Diese Musik strotzt nur so vor Selbstbewusstsein. Alles, was an der Symphonia domestica von Anfang an bemängelt wurde, kann auch zu ihren Gunsten ausgelegt werden. Einer der ersten und prominentesten Kritiker war der französische Schriftsteller und Weltbürger Romain Rolland. Sein Einwand nach der Uraufführung 1904, Strauss habe sich wieder nur mit der eigenen Person beschäftigt, geistert seither durch die Literatur und hat auch Eingang ins Booklet zu einer Einspielung unter Marek Janowski gefunden.
Sie ist beim Label Pentatone erschienen, einem Zusammenschluss von Deutschlandradio Kultur, Rundfunk-Sinfonieorchester und Rundfunkchor Berlin. Übrigens hatte Strauss auf den Einwand von Rolland sehr gelassen reagiert: „Ich sehe nicht ein, warum ich keine Sinfonie auf mich machen sollte. Ich finde mich ebenso interessant wie Napoleon und Alexander." Beide Sätze sind in die Musikgeschichte eingegangen. Strauss gewährte mit dem Werk tatsächlich Einblicke in seine Familienleben, eine Art musikalische Homestory, wie sie heutzutage gern in Zeitungen und im Fernsehen angeboten werden. Insofern empfinde ich dieses Werk als durchaus modern und zeitgemäß. Als Arbeitstitel ist "Mein Heim. Ein sinfonisches Selbst- und Familienporträt" überliefert." Alle Mitwirkenden sind mit einem eigenen Thema versehen. Der Komponist widmete die Symphonia seiner "lieben Frau und unserem Jungen". Dazu passt das wunderbare Foto der Familie auf dem Cover. Es dürfte um 1905 entstanden sein und gleicht in Arrangement und Kolorit einem Jugendstilkunstwerk. Rolland riet Strauss brieflich, das Werk doch ohne Programm aufzuführen. Darauf entgegnete Strauss, wer "wirklich Musik zu hören verstehe, brauche es wahrscheinlich gar nicht". Im Booklet ist das alles nachzulesen. Strauss dürfte Recht behalten haben. Vom ursprünglichen Drum und Dran ist nur mehr der Titel übrig geblieben. Die Musikwissenschaft rümpft gelegentlich noch immer die Nase. Ungeachtet dessen setzte sich das Stück durch, erscheint regelmäßig auf Konzertprogrammen und wurde oft eingespielt. Kaum ein Dirigent hat einen Bogen darum geschlagen, selbst Furtwängler nicht. Aktuell sind viel mehr als zwanzig verschiedene Einspielungen auf dem Markt.
Nun also die von Janowski geleitete Produktion. Seine Interpretation empfiehlt sich allein schon durch das betörende Klangbild. So schön kann Musik von der CD klingen – wenn es denn eine so genannte Hybrid Multichannel SACD ist. Bei diesem Aufnahmeverfahren wird eine höhere digitale Auflösung des Audiosignals verwendet als bei der herkömmlichen Audio-CD. Das Ergebnis ist noch genauer, noch detailreicher, noch differenzierter. Für die Klangfarben von Strauss nahezu ideal. Nur ersetzt auch das ausgebuffteste technische Verfahren nicht den Mann am Pult und sein Orchester, das ebenfalls aus Menschen besteht. Sie müssen sich aber darüber im Klaren sein, was möglich ist bei der Aufnahme. Janowski spart nicht mit Pathos, poltert, wo es etwas zu poltern gibt, kann ironisch sein und kostet die idyllischen Momente genüsslich aus. Unter seinen Händen gerät das Stück zu blankem Genuss mit Suchtfaktor.
Das Werk enstand zwischen 1902 und 1903 in Berlin, wo Strauss als Hofkapellmeister wirkte. Es trägt die Opuszahl 53. Uraufgeführt wurde die Symphonia domestica am 31. März 1904 in der New Yorker Carnegie Hall. Die Leistung hatte der Komponist. Den Rahmen gab ein ihm gewidmetes Festival ab.
Gruß Rheingold