Überlieferte Stoffe und ihre Bearbeitung in Opern

  • Überlieferte Stoffe und ihre Bearbeitung in Opern am Beispiel von


    L’Orfeo, Orphée et Euridice (Orfeo ed Euridice, L’Anima del Filosofo, u.a.


    Da ich mich zur Zeit etwas intensiver mit der Geschichte von Orpheus und Eurydike beschäftige, fiel mir auf, daß sich alle Komponisten und Librettisten, die das Thema aufgriffen, von der ursprünglichen Fassung des Publius Ovidius Naso entfernen.

    Wir glauben alle, die Geschichte zu kennen, aber die wenigsten dürften sie im Original bzw. in deutscher Übersetzung gelesen haben. Meine erste Bekanntschaft mit dem Stoff machte ich in frühester Jugend durch ein Buch mit antiken Sagen, das natürlich angepasst war an die minderjährige Leserschaft. Später lernte ich die Opern von Monteverdi und Gluck wie auch die Operette von Offenbach auf der Bühne kennen. Insgesamt ist der Stoff über 50 mal vertont worden – aber alle stellen das weitere Schicksal des Orpheus (und der Eurydike) jeweils vollkommen unterschiedlich dar.


    Bei Monterverdi’s L’Orfeo endet die Oper damit, dass Orfeo nach dem endgültigen Verlust der geliebten Eurydike beschließt, fortan keiner Frau mehr seine Liebe zu schenken. Um den Schmerz zu lindern, steigt sein Vater Apollo auf die Erde herab und nimmt Orpheus zu sich in die himmlischen Gefilde.


    Gluck hingegen wollte ein Happy-End für das Paar. Um einen Selbstmord Orpheus‘ zu verhindern, erweckt Gott Amor Eurydike nochmals zum Leben und die Oper endet mit einer Lobpreisung Amors und aller Götter. Ähnlich endet Orfeo ed Euridice von Ferdinando Bertoni.


    Haydn sieht weder Happy-End noch Himmelfahrt vor, sondern Orpheus lässt sich von den Bacchantinnen einen Giftbecher reichen, durch den er Erlösung findet.


    Carl Orff läßt seinen Orpheus verzweifelt alleine weiterleben, ähnlich wie in der jugendfreien Sagendarstellung, in der die Geschichte sinngemäß wie bei „google“ beschrieben endet: Zitat „Als sie schon das Licht sahen, drehte sich Orpheus aus Angst, sie sei nicht hinter ihm, doch nach ihr um. In diesem Moment wurde Eurydike für immer von Orpheus genommen. Er konnte niemanden mehr umstimmen, sie war nun auf ewig verloren. Fortan mied er die Frauen und zog sich aus der Welt zurück.“


    Die Frage lautet in dem Fall natürlich: was passierte nun nach der misslungenen Befreiung der Euridyke wirklich und was steht nun im Original?

    (Ovid: Metamorphosen, Buch X, Verse 1 – 105, unten Verse 79-85)


    … omnemque refugerat Orpheus

    femineam Venerem, seu quod male cesserat illi,
    sive fidem dederat; multas tamen ardor habebat
    iungere se vati, multae doluere repulsae.
    ille etiam Thracum populis fuit auctor amorem
    in teneros transferre mares citraque iuventam

    aetatis breve ver et primos carpere flores.

    … Und es hatte der weiblichen Liebe

    Orpheus gänzlich entsagt, sei's, weil sein Leid sie gewesen,

    Sei's, weil Treu' er gelobt. Doch sich zu ergeben dem Sänger

    War gar manche bereit; gar manche beklagte Verschmähung.

    Er gab Vorbild auch den thrakischen Stämmen, dem zarten
    Männergeschlecht in Liebe zu nahn und die Blüte der Jugend

    Und den vergänglichen Lenz vor dem Jünglingsalter zu pflücken.

    Fazit:

    Opern wie auch Jugendbücher wurden geschrieben, um ein bestimmtes Publikum zu erreichen bzw. ein interessiertes Publikum nicht vor den Kopf zu stossen.


