha (Siegmund) losschmettert, erstaunlich ruhig verhielten. Hunding (Kwangchul Youn) erschien
mit Zylinder und einem auf einer Lanze aufgespießten menschlichen Kopf. Zeitlich ist das ganze wohl Mitte des 20. Jahrhunderts inzuordnen,
es gibt bereits elektrisches Licht und Eisenbahnschienen, die in die Scheune führen. Später im zweiten Aufzug wird hier offenbar Alkohol schwarz
gebrannt, dann sieht es aber wieder so aus, als ob Flüssigsprengstoff hergestellt wird. Wotan erscheint mit Rauschebart, wie ein Amish, Fricka
(Claudia Mahnke) in einer Herodias-Kostümierung. Die Todesverkündung auf freiem Feld fällt aus, Brünnhilde (Catherine Foster) erscheint
Siegmund neben der Scheune. Warum Sieglinde hier, kurz um die Ecke schon zusammenbricht und sich örtlich nicht mehr auskennt, bleibt
unklar. Der dritte Aufzug nutzt die volle Breitseite der Festung, jetzt wird dort offenbar nach Öl gebohrt. Für den Feuerzauber verschwindet
Brünnhilde in das Innere der Scheune, außen lodern auf einem riesigen Ölfass Echtflammen auf. Die ganze Anlage ist jetzt mit fremdartigen
Schriftzeichen und mit roten Fahnen versehen, den Turm schmückt ein roter Stern. Nach Amerika (Rheingold) hat es Wotan offenbar in die
russischen Weiten verschlagen. Wieder gibt es einen Kameramann; die entsprechenden Aufnahmen werden auf das Segeltuch übertragen
(aber nicht so penetrant wie im Rheingold). Insgesamt ist der bühnentechnische Aufwand beträchtlich und außerordentlich beeindruckend.
Diese Wehranlage vergisst man nicht so leicht.
Nun zur Hauptsache, wie wurde gesungen? Von gut bis vorzüglich. Wolfgang Koch hat mich etwas enttäuscht. Er ist im Charakterfach
(Alberich, Telramund u.a.) kaum zu übertreffen. Als Wotan fehlt es ihm aber an Kantabilität, die Töne werden meiner Meinung nach nicht
ausreichend gebunden, es klingt zumeist deklamatorisch. Darunter leidet nicht der zweite Aufzug, wenn Wotan auf die zeternde Fricka
antwortet oder Brünnhilde seine Probleme erläutert. Im 3. Aufzug ist Kochs Legatokultur aber nicht wirklich ausreichend, um Emotionen
hinreichend zum Ausdruck zu bringen (Simon Estes, der deklamatorisch eher schwach war, gelang es einst mit seiner italienisch geschulten
Stimme als Wotan unvergesslich zu bleiben). Koch ist eher der maßregelnde als der liebende Vater. Das Orchester zeigt es aber anders, die
väterlichen Emotionen kommen nur aus dem Orchester, nicht vom Sänger des Wotans. Der Schlussgesang „Leb wohl..“ gelang Koch
wieder gut, damit reüssieren aber selbst eher schwache Sänger. Den meisten Beifall heimste Anja Kampe als Sieglinde ein. Am Anfang schien
ihr Forte etwas rau, das besserte sich aber bald. Unvergesslich bleibt ihr gellender Schrei, wenn Siegmund fällt. Den Rysanek-Schrei (wenn
Siegmund das Schwert zieht) hört man dagegen kaum noch, auch heute nicht von Anja Kampe. Johan Botha war gesanglich großartig
mit lang und kräftig gehaltenen Wälse-Rufen und einem überzeugenden „Wälsungenblut“. Die „Winterstürme“ waren schön anzuhören,
auch wurde das Problem mit der sich grundlos öffnenden Tür inszenatorisch besser als sonst gelöst, Siegmund und Sieglinde verließen
schlichtweg das Haus und gestanden sich ihre Liebe vor dem großen Scheunentor (das Schwert befand sich dann direkt hinter dem Tor).
Catherine Fosters Brünnhilde war brilliant, schon ihr Hojotoho zu Beginn des zweiten Aufzugs beeindruckte. Die Stimme klingt in allen Lagen
rein und rund, Foster hat das nötige Volumen und in der Mittellage auch eine etwas dunkler grundierte Stimmfärbung (im Gegensatz zum
etwas einfarbig hellen Sopran von Anja Kampe). Mit diesen technischen Voraussetzungen wird sie mit der Zeit wohl auch noch stärker die
Seele der Brünnhilde bloßlegen können (zum Beispiel in der Todesverkündung).Den Gesamtklang der Walküren fand ich etwas inhomogen,
um das Wort grell zu vermeiden. Von Claudia Mahnke als Fricka habe ich wenig mitbekommen, das liegt aber wohl weniger an der Sängerin
als an der undankbaren Rolle. Kwangchul Youn war ein tadelloser Hunding.
Der Dirigent des Abends Kiril Petrenko wurde wieder sehr gefeiert. Das Orchester klang heute voluminöser, vielleicht ist es auch die Gewöhnung
an den Bayreuther Schalldeckel, wahrscheinlich aber eher auch das Faktum, dass in der Walküre große Sängerinnen und Sänger viel Schönes zu
singen haben und vom gedeckelten Orchesterklang ablenken. Die Akustik des Hauses lässt es sogar zu, dass die Sänger aus dem Hintergrund
oder auch aus großer Höhe gut verständlich bleiben. Noch etwas zur Bestuhlung, das Theater ist vollgequetscht. Man sitzt sehr eng auf- und
nebeneinander, die Rückenlehne ist steil und endet bereits knapp oberhalb der Lendenwirbelsäule. Da die Sitzreihen amphitheaterartig ansteigen,
sieht man von überall gut. In den langen Pausen von knapp einer Stunde jeweils hat man Zeit, sich den Rücken zu ertüchtigen. Nach den
Aktschlüssen und am Ende ist der Beifall stets rauschend, aber relativ kurz, jeden drängt es aus den Sitzreihen hinaus. Montag folgt Siegfried.