Vivica Genaux & Lawrence Zazzo - Baroque Gender Stories
Musik von Galuppi, Händel, Hasse, Lampugnani, Porpora, Traetta &Wagenseil Lautten Compagney, Wolfgang Kratschner
Schaut man über den bizarren Titel hinaus kann man hier ein interessantes Konzept entdecken. Das Programm besteht aus Arien und Duetten, die in der einen oder anderen Form Geschlechterfluktuation zum Ausdruck bringt.. Wir sind natürlich mit der Verwendung von Mezzosopranen in den großen männlichen Rollen vertraut, die einst von Kastraten übernommen wurden, aber vielleicht weniger vertraut ist für viele die Tatsache, dass auch weibliche Rollen von Kastraten gesungen wurden. (Dies galt insbesondere für Rom, und zwar aus dem einfachen Grund, dass während des größten Teils der Operngeschichte des Barock ein päpstlicher Erlass es Frauen unmöglich machte, auf der römischen Bühne aufzutreten, wie wir ja breits wissen.) Mit Metastasios "Siroe" handelt es sich um eine solche Oper, Galuppis Vertonung von Metastasios Libretto (1726), die 1754 in Rom uraufgeführt wurde, mit dem Kastraten Giovanni Belardi in der Rolle der Primadonna Emira. Und hier beginnt auch das Spiel mit den Geschlechtern, denn die Cavatina im dritten Akt für Emira >(eine Einfügung in Metastasios Text)< wird von Vivica Genaux gesungen, nicht so, wie man es von Zazzo erwartet hätte, obwohl in dem großartigen Duett singt Lawrence Zazzo, dann die Emira und Genaux den Siroe.
Neben den Galuppi gibt es weitere Vertonungen von Emiras Cavatina, jeweils auf einen anderen Text, von Wagenseil, dessen Siroe 1748 in Wien entstand, und von Traetta, dessen Version für München aus dem Jahr 1767 stammt. In beiden wurde die Emira von einer Frau gesungen, im Fall der Traetta von der großen Regina Mingotti. Hier wird das Stück, eine an den Vater der Heldin gerichtete Tour de Force Arie "Che furia, che mostro" hier hervorragend von Vivica Genaux gesungen. Im Fall des eher zahmen Wegenseils wird der Siroe von Zazzo gesungen.
Es gibt auch Auszüge aus dem Siroe von Hasse und Händel, deren beide Ouvertüren enthalten sind, während ein weiteres Metastasio-Libretto, das für Semiramide riconosciuta, die Grundlage für zwei Vertonungen von Giovanni Lampugnani für Rom im Jahr 1741 und Mailand im Jahr 1762 bildet Porporas herausragende Version für Neapel von 1739. Dies wird hier durch das bezaubernde Siciliano "Il pastor se torna aprile“ repräsentiert, das von Genaux mit elegantem Charme gesungen wird. Lampugnanis römische Version enthielt offensichtlich einen weiteren Kastraten in der Rolle der Heldin Tamiri, das fließende "Tu mi disprezzi“, hier dargestellt durch Zazzo, dessen Gesang hier im Programm durchaus musikalisch ist, dem es aber leider etwas an Individualität mangelt. Beide Sänger haben eine Tendenz zur Variation der Gesangslinie, es handelt sich um eine Lösung zur Variation der Wiederholung, die ihre Anhänger hat, auch wenn sie von der zeitgenössischen Praxis nicht unterstützt wird und hier zu einer mMn eigensinnigen Kontrolle in einigen der extravaganteren Gesten führt, insbesondere im Fall von Zazzo, dessen Ton in der oberen Lage leicht nervös wirkt. Genaux ist in dieser Hinsicht besser und bringt auch einige umwerfende Koloraturen und präzise artikulierte Passagen hervor, wobei Orlandos „Nel profondo“ aus Vivaldis Orlando furioso (1727) ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist.
Noch zu Zazzo und Genaux, er singt Amastres wehmütiges "Cagion son io“ aus Händels Serse und Bradamantes wütendes "È gelosia“ ausHändels Alcina, beides weibliche Charaktere, die als Männer verkleidet sind und ich kann mir nicht vorstellen, dass der Countertenor diese Rollen nicht auf der Bühne spielen wird oder gespielt hat.Genaux‘ Dialog mit sanften Hirtenflöten und Hörnern in Semiramides "Il pastor se torna aprile“ aus Porporas Version, die 1739 in Neapel wiederaufgenommen wurde ist wunderschön, gegenübergestellt. Was ich schon über Metastasios Drama Siroe, re di Persia sagte, bildet es einen roten Faden im gesamten Verlauf der Aufnahme und Zazzos pathetischer Gesang als gefangener Held in Händels Fassung (1728) wird wiedermal fantastisch von im dargeboten, also, er ist sehr unterschiedlich zu bewerten. Diese Beispiele sind im Kontext neben viel weniger bekannter Musik zu hören.
Wolfgang Katschner und Lautten Compagney sorgen für eine schlanke, gekonnt ausbalancierte und scharfsinnige Unterstützung. Clevere künstlerische Zusammenstellung bedeutet, dass jede Hälfte mit einer beeindruckenden Ouvertüre beginnt und in einem fesselnden Duett gipfelt, das eine Reihe lebhaft kontrastierender Musikstile, Orchesterfarben, Geschwindigkeiten und Stimmungen umfasst.
LG Fiesco