    Ergo:

    Das Thema Homosexualität passte und passt immer noch nicht zum Bild eines positiven oder tragischen Helden und wird einfach nie erwähnt. Entweder enden alle mir bekannten musikalischen Werke zu diesem Thema in einem heteronormativen Eheglück oder im von außen herbeigeführten Tod bzw. in fortwährendem Leiden bis zum natürlichen Tod.


    Die ältere Opernliteratur kennt viele Stoffe, die sozusagen "weichgespült" auf die Bühne kommen, besonders wenn es um nicht der Norm ensprechende Liebe und Begehren geht.

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo


  • Der Mohr von Venedig


    Die Geschichte des Mohren von Venedig geht zurück auf Ereignisse aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts. Der Mann, der als Gouverneur der Republik Venedig 1505 nach Zypern zog, war jedoch kein Schwarzer, also kein Mohr.


    Er hieß Cristofalo Moro und wurde vom Rat der Republik Venedig nach Zypern geschickt um die Insel gegen den Sultan zu verteidigen. Nach drei Jahren, nach dem Tod seiner Frau, kehrte er zurück, bärtig und mit seltsamem Verhalten. Aus dem Capitano namens Moro machte die Sage dann sehr schnell einen Mohren, der als Befehlshaber von Zypern angeblich seine Frau aus Eifersucht ermordet hat.


    Beruhend auf diesen Erzählungen schrieb Giraldi Cinthio in der Novellensammlung "Hecatomithi" die 27. (von hundert Novellen) über eine sehr tapferen Mohren, der sich in den Kriegen der Republik Venedig großes Ansehen erworben hatte und sich mit Disdemona, gegen den Willen ihrer Eltern verheiratete.


    Cinthios Novelle ist 1584 von Gabriel Chapuis ins Französische übertragen worden, und von dort ins Englische. Shakespeare hat, nach allem, was wir von ihm wissen, sicher nicht die italienische Novelle gelesen, sondern eine unbekannte englische Bearbeitung. Dass er den in der Novelle außer Desdemona auch den anderen Personen Namen gab, ist für einen Dramatiker selbstverständlich.


    Da in letzter Zeit die Bedeutung des Begriffs „Mohr“ wiederholt falsch ausgelegt wurde, ist eine Klarstellung erforderlich.

    In Shakepeares „The Moor of Venice“ wird Othello an keiner Stelle als Schwarzer beschrieben. Das Wort Moor bzw. moorish bedeutete ebenso im Französischen maure wie im Italienischen moro eigentlich nichts anderes, als dass die Person aus dem Maghreb kam und einem der Nordafrikanischen Berbervölker angehörte und dementsprechend fremd bzw. exotisch aussah, aber eben nicht schwarz. Dazu mehr im englischen Wikipedia.


    Die ganze Diskusion um „Blackfacing“ ist also eigentlich überflüssig. Othello ist kein Schwarzer und die Opernfreunde sollten der Tatsache ins Auge sehen, dass Jon Vickers und Mario Del Monaco fälschlicherweise schwarz geschminkt wurden.




    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Die Vorlage für Janaceks "Totenhaus" ist der Bericht "Aus einem Totenhaus" von Dostojewski, der selbst in einem sibirischen Lager war und darüber ein Buch geschrieben hat. Janacek hat es kondensiert und verändert, aber mit seiner Musik noch intensiver dem Leser/Hörer nahegebracht!

    Was ist der Unterschied zwischen der SPD und der Titanic? Die SPD kann den Eisberg jetzt schon sehen!

  • Lieber Dr.Pingel,


    ich habe schon in meiner Schulzeit und auch später fast alle Romane von Dostojewski regelrecht "verschlungen". Die "Aufzeichnungen aus einem Toten Hause" sind die einzigen, die ich mir erst vor geringer Zeit zugelegt habe. Ich habe da bisher nur einen Teil gelesen und bin irgendwann aus zeitlichen Gründen davon abgekommen. Zwar besitze ich auch eine Inszenierung von Janacek, kann aber den Vergleich mit dem Roman noch nicht ziehen. Dein Beitrag hat mich aber dazu angeregt, den Roman wieder "aus der Versenkung zu heben"


    Liebe Grüße

    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Die ganze Diskusion um „Blackfacing“ ist also eigentlich überflüssig. Othello ist kein Schwarzer und die Opernfreunde sollten der Tatsache ins Auge sehen, dass Jon Vickers und Mario Del Monaco fälschlicherweise schwarz geschminkt wurden.

