Rias-Kammerchor setzt "Israel in Egypt" ab

  • Der Rias-Kammerchor hat das Programm seines Neujahrskonzerts am 1. Januar 2024 in der Berliner Philharmonie geändert. Händels Oratorium "Israel in Egypt" wurde abgesetzt. Chordirektor Bernhard Heß und Chefdirigent begründen die Entscheidung auf der Webseite des Ensembles in gendergerechter Sprache so: "Die Welt ist in Unruhe. Der russische Angriff auf die Ukraine dauert an und fordert Tag für Tag Opfer. Auch der Krieg im Nahen Osten findet kein Ende und bringt unendliches Leid über Zivilist*innen auf allen Seiten. Und dies sind nur zwei von zahllosen kriegerischen Auseinandersetzungen, die auf dem Globus toben. Im Oratorium Israel in Egypt gibt es eine einseitige und alles erobernde Macht, die vor allem durch den Chor repräsentiert wird. Diese Darstellung, auch wenn sie dem Alten Testament entstammt, halten wir angesichts der aktuellen Situation nicht für angemessen, um unsere Besucher*innen und uns auf ein neues Jahr feierlich einzustimmen. Vielmehr ist es uns ein Anliegen, das Jahr mit einer Bitte um Frieden zu beginnen.


    Wünschet Jerusalem Frieden! …Es möge Friede sein in deinen Mauern.

    So ist es in Psalm 122 zu lesen, mit dessen Vertonung das Neujahrskonzert beginnt. Jerusalem, die Heilige Stadt für Jüdinnen und Juden, Muslim*innen und Christ*innen gleichermaßen. Fanatismus, Antisemitismus und Hass haben noch nie zu friedlichem Zusammenleben beigetragen. Wir wollen uns jedoch die Hoffnung auf ein Miteinander geprägt von Respekt, Toleranz und gegenseitiger Achtung nicht nehmen lassen."



    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • "Friede über Israel" (Schlusschor aus Bachs Kantate BWV 34) hätte gepasst. Das erklingt aber mitnichten nach der Programmänderung, stattdessen das Magnificat.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Im Oratorium Israel in Egypt gibt es eine einseitige und alles erobernde Macht, die vor allem durch den Chor repräsentiert wird. Diese Darstellung, auch wenn sie dem Alten Testament entstammt, halten wir angesichts der aktuellen Situation nicht für angemessen, um unsere Besucher*innen und uns auf ein neues Jahr feierlich einzustimmen.

    Würden sich denn viele Ägypter in ihrem Ägyptertum beleidigt fühlen, wenn das Werk zur Aufführung kommt? Die koptischen Ägypter vermutlich eh nicht. Die muslimischen Ägypter haben in dieser Frühgeschichte auch keine Aktien. Wie viele pharaonisch-royalistischen Ägypter wird es geben, die man damit beleidigen kann? Und warum sollten alle verbleibenden anderen Berliner ein Problem mit dem Werk haben?

    Nie wieder ist jetzt! Hier sehe ich ängstliches einknicken und Unbehagen vor dem Wort Israel.

    Er hat Jehova gesagt!

  • Dann sind ja wohl zu Ostern Matthäuspassion und Johannespassion dran, denn das ist ja Antisemitismus in reinster Form, auch wenn man neuerdings immer "Jüden" statt "Juden" singt. So ganz abwegig ist es nicht, denn die Tendenz bei Josephus wie in den Evangelien ist tatsächlich die, die Römer reinzuwaschen (Pilatus: ich finde keine Schuld an ihm) und Sadduzäer und Pharisäer zu beschuldigen.

    Ich bin gespannt, wie das weitergeht.

    Canada is the US running by the Swiss (Richard Ford)

  • Es wird immer deutlicher, dass sich eine Art von Kulturabbruch entwickelt. Die Argumentation der "Absager" ist weit von klarem Denken und sach-logischer Argumentation entfernt, ist geleitet von einer hypertrophen Emotionalität.

    Oder es ist die nackte Angst vor der Berliner Antisemitengang, deren Zahl ja Legion ist und sich von der arabisch geprägten Sonnenallee bis in die Foyers und Hörsäle diverser Berliner Hochschulen zieht? Angst davor, dass diese verblendet-bösartige Antisemiten-Gang sich mit blutrot beschmierten Händen in den Konzertsaal setzt und bis zum Affektkrampf ihren postkolonialistischen Israel-Hasser-Müll rausbrüllt?

    In beiden Fällen wird Kultur geopfert, werden zeitgeistige Denkmuster Kunstwerken übergestülpt, deren Entstehungszeit von unserem gegenwärtigen Zeitgeist nichts ahnen konnte. Traurig.


    Grüße

    Garaguly

  • Man kann es ja verstehen, wenn man sich die Schönheit europäischer Kathedralen, die strahlende Größe von Händels und Bachs Musik, das Erhabene der bildenden Kunst des Abendlands vergegenwärtigt: Der Neid und Hass all derer, die sich davon ausgeschlossen sehen (weil aus ihrer Perspektive jeweils „blasphemisch“ oder „patriarchalisch“) und im Schatten all dessen leben muss groß sein. Zugleich gilt ja: Die Einladung in diese Welt steht jedem offen - die Unmündigkeit ist, wie Kant sehr treffend bemerkte, selbstverschuldet.


    Gutes Hören

    Christian Hasiewicz

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Der Neid und Hass all derer, die sich davon ausgeschlossen sehen (weil aus ihrer Perspektive jeweils „blasphemisch“ oder „patriarchalisch“) und im Schatten all dessen leben muss groß sein.

    Ob der Neid und Hass unserer Tage tatsächlich darher rührt, dass sich Angehörige eines anderen, teilweise übrigens auch hochentwickelten Kulturkreises von der Erhabenheit und Schönheit unserer Kirchen, Musik und Kunst ausgeschlossen fühlen, wage ich doch sehr zu bezweifeln. Der Kontext war bei Kant gewiss ein anderer, würde ich mal behaupten, ohne das Zitat zu kennen.


    Viele Grüße

    Christian

  • Man wird sich also darauf einzustellen haben, dass es in nächster Zeit noch viele solche Programmänderungen wird geben. Oder aber, bestimmte Werke werden gar nicht erst auf die Spielpläne gesetzt. Ich weiß nicht, was problematischer ist.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Was vom Statement des RIAS-Kammerchors in Erinnerung bleibt:

    [...] Jüdinnen*Juden [...] Karteninhaber:innen [...] Freund:innen [...]

    In diesen Zeiten ist eine gut aufgestellte Klassiksammlung der Garant, von solch fragwürdigen Entwicklungen unabhängig zu bleiben. Dann eben keine Live-Konzerte mehr.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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