    Es geht ja nicht nur um Vickers oder Del Monaco und auch nicht um "Blackfacing. Wer Dir folgt, müsste zu dem Schluss kommen, dass die gesamte Rezeptions- und Forschungsgeschichte um Otello - ob nun Verdi oder Shakespeare und wer noch - umgeschrieben werden müsste. Hier Francesco Tamagno, der erste Otello Verdis:


    tamagno-otello-detalle.jpg?w=742

    In Shakepeares „The Moor of Venice“ wird Othello an keiner Stelle als Schwarzer beschrieben.

    Dann hätte also auch der renommierte Shakespeare-Übersetzer Frank Günther unrecht. Schon in der ersten Szene des Ersten Aktes wird Otello durch Jago auf das Übelste wegen seiner dunklen Hautfarbe als Mohr und falschlicherweise auch als Schwarzer beim Vater von Desdemona, Brabantio, angezählt.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Dann hätte also auch der renommierte Shakespeare-Übersetzer Frank Günther unrecht.


    Hat er wohl, weil Moor(e) eben nicht bedeutet, dass Othello ein Schwarzafrikaner war, sondern, wenn man es genau nimmt, dass er ein Angehöriger eines der maghrebinischen Berberstämme war.

    Auch wenn ein Mohr im Deutschen mit einem (sorry für den Ausdruck) Neger gleichgesetzt wird, ist die Bedeutung in anderen Sprachen eine andere:


    1. z.B. italienisch: mòro, attributo, in origine, degli abitanti della Mauretania ... e in particolare dei musulmanni (Quelle: Il dizionario della lingua italiana, G. Devoto/G.C. Oli, 1990, Firenze)


    2. oder in Advanced learner's dictionary of current English (1963, Oxford): Moor, member of the Arab peoples who live in NW Africa

    3. oder im Petit Larousse (Paris,1963); maure, adj. De l'ancienne Mauritanie, Maures, nom donné par les Carthaginois aus Berbères.

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Hat er wohl, weil Moor(e) eben nicht bedeutet, dass Othello ein Schwarzafrikaner war, sondern, wenn man es genau nimmt, dass er ein Angehöriger eines der maghrebinischen Berberstämme war.

    Auch wenn ein Mohr im Deutschen mit einem (sorry für den Ausdruck) Neger gleichgesetzt wird, i

    Es war nicht meine Absicht, Dich von Deiner Auslegung abzubringen. Für die bist nur Du verantwortlich. Ich lasse Dir auch Deine Kritik an Frank Günther, der sich geirrt haben soll. Ich kenne keine Quelle, die behauptet, Otello sei ein Schwarzafrikaner gewesen. Das war es nicht. Er war ein Mohr, was Du nun auch so siehst. Das ist der Unterschied. Und aus dieses Darstellung entwickelt sich die Tragödie im Drama und in der Oper. Heute wird das - auch aus Unwissen - oft durcheinandergebracht. Außerdem verlangt es die politische Korrektheit, dass keine weißhäutigen Menschen mehr dunkel geschminkt wird. Das will ich auch nicht infrage stellen. Es ist nun mal so.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Außerdem verlangt es die politische Korrektheit, dass keine weißhäutigen Menschen mehr dunkel geschminkt wird.

    Perscheid hat einmal mehr zu einem Thema "gesagt" was hier zu sagen ist.

    Gutmenschen sind nun mal von Dummheit geprägt. Aber die Realität lässt sich nicht wegpinseln oder wegbeten.

    Und man sollte sich von diesen Weltverbesserern kein Vorschriften machen lassen


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    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....




  • Von der namenlosen Tochter zur "Femme Fatale"


    SALOME


    Erstmals erwähnt wurde die Tochter der Herodias ohne ihren Namen zu nennen in zwei Evangelien in den Abschnitten über "Das Ende Johannes des Täufers" , in Matthäus 14,6-11 und Markus 6,22 -28


    Aus der Verbindung der Herodias mit Herodes Boethos, nicht zu verwechseln mit ihrem zweiten Eheman Herodes Antipas, ging eine Tochter (* um 8 n. Chr.) hervor, die durch Eheschließung später (ab 54 n. Chr.) Königin in Kleinarmenien wurde.

    Der Mönch Isidor von Pelusium benennt die Tochter der Herodias gegen Anfang des 5. Jahrhunderts dann in einem Brief erstmals konkret mit dem Namen Salome.

    Ihre Spur verliert sich für die nächsten Jahrunderte im Dunkel von allgemeinem Desinteresse an ihrer Persönlichkeit und in Legenden. Dazu "The Legend of Salome: And the Principle of Art for Art's Sake" von Helen Grace Zagona, 1960.


    Erst ab Mitte des 15. Jahrhunderts wurde Salome zu einem für Künstler interessanten Thema, zuerst durch den Maler Benozzo Gozzoli (Tanz der Salome, um 1461), später u.a. auch Tizian, von Stuck und vor allem Aubrey Beardsley, desen Illustrationen zu Oscar Wildes "Salome" unsere Vorstellung der Person Salomes bis heute entscheidend prägten.

    Datei:Beardsley apotheose.jpg – Wikipedia


    In der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts wurde Salome zur Ikone eines neuen Frauenbildes, einer femme fatale der Décadenceliteratur und zur schillernden Verkörperung neuer Optionen der weiblichen Identität.


    Literarisch wurde der Salome-Stoff seitdem mehrmals verarbeitet, z.B. durch Gustave Flauberts "Hérodias", 1877; Jules Laforgues "Salomé" in "Moralités légendaires", 1877; Stéphane Mallarmés "Hérodiade" und seine "Scène de Hérodiade"; Oscar Wildes "Salomé", 1891; Eugenio de Castros "Salomé", 1896


    In die Musik fand Salome Eingang durch:

    Alessandro Stradella – San Giovanni Battista, Rom 1675

    Johann Joseph Fux – La fede sacrilega nella morte del Precursor S. Giovanni Battista, Wien 1714

    Jules Massenet – Oper Hérodiade, Brüssel 1881

    Richard Strauss – Oper Salome, Dresden 1905

    Antoine Mariotte – Oper Salomé, Lyon 1908.


    Bekannt sind heute vor allem die Opern von Massenet und Richard Strauss.


    Massenets Oper basiert auf der Geschichte von Gustave Flaubert und das Libretto wurde von Paul Milliet und Henri Grémont verfasst. Hérodiade (Herodias) fordert ihren Mann Hérode (Herodes) auf, Jean (Johannes der Täufer) hinrichten zulassen, da er schlecht über sie geredet habe. Herodias hatte in früheren Jahren ihr Kind Salomé verlassen um Herodes Antipas zu folgen. Sie sieht in der ihr inzwischen erwachsenen Salome, welche in Herodiade nicht die Mutter wiedererkennt, eine Rivalin um die Zuneigung ihres Gatten, der die junge Frau begehrt Salome liebt aber den Propheten Jean. Im Gegensatz zur Strauss-Oper wird diese Liebe auch von Jean schlußendlich erwidert. Salomé bittet bei Hérodiade um Gnade für den Propheten, was diese jedoch ablehnt. In ihrer Wut will Salome Hérodiade umbringen. Als sie dann in ihr die Mutter erkennt, von der sie als Kind verlassen wurde, tötet sie sich selbst.


    Die Novelle von Flaubert war auch die Vorlage für das Drama von Oscar Wilde.

    Wilde verfasste seinen Text 1891 ursprünglich in französischer Sprache (Zitat aus einem Brief an Goncourt: „Français de sympathie, je suis Irlandais de race, et les Anglais m’ont condamné á parler le langage de Shakespeare“) Erst drei Jahre später erfolgte ein Übersetzung ins Englische. 1896 fand in Paris die Uraufführung mit Sarah Bernhardt in der Titelrolle statt. Das Stück sorgte in England für einen Skandal und wurde zeitweise verboten, erst 1931 gab es die englische Erstaufführung.


    Der Wiener Dichter Anton Lindner Anton Lindner machte Richard Strauss 1901 den Vorschlag, aus Wildes Drama ein Libretto zu erstellen. Strauss entschloss sich, das Libretto selbst zu gestalten. Dabei griff er auf die Übersetzung der Salomé aus dem Französischen von Hedwig Lachmann von 1903 zurück. Er ließ den Wortlaut weitgehend unverändert, nahm jedoch zahlreiche musikalisch-dramaturgisch bedingte Kürzungen und Umstellungen vor.

    Das Libretto der Oper ist hauptsächlich eine Textvorlage, es gibt nur eine kurze Anweisung zum Bühnenbild, zu den Personen und zum Handlungsablauf gibt es nur ganz selten Angaben. Daher ist es möglich, die Figuren der Oper ziemlich frei zu gestalten: Salome ist übrigens nicht als junges Mädchen charakterisiert (oft wird verlangt, sie müsse eine 14-16jährige darstellen, obwohl das von Strauss an keiner Stelle verlangt wird und die historische Salome zum Zeitpunkt der Enthauptung Johannes des Täufers zwischen 22 und 28 Jahren alt gewesen sein muss, nur 16 Jahre jünger als ihre Mutter. Im Gesangstext hingegen gibt es Hinweise zur Gestaltung, wie die mehrfache Erwähnung des Mondes, die Beschreibung der Haare und des Körpers des Jochanaan.


    Am 5. Juli 1905, kurz nach Vollendung der Salome Partitur und noch vor der Uraufführung teilte Strauss seinem Verleger Adolf Fürstner brieflich mit, dass er persönlich eine französische Fassung seiner neuen Komposition erstellen wolle. Seine Bearbeitung werde die vorhandene Orchestrierung beibehalten, iedoch die Gesangslinie so verändern, dass sie zum französischem Originaltext Wildes passe. Am selben Tag schickte Strauss einen Brief an seinen Freund Romain Rolland, in dem er ihn um Hilfe bei dem Projekt bat und seine Vorstellungen erläuterte. Ich kann diese Arbeit keinem Übersetzer anvertrauen, sondern möchte gern Wildes Origineltext erhalten und die Phrasierung der Musik dem französischen Text anpassen...“


    In den folgenden Monaten kam es zu einem lebhalten Briefwechsel zwischen Strauss und Rolland, in dessen Verlauf Strauss eine Vielzahl von Gründen dafür angibt, warum er dieses schwierige und zeitraubende Projekt auf sich nehme. Er hatte das eher unrealistische Beürfnis, zu beweisen, dass eine Oper zur Aufführung in einer anderen Sprache immer nur vom Komponisten selbst bearbeitet werden sollte. Es muß eine richtige französische Oper werden, keine Übersetzung“. Strauss vollendete im September 1905 seine französische Version, die 1907 in Paris und Brüssel aufgeführt wurde. Danach wurde es stiil um die französische Salomé. 1909 stimmte er einer „nouvelle édition“ zu. Diese bearbeitete eine freie Rückübersetzung des Textes von Hedwig Lachmann ins Französische, damit sie wieder zur Gesangspartitur der deutschen Urfassung passte.


    Zwischen 1902 und 1906 arbeitete Antoine Mariotte in Frankreich an einer Salome-Komposition, ebenfalls basierend auf Oscar Wildes Drama. Erst nachdem die Komposition beinahe abgeschlossen war, erfuhr Mariotte von Strauss’ zeitgleich entstandener Oper. Im Januar 1906 bat Mariotte Wildes Nachlassverwalter Charles Russell um die Aufführungsrechte, die allerdings unerschwinglich teuer waren. Im Frühling 1906 erfuhr Mariotte, dass Strauss’ Verleger Adolph Fürstner inzwischen die Exklusivrechte an dem Libretto erworben hatte. Nach der Uraufführung von Strauss’ Salome beschloss Mariotte, sich direkt an Strauss zu wenden. Er erklärte ihm die Lage und bat ihn um eine Genehmigung für seine eigene Oper. Strauss gestattete Ende Mai eine beliebige Anzahl von Aufführungen, woraufhin Mariotte sein Werk an der Opéra de Lyon unterbringen konnte. Im September untersagte Fürstner jedoch die Lyoner Aufführungen. Erst am 26. November lenkte Fürstner ein und gestattete die nun für den Herbst 1908 angesetzte Produktion in Lyon – allerdings unter der Bedingung, dass Strauss 40 Prozent der Einkünfte und Fürstner selbst weitere 10 Prozent erhalten sollte. Außerdem sollte Mariotte nach Abschluss der Aufführungsreihe das gesamte Aufführungsmaterial zur Vernichtung abliefern. Mariotte willigte ein. Unter den Namen „Le Cas Strauss-Mariotte“ oder „L’Affaire Salomé“ ging der Konflikt, der dem Ansehen Strauss‘ in Frankreich sehr geschadet hatte, in die Musikgeschichte ein. 1910 und als Wiederaufnahme 1911 wurde Mariottes Salomé auch in Paris gespielt. 1919 gab es eine Neuinszenierung mit Wiederaufnahme 1920. 2005 war die deutsche Erstaufführung in Neustrelitz.


    Heinrich Heine: „Salome liebte Johannes den Täufer. Es ist nicht anders zu erklären. Welche Frau will den Kopf eines Mannes, den sie nicht liebt.“

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Erst ab Mitte des 15. Jahrhunderts wurde Salome zu einem für Künstler interessanten Thema, zuerst durch den Maler Benozzo Gozzoli (Tanz der Salome, um 1461), später u.a. auch Tizian, von Stuck und vor allem Aubrey Beardsley, desen Illustrationen zu Oscar Wildes "Salome" unsere Vorstellung der Person Salomes bis heute entscheidend prägten.

    Hier würde ich unbedingt noch Gustave Moreau erwähnen, der Salome mehrfach gemalt hat:


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    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

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  • Lieber Orfeo,

    danke für die Salome-Recherchen. Ich habe etliches lesen dürfen, was mir bisher nicht bekannt war. Gerne würde ich auch die Vertonung eines anderen Komponisten erleben, auch Oscar Wildes Schauspiel würde mich interessieren. Warum? Weil schon das Libretto der Strauss-Vertonung einen außerordentlichen religiös (Szene der 5 Juden und der 2 Nazarener) wie erotisch (Beschreibung der Körperteile des Jochanaan und damit den Grund für ihre sexuelle Erregung) geprägten Teil aufweist und letztlich auch Szenen aus dem Ehealltag von Herodes und Herodias beschreibt, die voller Ironie und Komik strotzen und keinesfalls heutigen Ehegesprächen entsprechen dürften

    Und letztlich ist es die Musik von Strauss, die Sprünge zwischen fast atonalen Ausbrüchen und zartester Melodik innerhalb weniger Takte zulassen wie selten eine andere Oper.

    La Roche

    PS - habe gerade einige Ausschnitte einer Inszenierung des Wilde-Dramas von H. Schröck (Ort?) angesehen und finde, daß bei der Beschreibung und dem damit begründeten Wunsch nach Berührung von Jochanaans Leib, seinen Haaren und seinem Mund sowie dem anschließenden Fluch allein die Sprache nicht das ausdrücken kann, was Sprache gemeinsam durch die Musik vermag. Ohne die Musik von Strauss fehlt ein maßgebliches Element.

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.





  • Mythos Troja. Ein Pasticcio


    Prolog

    Man könnte sagen, dass Schuld an allem ein Zickenkrieg war unter drei Damen im Olymp: Hera, Pallas Athene und Aphrodite, die sich nicht einigen können, wer von ihnen die Schönste sei. Schließlich bestellen sie Paris, den attraktiven Sohn des trojanischen Königs Priamos, zum Schiedsrichter. Der allerdings erweist sich als bestechlich. Hera verspricht ihm Macht, Pallas Athene stellt ihm eine glänzende Karriere als Feldherr in Aussicht. Aber Paris überreicht den goldenen Apfel der Liebesgöttin Aphrodite, nicht weil er sie für die Schönste hält, sondern weil sie ihn mit dem Versprechen auf höchste Sinnenfreuden mit der schönsten Frau der Welt lockt.


    Paris segelt also gen Sparta, um dort die schöne Helena, Ehefrau des Spartaner-Königs Menelaos zu entführen.

    Hier nun setzt Glucks Oper über Paris und Helena ein. Um die Oper im sittenstrengen Wien der Kaiserin Maria Theresia auf die Bühne bringen zu können, mussten Gluck und sein Librettist alle allzu drastischen Momente der Geschichte abmildern. Insbesondere durfte Helena nicht als Ehefrau, sondern nur als Verlobte des Menelaos dargestellt werden, denn Ehebruch, ohne dass die Strafe auf dem Fuß folgt, wäre der Zensur zum Opfer gefallen.

    Am Ende dann, nach vier langen Akten der Brautwerbung, besteigen Paris und Helena das Schiff und segeln gen Troja.


    Handlung

    Die Verärgerung des Menelaos ist verständlich. Er berät sich mit seinem Bruder Agammemnon, und die beiden rufen die verbündeten Griechen zum Rachefeldzug gegen Troja auf. Die Griechen sammeln sich zur Abreise in der Hafenstadt Aulis und warten auf günstige Winde für die Überfahrt nach Kleinasien. Doch die Götter und einige Göttinen sind dem Unternehmen nicht wohl gesonnen, denn Agammemnon hat ausversehentlich die weiße Hirschkuh der Jagdgöttin Artemis erlegt, und nun verlangt diese Wiedergutmachung. Der Feldherr soll seine Tochter Iphigenie opfern, erst dann werden sich das Meer und die Winde wieder beruhigen.


    Agammemnon ist anfangs entsetzt, beugt sich aber der Forderung. Mutter Klytemnästra tobt, Achill will seine Braut retten, aber Iphigenie ist bereit, sich opfern zu lassen. Artemis verzichtet großmütig auf das Blutopfer. Wind kommt auf, und der Kriegszug gegen Troja kann beginnen. Iphigenie begegnet den Opernfreunden dann später wieder als Priesterin bei den Taurern.


    Der Krieg beginnt, und bei den Trojanern werden bsld Stimmen laut, man solle die schöne Helena wieder nach Sparta zurückschicken. Selbst Hektor, der Bruder des Paris, ist dieser Ansicht, woraufhin zusätzlich zum Krieg um die Stadt im Königspalast ein Streit innerhalb der Familie ausgetragen wird. Bei dem zeitgenössischen englischen Komponisten Michael Tippett hört sich das dann so an:


    Nach zehn Jahren Krieg belagern die Griechen Troja immer noch und viele der großen Helden sind mittlerweile tot: Patroklos, der Freund des Achilleus wurde von Hektor erschlagen, Hektor selbst fiel im Kampf mit Achill, Paris wiederum rächte den Tod seines Bruders und durchbohrte Achilleus mit einem Giftpfeil die Ferse. Ajax, der Kampfgefährte des Odysseus, verfiel dem Wahnsinn und stürzte sich in sein Schwert. Und Paris schließlich wurde während eines Ausfalls gegen die Griechen getötet. Ein Ende ist auch nach diesen zehn Jahren nicht abzusehen, bis eines Tages ein riesiges hölzernes Pferd am Meeresufer steht und weit und breit kein Grieche mehr zu sehen ist. Die Warnungen der Seherin Kassandra verhallen ungehört. Im Triumpfzug wird das Pferd in die Stadt gezogen.


    Das Pferd ist eine Falle. Die Griechen hatten sich nur hinter eine Landzunge zurückgezogen, und im Bauch des hölzernen Monstrums hatten sich Odysseus und seine Leute versteckt, die nun, im Dunkel der Nacht die Tore der Stadt öffneten. Niemand sollte dem Gemetzel entkommen. Nur einem glückte die Flucht: mit seinem Vater auf dem Rücken verließ Äneas die brennende Stadt. Nach langen Irrfahrten gelangte er an die Küste Karthagos, dem Reich der Königin Dido. Die beiden verlieben sich, doch am Ende obsiegt sein Pflichtbewußtsein: Äneas nimmt Abschied und besteigt sein Schiff, während Dido ihr Leben beendet.


    Epilog

    Der Trojanische Krieg ist zwar zu Ende, aber die Geschichte geht noch weiter. Die Griechen nämlich, die zehn Jahre lang die Gunst der Götter auf ihrer Seite hatten, haben den Olymp jetzt gegen sich. Agammemnon, Odysseus und andere Gefährten werden wegen Schändung der trojanischen Tempel bestraft. Am schlimmsten trifft es Agammemnon, der, als er nach Hause zurückkehrt, vom Liebhaber seiner Ehefrau erschlagen wird. Es ist der Beginn einer Familientragödie, die sich noch über mehrere Generationen hinzieht.


    Odysseus hat mehr Glück, auch wenn er zwanzig Jahre über das Mittelmeer irrt und nicht nach Hause findet. Die Irrfahrten führen ihn zum einäugigen Riesen Polyphem, seine Gefährten werden von der Zauberin Circe in Schweine verwandelt, er widersteht dem Gesang der Sirenen, und lebt dann sieben Jahre lang mit der Nymphe Kalypso zusammen. Schließlich kann er nach vielen Jahren in seiner Heimat Ithaka an Land gehen. Als Bettler verkleidet betritt er seinen Palast und kann gerade noch rechtzeitig unerkannt die Werber um seine Gattin Penelope ausschalten. Erst dann gibt er sich ihr zu erkennen.

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Da der Clip oben für Kassandra sich anscheinend nicht direkt verlinken lässt, hier zwei Beispiele mit Anna Caterina Antonacci bzw. Jessye Norman in "La prise de Troie".




    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Pelléas et Melisande


    Hier nur als Hinweis, weil ich gerade mit anderen Dingen beschäftigt bin; es ist auch nur ein kleiner Bericht.

    Vor vielen Jahren hatte das Moerser Schlosstheater (ein Kammertheater) einen sehr guten Ruf. Als sie Maeterlincks Pelléas im Programm hatten, habe ich es mir angesehen und war sehr beeindruckt. Aber trotzdem hatte ich Probleme: bei den gesprochenen Texten fiel mir dauernd (nicht immer) die Musik von Debussy ein. Irgendwie war ich unbefriedigt, obwohl ja weder der Autor noch die Schauspieler etwas dafür konnte. Der nächste Abend (!): die legendäre Pelléas-Inszenierung in Düsseldorf. Da war dann alles wieder in Ordnung. Für mich auch ein Beweis, dass Oper tiefer ergreifen kann als Theater.

    Was auch heißt, dass es mir bei den Theater-Vorlagen von Jenufa (Preissova), Katja Kabanowa (Ostrowski, Das Gewitter) und der Sache Makropulos (Capek) wahrscheinlich genauso wie beim Pelléas gehen würde. Als Ausnahme würde bei mir "Aus einem Totenhaus" gelten, denn ich habe den "Roman" von Dostojewski sehr aufmerksam gelesen, der auch abseits von Janacek sein Gewicht hat. Allerdings muss man auch bewundern, wie Janacek dieses Buch bearbeitet hat, von der Komposition mal abgesehen.

    P.S. Ich sehe gerade, dass LaRoche in #11 das gleiche bei der "Salome" festgestellt hat.

    Was ist der Unterschied zwischen der SPD und der Titanic? Die SPD kann den Eisberg jetzt schon sehen!